große Bewegung in« Leben rufen könne, dann würdedies ganz sicher geschehen sein. Die Situation, auch dieparlamentarische, sei aber eine solche, daß nicht die Interessen des Volkes,der Wgemeinheit, als Richtschnur für die Handlungen im öffentlichenLeben betrachtet würden, und leider halt« die Regierung diesen Zustand,daß nur die Jntereffen einzelner Kreise und Jntereffenzruppen gewahrtwerden, für«inen guten. Mit Jntereffenten läßt sich aber keine Ver-ständigung erzielen und deshalb haben wir uns darauf beschränkt, stetsund immer die Jntereffen der Allgemeinheit hoch zu halten und geltendzu machen.(Lebhafter Beifall.)Die augenblickliche Eiwation erscheine fast als eine ver-zweiflungsvolle, wenn es nicht einen Punkt gebe, inwelchem die eigene Neberzeugung mit allgemeinen Anschauungen über-einstimme, die Ueberzeugung nämlich, daß für unser Baterland nichtsschädlicher fei�rls ein Krieg. Er sei von Herzen dankbar demKaiser und dem Reichskanzler, daß ste mit ebenso viel Ernst wieErfolg für die Erhaltung des Friedens eingetreten find"«. f. w.Also der einzige Lichtpunkt in dem verzweiflungsvollen Nachtbild, dasHerr Virchow von der politischen Lage entwirft, ist die Friedenspolitik— Bismarcks! Hätten wir's nicht in einem FortschrittSblatt gelesen,wir würden es nimmer glauben. Ohne weiteren Kommentar verleibenwir diese Virchowiade als charakteristisches Zeichen der Zeit unseremKuriositätenkabinet ein, und wollen Herrn Virchow blos die tröstlicheVersicherung geben— tröstlich insofern er politisches Leben dem po-litischen Tod vorzieht— daß die A r b e i t e r m a s s e n nichts wenigerals wahlmüde find— und auch nicht kampfmüde.— Ei« tollgewordener Hammel figurirt gegenwärtig als Bürger-Meister von Frankenberg in Sachsen. Wenn das Pserd Kalizula'sSenator werden und Bismarcks Hund nationalliberale Kollegen zu Bio-graphen bekommen konnte, warum sollte da nicht ein Hammel auchBürgermeister werden können? Im Gegentheil, die Sache scheint unsüberaus natürlich, und ist auch durchaus nicht so ganz ungewöhnlich;— wir selbst kennen eine ziemliche Anzahl von Hammeln— tollgewor-denen und anderen— die es zu Bürgermeistern und zu noch höherenAemtern gebracht haben. Um nun auf besagten Hammel zurückzukommen,so hört derselbe auf den Namen Käubler, war früher Referendar inLeipzig und galt bis zur Zeit, wo der Anblick der rothen Farbe ihn tollMachte, auch für einen ganz guten Hammel. Allein die rothe Farbe hatsihm angethan. Wenn er sie erblickt, oder durch irgend etwas oder irgendjemand an sie ermnert wird, so bricht die Tollheit los, und äußert sichw den komischsten Kapriolen und Exzentrizitäten— wie bei allen toll-gewordenen Hammeln. Er stellt sich dann manchmal ä la Ritter Toggen-durg stundenlang aus einen Fleck und stiert nach einem bestimmtenFenster, hinter dem sich ein rother Schimmer gezeigt hat; und er würdebann auch richtig verschmachten, wie sein berühmtes Vorbild, wenn ernicht einen getreuen Ortsdiener bei sich hätte, der dafür zu sorgen hat,daß er ohne ernsthasten Schaden nach Hause kommt. Oder er— besagterHammel- läuft stundenlang hinter einem Koffer her, der durch einerothe Wirthshausetikette seine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat undihn anzieht wie der Magnetstein einen Eisenfeilspahn. Oder aber— dochwer kann alle Kapriolen und Phantasien eines tollgewordenen Hammelsauszählen? Dieser Tage hatte er— es war gerade eine sozialdemokra-tisch- Volksversammlung in Frankenberg, wo unser tollgewordenerHammel jetzt bürgermeistert, vorher war er in Mittweida— einen sogefährlichen Krankheitsanfall, daß er— der Hammel, nicht der Krank-h-ilsansall— um ja nicht der nöthigen Pflege zu ermangeln, die ganzeFeuerwehr zu seinem Beistande entbot. Die armen Feuerwehrleute warenverdutzt ob der ihnen zugemutheten Rolle— die meisten blieben zuHaus, aber einige besonders mitleidige Seelen, welche die Schwäche-zustände ihres bedauernswerthen Bürgermeisters kennen, waren docherschienen, und sie hatten auch schließlich die Genugthuung, den toll-gewordenen Hammel glücklich in seinen heimischen Stall abliefern zukönnen.Apropos— da wir gerade von Hammeln gesprochen— der toll-gewordene Hammel von Spandau, der weiland am Tage, daSinger Berlin verließ, die Garnison alarmirte, ist zur Strafe fürleinen gefährlichen Eifer mit dem rothen Adlerorden beschenkt worden.damit er sich an den Anblick der rothen Farbe gewöhnt, und künftigNicht wieder ähnliche Genialitäten verübt.Uebrigens wird uns von zuverläffiger Seite mitgetheilt, daß die sozial-demokratischen Abgeordneten in der nächsten Reichstagsseffion den An-trag auf Ersetzung des Reichsadlers durch einen Reichstruthahnzu stellen beabsichtigen. Der Truthahn ist doch ein hundertmal anstän-bigeres Thier als der Adler, der am besten an Scheunenthore genageltwird, sintemalen man diesen schändlichen Tagedieb und Raubritter, nach-dem man ihn glücklich todtgeschlagen, nicht einmal verspeisen kann. Undwie gut schmeckt nicht ein Truthahn I Wenn der Truthahn zum Reichs-wappenthier gemacht würde, dann wäre der schöne Traum Hein-richs des Vierten von Frankreich mehr alL verwirklicht— jederDeutsche hätte nicht blos ein Huhn, sondern sogar einenTrut-gahn, zwar nicht im Topf, aber doch in der Tasche.— In der nationalwüthigen deutschenPresse herrschtö roher Jubel darüber, daß bei den jüngst stattgehabten Gemeinde-raihgwahlen in Elsaß-Lothringen in Straß bürg und Metz� deutschgesinnten Wähler die Autonomisten und Protestler geschlagenhaben. Wir haben für die Letzteren gerade keine besonderen Sympathien,'»nnen aber bei der notorischen fortgesetzten Einwanderung Deutscher,Und namentlich deutschen Streberthums, in die genannten Städte in'«ner Weise in den Jubel über ihre Niederlage mit einstimmen, sondern�blicken in dem Fortdauern der Unterscheidung zwischen Altelsäffern undAltdeutschen(eingewanderten Deutschen) ein nichts weniger als erfreu-"ches Symptom.«. Bismarck als Lebensretter. In den Kriegen von 18K4, l8KKUnd 1870/71, mit denen uns der geniale Blut- und Eisenmann beschenktM, sind nach einer geringen Schätzung anderthalb MillionenRenschen direkt und indirekt gemordet worden— eine Hekatombe,we selbst den Ehrgeiz eines Timur Tamerlan befriedigen könnte. Unterhen Maffenmördern der Weltgeschichte wird Junker Bismarck stets einenhervorragenden Rang einnehmen und in der Verbrecherabtheilung desllinftigen Pantheons gewiß einen Platz finden, der ihm die Unsterblich-'eit verbürgt.Aber in seiner Jugend ist ihm einmal das merkwürdige Pech paffirt,haß er einen Ertrinkenden aus dem Wasser ziehen mußte. Und das istJJU so merkwürdiges Ereigniß, daß einige zweibeinige Kollegen desiaeichshundes irgendwo in Hinterpommern oder Hinterbotokudien zum�ngen Angedenken eine Bildsäule gesetzt haben.-Vm Tage des Gerichts wird der eine Gerettete von den anderthalbMillionen Gemordeter pünktlich abgezogen werden— das versprechenwir.—. w. Ein frecher Patron schreibt in der Wiener„Deutschen Zeitz.",�Uem Organ des freisinnigen Bismarckthums in Oesterreich, an-ußlich der Ausweisung S i n g e r's:»Dieser Mann hat sich als Mitglied des Reichstags wie als Stadt-?ttordneter von Berlin stets einer maßvollen, selbst von den GegnernpH Sozialismus gewürdigten Haltung beflissen. Die Polizei muß wohl�utz der schärfsten lleberwachung kein Fehl an ihm entdeckt haben, da� durch Jahr und Tag der einzige Sozialistenführer in der HauptstadtAw, welcher der Ausweisung entging. In einer Zuschrift an ein fort-�hritiliches Organ erklärte Singer vor einigen Monaten, daß er stets�»erbrüchlich an den Ideen des Sozialismus festhalten werde, dabei?htt von unbedingterKönigstreue sei und alle anarchistischenAnschläge mit Entschiedenheit verdamme. Trotzdem genügte eine jämmer-�he, bereits als haltlos erwiesene Denunziation der„Kreuzzeitung",Wen Ausweisungsbeiehl auf ihn herabzubeschwören" u. s. w.- Die Zuschrift, in der Singer seine„unbedingte Königstreue" betheuertpben soll, ist natürlich von dem frechen Patron, der diesen anscheinendGunsten Singers geschriebenen Artikel verübt hat, erstunkennd erlogen.cl. Ein Streikprozeß i« Rußland. Seit dem Prozesse derrpv« Saffulitsch hat kein anderer Prozeß auf die ruffische Bevölkerung, stoßen Eindruck gemacht, als«in Ausgangs Mai vor den Geschwo-�Atn in Wladimir verhandelter. Nicht nur wegen der grauenhaftenJpwbeutung der Arbeiter, die dabei zu Tage trat, sondern namentliche9«n der erwiesenen Zugänglichkeit der ruffischen Arbeiter für die Ideender modernen Arbeiterbewegung und endlich auch wegen der Haltungder Behörden und der schwurgerichtlichen Entscheidung..Der dem Prozeffe zu Grunde liegende Streik betrifft die riesigen,Manufaktur-Etablissements von Morosow<K Sohn in Nikolsk,in denen za. 1 1,000 Arbeiter beschäftigt sind. Es herrschte in diesen Fabrikenein niederträchttges Ausbeutunzssyftem: zu der Ausbeutung durch schlechteLöhne und durch den Verkauf von Lebensmitteln an die Arbeiter(Truck-system) gesellte sich noch ein in Wahrheit unerhörtes Bußensystem, daseine reguläre Einnahmequelle für den Besitzer bildete. Es wurdenStrafen von 30— 50 Prozent des Lohnes erhoben; in der Weberei alleinbezifferte sich die Höhe derselben auf jährlich 20,000 Rubel. Dem Weber-Meister Schorin, welcher diese Strafen verhängte, wurde vom Direktormit Entlassung gedroht, wenn er Milde walten ließ. Kein Arbeiter kamohne Strafe davon; die Strafen wurden künstlich herbeigeführt, indemman die Arbeiter beständig die Arbeit wechseln ließ, die gleiche Arbeitmehrmals untersuchte und für jeden neuen Fehler eine neue Strafediktirte. Die Arbeiter mußten Fehler begehen, und je mehr sie be-gingen, desto größer war die Einnahme der ausbeuterischen Unterneh-mung. Vor Gericht deponirte ein Arbeiter, daß ihm in einem MonatAbzüge von zusammen 8 Rubel gemacht wurden, ein anderer Arbeiterhatte wegen der ihm gemachten Abzüge gar keinen Lohn bekommen, einemdritten wurden im Laufe des Jahres 80 Rubel abgezogen, seiner Frau50 Rubel. Gegen dieses empörende Ausbeutungssystem machten die Ar-beiter Front. Sie stellten am 7. Januar v. I. die Arbeit ein, woraufsofort 3 Bataillone Infanterie und I Poll donischer Kosaken gegen steabgeschickt wurden. Aber sogar der Gouverneur, welcher in Nikolsk er-schien, fand die Sache der Arbeiter so gerecht, daß er den Streikenden,trotzdem große Tumulte und„Eigenthumsschädigungen" vorkamen, mitin Rußland bisher unerhörter Nachsicht begegnete.Es erfolgte in der ganzen Affaire, obwohl das Militär mehrmals ein-schritt, kein Blutvergießen. Der Fabrikant, den der Gouverneur vonMoskau nach Nikolsk kommen ließ, offerirte den Arbeitern die Rückzah-lung der erhobenen Bußen für d-e Zeit vom 1. Oktober 1884 bisI. Januar 1335. Die Arbeiter, welche sie erheben wollten, sollten jedochsogleich entlassen sein. Die Streikenden wollten indeß davon nichts wissen.Sie hatten ihre verschiedenen Wünsche schriftlich formulirt und u. A.folgende Forderungen aufgestellt: Rückzahlung der Buhen von Ostern1884 an. Zu Gunsten des Fabrikanten sollten 5 Prozent abgezogenwerden. Da die Kontraktzeit bis Ostern 1885 reichte, sollten die ent-lassenen Arbeiter bis dorthin ihren Lohn bekommen und für denselbender Tarif von 1881 zur Anwendung gelangen, der höher als der be-stehend« war.— Außerdem stellten die Arbeiter für die Wiederaufnahmeder Arbeit eine Anzahl Bedingungen auf, wonach die Strafen nicht mehrals 5 Prozent des Arbeitslohnes betragen und nur einmal und zwar beiAblieferung der Arbeit erhoben werden dürfen. Strafen sollten erst danneintreten, nachdem die Arbeiter auf schlechtes Arbeiten vergeblich auf-merksam gemacht worden wären. Weiter forderte man halbmonatlicheLohnzahlung, Entschädigung der Arbeiter, falls ein Streik durch Ver-schulden des Fabrikanten eintreten oder die Fabrik feiern sollte u. f. w.Da eine Verständigung unmöglich war, ließ der Gouverneur zuerstdie Führer der Streikenden, den jugendlichen Wolkow und die eigent-liche Seele der ganzen Streikbewegung, den Bauern Mosejenok, verhaften.Bei diesen Verhaftungen legten die Arbeiter überraschende Beweise ihrerDisziplin und Solidarität ab.Da die Arbeiter sich weigerten, unter den vom Fabrikanten aufge-stellten Bedingungen die Arbeit wieder aufzunehmen und kein Tag ohneTumulte verlief, lieh der Gouverneur 600 Arbeiter, nachdem ihnen dieBuhen zurückerstattet worden, in ihre Heimatsgemeinden schicken. Jetztmachte der Fabrikant Konzessionen, er stellte einige Uebelstände ab undentlieh den besonders verhaßten Webermeister Schorin, was insofernsehr unbedacht war, als dieser später aus die rücksichtsloseste Weise dasschmachvolle GeschäftSgebahren des Fabrikanten aufdeckte. Nach der Ab-schiebung der«00 nahmen die andern Arbeiter die Arbeit wieder auf.Es wurden nun zwei Prozesse eingeleitet, einer gegen 17 Arbeiterwegen Streikens, und einer gegen 33 wegen Streikens, Zerstörung von Fabrik-und Privateigenthum, Plünderung, Diebstahl, Widerstand gegen dasMilitär u. s. w. Unter den Angeklagten beider Prozeffe befanden sich Wolkowund Mosejenok. Der erste Prozeß wurde durch das Strafgericht, derletztere durch die Geschworenen entschieden; der erster« führte zu Ver-urtheilungen bis zu 3 Monaten, der letztere— zur Freisprechungsämmtlicher Angeklagten. In der Gerichtsverhandlung tratdie Ausbeutung in den Morosoff'schen Fabriken in so abscheulicher Ge-statt zu Tage, daß bei den Geschworenen das menschliche Gefühl zumDurchbruch kam, und sie die mehr als 100 Schuldfragen,welche ihnen gestellt wurden, verneinten— was die Freisprechungder Angeklagten zur Folge hatte.Die ordnungsliebende Gesellschaft Ruhlands war über einen so uner-hörten Urtheilsspruch erstarrt, und die Polizei beeilte sich, dem verletzten„Rechtsgefühl" dadurch Rechnung zu tragen, dah ste Wolkow und Mose-jenok in Polizeigewahrsam behielt, um sie administrativ nach Sibirienzu verschicken. Mosejenok war wegen Theilnahme an einem Streikin Petersburg, bei dem auch Exzeffe stattfanden, schon einmal in Sibiriengewesen. Die Geschworenen versuchen es, die menschenfreundliche Absichtder Polizei zu durchkreuzen, indem sie ein Gnadengesuch fürWolkow und Mosejenok an den Kaiser richteten.Wie vernichtend die Gerichtsverhandlungen für den Fabrikanten ge-wesen, ergibt sich daraus, daß er auf alle Entschädigungsansprüche, dieer gestellt, verzichtete. UebrigenS ergab die Zeugenvernehmung, dah sei-tens der Streikenden weder geplündert noch gestohlen worden, daß sievielmehr eine außerordentliche Disziplin gezeigt. Der Prozeß, welcherinteressante Streiflichter auf die russischen Arbeiterverhältniffe wirft,verdiente eine eingehende Darstellung in deutscher Sprache. Soweit unserRaum es gestattet, werden wir auf besonders charakteristische Einzelheitendesselben noch zurückkommen.— Bon Nah und Fern. Der unser» Münchener Genoffen voreiniger Zeit abge— jagte„Bayrische L a n d b o t e" geht jetzt infolgeAbonnentenschwindsucht ein. Wir gönnen ihm die verdienteRuhe.— In P a r i s hat man jüngst die Statue des berühmten En-zyklopäbisten Diderot enthüllt, bei welcher Gelegenheit auch ProfessorLudwig Büchner aus Darmstadt eine Rede hielt. Ein Versuchder Klerikalen, mittelst eines chauvinistisch gehaltenen Flugblattes feind-selige Demonstrationen gegen Büchner zu provoziren, schlug vollständigfehl. Büchners Rede wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen, undder Pariser Gemeinderath beschloß mit großer Majorität, sie im Druckerscheinen zu lassen.— Bei der letzten Feier des N a t i o n a l f e st e Sin Paris zeigte es sich, daß die Republik bei den Geldprotzen an An-sehen verloren, bei den Volksmaffen an Ansehen gewonnen hat. Nament-lich wurde der Kriegsminister Boulanger wegen seines energischenAuftretens gegen die monarchischen Intriganten gefeiert. Gewisse Heulersehen in der Popularität Boulangers bereits eine Gefahr für die Repu-blik und wittern einen Staatsstreich. Da ist der Wunsch der Vater der— Furcht. Die Franzosen freuen sich, endlich einen entschlossenen Repu-blikaner an der Spitze des Heeres zu sehen, das ist alles.— AusN e w- A o r k können wir berichten, daß die in voriger Nummer er-wähnte Massendemonstration im Cooper Institut gegendie Verurtheilung und die unerhörte Bestrafung der Theiß'schen Boy-cotter einen glänzenden Verlauf genommen hat. Der mächtige Saal warbis auf das letzt« Plätzchen besetzt. Tags darauf standen wieder Boy-cotter(Bäcker, welche die„arme" Wittwe Landgraf geboycottet) vor Ge-richt, Richter Barrett ließ jedoch„Milde" walten und verurtheilte sie zuGesängnihstrafen von im Maximum 30 Tagen. Natürlich unterließ ernicht, zu bemerken, daß ihn die im Cooper Institut gehaltenen Redendabei in keiner Weise beeinflußten.— Hamilcar Cipriani, dertapfere Kommunekämpfer und Galeerensträfling, dessen Wahl die servileKammer des Herrn Depretis für ungültig erklärt hatte, ist sowohl inForli als in Ravenna wieder gewählt worden. Der römische Kor-respondent der demokratischen„Frankfurter Zeitung" fordert da-her mit dem italienischen Regierungsorgan eine„verbesserte Wahlord-nung", welche„die Wahl eines im Kerker schmachtenden Sträflings un-möglich machen müßte", wir aber beglückwünschen die romagnolischenWähler zu ihrem mannhaften Eintreten für das Opfer eines schmach-vollen Justizmordes.Aus den fett Montag in Freiberg sich abspielenden Verhandlungendes berühmten„G e h e i m b u n d> P r o z e s s e s" ist bis jetzt nichtsBesonderes zu berichten. Das Anklagematerial ermangelt so jeder Be-weiskraft, daß man sich immer wieder auf's Neue wundert, wie darauf-hin überhaupt eine Klage aufgebaut werden konnte. Haben die Richterauch nur einen Funken von juristischem Gewissen, so ist eine Frei-s p r e ch u n g sicher.— England. Die Wahlen sind nunmehr beendet, und das Gesummt-ergebniß ist, daß 317 Konservative, 77 unionistische Liberale(davon zirka47 Whigs und zirka 30 Radikale), 192 Anhänger Gladstones und 85Parnelliten gewählt sind. Demnach fehlen den Konservativen mindestens19 Stimmen zur absoluten Majorität, und sie suchen deshalb mit allenMitteln der Ueberredung Lord Hartington, den Führer der whigistischstenLiberalen, zu überreden, in das neue Ministerium einzutreten, und sollen ihmsogar zu diesem Zweck den Posten des Premierministers angeboten haben.Bis jetzt aber sperrt sich der englische Bennigsen noch, denn er weiß,daß wenn er einmal den ersten Schritt gethan, er auch den zweiten unddritten wird thun müssen, und möchte sich doch so gern den Weg zu denliberalen Fleischtöpfen offen halten. Schließlich wird er aber doch wohlin den„Pott" steigen.Weit günstiger als nach den obigen Zahlen stellt sich das Wahlresultatfür Gladstone und die von ihm befürwortete Selbständigkeit Irlands,wenn man den Ziffern der gewählten Abgeordneten die Ziffernder überhaupt abgegebenen Stimmen gegenüberstellt. Es entfallennämlich:auf die Konservativen 1,105,384 Stimmen,„„ Unionistischen Liberalen 41«,488„„„ Gladstonistischen Liberalen 1,351,581„„„ Parnelliten 95,805„1,447,186 Stimmen für Home-Rule stehen 1,522,372 Stimmen fürAufrechterhaltung der„Union" zwischen England und Irland gegenüber,eine Majorität von 75,000 Stimmen auf 3 Millionen. Und darum dasTriumphgeschrei!.Welch unsinnige Resultate die gegenwärtige Wahlkreiseintheilung zei-ttgt, beweist am drastischsten das Beispiel Londons. Dort wurdenin 55 Wahlkreisen 1S1,237 Stimmen gegen, und 118,424 Stimmenfür Home-Rule abgegeben. Danach hätte die Vertretung aus 31 Unio-nisten und 24 Liberal-Radikalen bestehen müssen. Gewählt aber sind 44Unionisten und nur 11 Liberal-Radikale. Während auf einen radikalenAbgeordneten nahezu 11,000 Stimmen kommen, kommen auf einenunionistischen Abgeordneten noch nicht 4000 Stimmen. Das ist aucheine Illustration zu dem Gladstone'schen Ausspruch„die Klaffen gegendie Massen".— Aus Dublin erhalten wir nachstehendes Zirkular mit der Bitteum Veröffentlichung:„Im September dieses Jahres wird in London ein InternationalerKongreß der G l a s- F l a s ch e n m a ch e r stattfinden.Die Vereine Deutschlands, Dänemarks, Schwedens und Norwegenshaben bereits versprochen, den Kongreß durch Delegirte zu beschicken,uns die der anderen Länder Europas sind eingeladen, das Gleiche zuthun.Es ist vorgeschlagen, einen Internationalen Bund der Glas-Flaschen-macher zu stiften, und es werden alle Jntereffenten ersucht, sich behufsMittheilung zu wenden an"W. Graham,149, Upper Sheriff StreetDublin, Ireland.Korrespondenzen.München, 19. Juli.(Nachruf.) Am 12. Juli wurde unser Ge-nosse Johann Kleinhöring, Schuhmacher, beerdigt. Schon mit17 Jahren kämpfte er für unsere Sache, doch traf ihn bereits mit 21Jahren das Loos, an der Proletarierkrankheit auS unserer Mitte gerissenzu werden. Viele Genossen gaben ihm das Geleite zum Grabe. Auchzwei Polizeikommiffare und eine Anzahl Gensdarmen waren zugegen,doch verlief die Beerdigung in aller„Ordnung". Mit einer kleinen An-spräche seitens eines unserer Genossen und nach Hineinwersen deSKranzes mit rother Schleife in's Grab endete die Feier in ruhigem,würdigem Ernste, der wohl der bewaffneten Macht nicht beson-ders behagte. Genosse Kleinhörinz wurde auch im hiesigen Monstre-prozeß zu drei Monaten verurtheilt, die jetzt natürlich derHerr Staatsanwalt selber absitzen kann, wenn er warten will, bissein Rechtsbegehren erfüllt wird. Die Anrede des Pfaffenbezog sich höchst geistreich auf unsern letzten Prozeß.„Nun wirder wohl drüben sich vor unbestechlichen Richtern zu ver-antworten haben," sagte unser Bediensteter des„Unfehlbaren",und der muß es ja wissen.Selbst im Angesicht des TodeS wetteifert das geisttödtende Pfaffen-thum noch mit seinen justizmörderischen Berufsgenossen imFanatismus. Gerade dieses unfreiwillige Zugeständniß, daß u n b e-stech liche Richter in diesem Prozeß„wohl" nicht gewaltet haben,ehrt den vergewaltigten, jetzt todten Proletarier doppelt in den Augendes Volkes. Dem Todten zur Ehr«, den Lebenden zur Lehregeben wir diesen Bericht. Er lebte und starb treu seinerUeberzeugung, und eine Sache, die solche Streiter zählt, kannweder von Meineidigen und Bütteln, noch von parteiischen Richternerdrosselt werden.Ehre dem Andenken unseres Genossen!Die Münchener Parteigenossen.Dessau. Wir glücklichen Deffauer erfreuen uns der ganz besonderenFürsorge einer Polizei, die so anständig ist, daß man es auf meilen-weit— riecht. Gestohlen wird da nicht, höchstens einmal etwas„auSSpaß" weggenommen. Da es nun Leute gibt, die keinen Spaß verstehen,so werden solche Dinge mit dem dicken Schleier des Amtsgeheimnissesbedeckt, und kommen sie trotz alledem zu profanen Ohren, so mag derOberpsiffikus daraus den Beweis entnehmen, daß seine Leute ebensotüchtig sind wie er— gescheidt. Ist es seine Schuld, wenn seineVersuche, die Fabrikanten und Meister gegen die unabhängig denkendenArbeiter zu Hetzen, bisher so geringen Erfolg gehabt? Gewiß nicht.Manche Leute haben eben mit allem Pech.Einmal schien sich das Blättchen zu wenden und der alte Spruch sichzu bewahrheiten, wonach den— Klugen das Glück im Schlaf kommt.Ein Paket mit mehreren Exemplaren des Parteiorgans, an einen hiesigenArbeiter adressirt, war auf der Post eingelaufen und von dieser demSteueramt überwiesen, dort geöffnet und, als der schreckliche Inhaltfestgestellt, nicht dem Adressaten, sondern der Polizei zugestellt worden.Jetzt aber ging es an die Arbeit, Deflau vor der Gefahr, in welcher eSschwebte, zu retten. Gegen den Arbeiter wurde Anklage erhoben, daSUntergrabunzsgesetz vom 21. Oktober 1878 verletzt zu haben, Verneh-münzen über Vernehmungen fanden statt, Freund und Feind wurdenzur Aussage herangezogen, aber leider Alles vergeblich! Kein Beweisließ sich schmieden— wie verlautet, halten die verruchten DessauerSozialisten täglich mit Familie Instruktionen ab—, und nachdem dieUntersuchung nahezu 4 Monate gedauert, wurde dem Angeklagten dasfolgende denkwürdige Schriftstück zugestellt(wir lassen den Namen, dernichts zur Sache thut, fort):„In der Untersuchungssache gegen* wegen Verbreitungverbotener Schriften.Der Angeklagte wird wegen nicht ausreichenden Verdachts, das ihmzur Last gelegte Vergehen begangen zu haben, außer Verfolgung gesetzt.Dessau, 8. März 188«.Herzogliches Landgericht, Straskammer.Ackermann. Rudolf. Kettler.Die beschlagnahmten Druckschriften folgen anbeiz u r ü ck."Und richtig erhielt der Arbeiter vom Gericht selbst die verbo«tenen Druckschriften. Ist das nicht zum Haarausraufen?Ob der Arbeiter den Fehler der Straskammer, die in den Geist deSAusnahmegesetzes noch nicht eingedrungen zu sein scheint(was sieeigentlich ehrt. Red. d.„S.-D.") alsbald gut gemacht und die verboteneWaare vernichtet hat, haben wir nicht erfahren, nehmen es aber imInteresse der Sache der Ordnung an. Denn es wäre doch zu schrecklich,wenn die Straskammer nicht nur selbst verbotene Schriften verbreitet,sondern auch bei der weitern Verbreitung derselben Beihilfe geleistet habensollte! Da müßte ja aller Staat darüber zu Grunde gehen.