Jenny N e r e s ch k o: Ich bin aber Jenny Nereschko und habe Ver. imdungen mit der hiesigen deutschen Botschaft. Caubet: Was gehen uns Ihre Verbindungen an, lasien Sie uns damit in Ruhe. Jenny Nereschko: Ich werde mich bei der Botschaft beschweren. Caubet: Dann können Sie sich auch gleich darüber beschweren. daß ich Sie habe zur Thüre hinauswerfen lassen(Laaguor ä la porte). _ Tableau! Die edle Dame wird wohl bei dieser Gelegenheit von der französischen Höflichkeit einen ganz neuen Begriff bekommen haben.— Nun müssen Sie aber keineswegs annehmen, daß die französische Polizei aus lauter unschuldsvollen Engeln zusammengesetzt ist, die Affäre „Cri du Peuple" und die letzten Vorkommnisse Hierselbst beweisen gerade das Gegentheil. Man wollte sich einfach nicht ins Handwerk pfuschen lasien. Da liegt der Hund begraben."... Arme Jenny, so schnöde abzufallen! Und obendreiu bei einem Fran- lösen. Wenn's noch ein christlich-germanischer Tugendheld gewesen wäre. — Den Herren vom Schutz der nationalen Arbeit 'N's Stammbuch. Die„Basler Nachrichten" vom 31. Januar schreiben: „In Geldsragen, sagt- der alte Hansemann, hört die Gemüthlichkeit auf; Fürst Bismarck , und das wird ihm Niemand verargen, ist ganz und gar dieser Ansicht. Er brauchte eine Turbinenanlage für die Papierfabriken auf seiner Herrschaft V a r z i n, und in Folge einer von ihm ausgeschriebenen Konkurrenzbcwerbung übertrug er die Lieferung der betreffenden Arbeiten der Maschinenfabrik I. Jak. Rieter u. Cie. in Winterthur . Trotz Schutzzoll und bedeutender Trans- Vortkosten konnte die schweizerische Fabrik billiger liefern als ihre deutschen Konkurrenten, und so erhielt sie den Vorzug. Das rührt nicht etwa daher, daß die deutschen Hüttenbesitzer dem Ausland ihr Eisen billiger liefern als dem Inland; denn dieser Preisunterschied des Roh- Materials wird durch den Schutzzoll aus das fertige Fabrikat übervoll »nsgegiichen. Der Grund dürfte wohl in einem gewiffen Gehenlassen i» suchen sein, in welches jeder Industrielle durch einen starken Schutz- i°ll leicht verfällt, während sein ausländischer Konkurrent seine ganze �iraft in Bewegung setzt, um den ihm durch die Zölle errichteten Grenz- «all zu erstürmen. Der Sieg mag bisweilen thcuer erkaust sein, es ist immerhin ein Sieg, und wenn der deutsche Reichskanzler keineswegs aus Patriotismus seine Zllaschinen im Jnlande bestellt, sobald er sie im Ans- lande billiger haben kann, so werden wohl auch nicht die Herren Rieter m Cie. aus purem Patriotismus, um der Schweiz die Ehre der Weit- b-w erbung zu sichern, ihr Fabrikat mit Verlust an den Mann bringen. «ie kennen sicher auch den Spruch des ehemaligen preußischen Finanz- Ministers, daß in Geldfragen die Gemüthlichkeit aushört." Vom sozialistischen Standpunkt aus ließe sich gegen diese Argumenti- rung Manches einwenden, vom Standpunkt der heutigen kapital, stnchen Maaren produzirenden Gesellschaft aus ist sie unanfechtbar. Bismarck handelt als Musterbourgeois, wenn er sagt:„Patriotismus hin, Patrio- t'smus her, ich kaufe da ein, wo ich am billigsten kaufe." Die Konsequenz dieses Prinzips ist natürlich der Freihandel, aber diese Konsequenz zu ziehen ist nicht jedermanns Sache, dazu muß man sich über den engherzigen Krämerstandpunkt erheben können, und— in Ge Id- ! a ch en hört die Gemüthlichkeit aus. Der Schutz der natio- «alen Arbeit heißt Schutz der nationalen Profite! — Der Entwurf eines Arbeiterschutzgesetzes, welchen die von der sozialdemokratischen Fraktion erwählte Siedner-Kommission ausgearbeitet hat, wurde in der letzten Januarwoche von ver Fraktion mner eingehenden, mehrere Sitzungen in Anspruch nehmenden Berathung u nterworsen. Im Augenblick, wo dieses Blatt erscheint, liegt der fertige Entwurf bereits dem Reichstag vor. Dem Wunsche anderer Parteien, unser Entwurf solle nicht als An- »rag im Reichstage eingebracht, sondern der Kommission über den Hert- ling'schen Antrag als„Material" unterbreitet werden, konnten unsere Vertreter natürlich nicht entsprechen. Es würde ein solches Verfahren weder des Gegenstandes noch unserer Partei würdig gewesen sein. Der A ntrag gehört vor die Volksvertretung und vor das Volk; und die S ozialdemokratie kann sich nicht von irgend einer andern Partei unter die Fittiche nehmen lasien. Da der Entwurf der großen Mehrzahl unserer Leser auf anderem Wege zugegangen sein wird, so glauben wir von einem wörtlichen Abdruck des sehr umfangreichen Schriftstückes vorderhand absehen zu können. Wir beschränken uns auf eine summarische Kennzeichnung seines In- Haltes. Die G e f ä n g n i ß--c.- A r b e i t soll in Zukunft nur für den Bedarf der betr. Anstalten selbst, bezw. von Reich, Staat oder Gemeinde gestattet sein. Ein Maximalarbeitstag für alle gewerblichen Arbeiter über lK Jahren von 10 Stunden(Samstags 8 Stunden), für jugendliche Arbeiter von 14—18 Jahren von 8 Stunden, desgleichen für Bergwerks- ze. Arbeiter. Verbot der Sonn- u n d F e i e r t a g s a r b ei t mit den un- umgänglichen Ausnahmen(Transportgewerbe, Gastwirthschaften ,c.). Verbot der Nachtarbeit, unter bestimmter Festsetzung der Fälle, wo Ausnahmen zuläsiig. Verbot der Frauenarbeit auf Hochbauten oder unter Tag (in Bergwerken zc.). Zulässigkeit des Verbotes der Beschäftigung von Frauen und jugendlichen Arbeitern in gewissen gefahrvollen zc. Betrieben. Eine Reihe gesetzlicher Vorschriften betr. die Fabrikordnungen.(Dar- unter wöchentliche Lohnzahlung, und zwar am Freitag, Verbot des Trucksystems, Ermöglichung des Besuchs von Fortbildungs- schulen für jugendliche Arbeiter, bestimmte Vorschriften für das Lehr- lingswesen k.) Die Einrichtung von Arbeitsämtern mit einem Reichs- Arbeitsamt an der Spitze, sowie von Arbeitsämtern in Bezirken von nicht unter 200,000 und nicht über 400,000 Einwohnern. Die Arbeitskammern werden zur Hälfte aus den Vertretern der Unter- nehmer, zur Hälfte aus denen der Arbeiter zusammengesetzt, wobei jede Klaffe für sich wählt. Sie üben die Funktion von gewerblichen Schieds- gerichten mit bedeutend erweiterten Vollmachten(Begutachtung der Fabrikordnungen, von gesetzlichen Maßregeln zc., Festsetzung von Minimallöhnen, Veranstaltung von gewerblichen Untersuchungen u. s. w.) Die Arbeitsämter bestehen aus einem Arbeitsrath, den das Reichsarbeitsamt aus zwei seitens der Arbeitskammern vorgeschla- genen Bewerbern auswählt, sowie dem Hilfspersonal desselben. Ihnen untersteht die B e a u s s i ch t i g u n g und U e b e r w a ch u n g der ge- werblichen Betriebe, Anordnung bestimmter Schutzmaßregeln, die Orga- nisation des Arbeitsnachweises ic. Das Reichsarbeitsamt, welches der Bundesrath einzurichten hat, muß alljährlich einen Kongreß der Arbeitskammern ein- berufen. Die Aufhebung aller Paragraphen der Gewerbeordnung, die den Innungen die hierhergehörizen Befugnisse einräumm. Festsetzung der Strafen für Zuwiderhandlungen gegen die be- stimmten Vorschriften des Gesetzes.(Für Unternehmer bis zu 2000 Mk. Buße oder 8 Monate Gefängniß.) Alles dies genau präzisirt und den betreffenden Paragraphen der Gewerbeordnung angepaßt. Zum Schluß wird eine Resolution vorgeschlagen, welche den Reichskanzler auffordert: a) eine internationale Konferenz der hauptsächlichsten In- dustriestaaten einzuberufen behufs Vereinbarung einer aus gleichen Grund- sätzen beruhenden Arbeiterschutzgesetzgebung, als deren Norm der z e h n- stündige Rtaximalarbeitstag, Verbot der Nacht- arbeit mit Ausnahme bestimmter Betriebe und Verbot der ge- werbsmäßigen Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren bezeichnet wird, und b) statistische Erhebungen über die Verhältnisse der Lohnarbeiter in Bezug aus die Arbeitslöhne zu veranlassen. — Die Debatte über die Handhabung des kleinen Belagerungszustandes fand am 31. Januar statt. Unserer- seits sprachen Singer, der ganz besonders das Messen mit zweierlei Maß Seitens der Polizei kennzeichnete, F r o h m e, der das Spitzel- und Agents provokateurs-System brandmarkte, und Liebknecht, der Herrn Puttkamer , welcher zweimal das Wort ergriffen hatte, abführte. Von Rednern anderer Parteien sprachen noch K ö l l e r(konservativ), der wieder einmal ein glänzendes Beispiel seiner aristokratischen Bildung zum Besten gab, L e n z m a n n(Deinokrat) und Eugen Richter . Letzterer erklärte, daß diesmal seine Partei einstimmig für Aushebung des Sozialistengesetzes stimmen werde, andernfalls werde er ans derselben austreten. Wir wollen's abwarten. Die Ultramontanen schwiegen sich aus!! Eine spezielle Schilderung der Debatte wird uns wohl einer unserer Berliner Korrespondenten für die nächste Nummer zugehen lassen, für heute mag diese kurze 3!otiz genügen.> Die Oeffentlichkeit der Reichstagssitzungen, wie sie kraft der Reichsversassung besteht, ist durch den in der letzten Nummer von uns gekennzeichneten Beschluß des Reichstagsprästdiums jedenfalls beeinträchtigt und damit der Reichsverfassung zuwider gehandelt worden. Wie wir hören, wird die Sache nächstens im Reichstage zur Sprache gelangen, und zwar anläßlich einer Petition, welche vor Kurzem seitens einiger Berliner Bürger an den Reichstag gerichtet worden ist. Wir können uns bei dieser Gelegenheit auf interessante Debatten gefaßt machen. — Die Dresdener Polizei hat eine große Anzahl öfter- reichischer Arbeiter— meist Czechen— aus Dresden ausgewiesen, weil sich dieselben in hervorragendem Maße an der sozial- demokratischen Agitation betheiligt haben sollen. Worin diese Agitation bestand, wird nicht gesagt, man weiß ja aber, was die Polizei alles unter„sozialdemokratischer Agitation" versteht. Das internationale Bummlerthu m, dessen korrumpirender Ein- flutz nicht erst geschildert zu werden braucht, ist von jeher in Dresden mit ganz besonderem Entgegenkommen aufgenommen worden. Für so einen vornehmen Itichtöthuer existirr die Polizei rnchi außer als Helfershelferin; aber ein Arbeiter, das ist eine andere Sache, dem wird auf Schritt und Tritt nachgespürt, ob er auch ja nicht gemeinsalne Sache mit seinen deutschen Arbeitskollegen macht. Rur so lange sie sich dazu hergeben, den deutschen Ardeitern in ihren Lohnkämpfen Schmutztonkur- renz zu machen, sind die ausländischen Proletarier den Herrschenden willkommen, dann hätschelt inan sie sogar, im andern Falle weist man sie aus. So will es die Ordnung, so will es das Recht— der Ausbeutergesellschaft. — Rechtszustände im schönen Hessen lande. Aus Darmstadt schreibt nian uns: Unter der Anklage einer Schutz- mannsbeleidlgung, begangen in der Presse, hatte sich im Dezember vorigen Jahres der Redakteur der„Drfcmftädtrr Freien Presse", Herr Adam L e i ß l e r, vor dem hiesigen Schöffengericht zu verantworten. Der Angeklagte war nämlich der Meinung, wir lebten in einem Zeit- alter mtt noch halbwegs sittlichen und natürlichen Rechtsgrundsätzen und theilte seinen Lesern eines Abends in etwas humoristischer Weise mit, daß in der Erbacherstraße ein unter dem Spitznamen„Bivak" bekann- ter Schutzmann des Nachts um 3 Uhr in eine Wirthschaft einge- sttegen sei, dort Licht angezündet und in dem Augenblick, wo der Wirth ihn ertappt, eine Flasche Wein liebevoll betrachtet habe. Trotzdem nun der Polizeibeamte die Thatsache keineswegs leugnete, vielmehr vorgab, er sei in der Voraussetzung eingestiegen, um Diebe auszusuchen, und trotzdem seitens der vorgesetzten Behörde Disziplinaruntersuchung einge- leitet war, verurtheilte das Schöffengericht Leißler zu 14 Tagen Ge- fängniß und Tragung sämmtlicher Kosten. Das Gericht, hieß es, gelangte zu der Ueberzeugung, daß der Schutz- mann nur feine volle Pflicht erfüllt habe, der fragliche Artikel in der „Freien Presse" dagegen eine Beleidigung nicht nur des Schutzinanns, vielmehr der ganzen Polizei involvire. Die von Leißler hiergegen einge- legte Berufung kam am 13. Januar dies Jahres vor der Strajkammer zur Verhandlung, und siehe da, der Redakteur kam vom Regen in die Traufe; das Urtheil des Schöffengerichts wurde so ziemlich mir derselben Motivirung bestätigt, das Maß der Strafe zwar um die Hälfte verringert, aber dem Angeklagten säinmtliche Kosten ausgehalst. Nun aber kamen die Beiden, der Schutzmann Stein und der Re- dakteur der„D. F. Pr." zur selben Zeit vor die Schranken eines aller- höchsten Gerichts, wir meinen die ö s f e n t l i ch e Meinung. Hier lautete das Urtbeil aber anders: Der Redakteur der„Freien Presse", Herr Adam Leißler, gilt als ein ehrl.cher, braver, intelligenter Mensch; der Schutzmann Stein dagegen als Muster der Darnistäbter Polizei, als ein Individuum der niedeisten Sorte, dessen frühere Laufbahn ihn eher zum Galgen qualifizirt hätte als zum Hüter von Ordnung und Recht. Der Spitzname„Bivak" entspricht seiner früheren B-schäfli- gung als Louis, zu welchem Beruf ihm auch jetzt, wo er„Schutzmann" ist, die nöthigen Eigenschaften nicht zu mangeln scheinen. Em nach die- ser Richtung yin verrufener Tannenwald war in früherer Zeit sehr oft das Domizil des Wackeren, dem die Arbeit von jeher ein Gräuel war. Daß dieser Ehrenman» nun, von dem die öffentliche Meinung jagt, daß vor seiner lievevollen An— fassungswuth nichts sicher sei als glühendes Eisen und Mühlsteine, in der Absicht eingestiegen sei, um dag Eigen- thum zu schützen, glaubt in Darmstadt kein Sterblicher. Seiner vorge- setzten Behörde aber gilt er als ein Heiligthum, es vergeht kein Jahr, in dem er nicht 20 Ntal als„beleidigte Staatsgewalt" vor Gericht er- scheint, und bis jetzt haben sich noch keine Richter gesunden, die es end- lich einmal müde geworden wären, immer wieder ein solches Subjekt schützen zu müssen. Diesen Schutz hat ihm nun in ganz besonderer Weise am 19. Januar 1885 das Richterkollegium Strafkammer 1 zu Darmstadt angedeihen lassen, und man zweifelt keinen Augenblick, daß ihm eines Tages auch von„höherer Seite" wegen seiner besondern Quatifikaiton als„Beschützer des Eigenthuins" ein Orden verliehen werben wird. Man sieht, daß wenn auch unsere Bevölkerung noch nicht ganz reis ist zur„Verpreußung", unsere Polizei wenigstens gewisse Elemente in sich birgt, die für diele Ehre bereits überreif sind.„Etwas ist faulun Staate Dänemark !".— im— — Aus der volksparteilichen Schule geschwatzt hat Herr Mayer, der große schwäbische Demokrat und Reichsbote, indem er neulich in einer Berimer Fortschrittler-Verfammlung die Volkspartei als Eins mit der deutsch -freisinnigen Partei hinstellte. Hernach hat er die Worte, die manchem seiner näheren Freunde nicht gefallen mochten, wegzudeuteln gesucht— das ist ihm indeß vollständig inißlungen; und wir können also konstatiren, daß unsere wiederholt ausgesprochene Aus- fassung, die Volkspartei fei nur ein Auswuchs oder Schwanz der Fort- schnttspartei, aus berufenstem Munde ihre Bestätigung gesunden hat. — Ein nationalliberalerDemokrat. In dem Elberselder Komite der„neuen demokratischen Partei" sitzt ein gewisser Herr L e y. Dieser Mann ist, wie wir aus sicherer Quelle erfahren, ein guter Ratio- nalliberaler, der aber als„alter 48er" dann und wann noch an demo- kratischen Schlagwörtern Spaß findet, und sich deshalb zu den„neuen" Demokraten hingezogen fühlte. Im Kopf dieses nationalliberalen Demo- kraten muß es recht kraus aussehen— freilich nicht krauser als in den Denkerschädeln seiner neuen Kollegen. — Ha, welcheLust, Soldatzusein! In der„Frankfurter Zeitung " lesen wir: „Kassel , 21. Januar. Ein höchst bedauerlicher Unfall ereignete sich, wie man der„W.-Ztg." mittheilt, auf der heutigen in der Umgegend abgehaltenen Hofjagd(an der die höheren Zivil- und Militärbeamten, Adelige u. s. w. theilnahmen), indem man vier Soldaten mittels Schrotschüssen verwundete. Ei» Unter- offizier wurde dermaßen verletzt, daß er in's Garnisonlazareth überführt werden mußte. Es wurden nämlich zweihundert Soldaten als Treiber verwandt." Und da gibt es noch iinmer Leute, welche die Nothwendigkeit der stehenden Heere und insbesondere der dreijährigen Dienstzeit bezweifeln! Gibt's keinen fröhlichen Krieg, so gibt es ein fröhliches Jagen! Und ist es schon ehrenvoll, den Treiber des gehetzten Wildes für die hohen Herrschaften machen zu dürfen, um wie viel ehrenvoller ist es für den Sohn des Volkes, der„des Königs Rock" trägt,— den das Volk b e- zahlt!— wenn ihn so eine Kugel von hoher Hand trifft. Ganz be- sonders, wenn es die hohe Hand des P r i n z e n L e o p o l d ist, dieses würdigen Sprößlings des„rothen" Prinzen Friedrich Karl! — Nicht nur eine Erhöhung der Getreidezölle, sondern ein ganzes Bouquet von Zollerhöhungen steht für die nächste Zeit in Aussicht. Nach dem Muster vo» 1873 haben sich bereits die Interessenten im Reichstage, uin den Schacher ungestört betreiben zu können, zu einer„freien wirthschaftlichen Vereint gung" zusammengethan. Daß die Sozialdemokratie gegen jede Zollerhöhung stimmen wird, ist selbstverständlich. — Anarchistisches. Im Genfer „Revolte" finden wir folgende Perle: „Die„Liberty" in Boston tadelt in ihrer Nummer vom 3. Januar den„Revolte", weil er sie nur mit Vorbehalt in die Zahl der anar- chistischen Organe aufgenommen hat, und schließt die Notiz mit der Er- klärung, daß es ihr zukommt, zurückhaltend in der Wahl ihrer Genossen zu sein. Sie fragt uns, wie wir„die gewaltsame Inbesitznahme aller Güter empfehlen können, ohne dadurch das anarchistische Prinzip der Freiheit in Produktion und Austausch zu verletzen." Als Antwort darauf wiederholen wir ihr, was jeder unserer Artikel sagt, daß die Freiheit der Produktton die Freiheit der Konsumtion in sich schließt, und folg- licherweise die freie Inbesitznahme der Arbeitsprodukte, wenn diese Pro- dukte der Gemeinschastlichkeit entrissen sind. Unsererseits fragen wir die „Liberty", wie sie„die Lösung der sozialen Frage in der Freiheit der Banken" erblicken kann, wie ihr 3. Paragraph in der Nummer vom 3. Januar erklärt. Diesen Gedanken vermögen wir nicht zu fassen." Wollte Jemand eine Satire auf den„anarchistischen Kommunismus", wie sich die neue Doktrin der Herren Anarchisten nennt, schreiben, er könnte nichts Besseres thun, als diesen einen Satz abdrucken:„Freie Produktion, freie Konsumtion, freier Austausch"— frei, frei, frei! Und bei all' diesen„Freiheiten" kann natürlich der„freie Mensch" verhungern, so gut wie in der heutigen Gesellschaft, die wenigstens sür den absolut Bedürftigen eine Pflicht der Unterstützung anerkennt. In der„freien" Gesellschaft gibt es dergleichen nicht, da tröstet sich der„freie" Mensch mit dem erhebenden Bewußtsein, daß die Gemeinschaftlichkeit keinen An- spruch an ihn und an seine Produkte hat—„keine Rechte und keine Pflichten." Und alles Das nicht als Endpunkt einer bestimmten Ent- Wickelung, sondern uninitlelbar auf die Ruinen der heutigen Gesellschaft, die von Grund aus verungenirt werden muß, aufgepropft. Welches„Ideal"! Ferner theilt uns der„Revolte" nachfolgende interessante Neuigkeit mit: „Herr Wetzlar, Polizeikommissar von Elberfeld -Gottschalk, der in dem Prozeß Reinsdorf und der Anarchisten von Niederwald als Zeuge fun- girte. soll seit einigen Tagen verschwunden sein. Niemand weiß, waS aus ihm geworden ist. „--— Bravo den deutschen Anarchisten! Nicht viel Drohungen, aber Thaten! Das ist mehr werth, als unaufhörlich drohen und nicht handeln." Letzteres bezweifelt kein Mensch. Was aber den unglückseligen Herrn „Wetzlar " anbetrisst, so ist derselbe nach ziemlich glaubwürdigen Nach- richten noch immer am Leben. — Da wir uns heute einmal mit unser» anarchistischen Freunden be- fassen, so wollen wir auch gleich dem tapfern General Hans das Wort geben, ihm selbst zur Genugthuung— denn nichts kränkt den Todfeind aller großen Männer mehr, als wenn man ihn todtschweigt— und un- fern Lesern zur Erheiterung. Sir John theilt nämlich seinen Gläubigen die Erklärung der Wiener Polizei, daß sie keine Versammlung dulden werde, in der Liebknecht spricht, in folgender, an sein großes Vorbild erinnernden Weise mit: „In Wien herrscht bekanntlich für die Anarchisten Belagerungszustand, für die„Sozialdemokraten" hingegen Quatsch-Freiheit mit hoher obrig- Zeitlicher Bewilligung. Um nun diese letztere gründlich auszunützen, wurde unlängst der berüchtigte Liebknecht nach Wien zitirt. Der sollte den nöthigen Leim ausstreichen, um Gimpel sangen zu können. Er kam, sah— die Polizei, und— riß aus. Um diese Verduftung etwas zu bemänteln, wurde Hintennach die Mähr ausgesprengt, der große„Revo- lutionssolvat" a. D. sei ausgewiesen worden. Das war der Polizei zu dumm; daher berichtigte sie die falsche Angabe. Nur einige ihrer unter- geordneten Trabanten hatten sich den Ankömmling, wie das einmal die Neugier spitzelhafter Kreaturen so mit sich bringt, etwas genauer besehen, weshalb Datlerich eintrat und in wilder Flucht seinen Abschluß fand. Der Polizei that das verdammt leid, und sollen die unvorsichtigen Büttel ganz gehörige„Nasen", ob ihres undelikaten Verhaltens, bekommen haben. Liebknecht — der war ja gerade der Mann, den die Polizei in Wien gegenwärtig am besten brauchen kann. Der sollte ja bei öffent- licher Galavorstellung die Anarchisten— wie ein„wilder Mann" von der Berliner Hasenhaide die Kaninchen— bei lebendigem Leibe verspei- sen, einige Krokodilsthränen darob vergießen und nachher waschledernen Patent-Sozialismus dem lieben Publikum über die Ohren stülpen. So mußten Andere— ausgeleierte Agitationsorgeln ü la Bardorf u. s. w.— die Aufführung leisten; und das war ungemein langweilig und lockte keinen Hund vor den Ofen. Arme Polizei! Wir schlagen vor, daß im „Deutschen Reichs- und Staats-Anzeiger" sämmtlichen„sozialdemokrati- schen" Abgeordneten extra eine Friedenspfeife der Polizei versprochen wird. Das würde die Grillenberger und Komplicen sicher anlocken und bewegen, vor versammeltem Volke oratorische Schlafhauben zu stricken. Wir können solche humanitäre Vorschläge um so leichter machen, als wir wir wissen, daß unsere Genossen nicht hereinfallen." Brav geinacht, Hans. — Oesterreich. Eine Arbeiterversammlung, in welcher das geplante Soziali st engesetz und die Arbeitsgesetzgebung von denen besprochen werden sollte, für die, oder, wie sich die Offiziösen ausdrücken, zu deren„Schutze" es geschaffen werden soll, ist von der hochlöblichen Wiener Polizei ohne Weiteres verboten worden. Damit hat dieselbe wider ihren Willen den schlagenden Beweis geliefert, wie überflüssig für Oesterreich ein solches Gesetz ist, welch schmachvoller Bevormundung schon heute die Arbeiter im Lande der Heuchelei und Niedertracht unterworfen sind. Aber das Ordnungsbanditenthum ist in dieser Beziehung unersättlich, selbst der unbedeutendste Schiinmer von Recht, den der Arbeiter für sich anführen kann, ist ihm noch ein Dorn iin Aug«— absolut rechtlos, soll der Proletarier keinen andern Willen kennen als den seiner Ausbeuter und den der Polizei. Aber dazu wird man den intelligenten Arbeiter unserer Tage nie bringen, nicht nur wird er die gegen ihn gerichteten Gesetze nie anerkennen, er wird vielmehr von dein Augenblick an, da er selbst außerhalb des Gesetzes gestellt ist, keines der destehenden Gesetze für bindend erachten, er wird, er muß, mag er in der Theorie noch so fest von der Haltlosigkeit der Anarchie überzeugt sein, naturnothwendig zur anarchistischen oder sagen wir, um jeden Doppelsinn zu vermeiden, zur n i h i l i st i s ch e n Praxis gedrängt werden. Der Nihilismus ist das nothwendige Korrellat zur Willkür- Herrschast, und wie das jesuitische System in Oesterreich schon jetzt sich als die Pflanzschule des anarchistischen Nihilismus gezeigt hat, so wird es mit seinem Sozialistengesetz nur noch Oel in's Feuer gießen. Schon heute ist das österreichische Element die Stütze der anarchistischen Be« wegung— man braucht nur einer anarchistischen Versammlung in New- Pork, Chicago zc. beizuwohnen, um sich davun zu überzeugen. Und die- jes Berhältniß wird sich naturgemäß noch steigern. Aber noch etwa? Anderes� wird und muß eintreten. Wie heute kein Westeuropäer einen russischen Revolutionär, so lange er sich als solcher verhält, nach seinem speziellen Glaubensbekenntniß fragt, sondern in ihm, sei er Anarchist, Sozialist oder selbst nur bürgerlicher Radikaler, einen Kämpfer gegen den Czarendespotismus erblickt, so wird es in Zukunft auch den Oester- reichern gegenüber der Fall sein. Und wenn die österreichischen Staats- weisen von den nothwendige» Folgen solcher Verhältnisse nichts wissen wollen, so haben andereLeute alle Ursache, sie sichklar vor Augen zu führen. Ueber die in Brünn stattgehabte Protestversammlung in nächster Nummer. — Soziali st ische Presse und Literatur. Vom„Westnik Narodnoi Woli"(Bote des Volkswillens) liegt uns der 4. Band vor. Derselbe hat folgenden Inhalt: l. Abhandlungen: 1) Die soziale Revolution und die Aufgaben der Sitttichkeit, von Peter Lawroff. 2) Aus einem seit Langem stattgehabten Gespräch.(L. T i ch o m i r o f f.) 3) Ein Held, der sich überlebt hat.(Jg. K.) 4) Lieder über die junge Generation. 5) An unsere Tadlcr, von einem Offizier. 8) Die Fabrik- gesetzgebung und das Fabrikwesen in Rußland. (K. T a r a s s o s f.) 7) Do- kumente zur Frage, wie sich die russischen Kaiser am besten schützen kön- nen. 8) Zeitforderungen.(L. T i ch o m i r o f f.)— II. Ausland. 9) Serbien . Historische Skizze der politischen Bewegung in Serbien von 1881—83.(W-ch.) 10) England. Il) Bibliographie. — III. Chronik. 12) Dem Andenken der ehrlich im Kampse Gefallenen.(L. Ticho- mir off.) 13) Der Anklageakt aus dem Prozeß der Vierzehn. 14) Wie
Ausgabe
7 (5.2.1885) 6
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