Es läßt sich demnach eine Berstaatlichung echt sozialistischer Art, auch im engeren Sinn dieses Wortes, denken, welcher zur Voll- kommenheit einzig noch die sozialistisch organisirte Gesellschaft, d. h. die Verstaatlichung oder Vergesellschaftlichung— wie man sagt, ist gleich, wie ganz richtig in dem Artikel, dem die Bemerkungen gelten, gesagt wird— aller wirthschaftlichen Thätigkeit, mit der erst dann ausführbaren Gesammtorganisation fehlt. Nun geben wir freilich sofort zu, daß eine Verstaatlichung, wie die geschilderte, im heutigen Staat etwas sehr Unwahrscheinliches ist, eS wäre denn, die Herrschenden entschlössen sich aus irgend einem Grunde zu einem einzelnen, und deshalb allerdings unvollkommenen, sozialistischen Experiment von oben herab. Dagegen ist eine andere Verstaatlichung, wenigstens in der Schweiz , nicht so unwahrscheinlich: nämlich eine solche, bei welcher der ganze Ertrag der ver- staatlichten wirthschaftlichen Thätigkeit ausschlieh- lich für den Arbeiterstand als solchen in irgend einer Weise verwendet würde. Abgesehen davon, daß der Staat seine Arbeiter immerhin besser bezahlen könnte, als ein Privatunternehmer sie bezahlen wird, bliebe prinzipiell die Ausbeutung, d. h. die Entziehung eines Theiles des vollen Arbeitslohnes, welcher in dem geschaffenen Werths nach einigen nothwendigen Abzügen für Arbeitsmittelunterhalt u. dgl. besteht, den beschäftigten Arbeitern gegenüber allerdings unab- geschafft. Man könnte das also wirklich keine im engeren Sinn des Wortes„sozialistische" Verstaatlichung nennen. Dennoch halten wir da- für, daß auch«ine solche Berstaatlichung von den Ar- beitern nicht zu hintertreiben, sondern immerhin als eine Abschlagszahlung anzunehmen wäre, wenn nicht starke taktische Gründe dagegen sprechen, mit denen ich es hier nicht zu thun habe. Im weiteren Sinne des Wortes nämlich ist doch auch diese Verstaatlichung, trotz der dabei nicht aufgehobenen Ausbeutung der Ar- beiter„sozialistisch". Der prinzipielle Gegensatz gegen den Sozialismus ist der In- dividualismus. Diese zwei Prinzipien sind es im Grunde, welche in der Neuzeit ihren Entschetdungskampf gegen einander kämpfen. Noch herrscht der Individualismus in der Hauptsache-, aber schon lange, ja immer hat er gewisse Konzessionen an den Sozialismus machen müssen. Heute nun reist die Zeit der Herrschaft des Sozialismus heran, welcher dann seinerseits dem Individualismus auch wieder gewisse Gebiete wird überlassen müssen, wenn er dauernd und gesichert die Grundlage der neuen Gesellschaft bilden will. Denn beide Prinzipien haben ihre Berech- tigung in der menschlichen Natur; es mußte der Individualismus di« erste Stufe bilden, und er muß sich ausleben, bevor die höhere Stufe des Sozialismus von der Menschheit erstiegen und für die Zukunft be- hauptet werden kann. Wir können diesen Uebergang wohl erleichtern und beschleunigen, hauptsächlich durch Verbreitung und Stärkung sozialistischer Gesinnung und Denkweise; aber wo er vor der Zeit, d.h. bevor die Menschen innerlich dazu genügend vorbereitet sind, künstlich und gewaltsam herbei- geführt werden wollte— an solchen Versuchen hat es ja nie gefehlt, und ihr bestimmter Werth für die Zukunft wird von mir nicht bestritten— wird er nur zu vorübergehenden unsoliden Probezuständen führen, nie aber zum entscheidenden, endgiltigen Siege der sozialistischen Idee werden. Doch das nur beiläufig. Besehen wir uns nun die beiden Prinzipien nach ihrem Wesen! Der Individualismus geht aus von der größtmöglichen Freiheit des Individuums, des Einzelnen. Der Staat ist ihm nur zum Schutz dieser Freiheit da-, er soll nur dafür sorgen, daß Jeder, wie und wo er auf die Welt komme, sich auf seinem Staatsgebiet möglichst frei bewegen kann. Das ist denn auch das Ideal der Liberalen. Daß dabei der menschenunwür- digste Kampf Aller gegen Alle herrschen muß, in welchem der Starke den Schwachen rücksichtslos unter sich tritt und schließlich wenige Stärkste sich zu den Herren aller Anderen machen, das kümmert den individualistischen Staat nicht. Er findet das natürlich und recht, und feuert noch zum Kampfe an, indem er wesentlich d i e Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen als Tugenden schätzt und belohnt, welche am meisten zur Besiegung und Unterwerfung der Mitmenschen geeignet sind. Wer sich am höchsten hinaufarbeitet in diesem häßlichen Kampfgewühl, d. h. wer die meisten Mitmenschen unter sich kriegt, zu schädigen oder auch in den Staub zu treten weiß, der erhält von der individualistischen Gesellschaft die Bürgerkrone. So wenigstens auf dem wirthschaftlichen Gebiete. Doch der Individualismus hat seine Konzessionen an das sozialistische Prinzip schon lange machen müssen. Eine solche Konzession ist es bei- spielsweise, wenn der heutige Staat die Kräfte des Bürgers, welche er seinem Prinzip« nach dem schonungslosen Kampf ums Dasein überlassen müßte, wenigstens etwas auszugleichen sucht, indem er auch den Aerme- ren eine gute Schulbildung zugänglich macht, auch etwa für unentgelt- liche Fachschulen sorgt u. s. w. Streng individualistisch wäre es, auch hier zu sagen:„Sehe Jeder, wie und wo er sich Bildung, geistige Waffen verschaffe! Wir lassen Jedem dazu, die volle Freiheit; vermag er sie nicht zu benutzen, so geht das uns nichts an. Wir dürfen nicht eingreifen. l-aissg? faire, laiasez aller." Dem Individualismus sind eben die Menschen nur Einzelwesen, welche für sich selber sehen mögen, wie sie können. Jeder steht ihm für sich da, und seine Einzelmachtsphäre ist, soweit immer möglich, unbedingt zu respektiren. Nur da werden ihr vom Staat prinzipiell Schranken gesetzt, wo das Individuum gewisse, als unerlaubt geltende Mittel, wie physische Gewalt, absichtliche Täuschung u. s. w. gegen die Anderen in Anwendung bringen wollte. Die ganze heutige Gesetzgebung, einzelne Konzessionen an den Sozialismus abgerechnet, gilt dem Schutze dieser individuellen Freiheit, und eben darum ist sie eine Gesetzgebung zu Gunsten der Starken, zu Ungunsten der Schwachen. Gerecht wäre das individua- listische Prinzip in der Gesetzgebung erst dann, wenn für wirklich gleiche Kampsbedingungen für Alle gesorgt wäre, was keineswegs der Fall ist, auch abgesehen von der natürliche» Ungleichheit der Menschen. Aber auch dann noch müßte es dem Sozialismus gegenüber als das schlechtere Prinzip erscheinen, weil die Höhe des Menschenthums nicht im Kampf Aller gegen Alle liegen kann, sondern in der Hingebung Aller an Alle liegt. Diese nun nimmt der Sozialismus zur Grundlage seines sozialen und politischen Systems. Er geht von der Gemeinschaft aus und ist das Prinzip der menschlichen Bereinigung. Der Einzelne gilt ihm nicht als Selbstzweck; sein Ziel ist das vollkommene Menschenthum, die Humanität im höchsten Sinne des Wortes. Er meint nicht, wie dgS die individualistisch gesinnte Wissenschast schon be- die Masse der Menschen sei nur dazu da, um einzelnen 'tMytef hat, die,..............., Individuen zur höchsten Entwicklung zu verhelfen, zur„Züchtung von Gentes", wie man vas auch etwa ausdrückt, sondern er hat die Menschheit, die menschliche Gesellschaft, im Auge, welcher er die- jenigen Bedingungen verschaffen will, die zur umsassendsten und inten- sivsten Entwicklung des Menschenthums als solchen die günstigsten sind. Er verkennt zwar keineswegs die Wahrheit der Naturgesetze, daß von einer Menge schwächerer Keime und Gestaltungen nur die stärksten zur vollkommenen Entwicklung koinmen können, und daß diese Stärksten, indem sie diese gewonnenen Eigenschaften auf ihre Nachkommen ver- erben(im Großen betrachtet), das Menschengeschlecht verbessern. Allein er will diesem Naturgesetz gegenüber sich nicht blas passiv verhalten und den Kampf ums Dasein in seiner rohesten Form blind gewähren lassen, sondern er will durch gleiche Fürsorge für Alle dafür sorgen, soweft das menschenmöglich ist, daß kein zu Höherem angelegter Keim künstlich, durch in der Macht der Menschen liegende Umstände erstickt oder verkümmert werde. Er schafft, innerhalb der menschlichen Möglichkett, erst die denkbar besten, weil für Alle günstigen Bedingungen, daß die berechtigte individuelle Entwicklung zur Vervollkommnung des Menschengeschlechtes ungehemmt und möglichst reich und kräftig vor sich gehen kann. WaS jetzt, im rohen Daseinskampfe, nur Wenige erreichen können an menschlicher Vollkommenheit, dazu soll Vielen, ja, von den menschlichen Einrichtungen aus, die freilich nicht Alles machen können, Allen die Bahn e> öffnet werden. Dabei wird zualeilh verhindert, daß der Weg zur individuellen Vervollkommnung über die leibliche und geistige Schädigung und Unterdrückung der Mitm- Irschen gehen muß. Wo Allen die möglichst vernünftigen Lebensverhältnisse gesichert sind, da ist kein Streit mehr um diese nothwendigen Vorbedingungen zur geistigen und körperlichen Vollentwicklung nöthig. Jeder vermag, ohne die Andern dasür unter sich Eine Frage an Erzellenz�Puttkamer . g.ooo treten zu müssen, das ihm erreichbare Maß der Vollkommenheit durch seine Arbeit an sich selber zu erreichen.\ Doch was hat hiermit die Berstaatlichung zu thun? Wir haben gesehen, daß der Sozialismus das Prinzip der Gemein- schast, der Solidarität aller Menschen ist. Wo nun der Staat, auch der heutige Staat, irgendwelche Gebiete der menschlichen Thätigkeit der Machtsphäre der getrennten Einzelnen entzieht und sie selber, als Staat, für Alle in seine Hände zrimmt, da macht er sie zur Sache der Gemein- schast, der Gesammtheit, welche dann für die Bedürfnisse aller Einzelnen auf diesem Gebiete sorgt. Der Staat ist nun einmal die Gemein- schaft des Volkes, wenn er auch, rechtlich oder auch nur faktisch, verschiedene berechtigte Klassen kennt(was denn doch niemals alle Gebiete des Lebens umfaßt), und auch abgesehen von seiner Regierungs- form, die— freilich hier mehr, dort weniger— im Grunde doch immer die Gemeinschaft der Bürger zum Ausdruck bringt. Das Gesetz ist doch immer für alle Bürger da; daran, als gewollter Norm, ändert keine noch so schlimme Praxis, ja ändern sogar einzelne Ausnahmegesetze nichts. Die Ausbeutung und die Nichtausbeutung nun gehören nicht zu den Begriffen„Individualismus" und„Sozialismus", wie wir sie untersucht und erklärt haben; sie sind nur Folgen der An- wendung dieser Prinzipien im Allgemeinen. Die Verstaatlichung, resp. Vergesellschaftlichung irgend welcher Gebiete der wirthschaftlichen Thättg- keit ist also an sich echt sozialistisch; wird sie auch wieder, wie die freie Privatthätigkeit, zur Ausbeutung der Arbeiter benutzt, so wird diese an sich sozialistische Maßregel einfach individualistisch angewendet. Der Staat hat sich dann wohl zur Versozialisirung eines gewissen Arbeits- gebietes entschließen, es aber nicht über sich bringen können, nun auch weiter nach sozialistischem Prinzip zu verfahren und eine wirkliche sozia- listssche Arbeitsgruppe zu bilden. Immerhin beutet der Staat hier die Arbeit doch zunächst für sich, für die Gesammtheit, die bürgerliche Ge- meinschaft, aus. Wenn er überhaupt einzelne Klassen bei Verwendung der Staatsmittel bevorzugt, so hat das mit der betreffenden Verstaatlichung nicht anders zu schassen, als daß auch sein Ausbeutergewinn aus diesem Staatsbetrieb in dieser ungerechten Weise mit verwendet wird. Diese Klassenbevorzugung, wie auch alle Geschenke, welche der Staat einzelnen Ständen auf Kosten der anderen macht, hat mit dem Individualismus oder dem Sozialismus nichts zu schaffen; sie ist einfach eine Folge der Klassenherrschaft als solcher. Diese ist allerdings aus der individualisti - schen Gesellschaft hervorgegangen, aber selber nicht individualistischer, überhaupt nicht prinzipieller, es sei denn staatsrechtlich prinzipieller, Natur. Sie ist heutzutage überall in Europa (Rußland ausgenommen) mehr hingenommene und wohl auch gesetzlich beförderte Thatsache, als anerkanntes Prinzip. Prinzip und Konsequenzen müssen aber unterschieden werden, wenn man einen Gedanken auf seine prinzipielle Natur prüfen will, wie wir das der Verstaatlichung als solcher gegenüber nun gethan haben. So berechtigt also eine Zurückweisung der Bezeichnung„sozialistisch" für eine Verstaatlichung, welche zu einem ausbeuterischen Staatsbetrieb führen soll, sein mag, das Wort„sozialistisch" in dem Sinne eines Programmpunktes der sozialdemokratischen Partei genommen, so wenig wird dem Verstaatlichungsgedanken an sich die prinzipiell sozialistischeNatur abgesprochen werden können; diese Natur aber behält dieser Gedanke immer und überall, dem Klassen- staat wie einem sozialdemokratischen Staatswesen gegenüber. Darum muß auch heute schon jeder einzelne Verstaatlichungsvorschlag von uns geprüft werden, ob derselbe einfach die Staatsausbeutung an die Stelle der Ausbeutung durch das Privatkapital treten lassen wird, oder ob Aus- ficht auf eine— wie wir oben gesehen haben, immerhin auch heute schon mögliche— nicht ausbeuterisch gestaltete Ausführung des betreffen- den Vorschlags vorhanden sei. Und ferner darf und soll meines Erach- tens auch das Maß der zu erwartenden Ausbeutung ins Auge gefaßt und gegen den Fortschritt, der prinzipiell in der Verstaatlichung, als Aushebung des individualistischen„freien Spiels der Kräfte" liegt, für unsere Bestrebungen liegt, abgewogen werden. Ist der Forsschritt in sozialistischem Sinne nicht durch eine zu erwartende stärkere Aus- beutung, als sie beim Privatbetriebe stattfindet, unannehmbar gemacht, so können nur triftige Gründe der momentanen Parteitaktik, von denen ich nicht zu sprechen habe, eine Verwerfung des Verstaatlichungsvorschlags rechtfertigen. Im Allgemeinen dürfte die Staatsausbeutung der Privatausbeutung vorzuziehen sein. Findet man, dsse Klassenherrschaft werde durch die Staatsausbeutung mächtiger gemacht, so ist auf der anderen Seite, auf Seite der Arbeiter, doch der Vortheil der erleichterten Organisation, der engere Zusammenschluß gegenüber dem einen großen Arbeitgeber wohl auch nicht zu verachten. Dieser Vortheil würde um so größer, je mehr wirthschaftliche Gebiets verstaatlicht würden.— Mit der hier behandelten Frage nach der sozialistischen Natur des Verstaatlichungsgedankens findet auch die Frage, ob der sog. Staats- s o z i a l i s m u s„sozialistisch" sei, ihre Erledigung. Auch der heutige Klassenstaat hat, wie wir gesehen haben, dem Sozia- lismus bereits vielfache Konzessionen gemacht, und er wird diesem Prinzip immer mehr entgegenzukommen haben. Ist es darum auch nicht End- zweck der Sozialdemokratie, den Klaflenstaat zu sozialistischen Maß- regeln in seiner Weise, d. h. mit möglichster Wahrung des ihm zu Grunde liegenden Prinzipes, zu bringen, so arbeitet der Staatssozialis- mus denn doch, als Sozialismus und soweit er Sozialismus ist, den sozialdemokratischen Bestrebungen in die Hände. Es zeugt das nur von der nicht mehr zu leugnenden Berechtigung der sozialistischen Idee, die auch die Gegner zwingt, ihr wenigstens theilweise zu huldigen. Dank können die Herren Staatssozialisten nicht beanspruchen, da sie nur thun, wozu der Zeitgeist sie zwingt. Immerhin find sie die Vernünstigeren unter den Heischenden, da sie, allerdings auf ihre Weise, dem Soziälis- mus gerecht zu werden suchen. Weil sie aber denn doch aus vorwiegend individualistischer und zudem auf politisch autoritärer Grundlage stehen bleiben, so begründet die Annahme ihrer Konzessionen, nach meiner Auf- fassung, keine Verbindlichkeit auf grundsätzlich sozialistisch-demokratischer Seite. „Das Gesetz ist ein Gesetz für die Arbeiter, nicht gegen die Arbeiter; wir wollen, daß das Urtheil der Arbeiter nicht getrübt werde durch die Agitation von Leuten, die meist kein anderes Interesse haben, als sich an den Streikkassen zu mästen"— sagte Exzellenz P u t t k a m« r in der Reichstagssitzung vom 30. März zur Begründung der Verlängerung des Ausnahmegesetzes gegen die Sozia.,-emokratie. iNodlesse oblige, Herr von Pultkamer. Ihre zarte Rücksicht für das Urtheil der Arbeiter rührt uns, und bieten wir Ihnen die Hand zu einem Versuch, dem abstoßenden Beispiel der sich an den Streikkassen mästenden Umsturzagitatoren das erhebende Beispiel eines an der Staats- lasse, dein Steuersäckel des Volks, tugendhaft darbenden StaatsretterS gegenüberzustellen. Wir schlagen den Etat des preußischen Staats für das Jahr 1886/86 nach. Da finden wir unter Nr. 15 folgenden Posten: „Der Vizepräsident des Staatsmrniste- rium s An Miethsentschädigung(letztere bis zur Beschaffung einer freien Dienstwohnung) 86,000 Mark 45,000 Mark Und unter Nr. 28, Etat für das Ministerium d eLJnnern finden wir folgenden Posten: Der Minister 36,000 Mark (Außerdem freie Wohnung.) Einem unverbürgten Gerücht zufolge sollen nun der Vizepräsident des Staatsministeriums und der Minister des Innern in diesem EtatSjahre eine und dieselbe Person gewesen sein, soll ein und derselbe Herr nicht nur zweimal 86,000 Mark eingestrichen, sondern auch, obwohl er als Minister des Innern freie Wohnung hat, itls Vizepräsident des Staats- Ministeriums 9000 Mk. Miethsentschädigung— dieser Etats-Posten soll von seinem Vorgänger her datiren— eingestrichen haben. Wie gesagt, wir wissen das nicht ganz sicher, würden aber Herrn von Puttkamer sehr verbunden sein, wenn er, der ja die einschlägigen Ver- hältnisse genau kennt, uns darüber Auskunst ertheilen wollte. Wir stellen �hm dann frei, uns denjenigen sozialdemokratischen Agftator zu bezeich- nen, der sich nach Sr. Exzellenz Meinung am meisten an den Streikkasse« der Arbeiter mästet, und verpflichten uns, auf's Genaueste zu untersuchen, wie hoch sich dessen Gesammt-Einkommen deläuft. So hoffen wir durch Feststellung der rein objektiven Thatsachen einen schätzenswerthen Bei« trag zu erhatten Zu dem so interessanten Thema vom— Mästen. Sozialpolitische Rundschau. — nicht{ Vemerkun nicht verg ?�llgen schoß« zu Nach ei: »risse ver geschlossen Für du meinen A schen Am- gegen 148 R-hrheft, « In der Rede des Kröber puntt reg bekämpft/ lonbere ni korrumpir bruß der gelegt wu w schließ, herrlichkei bs?, läse . Die de: seherische ?uf dazu, Zürich , 7. April 1886. — rü. Die zweite Lesung der Vorlage auf Berlängerung des Sozialistengesetzes begann am 30. März. Die Kommission war, wie die Leser sich erinnern werden, zu einem vollständig negativen Resultate gelangt. Nachdem die Windthorst'schen„Abschwächungsanträze" sämmt- lich im Einzelnen angenommen worden waren, wurde das amendirte Gesetz bei der Gesammtabstimmunz verworfen— ein schembarer Widerspruch, der sich daraus erklärt, daß für die einzelnen„Ab- schwächungSanträge" auch die„prinzipiellen" Gegner der Regierungs - vorläge stimmten, während dieselben als Gegner aller Ausnahmegesetz« schließlich auch gegen das amendirte Gesetz stimmen mußten. Dem Reichs- tag wäre also von der Kommission ein leeres Blatt vorgelegt worden- Damit trat jedoch nicht, wie vielfach vermuthet ward, der komische Fall ein, daß der Reichstag nun überhaupt gar keine Vorlage hatte, also ge- wissermaßen in der Luft stand. Die Lage der Dinge war vielmehr ge- nau dieselbe wie vor dem Zusammentritt der Kommission. Die Kom- Mission hat„für den König von Preußen" gearbeitet und ein paar Wochen vertrödelt— das ist Alles. Und auch dafür war gesorgt worden, daß daS Ergebniß der Plenar- berathung nicht ebenso negativ werden konnte Wiedas der Kommissions- berathung. Um die Annahm« de» Sozialistengesetzes für jeden Fall zusichern, hatte der durch Arbeiterfreundlichkeit und reaktionäre Gesinnung ausgezeichnete Zentrums-Gslehrte von Sertling„für den Fall der Ablehnung des nach den Anträgen Dr. Windthorst amendtrten Gesetzes den Eoentuelantraz eingebracht:„Die Dauer des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 wird hiermft bis zum 30. September 1888 verlängert." Auf diese Weise war das Zentrum gegen jede Ueberraschung gesichert, und konnte die Möglichkeit, daß erst die Regierungsvorlage und da«« das amendirte Gesetz— oder auch erst dieses und dann jenes— abge- lehnt wurden, ruhig an sich herantreten lassen. Das Komödienspiel, welches das Zentrum in Sachen deL Sozialistengesetzes spielte, könnt« nicht drastischer gekennzeichnet werden, als durch diesen Antrag Hertling, der die Fäden der Jntriguen bloslegt. Die Debatte des ersten Tages verlief nach jeder Richtung hin pro-- grammmäßig. Den Referenten Fritzen(Zentrum), der mündliche«' Bericht erstattete, hörte kein Mensch an. Und als Puttkamer, der 8�0 die eigentliche Debatte eröffnete, sofort nach Belgien wanderte, da entstand im ganzen Reichstag eine gewisse Heiterkeit, die sich unserer jo uJ, stets zu bemächtigen pflegt, wenn irgend Jemand, der ein feines Spiel. whk i spielen will, genau das thut, was wir erwarteten. Sobald das Wort* ,Dat „Belgien " dem Zaun der Puttkamer'schen Zähne entschlüpft war, wüßt«-i ettei ein jeder Reichsbote die Rede auswendig, welche der deutsche Polizei- und minister zur Rettung des Staats und der Gesellschaft zu halten beab-°en sichtigte— und auch hielt. Da unsere Leser an Divinationskrafi/ 8�1 (Fähigkeit zu errathen) nicht hinter den deutschen Reichsboten zurückstehen, � so brauchen wir ihnen nicht zu sagen, was Herr Puttkamer gesagt hat.„Jss no Herr Windthorst, der ihm folgte, tanzte den bekannten Eiertanz. iL"'rt' Daß grade in dem erzkatholilchen, pfaffenbegnadeten Belgien , wo die Liehen, Kirche seit Jahrhunderten ungestört in„praktischem Christenthum" macht,, � a, der Arbeiter-Aufstand ausgebrochen ist, war der schwarzen Perle von c>." Meppen natürlich sehr fatal; er wußte sich aber durch die Entdeckung Iqp W aus der Klemme zu ziehen, daß dieser Aufstand durch die— Freimaurer r �m.,> angezettelt sei. Wo bei den Ultramontanen der Verstand aushört, da �«« sangen der Regel nach die Freimaurer an. Man weiß, welche Rolle di« j. h Freimaurer in verschiedenen päpstlichen Enzykliken spielen— nach dem*.""ssj- päpstlich-katholischen Ammenmärchen ist der Freimaurer die Quelle alles i,"n-.M Uebels— er hat die Pandorabüchse, aus der der Liberalismus, der.' Atheismus und die Revolution herausgeflogen sind, über die unglücklich« � ni!"s 9" Menschheit entleert.*2 7 Und dieses päpstlich-katholische Ammenmärchen war die letzte Zuflucht aus des in die Enge getriebenen Windthorst— eine Zuflucht, so wacklig und � wurmstichig, daß sie sogar von einem Puttkamer über den Haufen'ijjr*u;e geworfen werden konnte.. J�r. .- I, bube V a risches Vi Kigezogen Gebieter begeben h heit de Die kl ralen z der auf 9 Stiminrei lersschen. «em Volk v. Mit jei °se Berick bie, durch mit den A-rleroi Thema Mit siegreicher Beredtsamkeit zerriß Genosse Bebel die fadenscheinige« Sophistereien und Heuchelphrasen des Herrn Puttkamer und riß den'J:0?16«« Herren vom Zentrum, deren elendes Komödienspiel er brandmarkte, die h a Maske von dem Gesicht. Er zeigte, daß der belgische Arbeiter-Aufstand, 9 eJ trotz seine! sozialen Fundaments, mit Sozialismus und Sozialdemokratie-�0/ nichts zu thun habe, und in der grauenhaften Ausbeutung, Unterdrückung.."b n und Herabwürdigung der belgischen Arbeiter ihre ausreichende Erklärung � finde. Er hielt den reaktionären Parteien, namentlich dem Zenttum aus. � der einen Seite und der Regierung auf der anderen, einen Spiegel �" 0 1 vor, der sie in ihrer wahren Gestalt zeigt«; und lieferte den Nachweis, wie gerade die Regierung und die reaktionären Parteien durch ihre ver« /(Ii," kehrte und räuberische Wirthschafts- und Steuerpolitik den„Umsturz" bcii*'6 vorbereiten.®an Um recht handgreiflich zu demonstriren, in welche Sumpftiefen die'ir"ar konservative Partei— die Partei der„Ehre" par exoellenoc— herab--' 9 gesunken ist, trat schließlich der Redner der Konservativen, der Ehren- mann— S t ö ck e r auf. Die bloße Thatsache genügt— sie bedarf. 1 keines Kommentars. will. Unter dem Zeichen des meineidigen Hofpfaffen schloß der erste Tag.«1 II Der zweite verlief ruhiger. Herr Hänel machte den Anlauf zu einer/ hohen staatspolttischen Rede, es blieb aber beim Anlauf. Was am zwei«.-'™ ten Tag geredet ward, ist ohne Gewicht. Erwähnt sei nur, daß der. saubere Hertling mit dem Fanatismus des mittelalterlichen Jnqui-, i U|' sttionsrichters eine giftige Hetzrede gegen die Sozialdemokratie hielt, und®," daß dann die Majorität, um das Maß ihrer Niedertracht voll zu machen, � v.' durch einen Schlußantrag den Sozialdemokraten das Wort zur Wider- K. U e 11 legung abschnitt. 11 f"! Die einzige Wahl, welche hiernach den Sozialdemokraten verblieb, war:.. a- sich an der folgenden Spezialdebatte nicht mehr zu betheiligen. Es wurde I."®] dieser Entschluß dem Reichstag durch V o l l m a r zur Kenntniß gebracht."! Auch an den Abstimmungen betheUigten die Sozialdemokraten sich ei nicht._ j» Die Windthorst'schen Anträge wurden sämmtlich mtt einer Majorität � von 11 bis 20 Stimmen angenommen.- � e Zum Schluß führte Herr Bismarck noch einen kleinen Theaterkoup � j"J aus. Es Handelle sich um die Frist der Verlängerung: 2— 3— oder /«tt defi 5 Jahre. Da trat plötzlich als rettender große Otto hervor, und suchte das Hau«............. er ihm eine, Tags vorher von Bebel gethane Aeußerung betreffend den?ttchSla Engel aus der Versenkung der 9 „gruselig" zu machen, indem Sr�te Tod deS vorigen ruffischen Czaren vorhielt. Bebel hatte gesagt: wenn v! �lbei in Deutschland gleich schmachvolle Zustände herbeigeführt würden wie di« j/6 an' russischen, so seien Thaten wie die der Nihilisten gerechtfertigt. Daraus"e der folgerte nun Bismarck , daß die Sozialdemokratte den König«- und Kaiser- L®'' mord predige, und daß jedem Sozialdemokraten zugetraut werden müffe,«Jpg « er werde zu diesen letzteren Mitteln greifen, sobald es ihm so scheine, 9 Bis als hätten russische Zustände bei uns angefangen. �sichre, Bebel replizirte, und ging seinerseits zum Angriff über, worauf Bis- c V» a: marck zum zweiten Wale das Wort ergriff, die fragliche Aeußerung �«bei nach dem Stenogramm vorlaS und in seiner Weise kommentirte— daS jg/iete> heißt ihr s e inen Sinn unterschob. jJJJ�s Jedenfalls wird diese Aeußerung, die selbstverständlich dem„aller- 1. ute«. gnädigsten" Herrn brühheiß mitgetheilt wurde, in der nächsten Zeit von'aielnei der Reptttienpresse tüchtig kolportirt und fruktifizirt werden. Eine langweittge Rede deS ElsässerS Winterer träufelte etwa» kaltes lcheru: Wasser auf die erregten Geister— nicht daß Herr Winterer. als frommer Prie steh, der Religion der Liebe, nicht sein Möglichstes aufgeboten hätte, uzn gegen die gottlosen Sozialdemokraten die Leidenschaften zu entflammen — aber, er sprach so monoton, daß er einschläfernd wirkte. Nach mehr als fünfstündiger Debatte wurde ein Schlußantrag gestellt, S jedoch mit geringer Majorttät abgelehnt.— Herr Windthorst wollt« �i°tag noch einmal reden, und das Zentrum stimmte deshalb zum großen Theil In 35 üämlich- �rannti Dami Eine
Ausgabe
8 (8.4.1886) 15
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