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tritt in die Regierung dem fortschrittlichen Bürgerthum drohte, ist er heute noch nicht hinausgekommen. Der Acheron" der sozialistischen Bes mwegung ist das„ Rothe Gespenst". Unfähig, das Wesen der wirthschaftlichen Entwicklung zu erkennen, muß der große" Politiker Bismarc in den abgebrauchten Kniffen seiner bankrotten Vorgänger und Vorbilder, ber Metternich , Louis Philipp und Bonaparte, seine Zuflucht suchen. Er hat nichts gelernt und nichts vergessen.
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Die Komödie, betitelt die Frankfurter Friedhofs- Affäre bor der Straf-( Schlaf-) Kammer" hat, obgleich drei Tage gespielt wurde, einen kläglichen Verlauf genommen. Die Verhandlungen boten für uns nichts wesentlich Neues, sondern bestätigten nur, was wir seinerzeit( vgl. Nr. 31 und 32 des Sozialdemokrat" vom vorigen Jahre) im Parteiorgan berichteten. Hervorzuheben ist nur, daß v. Hacke Rumpffs Nachfolger der eigentliche Urheber der ganzen Affäre, Rouloffenschieberdienste verichtete, daß die als Entlastungszeugen auftretenden Schuhleute je einen Stöckereid mehr geschworen haben, sowie baß einige Genossen, soweit dies der enge Spielraum als Zeuge zuläßt, die Aussagen der Ordnungsbanditen inklusive des Staatsanwalts trefflich geißelten.*)
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Unsere, schon am Tage nach der Affäre- anläßlich des offiziösen Trostes, daß Untersuchung eingeleitet sei an dieser Stelle geäußerte Be fürchtung, erwies sich wieder einmal als mehr wie gerechtfertigt. Die preußische Dirne Juftitia" treibt nämlich- weil erkannt nicht mehr fo plump und öffentlich ihr Unwesen, sie ist in die Enge getrieben, fte liegt daher im Geheimen mit weit mehr Raffinement und Hinterlist dem verabſcheuungswürdigsten aller Lafter ob. Es ist noch in Jedermanns Erinnerung, mit welcher Voreingenommenheit der Landgerichts- Direktor Leytauff mit seinen Kumpanen die Schwurgerichtsverhandlungen contra 2ieste leitete; es ist in Frankfurt zum öffentlichen Geheimniß geworden, daß dieser mit dem Oberstaatsanwalt bereits zuvor die nöthigen Borbereitungen zur Zobesverurtheilung getroffen hatte, wofür nunmehr der„ r othe" Ablerorden 3. Klaffe die Brust des Präsidenten beladet. Die Erbitterung hierüber war bei der überwiegend revolutio när gesinnten Bevölkerung Frankfurts eine nachhaltige- hiermit mußte nun diesmal gerechnet werden. Das Düpiren ward infolge deffen weit politischer betrieben, damit auch der deutsche Moral- Michel, beruhigt über bie Rechtspflege, auf der Bierbank rutschend, sich weiter in stupider Be wunderung der Herrlichkeit der heimischen Zustände ergehen kann. Das Resultat ist: Knüppel Kommiffar Meyer erhielt drei Monate Ge fängnis, 3 Helfershelfer 2 resp. 1 resp. 1 Monat, die Uebrigen gingen straffrei aus, wogegen unser braver Leyendecker 1 Monat Saft erhielt. Db Meyer die Strafe abfitt, ist zweifelhaft, vielleicht läßt Buttkämerlein ihn drei Monate vorbereitend für einen ostpreußischen Gefängnißdirettor thätig sein. Das Hauptexamen hiefür, das im Malträtiren, hat er ja glänzend bestanden. So werden Subjekte bestraft, die in thierischer Bolluft zirka 20 Staatsbürger verstümmeln. Doch warum sollen sie härter bestraft werden? Erhalten doch die Hundert tausendverstümmler Drden, Ehren und Dotationen.
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Den untergeordneten Polizeisubjekten wurden mildernde Umstände zuSud erkannt, weil sie zu dem Ueberfall tommandirt worden waren. Es wäre denselben zu viel Ehre erwiesen, wollten wir uns mit ihnen hier einWen gehender beschäftigen. Für solche Bestien halten wir das Verbringen in eine Pasteur 'sche Impfanstalt für das Beste. Was uns jedoch diese Vorgänge wiederum zur Genüge bewiesen haben, ist: daß weder Recht noch en Sühne von diesem forrumpirten Polizei- und Ausbeuter- Staat zu erlangen find.
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Nur um zu zeigen, mit welchem gleichen Maß überall in dem preußischen Rechtsstaat" gemessen wird, wollen wir einmal den Spieß um drehen und den Fall sezen, Einige hätten sich durch das provozirende The Benehmen der Säbel- Meyer'schen Rohorte hinreißen lassen, sich zu ver
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theidigen. Dann wären sie bem§ 116 des Reichsstrafgesetzbuchs vers fallen, der da lautet:„ Ist bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder bewaffnete Macht mit vereinten Kräften thätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt verübt worden, so treten gegen dieselben die Strafen des Aufruhrs von 2 bis zu 10 Jahren Zuchthaus ein." So steht auf diesem gesetlichen Boden der Beamte dem Zivilisten gegenüber. Denjenigen aber, die da wähnen, daß sie uns ewig als vogelfrei behandeln dürfen, sei in Erinnerung gebracht, daß wir in wenigen Jahren bo die Säkularfeier der großen Revolution begehen, jener gewaltigen Boltserhebung, die in wenigen Tagen mit der Herrlichkeit des alten absolutistischen Regiments so kräftig aufräumte, daß alle spä at teren Versuche, es wieder zu restauriren", mißglückten. Es ist noch mu nicht aller Tage Abend. Lux.
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Eine Reporter- Ente. Reporter ist ein englisches Wort und cha heißt Berichterstatter; und da ein fremdländischer, unverständlicher und ni darum der Phantasie freien Spielraum lafsender Name in den Augen rna ber Klugen, die nicht Alle werden, mehr Anziehungskraft hat, als ein gut deutscher Name, der das Ding oder die Person richtig bezeich leb net, so nennen unsere Berichterstatter sich mit Vorliebe Reporter. Als Ei Reporter glaubt der Mann ein ganz anderer Kerl zu sein denn als einfacher Berichterstatter. Dies vorausgeschickt, nun ein Wort zur Kulturgeschichte des Reporters. Der Reporter lebt von den Vorkommnissen, welche er berichtet, von den Thatsachen, die er erzählt. Je mehr Bor. ustommniffe, je mehr Thatsachen, desto besser für den Reporter. Reine ei Thatsachen, tein Gelb oder hochtlingender, wieder mit einem fremdattoländischen Wort ausgedrückt tein Honorar. Und das ist, wie thJedermann zugeben wird, eine verzweifelte Zwangslage. Was soll der no arme Teufel von Reporter machen, wenn er feine Vorkommnisse, keine Thatsachen zu berichten hat? Berhungern? Ober, wenn er mit feftem Gehalt monatlich angestellt ist, in philosophischer Ruhe die Kündigung ich abwarten? Das geht gegen die menschliche Natur das widerspricht bobem Selbsterhaltungstrieb. In seiner Verzweiflung greift er zur Selbft behülfe. Und die Selbsthülfe heißt Appell an die Phantasie, a bus liren, ober, aus dem Fremdländischen in einfaches, schmuckloses und ch darum unschmeichelhaftes Deutsch übersetzt: 2ügen.
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Der Reporter befindet sich genau in derselben Lage wie der Spitzel, elb ein Vergleich, bei welchem nur das wesentliche Dritte( das sogenannte totertium comparationis) in Betracht kommen soll, nämlich das Lebenser bedürfniß nach Thatsachen, bie zu berichten sind. Jm Uebrigen isa liegt es uns selbstverständlich fern, den Reporter mit dem Spizel, diesem hre Ausbund aller Gemeinheit und Niedertracht, auf eine Stufe stellen zu natowollen.
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he Wohlan wie der Spigel, der seinen Borgesetzten teine Thatsachen, bo b. h. teine Verschwörungen, teine Attentate, teine Dynamitlager zu bieten hat, unter dem Stachel des Selbsterhaltungstriebs, um seine Stelle nicht Sad zu verlieren, Verschwörungen, Attentate, Dynamitlager erlügt, und im Nu Nothfall auch künstlich anfertigt, so der Reporter, der, nach der Wichtigs opf keit, nach dem Gewicht der berichteten Thatsachen bezahlt wird wie bman Pflaumen nach dem Gewicht bezahlt in Abwesenheit wirklicher Thatsachen seine Phantasie anzapft und Thatsachen erfindet. Auf diese Weise entsteht die berühmte 3eitungsente, welche alle möglichen Gestalten annimmt, von der harmlosen halbpfündigen Erdbeere an bis Sö hinauf zu der vieltausendpfündigen Riesentanone, welche die stärksten Panzerschiffe in Splitter schießt- von der gemüthlichsten Liebesgeschichte in desa bürgerlichen Stilllebens bis zur ungemüthlichsten Seeschlange der hohen, höchsten und allerhöchsten Politik.
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Zu diesen erklärenden Betrachtungen sind wir durch eine Nachricht veranlaßt worden, welche in diesen Tagen die Spalten der deutschen 21 Preffe durchlief. Ein Berliner Reporter, dem es an Stoff fehlte, ber aber eine fruchtbare Einbildungskraft besitzt und mit Vorliebe in diploRamatischem Fahrwaffer herumschwimmt, hat die Nachricht verbreitet, die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten seien auf einen verteufelt schlauen Gedanken verfallen sie wollten bei der endgültigen Gesammtabstimmung über das Sozialistengesetz für die Windthorst'schen en Anträge und das gemilderte" Gesez stimmen, und dadurch die Regierung, welche durch den Mund des Herrn Puttkamer jede ,, Milde rung" des Gesetzes für„ unannehmbar" erklärt habe, zur Auflösung des f Reichstags zwingen in der sichern Erwartung, daß bei den Neuwahlen eine feste Majorität gegen das Sozialistengeset zu Stande und so das Gesetz endgültig zu Fall kommen werde.
Der sozialdemokratischen Fraktion ist es natürlich nie eingefallen, einen biplomatischen Schachzug von so verteufelter Schlauheit und gar proble
*) Da die Tagespresse sehr ausführliche Berichte über den Prozeß gebracht, so glauben wir von einer speziellen Schilderung der Verhand lungen absehen zu dürfen.
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matischem Werth zu planen. Ganz abgesehen von den prinzipiellen Bedenken sei nur vom praktischen Standpunkte aus bemerkt, daß die Voraussetzungen, auf welche ein solcher Plan sich gründen würde, in Wirklichkeit durchaus nicht zutreffen. Erstens würde das Zentrum, welches die parlamentarische Lage beherrscht, es immer in der Hand haben, das Spiel zu vereiteln, und zweitens ist es nichts weniger als gewiß, daß die Regierung, im Fall der Annahme des gemilderten" Sozialistengesetes, den Reichstag auflösen würde. Wie nun, wenn ste ihn nicht auflöfte? Wie nun, wenn sie das Gesetz in der„, unannehm baren Gestalt" annähme? Sie hätte dann den außerordent lichen Vortheil, ein von den Sozialdemokraten selbst santtionirtes Sozialistengeset zu haben, und mit Hülfe der sozialdemokratischen Abgeordneten wäre das Lieblingsideal der Regierung verwirklicht und das Sozialisten gesetz zur bleibenden Institution" erhoben. imo
Wir danken für solche Diplomatie, die wir den Herren Reportern überlassen!
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Die Reichstagsfraktion der sozialdemokratischen Partei hat sich in ihren legten Sizungen mit der Frage beschäftigt, wann und unter welchen Bedingungen der nächste Parteifongreß abzuhalten ist. Die Beschlüsse wurden mit Einstimmigkeit gefaßt. Für heute nur die Mittheilung, daß der Kongreß im Laufe des Sommers d. J. stattfinden wird.
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Die rothe Fahne in Crimmitschau oder die erschrecklich mühsame, höchst gefahrvolle, endlich aber doch zu Stande gebrachte Staatsrettung.
Aus Crimmitschau wird uns geschrieben:
Zur Erinnerung an unsre im Rampf für das Emanzipationswerk ge= fallenen Väter und Brüder wehte am 18. März frühmorgens in hiesiger Hochburg der Sozialdemokratie von der Telephonleitung in der Werdauerstraße herab eine mächtige rothe Fahne mit der Inschrift:
Hoch die Sozialdemokratie! Kenotaph.*)
Als nun unsre Hermandad, früh 7 Uhr, Wind von dem bedenklichen Fall erhielt, taumelte sie, an der Spike der Obernachtwächter EIßner, halb schlaftrunken nach dem Drt, wo die Fahne hing. Ein vorüberfahrender Biegelwagen mußte anhalten, ein Mann auf denselben aufsteigen und nach Leibeskräften an der Schnur ziehen, die unser Genoffe, der bei der Arbeit überrascht worden war, hatte hängen lassen. Indeß leider kam die Fahne nicht herunter, und so stieg denn Elsner selbst höchsteigenhändig auf den Wagen und zog und zog, daß ihm der Schweiß oder sonst etwas zum Hosenbein hinauslief. Aber ach, unser Fähnlein machte trotzdem nicht die geringste Miene, herunterzukommen. Was nun thun? Da fiel unserm frommen Elßner der schöne Bibelspruch ein: Was das Schwert( der Polizeisäbel) nicht heilt, heilt das Feuer," und schnell wurde zum Kommandanten der Feuerwehr, Otto Grimm, gelaufen und ihm der Kasus vorgelegt, auf daß er die Schiebeleiter sowie Mannschaften aus der hiesigen freiwilligen Feuerwehr zur Rettung" entsende. Werden berartige freiwillige Institute in unserm ,, gemüthlichen" Sachsen zu allerhand patriotischen" Demonstrationen, wie Bismarc feier 2c., gemißbraucht, warum nicht zu einer wirklichen ,, Staatsrettung"? Es mußten also, auf Befehl des Kommandanten, die Bewohner des hie figen Armenhauses die Schiebeleiter an den Thatort hinfahren, bann wurden 6-8 Mann Feuerwehr geholt, die auf die Leiter steigen und die Fahne herabbringen sollten. Zwei davon weigerten sich, und so wäre das Vaterland verloren gewesen, wenn sich nicht der Leimsteder, frühere Turnwart und abgesägter Gemeindevorstand" Otto von Wahlen zum guten Werk gemeldet hätte. So ward denn endlich nach dreiftündigem harten Strauße die Fahne erbeutet und zur Polizeiwache transportirt, wo sie nun als Siegestrophäe prangt den Guten zur Er bauung, den Schlechten zur Lehre. Der geniale Leimsieder aber soll zur Belohnung für seine hohen Verdienste eine lederne Schnalle erhalten mit der Inschrift:
Weißt Du, wie viel Sternlein stehen, Manchem Lumpen auf der Brust?
Und Crimmitschau ist wieder einmal- ruhig.
Der Frankfurter Friedhofs- Affairen- Prozeß hat hier, so schreibt man uns aus Berlin , einen wahrhaft verblüffenden Eindruck die Konversativen und sonstigen Regierungsleute gemacht. Auch in den unterrichtetften Kreisen ist man überrascht worden. Herr von Buttfamer selbst hatte sich der Hoffnung hingegeben, der geschickten Leitung des Landgerichtspräsidenten werde es gelingen, den Tölpel Meyer zum Sündenbock zu machen und die Behörden rein zu waschen. Daß nun aber die Richtigkeit der gegen die Behörden erhobenen Anklagen so vollständig erwiesen und der Plan, ein Blutbad in Szene zu setzen, so über jeden Zweifel hinaus festgestellt worden ist, das paßt dem braven Polizei minister natürlich sehr schlecht in den Kram und noch obendrein jetzt, unmittelbar vor der zweiten Lesung des Sozialistengesetzes. Jm Uebrigen gehe ich auf den Prozeß nicht ein Sie werden ja jedenfalls direkten Bericht aus Frankfurt erhalten.
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Ueber das Arbeiterschutzgesetz wurde am 16. und 17. März, anläßlich des ersten Kommissionsberichts die Kommission macht ihre Arbeit stückweise in dem Reichstage lebhaft debattirt. Alle übrigen Parteien hatten sich vereinigt und suchten unseren Entwurf zu zerzausen. Deutschfreisinnige, Zentrumsleute und Konservative wetteiferten mit einander. Der Jngrimm dieser Leutchen über das sozialdemokratische Arbeiterschutzgesetz ist das beste Seugniß zu deffen Gunsten. Natürlich wurde ihnen nach Noten gedient; und in Rayser, Pfannkuch und Gril lenberger fanden die Baumbach, Hartmann und Hertling ihre Meister. Wir werden auf die hochinteressante Debatte zurückkommen. zweite Lesung des Sozialisten gesezes soll er st Montag, 29. März, beginnen. Da der bereits gekennzeichnete Reporter seine Enten mit außerordentlichem Fleiß weiterverbreitet und auch Helfershelfer ge funden hat, so sei ein für allemal erklärt, daß die sozialdemokratische Fraktion nicht nur nicht selber daran denkt( und denken konnte), für die amendirte Vorlage zu stimmen, sondern daß es ihr auch nicht im Traum eingefallen ist, andern Fraktionen( den Deutschfreisinnigen und Volksparteilern) Derartiges zuzumuthen.
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Die Verurtheilung Heine's in einem ber famosen Diäten prozeffe hat die gesammte deutsche und ausländische Presse überrascht. Uns nicht. Nach dem Wink mit dem Zaunpfahl, welchen die„ Norddeutsche Allgemeine" vor einigen Monaten an die Richter der zweiten Instanz gerichtet hatte, war zu erwarten, daß die berühmte ,, Unabhängigs feit" in die Brüche gehe, und die Dame Justiz sich wieder einmal zur Dirne der Gewalt herabwürdigen werde. Also tein Wort mehr über das Selbstverständliche man tönnte sonst denken, mir hätten den deutschen Richtern Besseres zugetraut."
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-Auf dem nächsten Parteifongreß wird hoffentlich die Frage der Doppel und Wielkandidaturen endlich einmal eingehend behandelt und auch hoffentlich aus der Welt geschafft werden. Aus Gründen, die wir hier nicht näher erörtern wollen, die aber, wie rück haltlos zugegeben werden soll, in den Verhältnissen ihre Berech tigung finden, wurde die Frage auf den bisherigen Rongressen etwasdiplomatisch behandelt, und durch einen sehr dehnbaren Beschluß, der das aufgestellte Prinzip durch eine unbestimmte Wortwendung wieder aufhob, den Genossen thatsächlich freie hand gelassen. Es soll bes halb hier auch auf Niemanden eine Schuld geworfen werden, nicht zu tadeln gilt es, sondern aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Lehre zu ziehen, und jetzt, da die Verhältnisse sich inzwischen hins länglich geklärt und befestigt haben, einem Zustande der Anarchie ein Ende zu machen, der unserer Partei weder zur Ehre noch zum Nuzen gereicht.
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Wir haben unsere Ansichten schon wiederholt ausgesprochen. Mit Ausnahme ganz bestimmter, leicht definirbarer und überaus seltener Fälle, wo die Kandidatur vorläufig wenigstens fest an eine bestimmte Person geknüpft ist, sind unseres Erachtens Doppel- oder gar Bielkan bidaturen unter allen Umständen von Uebel, und kann es fich auch bei den Ausnahmen nur um ein Provisorium handeln, beffen möglichst baldige Beendigung entschieden im Interesse der Partei liegt.
*) Grabmal zu Ehren anderswo Begrabener.
** Die Kandidaturen kann man in drei Rubriken eintheilen, deren Grenz linien allerdings vielfach ineinanderlaufen: erstens in Kandidaturen, deren Erfolg sicher oder doch wahrscheinlich ist; zweitens in solche, bei benen zunächst an teinen Sieg, wohl aber an eine ernsthafte Wahlagitation und die Beschaffung einer ansehnlichen Stimmenzahl zu denken ist, und drittens endlich die reinen Zähltandidaturen.
Daß es ein Widersinn ist, für mehrere Wahlkreise der ersten Kategorie einen und denselben Kandidaten aufzustellen, ist zu handgreiflich, um einer Auseinandersetzung zu bedürfen. Es kann sich nur um die Kandidaturen der zweiten und dritten Kategorie handeln. Aber auch hier müssen für Jeden, der sich die Mühe nimmt, die Sache genauer zu überlegen, die nachtheiligen Wirkungen der Doppel- und Bielkandidaturen zu Tag treten. Ist auch in einem Wahlkreise nicht an sofortigen Sieg zu denken, so muß uns doch der Sieg als ein zu erstrebendes Biel vor Augen stehen. Und Thatsache ist es ja auch, daß es überhaupt keinen Wahlkreis gibt, in welchem unser Sieg unmöglich wäre. Der Sieg ist eben eine Frage der Arbeit, wir meinen der agitatorischen und propagandistischen Arbeit. In dem einen Wahlkreis ist der Boden günstiger als in dem andern, und barum eine geringere Summe von Arbeit nothwendig. Und auf diese günstigeren Wahlkreise werfen wir uns naturgemäß mit Vorliebe und zuerst genau wie bei Besiedlung eines Landes erst die beste Dualität des Grund und Bodens in Angriff genommen wird, und dann die geringeren. Aber dem armseligsten Boden läßt sich bei intensiver Bewirthschaftung eine gute Ernte entloden. Und der ungünstigste Wahlkreis tann bei entsprechend intens ftver Agitation von uns gewonnen werden. Es gibt also für uns keinen einzigen Wahlkreis, in welchem für uns nicht der Sieg möglich wäre, und wir nicht mit der Möglichkeit bes Sieges zu rechnen hätten.
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Hieraus erhellt, daß keine Kandidatur von uns als Spielerei betrachtet werden kann, und daß auch die bescheidenste Zähltandidatur als ernsthafte Kandidatur aufzufassen ist. Dadurch, daß die Kan didatur einem Genossen übertragen wird, der bereits einen Wahlkreis hat, stempelt man von vornherein die Kandidatur zur reinen Spielerei, weil nach der Reichsverfassung ein und dieselbe Person nicht gleichzeitig zwei oder mehr Wahlkreise vertreten kann. Die Kandidatur wird also von vornherein für hoffnungslos erklärt, und das ist doch wahrhaftig nicht geeignet, die Agitation zu fördern. Sind wir aber einig darin, daß jede Kandidatur als eine ernsthafte aufgefaßt werden muß, so gelangen wir auch mit logischer Nothwendigkeit zu der Schlußfolgerung und Forderung, daß jeder Wahlkreis seinen eigenen Kandidaten haben muß.
- Für Verehrer des Staatssozialismus im Klassenstaat. Wir erhalten folgende Buschrift:
Wie man in der töniglichen Werkstätte in Nippes mit den Arbeitern umgeht, beweist folgender Fall. Der Kolonnenführer Berntgen, welcher bereits über 25 Jahre in der königlichen Werkstätte beschäftigt war, wurde am 8. Februar, Nachmittags 4 Uhr, bei seiner Arbeit von einem plötzlichen Unwohlsein befallen, und zwar so stark, daß er nicht mehr auf seinen Beinen stehen konnte. Als Berntgen nun an seinem Plaz angelehnt dastand, kam der Vorarbeiter Priesmeier und verlangte von Arbeitern, sie sollten den Mann hinauswerfen, er sei bes trunken. Die Leute jedoch hatten Menschengefühl, und weigerten sich, dem Folge zu leisten, indem sie erklärten, Berntgen sei nicht betrunken, sondern krant. Hierauf holte Priesmeier den Vorarbeiter Kog, und diese Beiden nun beförderten den Berntgen vor das Portierhaus und stellten ihn dort in den Schnee, ohne sich weiter um ihn zu befümmern. Schließlich erbarmte sich Jemand des Aermsten und führte ihn zu seinem Bruder nach Nippes ; ein herbeigerufener Arzt erklärte Berntgen für sehr bedenklich krant; man brachte ihn in seine Behausung nach Köln , von hier wurde er am 11. d. Mts. nach dem Hospital überführt, woselbst er am 13. d. Mts. starb.
Nun, der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kann gehen, ein Proletarierherz hat aufgehört zu schlagen. Wir aber fragen: Muß nicht jeden rechtlich denkenden Menschen Abscheu ergreifen gegenüber dieser gefühllosen, brutalen Handlungsweise?
Berntgen war ein fleißiger, solider sowie geschickter Arbeiter, dem der Wertmeister mit Vorliebe die schwierigsten Ausführungen übertrug. Vorstehendes war an die ,, Kölnische Volkszeitung" eingesandt, dieselbe verweigerte aber die Aufnahme.
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Brave Jungen. Aus Greifswald ist, wie die Berliner " Post" jüngst berichtete, eine von 200 Studirenden aller Fakultäten unterzeichnete Petition der dortigen Studentenschaft an den Kultusminister abgesandt worden, in welcher über die in hohem Grade lage Handhabung der polizeilichen Sittenaufsicht" in Greifswald Klage geführt und der Minister gebeten wird, gegen diese, das sittliche Leben der Studentenschaft gefährdenden Mißstände geeignete Maßnahmen zu treffen."
Das schnapsjunkerliche Blatt ist über dieses mannhafte Auftreten" der Studentenschaft der pommerschen Universitätsstadt ,, aufrichtigst" ers freut und wünscht, daß es auch sonst" Nachahmung finde- wir sehen in demselben nur eine Aeußerung jämmerlicher Eunuchengesinnung und pharisäerhaften Dünkels. Die Burschen, die da polizeilichen Schuh für ihre gefährdete Unschuld brauchen, müssen in der That nette Tugendhelden sein. Von der Reinheit ihrer Bestrebungen zeugt der Umstand, daß sie nicht über die Prostitution überhaupt, sondern nur über die„ lare Aufsicht der polizeilichen Sitten aufsicht" die sich bekanntlich nur auf die Prostituirten, nie auf die Prostituirer erstreckt Klage führen. Die Mädchen sollen beffer überwacht werden, damit die Herren Musensöhne ihrem Vergnügen con amore nachgehen können möglichst geschützt vor den Fußtritten der Venus".
Die Opfer der Ausbeutungswuth ihrer Väter sollen unter der Polizeis fuchtel versklavt werden, das ist der Kern des tugendhaften Erguffes der braven Söhne!
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Das gleiche Recht für Alle". Das Schöffengericht Altona hat den Vorsitzenden des dortigen Maurerfachvereins wegen Uebertretung des Vereinsgefeges zu 30 Mr. Geldstrafe verurtheilt, sowie die Schließung des Fachvereins ausgesprochen. Warum? Weil in dem Fachverein über die Arbeiterschutzgesetze, 3uchthausarbeit 2c. gesprochen worden sei, derselbe sich also dadurch als ein politischer Verein(!) dokumentirt und trotzdem mit anderen ( Maurer-) Vereinen gleicher Tendenz in Verbindung gestanden habe. Die lettere Behauptung beruht auf willkürlicher Annahme des ehren werthen Gerichtshofes das Beweisverfahren hatte nur ergeben, daß
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der Angeklagte als Fachgenosse, nicht aber in seiner Eigenschaft als Vereinsvorstand, mit Mitgliedern anderer Drganisationen verkehrte, was ihm kein Gesetz verbietet. Aber das ist eine verhältnißmäßig untergeord nete Frage gegenüber der Erklärung, daß die Erörterung der Frage des Arbeiterschutes 2c. eine Beschäftigung mit politischen Angelegenheiten" sei.
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Mit was, zum Teufel, sollen sich denn die Arbeiterfachvereine beschäf tigen, wenu man ihnen verbietet, Fragen zu erörtern, die von so ein schneidender Bedeutung für ihre Berufsangehörigen sind? Warum schreitet denn Niemand gegen die Meistervereine, gegen die Grundbesitzervereine ein, die in ihren Sigungen nicht nur Fragen der Gesetzgebung, sondern ganz ungenirt ihre Stellung zu den politischen Parteien erörtern, politische Agitation betreiben? Ihnen gegenüber hat die Justiz die bewährte Binde vor dem Gesicht, da sieht und hört sie nichts, und wenn die Thatsachen noch so laut schreien. Für die Angehörigen der herrschenden Klassen gibt es tein Vereinsgesetz, d. h. kein beschränkendes, für die arbeitende Klasse aber gestaltet sich jeder Paragraph dieses famosen Gesetzes zu einem Strid, mittels dessen auch ihre legalsten Vereinigungen erdrosselt werden können, sobald es strebsamen Richtern und Staatsanwältenbelieat. Das ist die famose Gleichheit vor dem Gesez, von der die Verfassung so pathetisch rebet. Sie existirt nur auf dem Papier, in der Wirklichkeit handhaben die jeweiligen Gewalthaber die Gesetze, wie es ihnen paßt, und so gestalteten sich in der Praxis alle politischen und der größte Theil der gemeinen Geseze zu Gesetzen gegen die Unterdrückten, die von den Machthabern nur solange respektirt werden, als sie ihnen nicht unbeqem werden. Nur von den Unterdrückten, von den Arbeitern verlangt man die Heilighaltung alles Deffen, was sich heute Geset nennt.