Freisprechung der Madame Clovis Hugues und, wie gesagt,von allen menschlich Fühlenden mit Jubel begrüßt wurde.Aus Deutschland ist uns augenblicklich kein paralleles und keinebenso schlagendes Beispiel gegenwärtig. Wir beziehen uns aber aufdie zahlreichen Fälle, in denen vornehme oder doch den sogenanntengebildeten Ständen angehörige Duellanten, die ihre Gegner er-schössen oder erstochen haben, von deutschen Schwurgerichten zu minimenStrafen verurtheilt worden sind, die obendrein Hintennach noch häufigzum größten Theil erlassen wurden. Und doch ist die Erschießung oderErstechung eines Menschen im Duell kein einsacher, im Affekt began-gener T o d t s ch l a g, sondern, weil mit Vorbedacht ausgeführt, einMord in der vollsten, juristischen Bedeutung des Wortes.Allein kein Richter betrachtet den Duell- Mörder als einen g e-meinen Verbrecher, und so sehr wir das Duell auch verurtheilen, sokönnen wir diese Auffassung nur billigen, weil— der Regel nach—bei dem Duellmord kein gemeines Motiv vorliegt.Wer kennt nicht Schillers„Verbrecher aus verlorener Ehre"?Und wenn Richter und Geschworne unter dem Drucke eines höherenmenschlichen Rechtsgefühles schon oft Mörder haben freisprechen müssen,weil diese durch namenlose Verfolgungen zur That förmlich gepeitschtwurden— wie will man es da uns verargen, daß wir einen Mord,begangen an einem Schurken dafür, daß er Hunderte, Tausende vonMenschen auf's Schmählichste verfolgt und eine ganze, die edelsten Zieleerstrebende Partei auszurotten versucht hat— wie will man es unsverargen, daß wir einen solchen Mord nicht als ein gemeinesVerbrechen betrachten und für die Motive der That sowie für die Thäternicht die Bezeichnung: ehrlos haben?Nicht gerechtfertigt haben wir die That, wir haben sie e r-klärt, wir haben sie— wie das seinerzeit dem Mörder Carey'sgegenüber seitens der konservativen„Saturday Review" geschehen ist—wir haben sie auf Motive zurückgeführt, welche den Thäter nicht dermenschlichen Sympathie und Achtung unwürdig machen.Und wir haben endlich die Verantwortlichkeit für die Thatauf das herrschende Schandsystem gewälzt, welches denPolizeirath Rumpf zu dem gemacht hat, der und was er war.Und damit haben wir Recht gehabt.VSoeben wird aus sicherer Quelle— die auf den preußischen Regie-rungspräsidenten des Kreises Wiesbaden(wozu Frankfurt gehört), Herrnvon W u r m b, zurückzuführen ist— die Mittheilung gemacht, in einerheute Nachmittag abgehaltenen Sitzung des preußischen Staatsministe-riums sei der, auf Veranlassung des Frankfurter PolizeipräsidentenHergenhahn gestellte Antrag, über Frankfurt und Umgegendden kleinen Belagerungszustand zu verhängen, abgelehnt worden,und zwar hatten sich u. A. Herr von Wurmb, der zugegen war, GrafEulenburg und Herr von Puttkamer dagegen ausge-s p r o ch e n!-Unter den Berliner Konservativen herrscht etlicher Krakehl, derin der Hauptsache darauf zurückzuführen ist, daß verschiedene Lokal-größen, die in der Straßendemagogie zu weit gegangen, höheren Ortsmißliebig geworden sind, aber im Bewußtsein ihrer großartigen„Ber-dienste" sich nicht abschütteln lassen wollen. Eine größere Bedeutung hatdieser Bedienten st reit nicht, im gegebenen Moment werden sichdie edlen Seelen schon wiederfinden.Erwähnt sei nur, daß der biedere Liebermann von Sonnen-b e r g, der nie schnell genug bei der Hand sein kann, wenn es gilt, dieBerliner Arbeiter zu verdächtigen, weil sie Paul Singer gewählt, daßdieser Ehren schein ritter sich echt ritterlich auf die Seite geschlagen,wo die G e l d m ä ch t e der Fraktion: die ManufakturwaarenhändlerRud. Herzog Bater und Sohn zu finden sind.Am Golde hängt, nach Golde drängt doch Alles! Ach, wir armen— Ritter!Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 4. Februar 1885.— Der russisch-preußischeAuslieferungsvertrag,dessen Abschluß und Inhalt wir bereits in voriger Nummer berührthaben, ist nach verschiedenen Seiten hin eine Monstrosität. Zunächstfehlt in demselben jede Definition der Verbrechen, welche die Behördenzur Auslieferung berechtigen oder verpflichten. Einige Verbrechen werdenallerdings aufgezählt, hintennach heißt es aber, daß wegen jedes Ver-brechens, das eine der beiden Bertrags-Regierungen zur Stellung einesAuslieserungantrags veranlaßt, die Auslieferung auch«irklich erfolgensoll. So etwas ist trotz des— übrigens im Grunde sehr dummen—Wortes von Ben Akiba„noch nicht dagewesen."Die zweite Monstrosität ist, daß der Unterschied zwischen p o l i t i-f ch e n und gemeinen Verbrechen vollständig aufgehoben unddie Identität beider behauptet ist.Die Ultrareaktionäre haben seit der französischen Revolution daraufhingearbeitet, daß sowohl in den Ä e s e tz e n als in den B e g r i f f e nder Völker die sogenannten politischen Verbrechen und Verbrecher mitden gemeinen Verbrechern in«inen Topf geworfen werden. Trotzaller Anstrengungen ist das aber den Tzschoppe, Schmalz, Kamptz, Metternich, Gentz und Konsorten nicht gelungen. Selbst in den schlimmstenZeiten der deutschen Demagogenhatz, zwischen dem Wartburgsfest und1840, ist es Niemandem eingefalle», den„Demagogen" den Charakterpolitischer Verbrecher streitig zu machen; Ludwig Sand, derden deutschen Theater-Berderber und ruffischen Spion Kotzebue erdolchte,wurde als„politischer Verbrecher" verurtheilt und hingerichtet. Selbstdie russische Regierung machte bis in die neueste Zeit wenigstens einenprinzipiellen Unterschied, wenn sie ihn auch in der Praxis zuverwischen trachtete. Bismarck hat seinen sonstigen Verdiensten um dieReaktion auch noch das hinzugesügt, die deutschen und russischen Absolu-tisten übertrumpft und die politischen Verbrechen ganz wegeskamotirtzu haben.Run— das ist ein zweischneidiges Schwert. Wer die Grenzliniezwischen politischem und gemeinem Verbrechen seinem Feinde gegenübernicht anerkennt, darf sich auch nicht beklagen, wenn seine politischenFeinde ihm gegenüber das Gleiche thun. jUnd das kann unter Umstän-den gefährlich werden.�— Die Herrschaft der Reaktion in Deutchland, nichtblos die direkte einer reaktionären Regierung, sondern auchihr Einfluß auf die sogenannte öffentliche Meinung, zeigt sichrecht deutlich, wenn man das Verhalten eben dieser öffentlichen Meinungin England und Deutschland anläßlich der jüngsten Attentate vergleicht.Jedermann wird mit uns übereinstimmen, daß das Frankfurter Attentatweit weniger geeignet war, die Gemüther auszuregen, als das Dynamit-Attentat im Westminsterpalast in London. Wo ist aber auch nur einenglisches Blatt, welches aus Anlaß dieses Attentats ein Anarchisten-gesetz, eine Maßregel ä la kleinen Belagerungszustand verlangt hätte?Selbst die enragirtesten Ordnungsblätter beschränkten sich darauf, eineVermehrung des Polizeipersonals, insbesondere der geheimen Polizei, zuverlangen— aber einer Erweiterung der B e f u g n i s s e der Polizeiin Bezug auf die politischen und bürgerlichen Verhältnisseredete Niemand das Wort.,„Man hat sich dahin geäußert, daß die jüngsten diabolischen Aus-schreitungen gegen die öffentliche Sicherheit die Wirkung haben werden,das englische Volk bereitwilliger zu machen, sich den Durchsuchungs- undUnterdrückungsmaßregeln der kontinentalen Regierungen zu unterwerfen.Wir können dem nicht zustimmen. Mögen alle erdenkbaren Vorsichts-maßregeln gegen die Fabrikation, den Verkauf und die Benutzung vongefährlichen Sprengstoffen ergriffen werden; man behandle sie wie dieGifte und umgebe ihre Herstellung mit ähnlichen Kautelen. Aber laßtuns nicht, als ein Volk, der Vernichtung der Freiheit die Hand bieten,in dem Bestreben, uns gegen die Verschwörungen derjenigen zu schützen,welche die gehorsamen Agenten unsichtbarer Tyrannen sind."So schreibt, einige wenige Tage nach dem Attentat, der„Standard",das Hauptorgan der englischen Konservativen! Wie anders da-gegen in Deutschland, dem Land der„freien Frommen"! Kaum wardas Rumps-Attentat geschehen, so stand auch sofort die Verhängung desBelagerungszustandes über Frankfurt am Main und Umgegend auf derTagesordnung, nicht nur der Bisinarck'schen Preßreptilien, sondern dergesammten Organe der„öffentlichen Meinung". Der deutsche Normal-bürger hat sich eben vollständig daran gewöhnt, daß überall politischeFreiheit und politisches Recht als ein Geschenk von der Regierungzu betrachten seien, mit welchem dieselbe jeden Augenblick nach Beliebenverfügen kann, und auf das man nur durch absoluten Gehorsam einenbescheidenen Anspruch erwirbt. Ja, was in England nicht geschah, ge-schah in Deutschland. Deutsche Blätter, und natürlich obenan die natio-nalliberal-konservative Kanzlerpresse redeten aus's Eifrigste Ausnahme-Maßregeln für England das Wort, freilich, wie man gesehen, mitwenig Erfolg. Die Engländer können sich noch nicht auf die Höhe derdeutschen Gesinnungstüchtigkeit erheben.Es ist ein niederträchtiger Geist, der heute in Deutschland herrscht;und wenn sich auch, vom Mittelalter abgesehen, das deutsche Bürgerthumstets durch eine gehörige Dosis von Knechtsseligkeit auszeichnet, so wärees doch falsch, nur diesen einen Umstand dafür verantwortlich zu machen.Nein, was wir heute sehen, das ist die Folge einer systematischen Kor-rumpirung der Geister, einer Erziehung zur Niedertracht.Und der Urheber derselben ist kein anderer als der große Kanzler, der„Wiederhersteller Deutschlands", der„größte Staatsmann des Jahr-Hunderts". Er darf für sich das Verdienst in Anspruch nehmen, dieServilität in Deutschland in ihren verächtlichsten Erscheinungen i Denun-ziationswuth und feiges Ducken vor der Gewalt, wiederhergestelltzu haben, und sie thun recht daran, die Notabeln des deutschen Bedienten-thums, wenn sie jetzt den Klingelbeutel herumgehen lassen, um ihremAbgott zu seinem 70. Geburtstag ein„Ehrengeschenk der Nation" über-reichen zu können. Möchten sie doch auch so viel Einsicht haben, alsGegenstand der geplanten Ovation einen Maulkorb und eine Hunds-peitsche zu wählen!— Wie herrlich weit wir es gebracht haben. InFrankfurt am Main spielte sich jüngst ein Prozeß ab, der in derThat ein Z e i ch e n der Zeit genannt zu werden verdient. DemArbeiter Beyer war in einem Ehescheidungsprozeß das Er-ziehungsrecht des aus der Ehe entsprossenen Mädchens zugesprochenworden, welchem Entscheid sich die Frau nicht fügen wollte und dahereinen neuen Prozeß einleitete.Nachdem das Mädchen wiederholt hin und her geführt worden, ge-langte es schließlich in die Hände des weiland kulturkämpferisch-nationalliberalen, jetzt antisemitisch-konservativenPfarrers von S e y d e w i tz, der es in einer Erziehungsanstalt in Mann-heim unterbrachte. Im Laufe des Rechtsstreites wurde plötzlich Beyerder Vorwurf gemacht, er fei Sozialdemokrat, glaube an nichts, könnedeshalb auch einen religiösen Fond in das Herz eines Kindes nicht legen,eigne sich wegen seiner Anschauungen überhaupt nicht zur Erziehung desKindes. Es wurden nach verschiedenen Richtungen hin Beweise erhoben,die sehr verschieden ausfielen. Einer Frau war es„schrecklich", daß derMann keinen hohen Begriff von dem Weibe habe, ihr keine Ebenbürtig-keit an der Seite des Mannes einräume. Eine andere wußte zu erzäh-len, daß er wohl an eine Allmacht, jedoch nicht an einen persönlichenGott glaube. Einer dritten Zeugin that es„in der innersten Seele" weh,daß das Kind— welches die Schule zur größten Zufrieden-heit seiner Lehrer besuchte— vom Beten gar nichts wisse.Uebrigens wurde denr Manne das Zeugniß eines fleißigen, tüchtigen,strebsamen Arbeiters gegeben. Die klägerische Seite sprach einem Sozial-demokraten überhaupt die Befähigung ab, ein Kind zu einem sittlich-religiösen Menschen erziehen zu können. Halte doch der Beklagte selbstvon der Taufe nichts. Einem solchen Menschen könne man doch gewißnicht die Erziehung eines Kindes, namentlich eines Mädchens, anver-trauen. Der Vater behauptet, er könne sein Kind politisch und religiöserziehen, wie er wolle: streng kirchlich oder freireligiös, darein habe ihmNiemand zu reden. Das Gericht entschied jedoch, daß die-ser Ansicht des Beklagten nicht beizupflichten sei;es sei vielmehr in das freie Ermessen des Gerichts gestellt, wem es dieErziehung des Kindes zusprechen wolle. Das Gericht habe sich dahinentschieden, das Kind der Mutter deshalb zur Erziehung zu überlassen,weil das Gericht annehme, daß einem Kinde für die Zukunft Idealeeingeprägt werden müßten, damit es zu einem sittlichenWesen herangezogen werde.Dieser idiotenhafte Entscheid, dessen Konsequenz die wäre, daß allensozialdemokratischen Eltern die Erziehung ihrer Kinder abgesprochen wer-den müßte, ist natürlich nicht auf besondere Frömmigkeit derRichter zurückzuführen, sondern einfach auf ihre gesinnungslose Liebedienerei. Die Herren folgen dem Wind, der von oben her weht.Es sind dieselben Ehrenmänner, die im Attentatssommer 1378 wegender harmlosesten Acußerungen 2, 3 Jahre Gesängniß verhängten, weil—„die Verhältniise" so lagen. Seitdem von oben her diekirchliche Heuchelei als Pflicht jedes königstreuen Mannes proklamirtworden ist, halten es alle, die sich zu den„Edelsten und Besten" derNation der Denker zählen, für ihre Pflicht, Frömmigkeit zu heucheln.Nicht England— Deutschland ist heute das H e u ch e l l a n d purexcellenco! Es sollte heute nur einer in Deutschland den zehnten Theilvon dem über die Religion sagen, was Bradlaugh, Foote ic. in Eng-land jeden Tag in öffentlicher Versammlung, vor Tausenden von Zu-Hörern unverholen aussprechen, und sofort hätte ihn der Staatsanwaltbeim Wickel. Es ist ein Glück für Göthe, daß er vor 100 Jahren ge-lebt, heute würde der große Heide von der gebildeten Gesellschaftverfehmt, geächtet werden.„Sittlich-religiös", das ist die Parole einerGesellschaft, deren Creme man in Berlin zwischen 12 und 2 Uhr Nachtsim Cass Bauer im teto ä töte mit Soldaten treffen kann.Und diese jedes wirklichen Ideals baare Gesellschaft erfrecht sich, einenArbeiter, der die Konsequenz des heutigen Wissens gezogen und mitden kindischen Vorstellungen der Bibel gebrochen hat, das Recht abzu-sprechen, sein Kind zu erziehen! In der That, wir haben es herrlichweit gebracht!— Die„Fruktifikation" der Rumpf-Affaire wirdnicht blos von Seiten der Bismarck'schen Polizei und Polizeiregierungbetrieben, sondern auch, und zwar wohl kaum mit geringerem Eifer, vonSeiten der sogenannten bürgerlichen Demokratie. Wir sagen„sogenann-ten", denn das ist weder bürgerlich— außer im Sinne des Spieß-bürgerliche»—, noch ist es Demokratie— sondern höchsten« ihre Kar-rikatur.Genug— gleich an die erste Nachricht von dem Attentat wurde insämmtlichen demokratischen und fortschrittlichen Blättern— die„Frank-furter Zeitung" voran— die Meinungsäußerung geknüpft: jetzt werdedie Verhängung des kleinen Belagerungszustandes allgemein als unver-meidlich betrachtet. Und seitdem sind ähnliche Bemerkungen, die sich in-zwischen zu der positiven Nachricht, der Belagerungszustand sei beschlosseneSache, verdichtet haben, Tag für Tag in der demokratisch-fortschrittlichenPresse aufgetaucht, während in der konservativen und gouoernementalenPresse von solchen Andeutungen und Ankündigungen durchaus nichts zu�Schorf'bet früheren Gelegenheiten, als der„Kleine" für Elberfeld-Barmen und Frankfurt a/M. in Aussicht stehen sollte, beobachtete diedemokratisch-fortschrittliche Preffe eine ähnliche Taktik.Es trifft hier das bekannte englische Sprichwort zu:„Tbo wigh igthe father of the thought"— der Wunsch ist der Vater des Ge-dankens.Der„kleine" Belagerungszustand über Frankfurt und den ganzenRhein-Maingau verhängt— das wäre ein gefundenes Fressen für dieHerren Sonnemann und Kompagnie, die sich dann unter der schirmendenPolizei-Aegide von ihrer Niederlage erholen und wieder da« Heft in dieHände bekommen könnten. Oder richtiger: h o f f e n, es in die Händezu bekommen. Denn beim Hoffen würde es allerding» sein Bewendenhaben.Das Beispiel von Berlin, H a m b u r g- A l t o n a und L e» p,, ghat den Beweis geliefert, daß der kleine Belagerungszustand, weit ent-fernt, die Sozialdemokratie zu erdrücken oder auch nur niederzudrücken,ihr im Gegentheil größere Krast verleiht und raschere Ausbreitungsichert. Herr Sonnemann würde unzweifelhaft dieselbe Erfahrung machen.Die Sozialdemokratie ist wohl die lachende Erbin der anderen Parteien,hat aber selber keine Erben, weil sie sich unverwüstlicher Gesundheitund unzerstörbaren Lebens erfreut.Was die Absichten der Polizei und der Polizeiregierung betrifft, sohaben wir einfach an unser- früheren Mittheilungen zu erinnern.Frankfurt allein unter den, Belagerungszustand— das ist zu wenig;und die Ausdehnung über Ofsenbach, Darmstadt. Mainz u. s. w. kannohne Zustimmung der hessischen Regierung nicht erfolgen, und diesescheint keine Lust zu haben, die stärkste und zahlreichste Partei im Lande— das sind wir nach der letzten Wahlstatistik— zu unversöhnlich«Feinden zu machen und sich damit jeder Möglichkeit des Widerstand«gegen die Bismarck'sche Zentralisations- und Meditatisirungs-Politik j-berauben. Speziell der Großherzog von Hessen betrachtet Alles, a«von Berlin kommt, mit großem Mißtrauen, seit er sich überzeugt hatdaß ihm der böse Kolemine-Skandal in der Wilhelmstraße od�in Friedrichsruh- eingebrockt worden ist.Jndetz auf derartige Gefühlsregungen legen wir natürlich keinen Werthhält Bismarck es im Interesse seiner Politik für nothwendig, daß da„Kleine" über die hessische„Umgegend" von Frankfurt verbängt wirdso setzt er seinen Willen auch durch.j— Die Presse, und, wie gesagt, snicht'zum Mindesten»icZbürgerlich-demokratische, hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, dem Frankfurter Polizeirath wahre Ströme von Kroko�ilsthränen nachzuweinenMan sollte meinen, der Beschützer des Horsch sei ein wahres Mustavon Ehrenmann gewesen, de» Pflichttreue und Menschenliebe gleich au�zeichneten. Das Motiv zu dieser Verherrlichung eines notorischen Str»bers ist nicht nur in der gedankenlosen Befolgung des in der Politüabsolut unzulässigen Ds rnortuig nil nigi bene fLon den Tobten seiman nur Gutes reden) zu suchen, sondern in der Liebedienereider Einen und der bodenlosen Feigheit der Anderen. Durch Mstimmen ihrer Lobeshymnen auf Rumpf wollten sich diese Leute von de»Verdacht reinigen, als hegten sie irgend welche Sympathie mit seine»Mörder.Unter diesen Umständen halten wir es für unsere Pflicht, eine Ch»rakteristik des Rumpf, welche das„Philadelphia Tagblatt" unmittelb»nach Eintreffen der telegraphischen Nachricht von dem Frankfurt«Attentat brachte und welche den Stempel der Zuuerlässigkeit an d«Stirne trägt, hier folgen zu lassen.Unter dem Titel:„Einer, der Rumpf kennt", schreibt das q-nannvBlatt:„Ein jetzt in Philadelphia ansässiger Arbeiter, welcher zehn Iah«lang und bis zum Jahre 1880 in Frankfurt ansässig war, sich hervor-ragend an der Arbeiterbewegung detheiligte und mehrfach in unfrei'willige Berührung mit dem Polizeischuft kam, macht uns Mittheilung«über die Persönlichkeit Rumps's. Mit Rücksicht darauf, daß die Anfflhörigen unseres Gewährsmannes in Frankfurt, sowie die anderen>»der Unterredung erwähnten Personen bei den jetzigen Polizeizustände»in Deutschland der Maßregelung ausgesetzt wären, lassen wir all-Namen weg.„Rumpf war— sagt unser Gewährsmann— von Postur über Mittel-gröhe, hatte ganz das Aussehen eines alten Militärs, trug einen starken,Schnurrbart, doch wiesen seine schlaffen Züge auf ein zügelloses Lebe»hin. Seine stets halb zugekniffenen Äugen hatten einen lauernden Aui-druck, doch suchte er dies, so gut es ging, zu verbergen.„Im gesellschaftlichen Leben soll er zurückhaltend und schweigsam g»'wesen sein. Wenn er einen Gefangenen vor sich hatte, nahm er ei«biedermännisches Wesen an, war ruhig, beinahe sanft in seinen Frage«,suchte sich in das Vertrauen einzuschleichen. Zu diesem Zwecke stellte«die Sache als geringfügig hin und versprach alles mögliche Günstigbei einem vollen Geständniß.„Die Parteigenossen kannten ihn und oerhielten sich zugeknöpft.&■bald Rumpf das bemerkte, veränderte er sein Wesen; er drohte, fluch»!und versuchte es mit Einschüchterung. Half auch das nichts, so spielte«wieder den Gelassenen, setzte seinem Gegenüber ruhig auseinander, welches Schicksal seiner harre, wenn er nicht aussage, schilderte die Schrecke»einer langen Untersuchungshaft, die Nothlage der Familien, deutete ve«steckt auf seine Macht hin, stellte günstige Verwendung in Aussicht, kurz,versuchte jedes Mittel, um Geständnisse zu erzielen.„Seine Macht wendete er auf willkürlichste Weise an. Leute, die«verhaften ließ und welche nicht wußten, daß sie ein Recht darauf hatte«-binnen 24 Stunden ein gerichtliches Verhör zu verlangen, ließ er ach>Tage und länger sitzen. Kam dann die Sache durch Beschwerde bei»Gefängnihinspektor an den Tag, so gab es irgendwelche nichtswürdig»Entschuldigungen.„Rumpf schonte auch die Familien seiner politischen Opfer nicht;«suchte die Frauen und Kinder derselben gegen sie aufzuhetzen und sie z«Aussagen zu verleiten. Ein charakteristischer Fall ist der eines jetzt i«diesem Lande befindlichen Maschinisten,*) den Rumpf auf zwei Jahre in'«Gefängniß brachte. Rumpf hielt Haussuchung bei der Braut desselbenwährend der Bräutigam in Hast war. Er versuchte sie zu bewegen, da»Verhältniß aufzugeben, indem er ihren Geliebten als einen Ausbun«von Schlechtigkeit hinstellte u. s. w. In diesem Falle wie auch sonst ofikam Rumpf übel an, denn die resolute Frankfurterin kanzelte ihn der-maßen ab, daß er seine Ruhe verlor und wuthschnaubend den RückzuSantrat.„Einst hielt er bei einem Parteigenossen eine Haussuchung mit beigewöhnlichen negativen Resultat. Da stöberte er aber ein kleines Quaitum in ein Papier eingeschlagene Bronze auf. Jetzt glaubte er ein<Fang gemacht zu haben. Sofort wandte er sich an den Arbeitgeber beiBetreffenden mit der Frage, ob die Bronze vielleicht aus seinem Geschäsgestohlen worden sei. Natürlich hatte er sich schon auf ein Ja gefreium den Mann, dem er wegen politischer„Verbrechen" nicht beikomm-konnte, wegen Diebstahls verhaften zu können. Aber auch hier fielab. Es wurde ihm schroff bedeutet, daß der Arbeiter im Auftrage dFirma zu Hause arbeite und das Material dazu von ihr bekomm-habe.„Rumpf war allgemein verhaßt, nicht blos bei den Arbeitern, dereiOrganisationen, gewerkschaftliche wie politische, er stets beschnüffelte. D«alten Frankfurter verachteten den Streber gründlich, weshalb er meisteauf den Verkehr mit Seinesgleichen angewiesen war und in bürgerliche«Kreisen wie ein Auswürfling gemieden wurde."—Die letztangesührte Thatsache ist durch die Nicht betheiligung bei delBeerdigung Rumps's in drastischer Weise bestätigt worden, trotzdem däPresse eben dieser Frankfurter Bürger ihr Menschenmögliches in sittlich«Entrüstung leistete. Deutschland ist nun einmal das Land, wo dies«Artikel am besten gedeiht. Nirgends in der Welt ist man so moralis'___ e n t r ü st e t. Im Stillen empfindet man dann eine um so„höhere'Genugthuung.Um aber zum braven Rumpf zurückzukommen, so sei hier noch etiZuschrift abaedruckt, welche die„Newyorker Volkszeilung" von eineiehemaligen großhessischen Polizeibeamten, der jetzt in Newyo-lebt, erhielt:„Soeben lese ich in Ihren, geschätzten Blatt, daß PolizeikommissälRumpf ermordet worden ist. Bravo!--- Er war einer der mißgünstigsten Menschen, besonders auch gegen seine Untergebenen; manche!von diesen zwang er, eine unbedeutende Ursache benutzend, sein An«niederzulegen, und mußte der Unglückliche dann mit seiner Famili-darben. Auch mich, den Unterzeichneten, suchte er unglücklich zu mache«weil ich mit meinen Arrestanten, einem armen Frauenzimmer, welche«halb erfroren war, in ein Wirthshaus trat und ihr dort eine Taff«Kaffee kaufte."Dieser Einsender gab auch der Vermuthung Ausdruck, Rumpf s«durch einen Untergebenen umgebracht worden, was wir trolAllem, was über L i e i k e veröffentlicht wird, keineswegs als ausge-schloffen halten.— Unbefriedigte Wißbegier. Einem Privatbriefe auiParis entnehmen wir folgende belustigende Mittheilung:„Seit mehreren Monaten treibt sich hier eine junge Dame herumNamens Jenny Nereschko. Früher angeblich Mitarbeiterin an de,Dresdener Nachrichten", will sie hierher gesandt morde«sein um für besagtes Blatt Korrespondenzen zu liefern. Da dies- jung«Dame mit einer ziemlichen Portion Unverfrorenheit ausgestattet istwurde es ihr allerdings nicht schwer, überall anzuklopfen, bei repubükanischen, der Regierung nahestehenden Zeitungen sowohl, als bei unadhängigen Journalisten und Korrespondenten auswärtiger Blätter.Aber alle diese Verbindungen genügten der unternehmungslustige»Dame nicht. Sie hat einen unersättlichen Wissensdrang, und dieser trielsie dann, sich bei Herrn C a u b e t, Direktor der„öffentlichen Sicherheit", melden zu lassen und mit der ihr innewohnenden Bescheidenhe«(wollte sagen: Dummdreistigkeit) nach den Pariser Korrespondenten bei„Sozialdemokrat" und der„Freiheit" zu fragen.C a u b e t: Da könnte Jeder kommen und derartige Fragen stellenwir haben nicht die Gewohnheit, über derartige Dinge Auskunst zu ertheilen.*) I b s e n?Die Redaktion.