Aus ihrem Kopf heraus konstruiren sie sich ihre Gesellschaft. S o muß sie werden, und nicht anders. Lappalien, wie die Produktion die Grundlage des gesellschaftlichen Lebens, gehen sie nichts an. Alle Gesetze abschaffen, das ist die Hauptsache. Wohin sie damit kommen, hat ihnen Grottkau trefflich gezeigt, und fast jedes Wort, das der große Anarchist dagegen vorbrachte, war eine neue Blamage. Grottkau hatte nachgewiesen, daß wenn die Arbeitsmittel den autono- men Gruppen gehören, die schreiendste Ungerechtigkeit, bitterer Konkur- renzkampf:c. die nothwendige Folge sein werden. O nein, antwortet Most,die Arbeitsmittel, welche die einzelnen Organisationen erhalten, bleiben nach wie vor Eigenthum der Gesellschaft." ....Die Gesellschaft als solche behält sich obendrein vor, in dem Moment, wo ein kleiner Theil sich gegen die Ge- sellschast auslehnen will s!), diese betrügen, brandschatzen, monopolistisch in die Schranken zu treten gedenkt, dieser Organisation die Flügel zu stutzen." Welche Anarchie!Die Gesellschaft.... behält sich vor." Wer ist denn die Gesellschaft, diesich vorbehält?" Vertretungskörper gibt es nicht, es gibt ja nur autonome Gruppen, denen die Gesellschaft" gar nichts zu sagen hat. DieseGesellschaft" schwebt in der Luft, ist ein Begriff, aber keine Realität, sonst ist's mit der Anarchie vorbei. Aber fast noch schöner als die Gesellschaft, die sich vorbehält, ist die Gesammtheit, gegen die ein kleiner Theil sich auflehnt." Ein konsequenter Anarchist, und es gibt Leute, die in dieser Beziehung wenigstens das Menschenmögliche leisten, ein konsequenter Anarchist würde aus der Haut fahren, wenn er das hörte. Der kleine Theil muß das Recht haben, sich aufzulehnen, sonst ist die ganze Anarchie eine hohle Nuß. Aber was kümmert das Herrn Most, der so radikal ist, dieSolidarität für M as s e n- T y r a n n e i" sS. 38) zu erklären? Er dekretirt viel- mehr:Sollte nun wirklich der Fall svon Mißbrauch derzugestandenen Rechte" auch eine sehr bedenkliche Redensart für einen Anarchisten!) vorkommen, nun ja, dann wird Gewalt thätig eingreifen müssen!"(S. 29.) Welche Konfusion!Absolute Freiheit des Individuums", aber G e- w a l t, von der Majorität gegen die Minoriät ausgeübt! .präs osla il taut tirer l'öchelle I Gegen solche Leistungen kommt Niemand auf! Zum Schluß fehlt natürlich nicht die obligate Selbstverherrlichung. Nie ward ein Genie so verkannt, so ungerecht angegriffen als Ich, der große, einzig konsequente Hans! Und mit der Selbstverherrlichung verbindet sich, um sie noch wirksamer zu machen, die schamloseste Verleumdung seiner Gegner: unserer Partei und vor Allem des Sozialdemokrat". Herr Most mag sich beruhigen. Ihm soll Gerechtigkeit werden. Seine Verdienste um die Arbeiterbewegung seit Erlaß des Sozialistengesetzes sollen in's rechte Licht gestellt werden. Wir wissen, daß es der Mehrzahl unserer Leser nicht angenehm ist, wenn sich derSozialdemokrat" mit diesem Thema befaßt. Sie mögen aber nicht vergessen, daß unser Blatt nicht nur in Deutschland   gelesen wird, sondern auch im Ausland, und daß wir unsern Genossen im Aus- land über gewiffe Dinge Aufklärung schuldig sind. Wir müssen sie in den Stand setzen, auf die mit eherner Stirne kolportirten Lügen zu antworten. Nicht unser Belieben, sondern das Bedürfniß entscheidet. Seit einiger Zeit werden wir von Genossen in Amerika   wiederholt ersucht, über diese oder jene Behauptung der Anarchisten Ausklärung zu geben. Wir halten uns nachgerade für verpflichtet, diesen Bitten nach- zugeben, und wenn das Thema auch nicht gerade sehr erquicklich ist, so soll es wenigstens unser Bestreben sein, es so kurzweilig als möglich zu behandeln. Der Held desselben hat ja neben seinen sonstigen Eigenschaften zum Glück auch die, Außerordentliches zu leisten auf dem Gebiet unfrei- williger Komik. Sozialpolitische Rundschau. Zürich  , 30. Juli 1884. Harmonischer Abschluß. Die Gründung des famosen Verein zur Wahrung der wirthschastlichen Interessen von Handel und Gewerbe", von der die meisten unserer Leser schon in der Tagespresse gelesen haben werden, kann gewissermaßen als Zeichen dafür gelten, daß eine Epoche in der Geschichte des zweiten Kaiserreichs in Deutschland   zu Ende geht, die man am besten mitder lustige Krieg oder thu' mir nichts und ich thue dir auch nichts!" bezeichnet. Wir meinen die Epoche des Bismarck  'schen Kampfes wider das ausbeuterische Kapital", ein Kampf, in dem bekanntlich sehr viel Pulver verpufft und infolge- dessen dem Publikum sehr viel Dampf vorgemacht wurde, in dem aber nicht ein einziger ernsthafter Schuß gefallen ist. Nun können die Herren von derschweren" Artillerie, die Wagner, Stöcker und Kon- sorten wieder abziehen und friedlich ihren früheren Berufsgeschäften nachgehen: der Eine als Jugendbelehrer, der Andere als Judenbekehrer u. s. w. Jetzt besorgen andere Leute Bismarck's   Geschäfte. Man lese nur die Liste der Gründer und Mitglieder des unter Seinem aller­höchsten Schutze von Seinem Leibjuden Bleichröder   zusammen- getrommelten Vereins. Da prangen die Namen der b e r ü h m t e st e n Gründer aus der berühmten Gründerepoche der siebziger Jahre, da figuriren die Schutzzöllner des Rheinlandes neben de» Freihändlern von Berlin   und Hamburg   natürlich nur die großen, der Troß der kleinen Leute hat andächtig zu schweigen vor der Majestät so g e w i ch- tiger Interessen. Die Eis-nbarone sind mit den erlangten Schutz- zöllen zufrieden, sie wissen, daß wenn sie mehr verlangen, sie den Appetit anderer Leute in fataler Weise wecken könnten, und die großen Handels- Herren haben sich überzeugt, daß sie beimäßigen" Schutzzöllen immer noch gute Geschäfte machen können. Daß und warum die Börse von vornherein für die Schutzzöllnerei schwärmte, haben wir wiederholt nachgewiesen. So haben sie denn ihren Frieden geschloffen, um ihre gemeinsamen Interessen um so besser wahren zu können, natürlich nur ihre w irth- s ch a f t l, ch e n. Von politischen Zwecken ist gar keine Rede. Es «st purer Zufall, daß die Gründung dieses Vereins mit den krampf- haften Versuchen Bismarcks und seiner Offiziösen zusammenfällt, dem Nationalliberalismus zu einem neuenAufschwung" zu verhelfen, purer Zufall, daß die nationalliberale Presse demVerein mit dem langen Namen" begeisterte Artikel widmet, die Gelder, welche die Herren Millionäre zusammenbringen, haben absolut keinen andern Zweck, als die Beamten des neuen Vereins für ihre Mühen und Auslagen zu entschädigen. Daß als Geschäftsführer des Vereins gerade Herr Rüssel, Direktor des blutigsten Gründerinstituts: der Berliner   Diskontogesell- s ch a s t figurirt, desselben Instituts, das in den Zeiten der goldnen Aera des Nationalliberalismus sich den Führer dieser Partei, Herrn M i q u e l, zur Wahrung seiner wirthschastlichen Interessen kaufte, ist auch nur ein seltsames Spiel des an schnurrigen Einfällen so reichen GottesZufall". Beileibe kein Charakteristikum. Sie haben sich wieder gesunden, die sich dereinst so arg befehdeten, und entdeckt, daß sie im Grunde nie aufgehört hatten, sich zu lieben; ist es ja eine allbekannte Erfahrung, daß was sich liebt, sich auch neckt. Jetzt werden sie nicht mehr an die Fragen denken, die sie trennen, sondern an die, die sie einigen. Kampf, heroischer Kampf gegen alle Angriffe aus die gemeinsamen Interessen von Handel und Ge- werbe, und Unterstützung von allem, was ihre Interessen zu fördern vermag. Da ist zunächst die Dampfersubvention, da sind Kolonial- gründungen kurzum eine Reihe vonhöheren" Zwecken, an denen sie sich Alle ohne Unterschied der Rasse und des Berufes betheiligen können, denn ob sie Bankdirektoren oder Hüttenbesitzer, Fabrikanten oder Rheder, Schnapsbrenner oder Schafzüchter, Juden oder Christen sind, sie glauben alle an einen Gott, und der heißt: Profit. Die großen Industrien", heißt es in einem Artikel der gut national- liberalenAllgemeinen",welche von Anfang an am eifrigsten für die Erhöhung der Schutzzölle eintraten, sind befriedigt und haben an der weiteren Ausdehnung des Systems kein Interesse mehr. Andrerseits hat der Handelsstand einsehen lernen, daß die düsteren Prophezeihungen der sreihändlerischen Theoretiker(die Herren vom Handelsstand sind eben auch in erster Reihe Praktiker, und lassen die Theorie nur so lange gelten, als sie ihnen etwas einbringt, Profit abwirft. Die Red.) jedes Grundes entbehrten. So finden sich denn die Herren jetzt zur Vertre- tung ihrer gemeinsamen Interessen zusammen. Die großen Erfolge des Zentralverbands deutscher Industrieller haben ja sattsam bewiesen, einer- seits wie unentbehrlich heutzutage eine lebhafte Agitation ist, um im Interesse gewisser Bestrebungen einen Einfluß auf die Gesetzgebung zu gewinnen, und andrerseits von wie großem Werthe für solche Bestre- bungen eine enge Fühlung mit der Regierung ist. Der neue Verein, in welchem außer den hervorragenderen Mit- gliedern des Zentralverbandes(bisherige Organisatton der Schutzzöllnerei. D. Red.) und des Handelstages(früher Mund- stück der Freihändler. D. Red.) zunächst nur wenig andereGrößen", gewissermaßen nur der Dekoration halber, ihren Platz gefunden haben, zeigt bereits in seinen ersten Schritten, daß er die Situation vollkommen zu würdigen versteht. Wer agitiren will, braucht dazu Geld und noch- mals Geld und zum dritten Male Geld. Und wer bei uns mit Sicher- heit etwas Greisbares errreichen will, thut wohl, sich an die stärkste Macht im Staate, die Regierung, anzulehnen." Das ist der Zweck des neuen Vereins, und daß sich die Herren in Bismarck   nicht getäuscht, zeigt seine Haltung auf der Londoner Konferenz, wo er zu den lebhaftesten Vertheidigern der Interessen das Wort hier in seinem zweideutigsten Sinne genommen der egyptischen Bond- holders(Schuldtitelbesitzer) gehört. DerAnwalt des kleinen Mannes" ist todt, es lebe der Anwalt der großen Rentiers! Wie ein Christlich-Sozialer dieverjüdelte" Wissenschaft wieder verchri st licht. So trist und langweilig die Christlich-Sozialen in ihren politischen und namentlich in ihren reli- giösen Kapuzinerpredigten sind, so erheiternd wirken sie, wenn sie als gesetzte, ernste Leute/ wissenschaftliche Entdeckungen zum Besten geben. Eine solche Blüthe lustiger Wissenschaftlichkeit finden wir in einer der neuesten Nummer desChristlich-sozialen Korrespondenzblattes"(Nr. 30 vom 23. Juli), und wir glauben, ein Unrecht gegen unsere Leser zu be- gehen, wenn wir sie an dem Hochgenuß, den uns das Lesen dieser wissen- schaftlichen Erörterung bereitet, nicht wenigstens in etwas theilnehmen ließen. Arbeits- und Kapitalswerth" ist diese Blüthe betitelt. Ein sehr inter- essantes und zeitgemäßes Thema. Hören wir also die neue christlich-soziale Botschaft. Der wirthschaftliche Werth einer Arbeit, einer persönlichen Dienst- leistung oder irgend einer Sache richtet sich nach dem dafür verlangten, beziehentlich bezahlten Preis!" Ist das nicht eine großartige, eine himmlische Entdeckung? Bisher war die sündige Menschheit in dem Wahn besangen, der Preis einerSache" richte sich nach ihrem wirthschastlichen Werth, oszillire um denselben; nun aber erfahren wir von einem Erleuchteten des HErrn, daß der Preis es ist, der den Werth bestimmt. Wenn Meyer Hirsch für einen Shoddyrock öv Mk. verlangt und Christian Glaubensstark so dumm ist, ihm diesen Preis zu zahlen, so repräsentirt nach der neuen Theorie der Shoddyrock einenwirthschaft- lichen Werth" von 50 Mk., wie ein Taufakt, für den Hofprediger Stöcker 100 Mk. verlangt, beziehungsweise bezahlt bekommt, einenwirthschaft- lichen Werth" von 100 Mk. repräsentirt. Und wenn ein Arbeiter für 12-stündige Arbeit einen Preis von 2 Mk. oder noch weniger erhält, so unterstehe er sich ja nicht, zu murren, sie repräsentirt eben keinen höhe- renwirthschastlichen Werth"! Nicht wahr, eine wunderbare Theorie! Wenn nun der Werth sich nach dem Preis richtet, so entsteht naturgemäß die Frage, wodurch denn dieser bestimmt wird. Unser erleuchteter National- ökonom fährt daher fort: Wenn auch dieser Preis immer nach Ort und Zeit ein verschiedener sein wird, so wird er sich aber für einen bestimmten Ort und für eine bestimmte Zeit durch Angebot und Nachfrage allgemein giltig feststellen lassen." Mit anderen Worten: Der Werth wird durch den Preis bestimmt und dieser durch Angebot und Nachfrage. Angebot und Nach- frage sind somit maßgebend für denwirthschastlichen Werth einer Arbeit" w. ic. Ja, wie ist mir denn?" höre ich da den Leser ausrufen,das ist ja doch die Theorie des wirthschastlichen Liberalismus!" Ei freilich, guter Freund, das ist die Lehre desöden",herzlosen",antisozialen",jüdi- schen" Manchesterthums, rund und nett, wie sie ein Faucher nicht platter ausdrücken konnte. Ein göttlicher Nationalökonom, nicht wahr? Leider mangelt uns der Raum, unsern Lesern den vollen Genuß seiner gottgesegneten Weisheit zukommen zu lassen. Nur eine kostbare Stelle wollen wir noch herausheben. Sie handelt von demAntheil, den beide, Arbeit und Kapital, an der Hervorbringung der Produkte ihrer beider- seitigen Thättgkeit haben." Das Kapital ist danach nicht Mittel zur Arbeit und zur Ausbeutung der Arbeit, sondern es ist selbstthätig, esarbeitet auch". Andererseits aber", heißt es gegen den Schluß,würden die Kapitale gerne arbeiten, wenn nur immer Arbeit vorhanden wäre." Dies zur Einleitung. Die Stelle selbst lautet: Nicht zu verkennen ist jedoch, daß Fälle eintreten, bei welchen das verwandte Kapital fast allein den Werth bestimn.t, und daß die ver- brauchte Arbeitskraft nur einen untergeordneten Rang einnimmt, wäh- rend anderntheils wieder die Arbeit vorherrschen kann, und sonach preis- bestimmend auftritt. Zu ersteren gehört das Ausmünzen der edlen Metalle zu Gold(muß Geld heißen, offenbar ein Druckfehler), zu den andern dürfte das Anfertigen der vorher erwähnten feinen Spitzen durch Klöppeln zu rechnen sein." Welch' himmlische Konfusion! Nicht nur werden hier Preis und Werth wieder schlankweg durcheinandergeworfen, der Gelehrte desChristlich- sozialen Korrespondenzblattes" macht auch den ihm zweifelsohne durch Offenbarung eingegebenen gottvollen Witz bei kühler Ueberleg- ung hätte er ihn sicher unterlaffen daß er die Arbeit den Preis, das Kapital aber den Werth bestimmen läßt, und zwar obendrein das in Rohmaterial angelegte. Daß Rohmaterial selbst wieder Produkt ist, und daß der Arbeitsprozeß darin besteht, daß ihm durch menschliche Arbeit ein neuer Werth zugesetzt wird, davon hat der gute Mann natürlich keine Ahnung. Und so fährt er denn fort: Hieraus ergibt sich die Ungerechtigkeit, welche(welcher Stil!) dem Kapital das gleiche Recht einräumt, sich in den ausschließlichen Besitz des Produktes, zu dem es das Rohmaterial und die Arbeitsgeräthschaften geliefert hat, zu setzen und über dasselbe ein freies Verfügungsrecht aus- zuüben." Hieraus, das heißt aus der Thatsache, daß bald das Kapital, bald die Arbeitwerth- oder preisbestimmend" je nach dem Werth oder Preis des Rohmaterials auftritt, ergibt sich natürlich gar nichts, denn der Arbeiter erhält ja im P r e i s(Lohn) für seine Arbeitsleistung den Werth derselben, wie unser Gelehrter in der Einleitung seines Artikels so schön ausgeführt. Aber man verlange von einem Manne Gottes Alles, nur keine Logik! Und so lassen wir ihn denn über die Ungerechtigkeit jammern, daß der Arbeiter vom Kapital nicht den W e r t h sondern nur den Preis seiner Arbeit erhält, daß er nach Angebot' und Nachfrage bezahlt wird, und gleich hinterher beklagen, wie sehr das gute Kapital verkannt wird der Schlußeffekt bleibt drum ein ver- söhnend aumuthender. Unser stöckerischer Gelehrter, der auszog, die verjüdelte Volkswirthschast zu verchristlichen, schließt nämlich mit einer dringenden Empfehlung der Betheiligung der Arbeit am Gcschästsgewinne eine Idee, für die bekanntlich in Deutschland   Niemand lebhafter eintrat als der jüngst ver- storbene reformjüdische Redakteur der fortschrittlichen Berliner Volkszeitung". Und das in derselben Nummer, in deren Leitartikel des Langstieligsten ausgeführt wird, daß der Antichrist Niemand anders ist als der fortschrittliche Reformjude! Des HErren Wege sind oft wunderbar. Aus Leipzig  , 25. Juli, schreibt man uns: Zuerst eine kleine Berichtigung: Herr A h n e r t, der in Aussicht genommene Kandidat des Ordnungsvereins im Leipziger   Landkreis, ist nicht Bürgermeister von Taucha  , wie ein lapsus penn®*) mich schreiben ließ, sondern von Zwenkau  . Es ist dies derselbe Herr Ahnert, der während der letzten Wahlbewegung das Pech hatte, seine denunziatorischen Talente an den unrechten Mann zu bringen, einen polittsch ganz farblosen Verein sozial- *) Ausgleiten der Feder. demokratischer Umsturzbestrebungen im Sinne des ic. zu bezichtigen, und der deshalb wegen verläumderischer Beleidigung jenes Vereins eine em- pfindliche Geldstrafe zu zahlen hatte. Sie sehen, der Mann eignet sich vortrefflich für das ihm zugedachteEhrenamt" eines Vertreters der vereinigten, für Gott, König und Vaterland, und namentlich die einzige wahre Sittlichkeit schwärmenden und kämpfenden Ordnungsparteien. Genug, ein Bürgermeisterlein muß es sein, dort im Landkreise, wie hier in der Stadt. Hier in der Stadt ist es also unser zweiter Herr Bürgermeister(der Nachfolger des invaliden Stephany, der den seitdem geänderten Titel Vizebürgermeister führte); Tröndlin heißt der gute Mann, außerhalb der großen Seestadt Leipzig   wohl Niemanden bekannt wenigstens nicht bis vor ein paar Tagen. Jetzt ist er freilich in weiteren Kreisen bekannt, Dank einem sinnreichen Manöver, welches den Geschäfts- und Reklamesähigkeiten unserer Leipziger Pseffersäcke ein glänzendes Zeugniß ausstellte. Die von den nationalliberalen Machern (die Amerikaner haben für diese Menschensorte den bezeichnenden Aus- druck wirepullers, Drathzieher, welche die Puppen auf demTheater  " herumtanzen lassen) die von den nattonalliberalen Machern einstimmig beschlossene Kandidatur des Herrn Bürgermeisters hatte innerhalb der Bürgerschaft nicht die erwartete günstige Aufnahme gefunden; insbe- sondere waren die Konservativen unzusrieden, welche den durch einen Kompromiß in den Landtag gewählten Schill auch als Kompromiß- kandidaten für den Reichstag wünschen, und schon mit emem eigenen Kandidaten drohten. Da mußte etwas geschehen, wenn die Kandidatur Tröndlin gerettet, und für den auserwählten Kandidaten Tröndlin der Wahlkreis nicht verloren werden sollte. Die Herren Macher grübelten und grübelten, und, siehe da, sie fanden zwar nicht den Stein der Weisen, aber doch ein Hausmittelchen für ihren Tröndlin. Als Bürgermeister hatte er beim deutschen Bundes- schießen die Honneurs zu machen. Bei einem deutschen Bundes- schießen, wie bei jedem Schützenfest, entwickelt sich aber ein fabelhafter Bierdurst; die naturgemäße Folge eines fabelhaften Bierdurstes ist ein fabelhafter Bierdusel, und der Bierdusel ist nach langjährigen, durch die Wissenschast bestätigten und aufgeklärten Erfahrungen das Element, in welchem nationalliberale Gesinnungen und nationalliberaler Geist ge- deihen, wie der Koch'sche Cholerabacillus im Schmutz. Aus diese physio- logische Thatsache bauten die nationalliberalen Macher ihren Plan. In puuow des Bierdurstes und des Bierdusels sind sie ja Autoritäten ersten Ranges; dieGute Quelle" weiß davongar Wunders viel" zu erzählen. Ach, sie ist jetzt verfallen dieGute Quelle", diese Zita- delle unserernationalliberalen Hochburg" diese Zitadelle, aus deren unergründlichen(leider nicht ganz fuselsreien) Bierfässern der Leipziger  Nationalliberalismus weiland seine Kraft sog, und mit deren Versall auch die Hochburg verfallen und g e fallen ist! Doch wir leben ja in der Zeit der Auserstehungen. Wie das deutsche Reich auferstanden ist fragt mich nur nicht wie!, wie die Zünfte auferstehen sollen, so kann dieGute Quelle" wieder auserstehen, und in und mit derGuten Quelle" der Leipziger   National- liberalismus. Und wenn nicht dieGute Quelle" selbst in ihrer alten leibhastigen Gestalt, doch wenigstens das W e s e n t l i ch e derGuten Quelle: ihr übermenschlicher Bierdurst und Bierdusel. Und welche Ge- legenheit konnte günstiger sein, als das große deutsche Schützenfest? Sie wurde beim Schöpse genommen, die gute Gelegenheit, oder bei der Stirnlocke, gleich dem Strome der Zeit des zu seinen väterlichen Ochsen verdufteten Bethusy-Huc. Durch ein geniales Taschenspielerkunststückchen drehte man das Ver- hältniß des auserwählten Bürgermeisters zum Schützenfest um und ließ das Schützenfest die Honneurs des Bürgermeisters machen, statt dem Bürgermeister die Honneurs des Schützenfestes. In Versen und in Prosa, in Festzeitungen und in Fest-Cxtrablättern wurden die wunder- baren Verdienste des auserwählten Bürgermeisters um das Schützenfest im Besonderen, und das deutsche Vaterland und sonstige Dinge im All- gemeinen in überschwenglichster Weise gepriesen, so daß die erstaunte Schützenwelt plötzlich die Existenz eines unerhört großen Wundermannes erfuhr, von den« sie bis dahin nicht die leiseste Ahnung gehabt. Und auch, daß die gute Seestadt Leipzig   den besagten Wundermann und Bürgermeister der übrigens im Privatleben ein ganz nettes Kerlchen ist zum Reichstagskandidatengewonnen", oder richtiger, daß besagter Wundermann und Bürgermeister der guten Seestadt Leipzig   die Ehre und Gnade angethan, die Kandidatur für den Reichstag zu atzeptiren auch das wurde und wird denn das Rtanöver dauert noch fort der staunenden Schützen- und anderen Welt mitgetheilt. Leider gibt es Querköpfe, welche an den plötzlich ausgetauchten Wundermann nicht glauben wollen, und das geniale Rtanöver für einengemeinen Wahl- schwindel", einenschmählichen Mißbrauch" des Schützenfestes und was dergleichen mehr erklären. Wir Sozialdemokraten, nun wir glauben, daß die Leipziger   Pfeffer- säcke ganz gute Geschäftsleute sind, und daß, wenn sie für ihre Kandi- daten eine echt pseffersäckisch-kaufmännische Reklame machen etwa wie man für frische Matjes-Heringe oder Prima-Java-Kaffee Reklame macht das ihnen verziehen«erden muß, da Niemand aus seiner Natur heraustreten kann, und ein Leipziger Pfeffersack sein ganzes Leben lang Leipziger   Pseffersack zu bleiben hat. Die Pseffersäcke muß man aber von Zeit zu Zeit ausklopfen, und diesen Liebesdienst wollen wir im Wahlkampf bestens besorgen. Zum Schluß noch ein Kuriosum. Ich schrieb Ihnen neulich, der Leipziger   Polizei sei es recht fatal, daß sie die Ausgewiesenen-Station Borsdorf   verlieren solle. Jetzt verräth sie ihre geheime Angst in einer auf 100 Schritte nach dem Naschmarkt(Hauptquartier unserer Her- mandad) riechenden Notiz, worin es heißt, daß von den vier bisher in Borsdors ansässigen Ausgewiesenen drei wegzuziehen gedächten und nur einer voraussichtlich da bleiben werden; und daß diesem Entschlüsse des Wegziehens offenbar die Absicht zu Grunde liege, der sächsischen Regie- rung ihr Hauptmotiv für die Verlängerung desKleinen" zu nehmen. Und wie entsetzlich für die Herren von der Polizei, d. h. die Herren Streber, wenn derKleine" zu End' ginge, und das gemüthliche Spitzeln in Borsdorf   aushörte. Nun, ich habe schon gesagt, die Herren mögen sich trösten; ihr Borsdors verlieren sie nicht, und auch den Kleinen" nicht. Komisch ist's aber und bezeichnend für das Urcheils- vermögen dieser Herren von der Polizei, daß sie sich einbilden, ein Theil der Borsdorfer Kolonisten ginge aus Rücksicht auf die säch- fische Regierung! Nein, so rücksichtsvoll sind die Sozialdemo- traten nicht; überdies wissen sie sehr genau, daß jenes von Herrn Nostttz- Wallwitz in den Vordergrund gehobene Argument zur Verlängerung des Kleinen" nichts anderes ist als ein Verlegenheitsvorwand, und daß, wenn dieser Vorwand aus dem Wege geräumt ist, einfach ein anderer an seine Stelle tritt. Vorwände sind ja so häusig wie Brombeeren, sagte schon der alte F a l st a f f. Herr Nostttz- Wallwitz ist zwar kein lumen; allein er ist dochhelle" genug, um zu wissen, daß die Sozial- demokraten die 1848erAttentate" gerade so wenig verübt haben, wie er selber; daß der ganze Attentatsschwindel bloß zu gemeinen reaktiv- nären Zwecken in Szene gesetzt wurde, und daß das bankrotte Regie- rungssystem unsere großen und kleinen Staatsmänner der Polizei-Omni- potenz mit obligatem Belagerungszustand zur Wetterführung seiner gemeinschädlichen Existenz bedarf, und daß wir ein Ausnahmegesetz be- kommen hätten, auch wenn es in Deutschland   gar keine Sozialdemokratengäbe. Fällt er doch oft genug aus der Rolle, und vergißt ganz die Fiktion von der sozialdemokrattschen Mördergrube in Leipzig  . So läßt er z. B. vor einigen Tagen den König Albert, für dessen Leben er, der Herr Nostitz-Wallwitz, doch in erster Linie verantwortlich ist, ohne alle und jegliche Gewissensbisse und Vorsichtsmaßregeln in dieser Mördergrube mitten im Menschengewühl spazieren gehen, und merkwürdigerweise hat auch kein sozialdemokratisches Altentat stattgefunden, ein Be- weis, daß unserepolitische" Polizei, trotz größter Anstrengungen, noch nicht ganz auf die Höhe der Berliner   Polizei gelangt ist. Dort versteht man sich besser auf die Attentate. Uebrigens, was noch nicht i st, kann noch werden. Die Deutschen   Oesterreichs   bieten wirklich alles Mögliche auf, sich so lächerlich wie nur irgend möglich zu machen. Es ist ja sicher für sie sehr fatal, daß die genialen Staatslenker in Oesterreich   die .interessanten" Nationalitäten in jeder Beziehung pouffwen und so um augenblicklicher Erfolge Willen ihr redliches Theil zur baldigsten Auslösung des Reiches der Habsburger   beitragen, aber wenn sie sich hinstelle» und der Welt von ihrem bedrohten Deutschthum vorjammern, so ist das für Jeden, der die Verhältnisse in Oesterreich   einigermaßen kennt, geradezu albern. Nicht ihr Deutschthum ist bedroht, sondern die Herrschast der deutschen Bureaukratie.