— Wer die Kosten der Siege auf dem industriellen Schlacht- seld zu bezahlen hat. Als ein Beitrag zu dem Thema von den glor» reichen Erfolgen der deutschen Industrie über die englische Konkurrenz kann das Triumphgefchrei dienen, das jüngst in der„Zeitschrift für die deutsche Textilindustrie" darüber angestimmt wurde, daß, während die deutschen Textilerzeugniffe den englischen Markt überschwemmen, die In- dufirie Nottinghams, wo noch durchweg aus älteren Maschinen gearbeitet wird, mit dem deutschen Fabrikat nicht konkurriren kann. Die Notting- hamer Fabrikanten, hieß es weiter, beabsichtigen nun, eben solche Ma- schinen, wie die in Plauen angewendeten, anzuschaffen. Es sei aber sehr zweifelhaft, ob diese Anstrengungen von Erfolg gekrönt sein werden, in Rücksicht auf— man höre!—„die große Differenz zwischen den Arbeitslöhnen in Plauen und in Nottingham ." Diese von den Fabrikanten, einer in diesem Falle gewiß unverdäch- tigen Quelle, mit Jubel hervorgehobene Thatsache predigt lauter als ganze Bände die internationaleSolidarität der Arbeiter- Interessen. Die Siege der„nationalen" Industrien werden erfochten auf Kosten von Leben und Gesundheit der„nationalen" Arbeiter, und zwar dergestalt, daß es wirklich schwer zu entscheiden ist. wer schlimmer dran ist, die Arbeiter der siegreichen Industrie mit ihren entsetzlichen Hungerlöhnen oder die Arbeiter der geschlagenen Industrie. Aus dieser traurigen Alternative: sofortiger Untergang oder langsames Hin- sterben, gibt es nur einen Ausweg, und der heißt: Internationales Planmäßiges Zusammenwirken behufs Beseitigung des ganzen heutigen Rusbeutungssystems. - Ein Erzschandstück internationalen Denunziantenthums irachte neulich im österreichischen Reichsrath der deutsch- Nationale Abgeordnete Perner st orfer zur Sprache. Der Fall be- üifft den sozialistischen Arbeiter Leo Walecka, der im Sommer 1880 wegen Verbreitung der— damals noch nicht anarchistischen—„Freiheit" zu vier Jahren Gefängniß verurtheilt worden war, und oerdient zur Schande der Polizei des Landes der Niedertracht und Heuchelei und ihrer Helfershelfer besonders angenagelt zu werden. Herr Pernerstorfer konstatirte zunächst, daß Walecka die„Verbrechen", wegen deren er verurtheilt worden, durch die Presse begangen, also nach dem österreichischen Gesetz politischer Verbrecher war, trotzdem aber lange Zeit als gemeiner Verbrecher behandelt wurde, und fährt dann fort: „Nachdem der Mann die Strafe abgeseffen hatte, dachte er sich: Ich werde in Wien keine Arbeit bekommen, ich gehe fort. Er geht mit Be- willigung der„hohen" Polizei in die Schweiz , bekommt dort wirklich Arbeit, vom Konsulate aus wird für diesen Arbeiter ein Jnterimspaß Nach Uzwyl geschickt und dieser Jnterimspaß kam in Begleitung eines Schreibens, worin gesagt wird, daß bald der Paß nachfolgen werde. Der Unternehmer macht diesen Brief auf, sieht, es ist ein Interims- paß darin und gibt ihn dem Arbeiter. Nach einiger Zeit kommt ein neuer Brief:„An Herrn Adolf Bühler, Maschinenfabrikanten und Eisengießer in Uzwyl, Nachnahme 2 Francs 3S. Hegalisirter Reisepaß sammt Begleitschreiben"— der Paß für Leo Walecka. Der Unternehmer denkt sich, da ist der Paß darin, macht den Brief nicht auf und gibt ihn dem Leo Walecka. Da lag nun neben dem Paffe ein kleines LUIst-doui fol- stknden Inhalts:„Herrn Adolf Bühler, Uzwyl, Zahl 1320," oben der kaiserliche Adler mit der Umschrift: K. und K. österreichisches Konsulat N> St. Gallen. Darin heißt es:„Anbei beehre mich, den soeben von Polizeidirektion in Wien eingelangten Reisepaß des in Ihrer Maschinenwerkstätte in Verwendung stehenden Mechanikers Leo Walecka °us Wien mit dem freundlichen Ersuchen zu übermitteln, denselben vor Ausfolgung auf der zweiten Seite mit der eigenhändigen Unterschrift des Genannten versehen laffen und ihm bedeuten zu wollen, daß, da sein Vater in Wien nur für das.laufende Jahr die Militärtaxe entrichtet W, ihm seinerzeit nur gegen Vorausbezahlung der gleichen Taxe der Paß auf ein weiteres Jahr Hieramts verlängert werden kann. „Zugleich theile Ihnen im Vertrauen mit,"— unterschrieben ist dfr k. k. Konsul Hermann Schlatter —„daß laut Note der k. k. Polizei- direktion in Wien vom 2. Juli d. I., 3884?r./1172 L. ll. A., Leo walecka in Wien in sozialistischer Richtung eine hervorragende Rolle flkspielt und wegen Hochverrathes, Majestätsbeleidigung und Aufwiegelung eine vierjährige, am 7. Januar d. I. erst ab- gelaufene schwere Kerkerfirafe verbüßt hat. „Mein freundliches Ersuchen ginge demnach dahin, diesen Arbeiter in dieser Richtung, soweit dies eben thunlich ist, im Auge behalten Und mir bei etwaigen neueren Agitationen deffelben von seinem Ver- Palten gefälligst Kunde geben, wie auch seinen even- ' u e l l e n A u s t r i t t aus Ihren Diensten mir gütigst mit ein paar Worten anzeigen zu wollen. St. Gallen, den 7. Juli 1884. Hochachtungsvoll Der k. und k. Konsul: Hermann Schlatter ." Wie man sieht, ein U ria sbrie f in aller Form. Bei SS von 100 Fabrikanten hat ein solcher Brief die Wirkung, daß der solchermaßen der besondern Aussicht„freundlich" empfohlene Arbeiter sofort aufs Pflaster stiegt oder in jeder Weise chikanirt wird. Es genügt den schwarzgelben �rdnungsbanditen nicht, einen Arbeiter wegen seiner Gesinnung um vier dahre seines Lebens zu bringen, sie müffen ihn noch hinterher auf Schritt und Tritt verfolgen bis ins Busland. Er könnte ja von der Schweizaus das heilige Oesterreich„an Ehren(jawohl!) und an Siegen reich" in die Luft zu sprengen versuchen. Und zu dem unsaubern Hand- werk der politischen Spionage gibt sich nicht nur ein österreichischer Kon- sul in der Schweiz — der Herr soll zudem Schweizerbürger sein!— willig her, sondern muthet es auch, als wäre es selbstverständlich, einem beliebigen unabhängigen Schweizerbürger zu. In diesem Falle nun ging die Sache, Dank der geringen Neigung des Herrn Bühler zur Brief- stieberei, schief, es liegt aber kein Grund vor, anzunehmen, daß es der erste gewesen. Nein, das Geschäft wird systematisch betrieben, das geht aus der ganzen Form des Briefes hervor, das Spitzelthum ist int er- national organisirt und angeblich ganz unpolitische Kons«- late sind die Brutnester der niederträchtigsten Spionage ljZ Darum aufgepaßt, wen's angeht!, — Die verkehrte Welt oder Herr Jhring-Mahlotv als Ankläger. Das Schreiben der Berliner Staatsanwaltschaft, in welchem sie die gerichtliche Verfolgung des dynamitattentäternden und uiajestät- beleidigenden Puttkämerlings Jhring-Mahlow ablehnte, und für besagte Stütze des heutigen Staats- und Gesellschaftssystems eine Lanze«inlegte, ward seiner Zeit von uns mitgetheilt. Genoffe Singer, welcher die Aufforderung zu strasrechtlichem Einschreiten an die Berliner Staats- anwaltschaft gerichtet hatte, gab sich mit jenem Bescheide nicht zufrieden und ging an die Oberstaatsanwaltschaft. Die bezügliche Eingabe wurde von den Rechtsanwälten M u n k e l(dem bekannten fortschrittlichen Reichs- tagsabgeordneten) und Freudenthal ausgearbeitet. Die Beschwerde blieb jedoch erfolglos— wie wir das nicht anders erwartet hatten. Die Oberstaatsanwaltschaft in Person des Herrn Luck trat, in richtiger Wür- digung dessen, was die Justiz im heutigen Klaffenstaate ist und sein soll, dem Standpunkte und den Motiven des ersten Staatsanwalts bei, und es ist nun— da es keinen weiteren Appell gibt— durch alle Instanzen festgestellt, daß ein Schuft, der im Jntereffe des Klaffenstaats seine Schuftereien verübt, von den Behörden dieses Klaffenstaats als hochachtbarer Ehrenmann betrachtet wird; und daß die verbreche- rischsten Handlungen, wenn sie im Interesse des Klaffenstaats begangen werden, nicht blos, nach den Gesetzen des Klaffenstaats, erlaubte, sondern- positiv verdien st volle Handlungen sind. Wir haben das ja immer gesagt, und unseren Lesern ist es nichts Neues; allein immerhin ists ein Gewinn, daß wir es jetzt schwarz auf weiß haben, und aus den Händen der höchsten zuständigen Behörde des Klaffenstaats. Wenn Mahlow -Jhring ein Ehrenmann und pflichttreuer Beamter, und sein Thun und Treiben ein verdienstvolles ist in den Augen der obersten Vertreter des Klaffenstaats, so ergibt sich hieraus folgerichtig und mit zwingender Logik, daß diejenigen, welche den Ehrenmann Jhring-Mahlow für einen Schuft erklärt, und zum Gegenstand einer summarischen Justiz- Prozedur gemacht haben, eines schweren Vergehens schuldig sind, und nach den Gesetzen des Klaffenstaats der Puttkamer, Mahlow-Jhring, Bismarck und sonstiger Ehrenmänner des gleichen Kalibers bestrast wer- den müssen— mit andern Worten: daß Mahlow -Jhring, statt auf die Bank der Angeklagten und von da ins Zuchthaus zu marschiren, seiner- seits den Spieß umdreht und Ankläger wird. Und das ist er denn auch geworden, und zwar gleich doppelt. Erstens Ankläger seiner Ankläger— der von Singer benannten Zeugen. Zweitens Ankläger derer, die ihm für seine Schurkenstreiche eine kleine Abschlagszahlung durch Volksjustiz verabreicht haben. Mit seinem ersten Versuch in der Anklägerrolle ist nun Jhring-Mahlow zwar neulich abgeblitzt— das Schöffengericht erwies sich noch nicht auf der Höhe der verfeinerten Rechtsbegriffe der Puttkamer-Luck-Angern, hielt die beschworenen Aussagen des„zuverlässigen" Beamten für einen sehr unzuverlässigen Beweis und sprach den als Lynchjustizler angeklagten Tischler B o b k i e w i c z frei. Jndeß— es ist noch nicht aller Tage Abend.„Es gibt noch Richter in Berlin ." Die zweite Instanz wird wieder gut machen, was die erste versündigt. Siehe die Diäten- prozesse. Bei dieser Gelegenheit möchten wir aber den Herren Bismarck , Putt- kamer und Konsorten den unmaßgeblichen Vorschlag machen, ob es sich nicht empfehlen würde, ihren biederen Schützling und Freund auch o f f i- z i e l l zum Ankläger zu ernennen, d. h ihn zum Staatsanwalt, am besten sofort zum Oberstaatsanwalt avanciren zu lassen. Mahlow -Jhring königlich preußischer Oberstaatsanwalt— das wäre der klassischste Ausdruck des Klaffenstaats der Bismarck , Puttkamer und Konsorten— und der schönste Pendant zum hofpredigenden Meineids- pfaffen Stöcker. — Die Wahrheit am grüne» Tisch. Der Puttkamer sagte im Reichstag: „Mein Mahlow-Jhring ist ein pflichttreuer Beamter und ein glaub- würdiger Beamter— ebenso glaubwürdig wie sein Ankläger Singer. Es steht Aussage gegen Aussage." Und der preußische Staatsanwalt und der preußische Oberstaatsanwalt sprachen oder schrieben es papageiartig ihrem Puttkamer nach. „Unser Mahlow-Jhring ist ein pflichttreuer Beamter und ein glaub- würdiger Beamter— ebenso glaubwürdig wie seine Ankläger. Es steht Aussage gegen Aussage." Zum Unglück für den Puttkamer und seinen Staatsanwalt und seinen Oberstaatsanwalt hat nun aber das Berliner Gericht in dem ersten Mahlow -Jhring-Prozeß entschieden, daß der Mahlow-Jhring ein un- glaubwürdiger Zeuge ist, und hat den von ihm alS Theilnehmer an dem . 2) Ich gebe mich den Kapitalisten hin, ich vertheile mich unter i'i. Jeder Auserwählte erhält einen Theil des einzigen Kapitals, aber ** behält es nur, wenn er es vermehrt, wen» er es Profite tragen wacht. Das Kapital zieht sich zurück von dem, der seine Gesetze nicht erfüllt. . 3) Ich habe den Kapitalisten dazu erwählt, daß er Mehrwerth heraus- Ichlage— seine Mission ist, Profite aufzuhäufen. 4) Um frei und ungebunden sich dieser Jagd nach dem.Profit hin- ;8®&en zu können, entledigt sich der Kapitalist aller Freundschaftsbande. , Wo es einen Gewinn einzustreichen gilt, kennt er weder Freund noch «rüder, noch Frau, noch Mutter, noch Kinder. 5) Er erhebt sich über jene nichtigen Abgrenzungen, welche den Haufen i!#et Sterblichen in ein Vaterland, in eine Partei einpferchen. Bevor er Preuße oder Franzose, Russe oder Pole, Engländer oder Jrländer ist, .>st der Kapitalist Ausbeuter. Er ist nur nebenbei Monarchist oder Repu- , bükaner, konservativ oder radikal. DaS Gold hat eine Farbe, aber der i"apstaiist hat dem Golve gegenüber keine Gesinnung. i 6) Der Kapitalist streicht mit demselben Gleichmuth das mit Thränen , �letzte, das mit Blut befleckte, das mit Koth beschmutzte Geld ein. . 7) Er bringt dem gemeinen Vorurtheil kein Opfer. Er ist nicht Fabri- , Mt, um gute Waaren zu liesern, sondern um Waaren zu fabriziren, > we ketten Verdienst bringen. Er gründet nicht Aktiengesellschaften, um I Dividenden an die Aktionäre zu vertheilen, sondern um ihre Kapitalien sich zu bringen, auf die sie kein Recht haben. Denn der kleine Kapi- , wlist ist verdammt, zu verschwinden, verschlungen zu werden vom großen 'Kapitalisten. Das ist das Gesetz des Kapitals. x 8) Wenn ich einen Menschen zur Würde des Kapitalisten erhebe, so , übertrage ich damit auf ihn einen Theil meiner Allmacht über Menschen Und Dinge. > �9) Der Kapitalist sagt: Die Gesellschaft, das bin ich, die Moral, das > w mein Interesse. ,10) Wenn ein einziger Kapitalist in seinen Interessen verletzt wird, so iiidet die ganze Gesellschaft. Denn die Unmöglichkeit, das Kapital zu Vermehren, ist das größte aller Uebel— das Uebel, für das es keine Entschädigung gibt. . 11) Der Kapitalist läßt produziren, aber er produzirt nicht. Jede [ fvrperliche oder geistige Beschäftigung ist ihm untersagt. Sie würde ihn («un seinem heiligen Beruf, Profite aufzuhäufen, ablenken. .12) Der Kapitalist wird nicht zum metaphysischen Eichhörnchen, das 'lin Rad dreht und nur Wind mahlt. 12) Er kümmert sich sehr wenig darum, ob die Himmel Gottes Ruhm Urkunden; er stellt keine Untersuchungen darüber an, ob die Grille mit Arem Hintern oder mit ihren Flügeln zirpt, oder ob die Ameise ein Kapitalist ist.*) k____■ f*) Der Verfasser des kapitalistischen Hohepriesters spielt ohne Zweifel wif jene Kinderfibel- Oekonomen hin, die, um zu beweisen, daß das 14) Er bekümmert sich weder um den Anfang, noch um das Ende der Dinge, aber er läßt sie Profit eintragen. 15) Er läßt die von der Seuche der offiziellen Oekonomie Befallenen über Monometallismus und Bimetallismus deklamiren, aber er sackt ohne Unterschied alle Goldfüchse und Silberlinge ein, deren er habhaft werden kann. 16) Er erlaubt den Gelehrten, die dazu gerade gut genug sind, den Naturerscheinungen auf den Grund zu gehen, und den Erfindern, auf die Anwendung der Naturkräfte in der Industrie zu sinnen. Aber er bemächtigt sich schleunigst ihrer Erfindungen, sobald sie ausbeutungs- fähig sind. 17) Er quält sein Hirn nicht ab mit der Untersuchung, ob das Schöne und das Gute ein und dasselbe seien, aber er leistet sich Trüffeln, die so gut zu essen sind und häßlicher aussehe" als der Abgang der Schweine. 18) Er klatscht Beifall den Reden Her die„ewigen Wahr- Herten", aber er verdient Geld mit.en Fälschungen, wie sie der Tag mit sich bringt. 13) Er spekulirt nicht über das Wesen der Tugend, des Gewiffens und der Liebe, sondern über ihren Kauf und Verkauf. 20) Er untersucht nicht, ob die Freiheit an sich ein Gut ist; er nimmt sich alle Freiheiten und läßt dem Arbeiter nur den Namen derselben. 21) Er streitet nicht darüber, ob Recht vor Macht geht, denn er weiß, daß er alle Rechte hat, weil er das Kapital hat. 22) Er ist weder für noch gegen daS allgemeine Wahlrecht, weder für noch gegen das beschränkte Wahlrecht; er kaust die Wähler des beschränk- ten Wahlrechts und streut den Wählern des allgemeinen Wahlrechts Sand in die Augen. Im Ganzen ist ec mehr für das allgemeine Wahl- recht, weil es billiger ist. Denn wo er beim beschränkten Wahlrecht die Wähler und den Gewählten kaufen mühte, braucht er beim allgemeinen Wahlrecht nur den Gewählten zu kaufen. 23) Er mischt sich nicht in das Geschwätz über Freihandel und Schutz- zoll ein; er ist abwechselnd Freihändler und Schutzzöllner, wie es gerade das Geschäft für ihn mit sich bringt. 24) Er hat kein Prinzip, nicht einmal das, kein Prinzip zu haben. (Schluß folgt.) Kapital von jeher existirt hat, behaupten, die Ameise werde dadurch, daß sie Vorräthe aufhäuft, Kapitalist. bekannten Akt der Lynchjustiz Bezeichneten freigesprochen. Diese Freisprechung war eine schallende Ohrfeige auf die Wangen des Putt- kamer und seines Oder- und Unterstaatsanwalts. Doch geben wir den sauberen Kumpanen die Wohlthat des Zwei- f e l s. Richter können irren und richterliche Uutheile stehen nur zu oft mit der Gerechtigkeit und Wahrheit aus sehr gespanntem Fuße;— was Niemand besser weiß als unser Puttkamer mit seinen Ober- und Unter- Staatsanwälten. Also laffen wir das richterliche Urtheil. Es ist, wie gesagt, eine schallende Ohrfeige auf die Wangen des Puttkamer und der Puttkämer- linge; indeß auch Unschuldige haben schon Ohrfeigen bekommen. Allein es liegen zwei Thatsachen vor, die dem Puttkamer und seinem Ober- und Unterstaatsanwalt bekannt waren, und in Bezug auf welche ein Zweifel nicht obwaltet. Im Augenblick, wo der Puttkamer und sein Ober- und Unterstaats- anwalt betheuerten: „Der Mahlow -Jhring ist ein pflichttreuer und glaubwürdiger Be- amter", wußten sie: 1) daß der Mahlow -Jhring gegen das Gesetz gehandelt hatte, als er in den sozialdemokratischen Verein eintrat— denn der Eintritt in politische Vereine ist nach dem Gesetz Polizeibeamten nur in Uni- form gestattet; sie wußten also, daß der Mahlow -Jhring kein „pflichttreuer Beamter war; und sie wußten: 2) daß der Mahlow -Jhring infam gelogen hatte, als er statt seines(allerdings nicht ehrlichen) Namens Jhring den Namen Mahlow angab; sie wußten also, daß Mahlow -Jhring nicht„glaubwür- dig" war. Und wissend, daß der Mahlow -Jhring weder pflichttreu, noch glaubwürdig war, erklärten der Puttkamer und sein Ober- und Unter- Staatsanwalt doch amtlich(und sogar Junker Otto hat gesagt, a m t- l i ch dürfe man nicht lügen), ihr Mahlow -Jhring sei ein pflichttreuer, glaubwürdiger Beamter. Daraus folgt, daß der Puttkamer und sein Ober- und Unterstaatsanwalt wider besseres Wissen die Un- Wahrheit gesagt, mit einem Wort gelogen haben! — Wie wenig ernst eS mit der Kriegsgefahr von Frank» reich her ist, geht aus dem Umstände hervor, daß sich die„Kölnische Zeitung " in demselben Augenblick, wo sie ihre Unkenruf« über den dro- henden Erbfeind im Westen ausstößt, sich den Luxus einer bittern Attake auf den„Erbfeind im Osten" leistet. Veranlassung dazu bieten ihr die Erhöhungen der russischen Einsuhrzölle auf deutsche Jndustrieprodukte, insbesondere auf die Produkte der deutschen Metallindustrie. Statt in Jubel darüber auszubrechen, daß die russische Regierung die bismarck'sche Schutzzollpolitik so fleißig nachahmt, schimpft das rheinische Fabrikanten- blatt über„asiatische Rücksichtslosigkeit" und droht mit Repressions- maßregeln. Ob diese, das heißt die Erhöhung der Einfuhrzölle, auf ruffisches Getreide, Holz sc., wonach die preußischen Agrarier, Bismarck voran, schon lange lüstern sind, nicht das treibende Motiv zur „schönen Entrüstung" der Kölnerin bilden, ist zum mindesten eine sehr berechtigte Frage, jedenfalls aber würde Bismarck und seine Leute sicher ihre agrarischen Schmerzen unterdrücken, wenn sie wirklich glaubten, daß Frankreich „vor der Schlacht" stehe. — HyPerbyzantinismuS. Im Viktoriatheater zu Berlin wird jetzt ein von dem Italiener Manzotti komponirtes Ballet„Amor" aufgeführt, das den Siegeslauf der Liebe darstellen soll. Abgesehen von sonstigem Unsinn, gipfelt dieses„kulturhistorische" Ballet in einer die Huldigung Amors vor den Hohenzollern darstellenden Schlußapotheose. Amor und die Hohenzollern , das ist in der That die höchste Leistung der Kulturgeschichte. Hoffentlich fehlt auf dem Bilde der hochselige Thalerprinz nicht, dieser liebevolle Protektor des Viktoria Theaters und seiner Ballet- Elevinnen. — Wieder ein Eingriff in die„Freiheit der Arbeit". Wir lesen im„Grütlianer": „Veranlaßt durch die beim Stickerstreik in Appenzell zu Tage getre- tenen Uebelstände haben die Fabrikinspektoren S ch u l e r und N ü s p e r l i ein Normalreglement für Maschinenstickereien ausge- arbeitet, welches bestimmt, daß nur Lohnabzüge für mangelhafte Arbeit oder verdorbene Stoffe und eventuell für B e s ch ä- digungen an Maschinen und Eigenthum statthaft seien, nicht aber der Bezug von Maschinenzins für Arbeitsversäumniß, und daß alle Abzüge anderer Art als Bußen betrachtet werden müssen, welche wieder im Jntereffe der gebüßten Arbeiter zu verwenden sind." Was uns bei dieser Notiz am meisten ausfällt, ist nicht das gewiß anerkennenswerthe Vorgehen der Herren Nüsperli und Schuler, sondern daß diese so zahme Reform überhaupt sich als nothwendig ergeben konnte. Man muß sich immer und immer wieder die Frage vorlegen, was eigent- lich größer ist: der freche Uebermuth der Ausbeuter oder die Lamms- geduld der Arbeiter! — Die Hüter des Gesetzes über dem Gesetz. Dem Genossen Liebknecht hat die N ü r n b e r g e r P o l i z e i das Reden in öffent- lichen Versammlungen verboten, weil er im Reichstag während der letzten Sozialistengesetzdebatte eine umstürzlerische Rede gehalten habe. Die Reichsverfassung setzt bekanntlich fest, daß die Abgeord neten für ihre im Reichstag gehaltenen Reden nicht verant- wortlich seien. Trotzdem macht die Nürnberger Polizei den Reichstagsabgeordneten Liebknecht für eine im Reichstag gehaltene Rede verantwortlich und b e st r a f t ihn, indem sie demselben, soweit ihr Wirkungskreis reicht, einen Knebel in den Mund stopft.*) Die Nürnberger Polizei hat sich also über die Reichsverfas« sung gestellt. Und warum denn nicht? Hatte der mit dem polizeilichen Rede-Jnterdikt belegte Reichstagsabge- ordnete nicht recht, als er 1870 im Reichstag sagte: „Man muh den neuen Kaiser auf dem Berliner Gensdar- men-Markt krönen, denn das neue Reich wird ein Reich der Gensdarmen und ein P o l i z e i r e i ch werden!"? Ist die Polizei nicht allmächtig im„Reich der Gottesfurcht und from- men Sitte"? Steht sie nicht über Gesetz und Verfassung? Ist sie nicht Gesetz und Verfassung? — Verschiedene Blätter bringen die Nachricht, daß Liebknecht und Bebel im September d. I. eine Agitationstour durch die Vereinigten Staaten machen werden. Betreffs Bebels beruht diese Mittheilung auf Jrrthum. Bebel hat vor zirka einem Monat dem Cxekutivkomite der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten , das ihn und Liebknecht zur Agitationstour eingeladen, die Wittheilung zugehen laffen, daß sein Gesundheitszustand ihm die Anstrengungen einer solchen Reise unthunlich erscheinen ließe und er daher zu seinem Bedauern da- von absehen müsse. Dagegen wird Liebknecht voraussichtlich im September die Reise unternehmen. — Ei« abgebrannter Holzmüller erregt jetzt das öffenlliche Mitleid im Reich der Gottessurcht und frommen Sitte. Dem armen Mann ist neulich seine Holzmühle abgebrannt; er muß in sehr schlechten Finanzverhältnissen sein, denn er hat erst vor etwa Jahresfrist in ganz Deutschland den Klingelbeutel für sich herumgehen lassen, und obgleich ein ziemliches Sümmchen zusammengefochten ward, so dürste die Ver- brennung der Holzmühle doch die alte Kalamität wieder erneut haben. Es ist deshalb der Plan aufgetaucht, eine neue Kollekte zu veranstalten, und bei den großen Verdiensten, welche der abgebrannte Holzmüller sich notorisch um unsere Partei und Sache erworben hat, wird sicherlich auch mancher unserer Genossen zur Spendung eines milden Obolus, in Ge- stalt eines ehrlichen„Arbeitergroschens", bereit sein. Die Adresse des *) UebrigenS ist ihr unseres Wissens eine sächsische Behörde vor« ausgegangen, die, ebenfalls wegen einer im Parlament gehaltenen Rede, B o l l m a r nicht öffentlich sprechen ließ.
Ausgabe
8 (29.4.1886) 18
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