Existenzen das ist unserem Philister nicht angenehm, es stört ihm die Verdauung. Und triebe die Polizei es zu toll, so wäre er im Stand, sich auf die Hinterbeine zu stellen und gegen das Sozialistengesetz Front zu machen. Die Gefühle des Philisters müssen also geschont werden. Und das thut die Polizei. Seit einigen Monaten weist sie sehr selten aus, von Verboten hört man nur wenig es werden Versammlungen in Menge erlaubt kurz, man merkt nicht viel von dem Sozialisten- Oesetz. Und wenn es zur Verlängerung prälentirt wird, und der gut- �wzige, gemüthvolle Philister hat Gewissensbisse, so kann die Polizei ihm zutraulich auf die Schulter klopfen und sagen: »Ich achte deine Skrupel, auch ich bin nicht grausam. Bin ich denn hart? Sieh' die vielen sozialdemokratischen Versammlungen! Sieh' die hunderttausend nicht ausgewiesenen Sozialdemokraten! Sieh' die notorisch sozialdemokratischen Zeitungen in Deutschland , wie frei sie schreiben? Kann es gemüthlicher sein unter dem Sozialistengesetz? Was hast du an diesen Zuständen auszusetzen? Hatte der Parlamentssäugling Bismarck nicht Recht, als er meinte, das Sozialistengesetz mitsammt kleinen" Belagerungszustand sei nicht halb so schlimm, wie die Hundesperre? Und der gutherzige Philister wird diesen Argumenten nicht unzugäng- uch sein. Also Appell an die Furcht und Appell an das G e m ü t h. Der Appell an die Furcht wird besorgt durch das Rothe G e> tpenst, welches man hübsch ausmarschiren läßt; der Appell an das G e m ü t h durch die m i l d e P r a x i s. , Beide Appelle dienen dem gleichen Zweck. Und das auf den Phüister «n seiner Doppeleigenschaft als Angstmeier und G e f ü h l s e s e l berechnete Doppelspiel hat zum allgemeinen Zweck die V e r l ä n g e- rung des Sozialistengesetzes. s. Bismarck wird wirklich alt. Statt den Reichstag ohne Umstände heimzuschicken was er noch vor wenig Jahren unfehlbar unter ahnlichen Umständen gethan hätte läßt er sich jetzt auf eine Schim- pserei par distance ein. Dieses Gepolter im preußischen A b g e o r d. Net en Haus gegen den Reichstag , von dem er sich sorgfältig fern halt, hat etwas unendlich Komisches und wird an Komik höchstens er- reicht durch die Hasenherzigkeit des Eugen Richter , der leichenblaß aus dem Landtag in den Reichstag gelaufen kam, und einen Staatsstreich ankündigte! Oder richtiger die Ankündigung eines Staatsstreichs ankündigte. Nun, wer so poltert, wie der alt gewordene Otto, der hat rucht mehr das Zeug in sich, einen Staatsstreich zu machen. Alles was er mit seinem Gepolter und seinen Lufthieben aus der Ferne be- wirkt hat, ist: sich selber unsterblich zu blamiren und aller Welt das fatale Geheimniß auf die Rase zu binden, daß die Mehrheit der deutschen Volksvertretung und des deutschen Volks nichts mehr von ihm w i s s e n w i l l. Er erinnert lebhaft an jenen berühmten Hahnrei, der mit gezogenem Degen durch die Stadt lief, um den Uebelthäter zu suchen, und dabei Jedem laut schreiend sein Mißgeschick erzählte. Im Reichstag ist's seit der Polendebatte ziemlich still hergegangen. Der Etat wurde, bis auf einige geringe Reste, in zweiter Lesung erledigt, wobei auch unsere Genossen verschiedentlich Gelegenheit hatten, die Parteianschauungen zum Ausdruck zu bringen. Bock charak- terisirte die agrarischen Bestrebungen, Geiser protestirte gegen das �chnapsmonopol, Liebknecht beleuchtete die Wirthschaft oder Miß- wirthschaft auf den kaiserlichen Wersten , K a y s e r hatte eine kleine Auseinandersetzung mit dem fortschrittlichenB i e r-M a y e r", der ihn m ungezogener und ganz unprovozirter Weise angerempelt hatte, und Auer brach eine Lanze für unverfälschtes Bier. Die erwähnte Ungezogenheit des Bier-Mayer hat insofern ein gewisses Interesse, als sie zeigt, wie wenig genau es die Herren Fortschritt- le r, oder wenigstens einige ihrer Führer, zu denenBier-Mayer" un- Jfteifelhaft gehört, mit der sogenanntenprivaten Diskretion" nehmen. Vier-Mayer attakirte nämlich den Genossen K a y s e r auf Grund ver- traulicher Aeußerungen, die er erhorcht hatte, als er seinen Platz an der Seite unserer Abgeordneten hatte. Das nur on passant. Da sich keinE n t r ü st u n g s st u r m" gegen den Reichstag herauf­beschwören läßt, so hat sich der geschlagene Junker Bismarck von seinen Lakaien im Bundesrath ein kleines Pflästerchen auflegen lassen, und sich außerdem bei seinen nationalliberal-konservativen Mameluken im preußischen Landtag ein Vertrauensvotum bestellt. Das Vergnügen wollen wir ihm nicht stören. Noch vor wenigen Jahren hätte er auf die Ohrfeige, welche der Reichstag ihm applizirt, eine andere und bessere Antwort gehabt. Aber die Zeiten haben sich geändert, und der schnaps- brennende Reichs-Millionär von Friedrichsruhe und Varzin hat auch in Bezug auf sein Ansehen und seinen Ruf eine Schwenningerkur durchgemacht. Der Beschluß des Reichstags in der Polensrage hat überall in Deutsch - land eine günstige Aufnahme gefunden; und die guten Früchte desselben können dem Reichstag durch keine andere Macht entrissen werden als durch den Reichstag selbst. Durch den Reichskanzler sicher nicht. ri<. Zwei parlamentarische d. h. gesetzgeberische Erfolge der Sozialdemokratie sind zu verzeichnen. Der Antrag Harm aus Unterstützung von Familien von eingezogenen Reservisten ist zwar formell von der Budgetkommission verworfen, inhaltlich aber von ihr in Gestalt einer Resolution angenommen worden, welche dahin geht, die Regierung zu einer Gesetzesvorlage im Sinne des Antrages zu veranlassen. Die Resolution wird unzweifelhaft im Reichs- Fr.: Existirt er von Ewigkeit an? A.: Unsere gelehrtesten Priester, die offiziellen Oekonomen, sagen, daß er von Anfang der Welt an existirt; damals war er indeß noch ganz klein, daher usurpirten Jupiter, Jehova, Jesus und die anderen Götter seinen Thron. Aber seit dem Jahr 1 500 ungefähr ward er von Tag zu Tag größer an Macht und Herrlichkeit, und heute lenkt er die Welt nach semem Willen. Fr.: Ist dein Gott allmächtig? A.: Ja. Seine Gnade verleiht alle Genüsse der Erde. Wenn er sein Antlitz von einem Menschen, einer Familie, einem Lande abwendet, so müssen sie in Kummer und Elend ihr Dasein fristen. Die Macht des Gottes Kapital wächst mit dem Umfang seiner Masse: täglich erobert er neue Länder, täglich vergrößert er die Schaar seiner Diener, die ihr Leben der Aufgabe weihen, seine Masse zu vermehren. Fr.: Welches sind die Auserwählten deines Gottes? A.: Die Kapitalisten Kaufleute, Fabrikanten wie Rentiers. Fr.: Wie belohnt dein Gott dich? A.: Indem er mir, meiner Frau und meinen Kindern bis zum Kleinsten täglich zu arbeiten gibt. Fr.: Ist das deine einzige Belohnung? Ä.: Nein. Unser Gott gestattet uns auch, unfern Hunger dadurch zu stillen, daß wir vor den Schaufenstern mit den Augen die herrlichsten Braten und Delikatessen verschlingen, die wir nie gekostet haben und nie kosten werden, weil sie nur da sind zur Nahrung für die Auser- wählten und die heiligen Priester. Seine Güte erlaubt uns auch, unsere vor Kälte erstarrten Gliedmaßen dadurch zu erwärmen, daß wir die Molligen Pelzwaaren und die dicken Tuchsachen bewundern, in welche sich die Auserwählten und die Priester allein hüllen dürfen. Sie ge- währt uns auch das überaus hohe Vergnügen, auf den Hauptstraßen und Luxusplätzen unsere Augen an dem Anblick der heiligen Schaar der Kapitalisten und Rentiers zu weiden, wie sie dick und fett, galonnirte Lakaien hinter sich und bemalte Horizontalen neben sich, in glän- zenden Karossen vorüberfahren. Fr.: Gehören die Auserwählten einer anderen Rasse an als du? A.: Fabrikanten und Rentiers sind vom selben Thon geknetet wie ich; aber sie sind auserwählt unter Tausenden und Millionen. Fr.: Was haben sie gethan, um diese Erhöhung zu verdienen? A.: Nichts. Unser Gott bekundet seine Allmacht, indem er seine Gunst denen zuwendet, die sie nicht verdient haben. Fr.: Dein Gott ist also ungerecht? A.: Das Kapital ist die Gerechtigkeit selbst; seine Ge- rechtigkeit geht über unseren schwachen Verstand hinaus. Das Kapital ist allmächtig; wenn es gezwungen wäre, seine Gnade denen zu spenden, die sie verdienen, würde es geschwächt werden, denn dann würde seine Macht Grenzen haben. Es kann dieselbe daher nicht besser beweisen, als daß es seine Lieblinge aus dem Hausen der Tagediebe und Faullenzer auserwählt. tag die Mehrheit haben, und auch von der Regierung verwirklicht wer-, den. Der zweite Erfolg betrifft die sächsische Eigenthümlichkeit der\ Wahlrechtsentziehung wegen restirenden Schulgelds. Vorige Session setzte Liebknecht in der Wahlprüfungskommission eine Resolution durch, welche die Unverträglichkeit des betreffenden Paragraphen der sächsischen Armenordnung feststellte, und eine Abände- rung des bestehenden Zustandes für nothwendig erklärte. Die Resolu- tion wurde seinerzeit vom Reichstag einstimmig angenommen, und dieser Tage erklärte Herr von Rostiz-Wallwitz auf eine Anfrage Voll- m a r's im s ä ch s i s ch e n L a n d t a g, die Regierung beabsichtige das sächsische Gesetz in Harmonie mit dem Reichswahlgesetz zu bringen. Wenn wir dieser Thatsachen erwähnen, so geschieht es einzig und allein, um den albernen Vorwurf der gegnerischen Presse, als nähmen unsere Genossen die parlamentarische Arbeit auf die leichte Achsel, durch greifbare Beweise des Gegentheils ad adzurdum zu reduziren. Wohl legen wir der parlamentarischen Thätigkeit nur eine beschränkte, wo nicht untergeordnete Bedeutung bei, aber so weit unsere Genossen parla- mentarisch thätig sind, bettachten sie es auch als Pflicht, ihre Arbeit ordentlich zu thun. Die Gegner unter sich. Man schreibt uns: Im 13. säch­sischen Wahlkreise haben die Ordnungsparteien einander arg an den Köpfen. Wer soll Durchfalls-Kandidat sein? Ein Fortschrittler! sagen dieFreisinnigen". Ein Nationalliberaler! rufen die Anderen. Hie U h l m a n n! Hie N i e t h a m m e r! Uhlmann ist ein ganz biederer Baumeister aus Stollberg , der im Landtag sitzt, und keinen Unsinn redet wenn er von seinem Handwerk spricht. Niethammer sitzt auch im Landtag und zeichnet sich dadurch aus, daß er christlich-sozial ist, und jedem seiner Arbeiter ein Gesangbuch schenkt. Wie mir versichert wurde, soll er eine Extra-Ausgabe haben drucken lassen, in der ein Gedicht von ihm selber steht. Also ein Bischen Autoren- Eitelkeit! Ob's wahr ist, weiß ich nicht; ich habe das Gesangbuch nicht gelesen, und auch unter den Niethammer'schen Arbeitern noch Keinen gefunden, der's gelesen hätte. Im Reichstag war der Gesangbuch Lieferant schon einmal, und zwar schlüpfte er 1881, unter dem Schutz des Sozialistengesetzes durch mit Ach und Krach, denn die Wahl mußte beanstandet werden, und wäre um-ein Haar kassirt worden. Das vorige Mal aber plumpste er mit Glan» durch. Er ist also ans Durchfallen schon gewöhnt, so daß er für die Kandidatur im 19. sächsischen Wahlkreise bereits eine Art Vorschule durchgemacht hat. Wir möchten ihn deshalb überhaupt für den geeig- netsten Ordnungskandidaten halten. Indeß diefreisinnigen" Ordnungs- leute wollen das nicht einsehen; sie klammern sich an ihren Uhlmann fest, und es wird schwerlich zu einer Einigung kommen. Ich würde von diesem spaßigen Froschmäuslerkrieg gar nicht gesprochen haben, wäre es nicht um seiner wunderbaren Komik willen. Ein psychologisches, nicht ein politisches Interesse ist's, das mir die Feder in die Hand gegeben hat. Warum können die Ordnungsparteien sich im 19. sächsischen Wahl« kreis nicht einigen? Warum? Prinzipielle Differenzen liegen nicht vor. Nähmen wir mit dem Uhlmann und dem Niethammer ein Wahlexamen vor, so würden sie Beide auf alle Fragen ziemlich dieselben Antworten geben, und die Prüfung Beide gleich gut oder richtiger gleich schlecht bestehen. Denn Beide sind über die politische Weisheit der Amtsblätt- chen nicht hinausgekommen. Herr Niethammer nennt sich abwechselnd konservativ und nationalliberal; und Herr Uhlmann je nach Bedarf und Gelegenheitfreisinnig",fortschrittlich" nach einem Extraglas, je nach ded Gesellschaft, unter Umständen auchkonservativ" oderdemo- kratisch". Fürdemokratisch" undächt freisinnig" pflegt übrigens Herr Niethammer sich ebenfalls in entsprechender Gesellschaft, unter vier Augen, auszugeben. Kurz, der Uhlmann und der Niethammer gleichen einander wie ein Ei dem andern. Und doch können sie sich nicht einigen. Und sind sogar in heftiger Kandidaten-Konkurrenz-Feindschaft gegen ein- ander entbrannt. Hoffentlich kommen sie nicht in die Lage der zwei berühmten Löwen aus denFliegenden Blättern ". Diese Feindschaft, und doch in demselben Sumpf lebend!Froschmäuslerkrieg" sagte ich vorhin! Der Ausdruck ist falsch. Frösche und Mäuse sind verschiedener Gattung, und der Uhlmann und der Niethanimer sind einer Gattung. Nicht Froschmäuslerkrieg sondern Froschkrieg, ganz schlechtweg. Es sind zwei Frösche des nämlichen Ordnungssumpfs, die sich bekämpfen, der Uhlmann und der Niethammer. Und grade deshalb bekämpfen sie sich, weil sie den gleichen Sumpf bewohnen. Es gibt zweierlei Feind- schaft: die Feindschaft der Gleichheit und die Feindschaft der Ver- schiedenheit. Daß verschiedenartige Wesen, Klassen, Völker ein- ander bekämpfen, das ist eine alte Geschichte, auf der die Weltgeschichte beruht. Di« gegenseitige Feindschaft gleichartiger Wesen spielt aber in der Entwicklung der Menschen eine kaum geringere Rolle. Zwei Philister, die einander spinnefeind sind, grade weil sie einander so ähn- lich, und weil Jeder in dem anderen sein unsympathisches Eben- und Spiegelbild sieht, werden für ihren Haß und ihre Kämpfe keinen Homer finden, wie weiland Achilles und Hektar, allein sie spielen doch auch eine Rolle in der menschlichen Gesellschaft und Entwicklung, und diese Froschkriege haben sogar, wenn man die Sache genau betrachtet, im Großen und Ganzen eine höhere und umfassendere Bedeutung als jene anderen, mehr heroischen Kämpfe. Also weil sie einander so ähnlich sind, der Uhlmann und der Niet- Hammer, hassen sie einander so arg, und da in dem Sumpf noch sehr viele Frösche wohnen, so sollte es mich gar nicht wundern, wenn vvr dem 2. März, wo die Wahl stattfinden soll, noch ein halb Dutzend an- derer Ordnungsfrösche ich wollte sagen Ordnungskandidaten in un- Fr.: Wie bestraft dich dein Gott? A.: Indem er mich zur Arbeitslosigkeit verurtheilt. Dann bin ich exkommunizirt; ich weiß nicht, was essen, wo schlafen, und muß mit den Meinen in Hunger und Elend umkommen. Fr.: Welche Sünden mußt du begehen, um dir diese Exkommunikation zuzuziehen? A.: Keine. Das Kapital wirft mich außer Arbeit, wenn es ihm beliebt. Fr.: Welches sind die Gebete deiner Religion? A.: Ich bete nicht mit Worten. Mein Gebet ist die Arbeit. Jedes Sprechen eines Gebetes würde mein wirkliches Gebet, die Arbeit, stören. Sie ist das einzige Gebet, das wohlgefällt, denn sie ist das einzige, das dem Kapital nützt und Mehrwerth schafft. Fr.: Wo betest du? A.: Ueberall. Auf dem Felde und in der Werkstatt, im Atelier und in der Fabrik, auf dem Meere und unter der Erde. Damit unser Gebet gnädig erhört werde, müssen wir unsere Freiheit, unsere Würde, unseren Willen zu den Füßen des Kapitals nieder- legen. Aus den Ton der Glocke, auf den Pfiff der Maschine müssen wir herbeieilen und, einmal beim Gebet, gleich Automaten Arme und Beine, Hände und Füße in Bewegung setzen, schnaufen und schwitzen, unsere Muskeln spannen uud unsere Nerven erschöpfen. In unseren Gebetsstätten müssen wir demüthigen Geistes sein und geduldig die Wuthausbrüche und Schimpfereien von Prinzipal und Werk- führer ertragen, denn sie haben immer Recht. Wir dürfen uns nie beklagen, wenn der Prinzipal unseren Lohn herab- setzt und die Arbeitszeit erhöht, denn Alles, was er thut, ist recht und geschieht zu unserem Besten. Wir müssen es als eine Ehre betrachten, wenn Prinzipal und Werk- führer mit unseren Frauen und Töchtern schäkern. Ehe wir je eine Klage unseren Lippen entweichen, ehe wir unser Blut in Wallung gerathen lassen, ehe wir je zum Streik uns entschließen, müssen wir lieber all« Leiden aus uns nehmen, unser Brot mit Speichel bedeckt hinunterwürgen, mit Dreck verunreinigtes Wasser trinken. Fr.: Wirst du nach dem Tode eine Belohnung empfangen? A.: Eine sehr große. Nach dem Tode erlaubt mir das Kapital, mich niederzulegen und mich zu erquicken. Ich habe dann weder von Hunger noch von Kälte zu leiden, weder für heute noch für morgen um Nah- rung zu bangen. Ich genieße dann die ewige Ruhe des Grabes. Wortgetreue Abschrift bescheinigt Paul Lafargue. serem 19. Wahlkreis aufgetaucht sein sollten. Ein guter Geyer, wenn wenn er sich auch mit y schreibt, und ein orthographisches Gewand von etwas zweifelhafter Jugend trägt, kann schon mit einer ziemlichen Por- tion Frösche fertig werden. Wie öffentlich gestimmt wird. Der Widerwille der tagend« hasten Bismarck 'schen Reptilien gegen das geheim- Wahlrecht wird einem so recht begreiflich, wenn man die Wunder der öffentlichen Ab- stimmung kennt. Im ersten Berliner Landtagswahlkreis haben bei der letzten Landtagswahl von 2945 Beamten nicht weniger als 2880 konservativ und 157 nationalliberal, d. h. insgesammt 2537 oder 86, IS Prozettt, mit der Regierung gestimmt. Wenn sich über- Haupt noch eine kleine Anzahl von Beamten fand, die oppositionell zu stimmen wagte, so ist dies dem Umstand zuzuschreiben, daß es noch ge- wisse Beamtenkategorien gibt, die von oben weder zu fürchten noch zu hoffen haben. Die große Masse, derRest" heißt kuschen. Der rothe Meyer von Frankfurt wird, nebst einigen seiner Spießgesellen, wegen der Kirchhofshauerei, die zu einer Metzelei und Abschlachtung erweitert werden sollte, nun doch vor Gericht gestellt wer- den. Es ist das einAkt der Gerechtigkeit", der uns in Erstaunen ver- setzt hätte, wenn seine Motive nicht so handgreiflich zu Tage träten. Rücksicht auf dieöffentliche Meinung" gehört natürlich nicht zu diesen Motiven; denn die preußische Regierung ist über solche Vor- urtheile erhaben. Sie sucht förmlich ihre Stärke darin, der öffentlichen Meinung ins Gesicht zu schlagen. Bei tausend Gelegenheiten hat sie das gethan, bei jeder Gelegenheit, die sich bietet oder vom Zaun brechen läßt, thut sie es mit Plan und Behagen. Es ist Methode darin; die Methode des alten Metternich, der da argumentirte, eine Regierung habe immer Recht, und, habe sie einmal Unrecht, so müsse sie erst recht Recht haben, wenigstens dem dummen, beschränkten Unter- thanenverstand gegenüber so thun. Also das war nicht der Beweggrund. Hätte derrothe Meyer" sich durch sein bestialisches Benehmen die Zufriedenheit der Vorgesetzten er- warben, so würde er, statt auf die Anklagebank zu kommen, mit einem Orden geschmückt und zu einer höheren Charge befördert worden sein, und hätte vieöffentliche Meinung" sich noch so sehr entrüstet. Im Gegentheil, je größer die Entrüstung, desto kräftiger mußte deröffent- lichen Meinung" ins Gesicht geschlagen werden Alles nach dem be- währten Metternich'schen Rezept. Aber derrothe Meyer" hat sich die Zufriedenheit seiner Vorgesetzten nicht erworben. Er hatte sich an dem kritischen Morgen zu viel Cou - rage angetrunken, und fünf Minuten zu früh loshauen lassen. Hätte der Tölpel, statt gleich zu Anfang, ganz sinnloser Weise, seine Mannschaften" aus dem Hinterhalt hervorbrechen zu lassen, und so die Falle zu enthüllen, ehe die anwesenden Sozialdemokraten hinein- getappt waren, hätte er statt dessen ein paar Minuten gewartet, die Menge durch provozirendes Auftreten und Eingreifen gereizt, und erst nachdem die Gemüther hinlänglich erhitzt worden, zum Dreinhauen kommandirt, dann wäre aller menschlichen Berechnung nach der Zweck seiner Mission erfüllt worden: der Eine oder Andere hätte Widerstand geleistet, und die gewünschte Metzelei war da, die Gesellschaft und der- Staat wärengerettet" worden. Doch es wäre zu schön gewesen, es hat nicht sollen sein". Durch seine Tölpel- haftigkeit und seinen spiritistischen Uebereifer hat derrothe Meyer" den ganzen, so hübsch angelegten Plan verdorben, und zum Lohn dafür muß er jetzt auf die Anklagebank wandern. Die übrigen Polizei-Meyer wer- den sich das statuirte Exempel hübsch merken, und bei der nächsten ähn- lichen Gelegenheit wird mit etwas mehr Feinheit verfahren, oder doch wenigstens der Versuch gemacht werden. Das geistige Kaliber unserer deutschen Polizei ist indeß leider ein solches, daß für den Erfolg nicht garantirt werden kann. Noblesse oblige". Auf der Tagesordnung des zum 20. Febr. nach Berlin einberufenen Adelstages figurirt unter anderm das Thema:Die Bedeutung des Branntweinmonopol s". Wem fallen da nicht die Worte desKommunistischen Manifestes ein:Im gewöhnlichen Leben bequemen sie sich, allen ihren aufgeblähten Redens- arten zum Trotz den goldenen Apfel aufzulesen, und Treue, Liebe, Ehre mit dem Schacher in Schafswolle, Runkelrübe und Schnaps zu ver- tauschen?" Die T r e u e, das ist heute der W o l l z o l l, die Liebe, das sind die Z u ck e r- E x p o r t p r ä in i e n, und die Ehre, das ist das Schnapsgeschäft. Ohne Schnaps kein Adel, insbesondere kein altpreußischer, und der altpreußische Adel ist bekanntlich der adligste aller Adel. Im Preußischen Abgcorduetenhause kam dieser Tage die Frage der öffentlichen oder geheimen Stimmabgabe bei Wahlen wieder zur Sprache. Die Fortschrittspartei hatte den Antrag gestellt, für die Landtagswahlen die geheime Stimmabgabe einzuführen(das allge- meine Wahlrecht zu fordern, fiel ihr natürlich nicht ein). Bei der Debatte, die über den Antrag sich entspann, wurde an die bekannte Aeußerung P u t t k a m e r's anläßlich des Antrages Stern erinnert, nämlich daß die Regierung eher daran denke, für die Reichstags- wählen die öffentliche Stimmabgabe des Landtags einzuführen, als umgekehrt für den Landtag die geheime Stimmabgabe des Reichstags. Diese Bemerkung wurde allgemein so aufgefaßt, als gehe die preußische oder Reichsregierung mit dem Gedanken um, das allgemeine Wahlrecht für den Reichstag durch Oeffentlichmachung der Stimmabgabe zurektifiziren", d. h. thatsächlich aufzuheben. Und es unterliegt auch nicht dem leisesten Zweifel, daß eine solche Absicht bestanden, und daß Puttkamer damals im Namen und Auftrag der Ge- sammtregierung oder, wenn man es lieber so will, seines Vetters Bis- marck gesprochen hat. Diesmal sprach Herr von Puttkamer nun ganz anders. Er betonte mit großer Emphase, daß er damals nicht im Austtag des Gesammtministeriums gesprochen, sondern nur seine P r i v a t Meinung geäußert habe. Und er erklärte ferner mit noch größerer Emphase, daß die Regierung an eine Beschränkung oder Aende- rung des allgemeinen Stimmrechts für den Reichstag weder je gedacht habe, noch denke. Die Behauptung, daß er vor drei Jahren nur seine persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht habe, ist selbstverständlich Flunkerei. Die Erklärung, daß kein Attentat auf das allgemeine Wahl- recht geplant werde, ist aber von einer gewissen Bedeutung. Sie zeigt, daß die Regierung das Bedürfniß fühlt, sich bei den Volksmassen einiger- maßen beliebt zumachen vielleicht im Hinblick auf allerlei Z u k u n f t s« pläne. Man wird sich erinnern, daß Louis Bonaparte , der würdige Lehrer unseres Bismarck, sich weiland als Champion des allgemeinen Wahlrechts aufspielte, um seinen Staats st reich zu machen. ».Freisinniger" Blödsinn. DieFreisinnige Zeitung" des Herrn Eugen Richter , die in punkto der Servilität ungefähr ebenso Großes leistet wie in punkto der Ignoranz auf volkswirthschaftlichem Gebiet, schreibt in einer ihrer letzten Nummern: In einer Zeit der Arbeitslosigkeit nimmt es sich seltsam aus, die sozialistischen Agitatoren von dem Normalarbeitstag sprechen zu hören. Diese Agitatoren suchen es fälschlich so darzustellen, als ob die für viele Arbeiter mangelnde Arbeitsgelegenheit eine Folge der Ueberarbeitung der beschäftigten Arbeiter sei. Seltsam kontrastirt auch mit der Forde- rung, behufs Beseitigung der Arbeitslosigkeit alle geplanten Staats- bauten in Angriff nehmen zu lassen, die bei anderen Gelegenheiten stets erfolgte bestimmt- Ankündigung der Bauhandwerker, im nächsten Sommer einen großen Streik, also eine künstliche Arbeitslosigkeit, behufs Er- höhung des Lohnes herbeizuführen." Aus dieser natürlich etwas denunziatorisch angehauchten Kraft- leistung erhellt, daß der biedere Eugen noch keine Ahnung davon hat, wie in der heutigen bürgerlichen Gesellschaft übermäßige Arbeits- zeit mit Arbeitslosigkeit und schlechtem Geschäfts- gang Hand in Hand zu gehen pflegt. Er soll sich einmal die Arbeitszeit in der W e b e r b r a n ch e z. B., die geschäftlich so sehr dar- niederliegt, ansehen und er wird einen schier endlosen Arbeits- tag finden; während bekanntlich grade die Länder mit dem flottesten Geschäftsgang notorisch die kürzeste Arbeitszeit haben. Doch wozu den biederen Eugen belehren wollen? Da ist Hopsen und Malz verloren. Gelernt hat er in neuerer Zeit überhaupt nur EinS, nämlich die jour­nalistische Schwenningerei, welche er mit großem Erfolge an dem Abonnentenstand seinerFreisinnigen Zeitung" übt. Wir wünschen ihm aufrichtig besten Erfolg! Wieder Einer! Am 25. Januar wurde von dem Landgericht Leipzig wegen schweren Betrugs zu einjährigem Ge- V