und da derselbe eine Erlaubnis; zum ferneren Aufenthalt inder hiesigen Stadt nicht erlangt hat, ihm aufzugeben sei, die-selbe binnen 24 Stunden zu verlassen", im andern Falle er„zwangsweise über die Grenze zu bringen sei".Da die Gerichte zu einer willkürlichen Verhaftung der Re-daktenre nicht die Hand boten, nahm man zu dieser elendenPolizeifinte die Zuflucht:„Kein offener Hieb in offener Schlacht—Es fällen die Rücken und Tücken,Es fällt wich die schleichende NiedertrachtDer schmutzigen West-Kalmüken!"Mit diesen Worten nahm die„Neue Rheinische Zeitung"Abschied von ihren Lesern.Sic hätte bald Gelegenheit gehabt, ihr Register fortzusetzen.Man weiß, wie der Hohenzoller in Baden hauste, wie derPrinz von Preußen bei Rastatt das den Kapitulanten gegebeneWort brach und die Freiheitskämpfer Trützschler, M. Dortu,Bönning, Elsenhans, Ticdemann, Höfer, Jensen u. s. w. nieder-kartätschen ließ.Man weiß, wie auf Befehl des Zaren Schleswig-Holsteinpreisgegeben wurde, wie der Hohenzoller in Olmütz vor Oester-reich zu Kreuze kroch.Man weiß, wie die Verfassung oktroyirt, das elendeste allerWahlgesetze proklamirt wurde. Man weiß, wie die Reaktionwüthete, wie der„Komiker auf dem Throne" auch offiziell fürverrückt erklärt wurde und sein Bruder Wilhelm als Regentangesichts der immer drohenderen Mißstimmung im Volke die„neue Aera" zu inszeniren für gut fand, bis er am 2. Januar1861 seinem„in Gott" verstorbenen Bruder auf dem Thronefolgte.Man weiß, wie Wilhelm I., der Milde und Friedfertige,bei seiner Krönung feierlich das Gottesgnadenprinzip prokla-mirt und es durch die Annexion von Hannover, Nassau undHessen mit Füßen trat; man weiß--Doch wozu uns noch länger in Einzelnheiten ergehen? DasKriegsglück ist Wilhelm I. günstig gewesen und hat ihn zum„glorreichen Helden" gemacht, zum„Einiger Deutschlands",und was der Ehrentitel sonst noch sind, die ihm ein speichel-leckerischer Servilismus beigelegt. Man braucht sich die„deutscheEinheit" nur in der Nähe anzusehen, um das große Verdienstihrer Herstellung nach Gebühr zu würdigen. Sie hat demdeutschen Volk die gemeinsame Peitsche, von der Heine singt,gebracht— das Ausuahmegesetz gilt über ganz Deutsch-land, sie hat sein wirthschaftliches Leben den Interessen derpreußischen Landjunker dienstbar gemacht, aber sie hat keineneinzigen der in den Einzelstaaten bestehenden Mißbräuche aus-zurotten vermocht. Der„Einiger Deutschlands" wacht miteifersüchtiger Sorgfalt darüber, daß auch kein Tipfelchen vonseinen Partikularrechten als König von Preußen beeinträchtigtwerde, die dynastischen Interessen, seine speziell preußischenTraditionen, stehen ihm so hoch über dem Gedanken einerwirklichen Reichspolitik, daß er durch den Spezial-Ausliefe-rungsvcrtrag mit Rußland das Signal geben konnte zu einerNeubelebung des Partikularismus überhaupt. Herabdrückungder Volksrechte, Fußtritte ins Gesicht der Volksvertretung aufder einen Seite, und Stärkung der fürstlichen upd sonstigenPriviligien auf der anderen Seite— ,das ist die �Politik, desneuen deutschen Kaiserreichs.Freilich, die Feigheit und Niedertracht der Macher der öffent-lichen Meinung in Deutschland hat eine bequeme Formel ge-funden, um in ihren Festartikeln diese Seite der glorreichenRegierung Wilhelms I. vertuschen zu können. Dem Kaiserden Ruhm, dem Minister die Verantwortung.„Es muß be-klagt werden, daß die starke Hand, in welche König Wilhelmdie äußere Politik gelegt hatte, auch berufen war, in die innernVerhältnisse bestimmend einzugreifen," leitartikelt die„Frank-surter Zeitung", und ruft dann aus:„Damit soll der Hul-dignng, die heute Preußen seinem Könige, Deutschland seinemKaiser erweist, kein Eintrag geschehen. Nicht alle Güter desGlücks häuft das Geschick auf ein einziges Haupt, auch seinenLieblingen versagt es manches Kleinod. Des Kaisers Hauptumstrahlt der Glanz des Ruhmes".... Und so weiter,und so weiter.Elende Lüge eines von dem Beweihräucherten selbst bei jederGelegenheit perhorreszirten Konstitutionalismus! Entweder—oder. Entweder ist Wilhelin I. eine Puppe, ein Strohmann,ein Idiot, oder er ist der bewußte Herr und Gebieter seinesMinisters. Und dann, mag er sonst so beschränkt sein als erwill, dann trägt er auch die volle Verantwortung fürdessen Politik,— wenn nicht de jure, so doch de facto,wenn nicht vor einem Richterkollegium, so doch vor seinemVolk, vor der Geschichte.Er trägt die Krone des preußischen Staates, des deutschenReiches— nun, so trage er auch die Verantwortung für dieschmachvollen Ausweisungen, für die Folgen der infamen Aus-nahmegesctze, für die Wirkungen der agrarischen Interessen-Politik, für jeden Tropfen Blut, der ohne Roth vergossenwurde.Ehre, dem Ehre gebührt.Sozialpolitische Rundschau.Zürich, K. Januar 1886.Georg Adolf Temmler-f.Im 82. Lebensjahre ist am 2. Januar, Nachmittags 4 Uhr, derVeteran unserer Partei, Adolf Dem mler, Hofbaurath a. D. inSchwerin, an Altersschwäche sanft entschlafen.Zu einer Zeit, wo es noch nicht Mode war, in irgend giner ArtSozialismus zu machen, hatte Demmler den Muth, sich offen und freizu republikanischen und sozialistischen Grundsätzen zu bekennen. Einher-vorragender Künstler, und als solcher allgemein anerkannt, trat er 1848 miteiner Entschiedenheit gegen die politische und ökonomische Unterdrückungein, die ihn seine Stellung als Hofbaumeister kostete und ihn verhin-derte, das berühmteste Werk seines Lebens, das Schweriner Schloß, zuvollenden.Wie er als Bauleiter Gelegenheit genommen, den auf Kosten der Arbeiterein Schniarotzerdasein führenden„Meistern" ihre Ueberflüffigkeit un-widerlegbar zu beweisen, ist bekannt. Er hat damit der Arbeitersachekeinen geringen Dienst geleistet. Denn wie in jedem Kampf, so spieltauch im Klassenkampf zwischen Arbeit und Kapital das moralische Be-wußtsein eine iroße Rolle. Es bei den Arbeitern heben, heißt ihreKraft im Kampf vermehren.Bei den Reichstagswahlen 1877 wurde Demmler vom WahlkreiseLeipzig-Lan, in den Reichstag entiendet. Mit großer Pflichttreuefüllte er dort seilen Posten aus und nahm an den Arbeiten unsererdamaligen Fraktior eifrig Theil. Als'.878 nach den Attentaten derReichstag aufgelöst wurde und die Soziolistenhatz begann, blieb auch er,der 74jährige Man,, von der Brutalität der Ordnungsstrolche nichtverschont. Trotzdem hielt er unentwegt zur Fahne: wenn er auch, mitRücksicht auf seine zmehmende Schwäche, seine Kandidatur nicht wiederaufstellte, so that er loch, was in seiner Kräften stand, um der Parteiden Wahlkreis zu erhalten.Seit Proklamirung tes Ausnahmegesitzes ist Demmler nicht mehr andie Oeffentlichkeit getrete,. Aber im Stillen erfüllte er auch fernerhin seineSchuldigkeit als Parteigmoffe. Er steuerte nach Maßgabe seiner Mittelfür die Bedürfnisse der Partei bei, rnd das Parteiorgan verliert inihm einen treuen Abonnerten.Die Lücke, die der einzelne Kämpfer hinter sich läßt, schließt sichschnell, der Kampf zieht immer neue Streiter heran. Aber sein An-denken dauert im Gedächtniß seiner Kcmpsgenossen unauslöschlich fort.Die Sozialdemokratie wird den Namen Georg Adolf Demmler in Ehrenhalten.— Ehedem war es Sitte, bei besondern Jubelfesten eine Amnestiefür politische Verbrecher einreten zu lassen. Wir sind keinebesonderen Verehrer dieser Sitte, die n einem freien Lande überflüssigist. Aber Deutschland ist nun einmal kein freies Land, und so tauchtedenn auch das Gerücht auf, es werd aus Anlaß der Jubiläumsfeierdes alten Wilhelm eine allgemeine poitische Amnestie eintreten. Sie istnicht eingetreten, und sie hätte auch keinen Sinn, solange das Aus-nahmegesetz fortbesteht. Man wird inige arme Schächer begnadigen,das ist alles. Und wir sind die letztn, die sich darüber beschweren.— Zum Erkenntniß des Reichsgerichts in Sachen desChemnitzer Sozialisten-Prozesses schreibt man uns a ujsDeutschland:Wenn alle untreu werden, so bleibn wir doch treu— so dachten dieHerren vom dritten Strafsenat des ieichsgerichts, gingen hin, stelltenin Form Rechtens den„Rechtsirrtlum" der Chemnitzer Richter, diePläne der Reichsregierung und des ächsischen Justizministeriums durch-kreuzen zu wollen, fest und wiesen dn Prozeß an das Landgericht zurück.Allerdings nicht an das C h e m n i t e r Landgericht, wie das eigentlichdem Gebrauch entsprochen hätte, soidern an ein anderes Landgericht,nämlich das Freiberger, das n jenen Rechtsirrthum bisher nochnicht verfallen ist, und also auch ene gewisse Bürgschaft dafür bietet,daß es künftig nicht in ihn verfalln, und dem so sehr überarbeitetenReichsgericht nicht noch überflüssige lrbeit verursachen wird. Im Augen-blick, wo ich dies schreibe, ist mir der Wortlaut des reichsgerichtlichenEntscheids noch nicht bekannt, und licht einmal die Argumente und Mo-tive, denn, wie ich von kompetenter Seite erfahre, sind die in den Zei-tungen befindlichen Referate so urgenau und lückenhaft, daß sie nichtzur Grundlage irgend welcher Betachtungen gemacht werden können.Jndeß das ist auch höchst nebensäölich. Das Reichsgericht hat die Auf-gäbe, dafür zu sorgen, daß die Rchtspflege in Deutschland sich nichtvom Boden der deutschen Reichsgeetzgebung entferne, und daß sie demim deutschen Reich herrschenden Zechtsbewußtsein entspreche. Nun istaber die deutsche Reichsgesetzgebunz der Ausfluß und Ausdruckder Interessen und Anschrurngen derjenigen Personenund Klaffen, welche im deutschen Reich„die Klinke derGesetzgebung in der Hand habe n", um mich des offenherzig-zynischen Worts unseres leitenden Staatsmanns, d. h. der Personafikation des Reichs, zu bezieren. Und das im Reich herrschendeRechtsbewußtsein ist das Rechtskewaßtsein der im Reich herrschendenPersonen, und entspricht genau deren Jntereffen und Anschauungen.Woraus folgt, daß das Reichsgeriht die Rechtspflege so zu üben undzu leiten hat, daß sie die Jnteressei und Anschauungen der herrschendenPersonen, welche in ihrer Gesamrüheit die herrschende Klaffe bilden, zurGeltung bringt. Und, wie gesaa, das Reichsgericht hat diese seine Auf-gäbe begriffen. Seine Geschichte lehrt es uns. Wo die Interessen undAnschauungen der herrschenden Personen es erheischten, inszenirte esHochverrathsprozeffe, und verurheilte mit der Präzision eines wohlregu-lirten Uhrwerks; und wenn sch einmal irgend ein untergeordnetesRichterkollegium, z. B. das Zwickau er Landgericht im Falle Preißer,beikommen ließ, den Jntereffen md Anschauungen der herrschenden Per-sonen nicht Rechnung zu trage:, so waltete das Reichsgericht mit un-trüglicher Sicherheit seines Amts, ertheilte dem sündigen Gericht dienöthige„Rechtsbelehrung" und xigte ihm den korrekten Weg der korrek-ten Verurtheilung. Nur immer korrekt! Glaube man nicht, daß dasReichsgericht jemals inkorrekt gchandelt habe! Es wäre eine frivole Ver-dächtigung, dies behaupten ode auch nur insinuiren zu wollen. Undeine solche Verdächtigung der Achter wäre obendrein nur der Ausflußeiner kindlich-optimistischen Auffissung der G e s e tz e. Jeder, dessenDenken und Handeln sich mit den Interessen und Anschauungen derherrschenden Personen nicht inHarmonie befindet, ist st r a f b a r, unddas„herrschende Rechtsbewuhisin" hat dafür gesorgt, daß es auch„Gesetze" gibt, nach denen e bestraft werden kann. Ein Richter,der, wenn es von oben her verlmgt wird, einen so frevelhaften Menschennicht zu angemessener Stase verurtheilt, hat entweder von derAufgabe und den Pflichten seine! Amts keinen Begriff, oder er kenntdie Gesetze nicht. Eins odr das Andere. Und inbeidenFällen„Remedur" zu schaffen, ist das Ehrenamt des Reichsgerichts als obersterBerusungs- und Revisionsinstanz im Reich der Gottesfurcht und frommenSitte, wo ein„nach Blut riechewer" Junker Otto von Bismarck nebstseinen würdigen Mitjunkern und Spießgesellen„die Klinke der Gesetz-gebung in der Hand" hat, und de Gesetzgebungsfabrik ebenso gewiffen-Haft leitet, wie die Gesetzvollstreckmgsmaschine, genannt Justiz.—Soweit hatte ich geschrieben, al> mir der Wortlaut des Reichsgerichts-erkenntnisses zu Gesicht kommt. 2as Reichsgericht hat den„Rechtsirr-thum" darin entdeckt, daß das Landgericht Chemnitz den Begriff derVerbindung im Sinne der§§ 12« und 129 nicht ganz richtig definirthabe, und in Folge deffen möglicherweise zu einer falschen Schlußfolge-rung, also zu einem inkorrekten Urtheil gelangt sei. Das ChemnitzerGericht hat nämlich nicht ausdiücklich erklärt, daß der Beitritt zueiner Verbindung„auch durch kockludente" d. h. den Zweck der Ver-bindung fördernde Handlung,« erfolgen könne— etwas so selbst-verständliches, daß die Chemnitz-' Richter offenbar eine besondere Er-wähnung für überflüssig hielten. Oder versteht es sich nicht von selbst,daß z. B. ein irischer Bauer, der fch einer„Mondscheinbande" anschließtund ihre Züge mitmacht, der„Vernndung" angehört, auch wenn er diesnicht vorher formell in Worten erlärt hat? Wem dies Beispiel nichttreffend erscheinen sollte, weil es ar Hochverrath und Aufruhr anstreift,der suche sich ein anderes: z. B. äne„Verbindung", welche die Unter-stützung eines gemaßregelten katholischen Pfarrers zum Zweck hat.Kurz, es wird Niemand einfallen, die Richtigkeit der scharfsinnigenReichsgerichtsentdeckung zu bestreit« aber was beweist sie? Wir meinenfür den gewöhnlichen Menschen. Nichts, rein gar nichts. Dennum„konkludente Handlungen" im Sinne des Reichsgerichtserkenntniffesbegehen zu können, muß man doch schon eine Verbindung im Sinne der§Z 128 und 129 haben, deren Zvecke durch diese„konkludenten Hand-jungen" gefördert werden sollen. Und da liegt der Hase im Pfeffer.Wir sind demnach genau auf dem alten Fleck. Jndeß, j u r i st i s ch eMenschen sind keine gewöhnlichen Renschen, und die juristische Logikunterscheidet sich so sehr von der ordinären Logik, daß wir selten fehlgehen, wenn wir annehmen, daß sie stets das diametrale Gegentheilschlußfolgern.Beiläufig klingt das Erkenntniß des Reichsgerichts außerordentlichgelehrt, und hat auch den Schein großer Scharfsinnigkeit. Bei dieserGelegenheit wollen wir ein kleines Geheinmiß verrathen. Für die Ar-gumentationen der Herren Juristen gibt es ähnliche mechanische Hilfs-mittel wie für die Berechnungen der Astronomie. Was für den Ästro-nomen die Logarithmentafeln u. f. w. sind, das sind für denErkenntnihgründe formulirenden Juristen die„Rechtsfeststellungen" frü<herer Erkenntniffe, aus denen sich iin Lauf der Jahrhunderte, ja Jahr-tausende— denn wir stecken ja noch tief im römischen Recht— sichRechtsschablonen herausgebildet haben, nach welchen Hand-werksmäßig und rein mechanisch die scheinbar verwickeltstenDeduktionen aufs Papier gemalr weiden können— wie vom Zimmer-anstreicher nach einer„Patrone" die schönsten und zierlichsten Tapeten-muster.Die Leser des Parteiorgans werden sich z. E. erinnern, daß währendder tz IZI-Prozeß-Epidemie vor 4 und 5 Jahren die Richter sich an einebestimmte, feststehende Formel gewöhnt hatten, in welche, wie in dasBett des Prokruffes, jedes Verbrechen und jeder Verbrecher gewaltsamhineingepreßt ward— nach der gut kossakischen Maxime: D e r B i e nmuß!Und der kundige Thebaner, der das Reichserkenntniß in Sachen desChemnitzer Prozeffes verfaßt hat, besitzt etliche Dutzend der-artige Schabionen, mit denen er, bei einigem Fleiß, quantitativwie qualitativ noch weit Bedeutenderes hätte leisten können. Allein dieWeihnachten waren vor der Thüre, und da ist man nicht grade in ar-beitslustiger Stimmung. Und schließlich kommt es ja auch auf Quan-tität und Qualität nicht an— die trockene Guillotine der Justiz ist sogut eingerichtet, daß sie, nachdem nun der richterliche Krauts seine Wei-sung erhalten hat, sicherlich nach Wunsch und Kommando funktionirenwird.rk. D i e sozialdemokratische Fraktion wird nach denFerien zwei neue Initiativanträge einbringen: ein Gesetz zum Schutzeder Wahlfreiheit und einen Antrag auf Abschaffung desberüchtigten Dynamitgesetzes. Wie unseren Lesern bekannt,war das Dynamitgesetz gegen die Sozialdemokratie gerichtet, hat aberin Wirklichkeit nur politisch ganz indifferente Leute getroffen. Wir sagten:es war gegen die Sozialdemokraten gerichtet. Man mißverstehe uns nicht.Die Urheber dieses dümmsten aller jemals von den Reaktionären aus-getüftelten Represstonsgesetze wußten so gut wie wir, daß die Sozial-demokraten kein Dynamit brauchen, sintemalen sie auch ohne dieseultiina ratio der politischen Verzweiflung und der Verzweiflungspolitikmit ihren Feinden fertig zu werden vermögen; und man war auchscheinehrlich genug, zu sagen, daß das Gesetz nicht den Sozialdemokraten,sondern den sogenannten Anarchisten gelte— allein Anarchist und So-zialdemokrat ist ja, wie die Herren Reaktionäre, die Puttkamer undKonsorten, in ihren Reden und in ihren Zeitungen hundertmal gesagthaben, nur ein verschiedener Ausdruck für wesentlich daffelbe Ding—Anarchisten und Sozialdemokraten erstreben das Nämliche, und der ein-zige Unterschied, der zwischen iynen zu bemerken, ist nur ein Grad-unterschied— die Sozialdemokraten sind verschämte Anarchisten, unddie Anarchisten sind kouragirte Sozialdemokraten, die kein opportunisti-sches Blatt vor den Mund nehmen.Mit einem Worte, das Dynamitgesetz gehört in die Reihe jenerMaßregeln, welche das Bismarck'sche System hauptsächlich zu dem Zweckeanordnet, ein unbestimmtes Gefühl der Angst vor irgend etwas Unge-heuerlichem zu verbreiten, und den Glauben an das Rothe Gespenstnicht aussterben zu laffen. Die Hödel- und Nobiling-Polizeimythologie,das Sozialistengesetz, die Köpfung Hödel's, die Hochverrathsprozeffe,die Köpfung Reinsdorff's und Lieske's— das sind Glieder einerKette, von der auch das Dynamitgesetz ein Theil ist.Genug: das Dynamitgesetz hatte einen seinen Urhebern sehr unerwar-teten und unerwünschten Erfolg; eS wurde zu einer förmlichen Fallefür Personen, die geschäftlich und berufsgemäß mit Dynamitzu thun haben. Dutzende und Dutzende solch' harmloser Leute wurden zuschweren Strafen verurtheilt, wohingegen nicht ein einziger So-zialdemokrat oder Anarchist in den Maschen dieses stupidenGesetzes hängen geblieben ist.Der Antrag auf Aufhebung des Dynamitzesetzcs wird eine trefflicheGelegenheit geben, die Politik unserer Feinde zu brandmarken, für ver-gangene, zur Zeit nicht genügend beleuchtete Schandthaten nachträglichnoch die verdiente Züchtigung zu appliziren, und nebenbei auch das, voneinem großen Theil der Partei nicht ganz gebilligte Benehmen der Frak-tion beim Zustandekommen dieses Gesetzes in das richtige Licht zu stellen.Wir erwähnen letzteren Punkt, weil er zur Einbringung des Antragswesentlich beigetragen hat.Der Antrag betreffend den S ch u tz d e r W a h l f r e i h e i t ist nurdie Wiederholung eines schon vor 1878 seitens der sozialdemokratischenFraktion gestellten Antrags. Es wird die Vornahme der Wahl an einemSonn- und Feiertag und ferner die Einführung der Kouvertsu. s. w. gefordert.Von der Forderung des Proportionalwahlsystems, obgleichman sich mit demselben einverstanden erklärte, wurde deshalb Abstandgenommen, weil ein dahin zielender Gesetzentwurf die umsaffendstenDetailbestimmungen enthalten müßte, deren Ausarbeitung, selbst inskizzenhafter Form, mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als sich füreine zunächst nur akademische Forderung verlohnt. Der Redner, dem dieBegründung des Antrags zufallen wird, ist aber beauftragt, für dasProportionalwahlsystem einzutreten und dessen Grundzüge zu ent-wickeln.— Die Frankfurter Friedhofs-Metzelei soll ungesühntbleiben! Die Untersuchung, welche zur Beschwichligung des öffentlichenGewiffens anfangs mit großem Geräusch in Szene gesetzt ward, ist voll-ständig eingeschlafen, und aus allerhand Andeutungen in den Zeitungenersehen wir, daß die Behörden nicht daran denken, die Urheber und Ver-anstalter jenes schurkischen Polizeiattentats zur verdienten Strafe zuziehen. Speziell der Mordhallunke Mayer wird jetzt als ein Lammvon Sanstmuth hingestellt.Genug— wir müssen durch dieses Todtschweige- und Vertuschungs-system einen dicken Strich machen. Im Reichstag wird die Angelegen-heit bei Diskuffion der„Denkschriften" über den Belagerungszustand zurSprache gebracht werden. Allein das reicht nicht aus, und es wäre sehrgut, wenn seitens der näher Eingeweihten auch in der Presse vor-gegangen würde.— Dieverkehrte Welt. In unserer besten der Welten, woder Diebstahl die Heiligkeit des Eigenthums, der Ehebruch die Heiligkeitder Familie und der Meineid die Wahrheit und Tugend predigt unddie Menschheit erlösen will, kann es uns nicht Wunder nehmen, wennstatt der Urheber eines Verbrechens die Opfer derselben in Anklage-stand versetzt werden. Der rothe Mordhallunke Mayer in Frankfurtwird nicht vor Gericht gestellt oder soll es wenigstens nicht werden,dagegen hat Genoffe L e y e n d e ck e r in Mainz, der mit knapperRoth den Brutalitäten des besagten Mordhallunken entging, eine Anklageauf Verletzung des tz 116— des bekannten„Auflaufparagraphen"—erhalten.Aufrichtig gesprochen, ist uns das sehr lieb. Abgesehen davon, daß esuns stets freut, wenn unsere Feinde die Maske fallen lassen und dieInstitutionen unserer musterhaften Staats- und Gesellschaftsordnung sichin ihrer wahren Gestalt zeigen, betrachten wir es als einen großen Vor-theil, daß die Frankfurter Kirchhofsmetzelei vor die Gerichte kommt—und wenn unsere Genoffen auch zwanziqmal dabei auf der Anklage-dank zu sitzen haben. Die Rollen werden bald vertauscht sein und dieAngeklagten als Ankläger den Urhebern jenes Schurkenstreiches sowiederen Werkzeugen und Mitstrolchen gegenübertreten.Wir glauben übrigens, daß, salls der Antrag auf Verlängerung desSozialistengesetzes erst nach Beendigung der Etatsdebatte eingebrachtwerden sollte, sich wohl eine Gelegenheit finden würde, die FrankfurterKirchhofs-Metzelei schon vorher im Reichstage qur Sprache zubringen.— Das Reichsgericht sorgt dafür, daß seine Lorbeeren rechtoft erneuert werden, also stets frisch vorhanden sind. Vor den Weih-nachten die Nichtigerklärung des freisprech-.nden Chemnitzer Urtheils,nach den Weihnachten die Kreirung*) und die Verurtheilung eines„Hoch-verräthers". Das Papstthum braucht Heilige, und„kreirt" sieje nach Bedarf; und das deutsche Kaiserreich braucht„Hoch-v e r r ä t h e r", die es sich durch das Reichsaericht nach Bedarf und ingenügender Menge„kreiren" läßt. Die„Kreirung" von„Hochverräthern"ist ebenso leicht, und erfolgt nach einem bestimmten Rezept— ganz wiedie Kreirung der Heiligen.Das Rezept ist sehr einfach. Nimm ein leichtgläubiges Individuum,.deffen Eifer in umgekehrtem Verhältniß zu seiner Urtheilskraft steht;bringe es mit einem beliebigen Polizeispitzel in Verbindung, der dienöthigen Rathschläge ertheilt; laffe besagtes Individuum unter denAugen des Polizeispitzels ein paar Exemplare des„Rebell", der„Freiheit" oder Mer ähnlichen papiernen»trappe möglichst auffällig„ver-breiten" oder laffe es— der Abwechslung halber— ein paar Dynamit-*) Kreiren— schaffen.