als in der„Kölnischen Vollszeitung",„Dortmunder Tremonia",„Essener Bolkszeitunq",„Rheinisch Westfälischer Voltsfreund" in Essen,„Nieder- rheinische Volks, eitung" in Creseld ic. ,c., d. h. von ultramontanen Or- ganen in Wahlkreisen, deren Vertreter, entweder selbst Zentrumsabge- ordnete oder mit Hülse der Ultramontanen gewählt, sämmtlich gegen die Verlängerung des Sozialistengesetzes gestimmt haben. Jetzt, wo dem Zentrum das bisher desetzte Gebiet langsam von sozialdemokratischer Seite abgegraben wird, ist niemand erfreuter über das Sozialistengesetz als die Herren Ultramontanen . Heraus mit der Meinung, ihr Herren Stötzel, Röckerath, Hitze, LingenS, Gielen und wie sie olle heißen mögen: was sagt ihr zu den Beußerungen des Kölner Zentrums organs?" Recht so, Ihr wackeren Biedermänner, sagt Euch nur tüchtig die Wahrheit! — Dumm, gemein und unverschämt— nach diesem Rezept scheint die Puttkamer'sche Ordnungsoesillschast jetzt in ganz Deutsch- band zu arbeiten. Bon allen Seiten hört man nur von frechen und ge< meinen U-bergrisfen der Polizei, gleichzeitig aber auch von grenzen- losen Blamagen derselben, denn Verfügen und— Ausführen ist zweierlei, und regelmäßig merkt das anmaßend« Polizeipack erst hinter- her, daß es die Rechnung ohne den Wirth, d. h. die Sozialisten, aus die es heute ja allein abgesehen ist, gemacht. Ein Beispiel solch' unverschämten Eingreifens der Polizei, wobei diese aber hinterher doch die Geleimte war, liegt uns heute aus Breslau vor. Man schreibt uns von dort: Breslau , 12. September. Am 9. September starb Hierselbst der Zigarrenmacher W. Mohaupt(Kassirer des Unterstützungsverbandes deutscher Tabaiarbeiter) plötzlich an einer Lungenentzündung. Ein Bor- fiandsmitglied genannten Verbandes machte das Ableben den Kollegen durch Inserat in der„Breslauer Morgenzeitung" bekannt und forderte alle Freunde des Verstorbenen aus, sich an dem, am Sonntag stattfin- denden Leichenbegängniß zu betheiligen. Am Sonntag früh aber— man lese und staune I— stand an den Anschlagetaseln folgendes Plakat: Breslau , 11. September 1888. Bekanntmachung. Unt r Hinweis auf die Vorschriften der§§ 9 und 10 der Verordnung vom II. März 18S0 über die Verhütung eines die gesetz- liche Freiheit und Ordnung gefährdenden M ßbrauches des Ver> sammlungs- und Vereinigungsrechtes, sowie aus Grund von§ 9 des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial- demokratie vom 2l. Oktober 1878 wird hierdurch die Veranstaltung eines öffentlichen Aufzuges bei Gelegenheit der Beerdigung deS verstorbenen Zigarrenarbeiters Wilhelm Mohaupt am 12. d. M. verboten. Vor jeder Uebertretung dieses Verbotes wird gewarnt und darauf verwiesen, daß nach§ 17 des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 die Thei nehmer an solchen Auszügen mih Geldstrafen bis zu bOO Mk. oder mit Gesängn ß bis zu 8 Monaten, die Leiter. Ordner, Agenten, Redner u. s. w. ab r mit Gesängmß von einem Monat bis zu einem Jahr bestrast werden. Der Polizeipräsident: Frh. von Uslar-Gleichen . Kann man sich etwaS Anmaßenderes und Gemeineres denken? Muß da nicht Jedermann an die normale Beschaffenheit des Hirnes jener IQrdnunijsstützen Zweifel setzen? Denn obwohl unseren Lippen ein ver- öchtliches„Psui!" über solch- Bubenhastigkeit entschlüpft, so können wir doch bei näherer Ueberlegung auch zugleich ein recht herzliches Lachen Nicht unterdrücken. Konnte man ein billigeres und befferes Bekanntwerden des Begräb- Nisses unseres Freundes anders bewerkstelligen, als wie es da seitens unserer christlichen G-sellschastsretter besorgt wurde? Gewiß nicht! Und daß diese Bekanntmachung denn auch tüchtig gewirkt hat, das haben wir und— zu ihrem Verdruß— auch unsere biederen Ordnungshelden gesehen. Unser Kollege war im Hospital zu Allerheiligen gestorben und fand auch von da aus die Beerdigung statt. Die ganze Ordnungsstörergesell- schaft, so man Polizisten nennt, an der Spitze der Kriminalpolizist Feder, war, im Waffenrock und in Zivil, aus den Beinen. Nachmittags- 3 Uhr setzte sich der Leichenzug, a„s vielen humnutPer- sonen bestehend, in Bewegung. Aber das war nur der Anfang. Von allen Straßen und Gaffen kamen die Theilnehmer, die gruppenweise dem Zug aufgelauert, herbei, und schloffen sich den Leidtragenden an, so daß schließlich ein imposanter Leichenzug von Tausenden, Männer, Frauen und Kinder, in bester Ordnung hinter dem Sarge des schlichten ZtgarrenmacherS durch die Straßen Breslaus zog, während die Ord- nungsstützen— ohne Arbeit— hinter, vor und neben dem Zug, wie die Schäferhunde, einherrannten. Voller Aerger und Wuth kehrte der größte Theil an der Grenze der Stadt Breslau zurück, wo den Zug zwei Gensdarmen, der„Großbauer"(Schulze) und der Nachtwächter aus dem Nachbardorf Gräbschen empfingen.(Selbstverfiändlich gingen noch einige„Scheusale" aus Breslau mit, bis auf den Kirchhof.) Als der Leichenzug in Gräbschen auf dem Kirchhof ankam, umstanden bereits viele, viele hundert Personen, die es vorgezogen hatten, sich direkt auf den Kirchhof zu begeben, die offene Gruft. Unter lautloser Stille, die nur das laute Weinen der Frauen und Kinder unterbrach, wurde der Sarg in das Grab gesenkt. Aber dieses Weinen und Klagen wirkte ge radezu erschütternd auf die Waffen. Es klang wie bitterer Hohn, wie leidenschaftliche Anklagen, in welchen sich die Entrüstung über die Polizei- Helden Lust machte, die mit niedergeschlagenen Blicken am Grabe standen. Ei war eine Demonstration, wie sie eindruckvoller und aufreizender kaum gedacht werden kann. Ein Gesangverein unterbrach schließlich die Unheimliche Stille(alle Reden waren verboten) durch das Absingen einiger Verse als Scheidegruß. Nachdem von verschiedenen Seiten Kränze und Blumen niedergelegt wurden, trennten sich die Mafien in aller Ordnung. - Mohaupt war uns«in guter und braver Kollege, und ebenso ein ruhiger und überzeugungstreuer Parteigenosse. Jeder, der ihn kannte, hatte ihn gern. War er auch öffentlich fast gar nicht bekannt, so hat er doch viel für unsere gemeinsame Sache gewirkt und stets die Fahne der Freiheit und Gerechtigkeit hochgehalten. Er war ein guter Genofie und als solchen wollen wir auch stets seiner gedenken. Die Breslauer Ord- nungssäulen haben sich aber wohl noch nie so blamirt wie an diesem Sonntag. — In Chemnitz wurden kürzlich 13 in einem Lokale versammelte Genoffen verhaftet, aber bis auf einen, den Schlofiermeister Götze, Nach kurzem Verhör wieder entlasten. Man vermuthete eine geheime Zusammenkunft. Götze wurde in Haft behalten, weil man in seinem Notizbuch Eintragungen fand, auf Grund deren man auf Verbreitung der Sozialdemokratischen Bibliothek schloß. Götz soll im Verhör auch diesbezüglich« Geständnifie gemacht haben und wurde daraufhin aus der Hast entlassen, aber am letzten Sonnabend abermals in Hast genommen. Ob man weitere Geständnisse aus ihm zu erpressen hofft? Der Vorfall zeigt wieder einmal drastisch dre ewrge Unvorsich, tig keit eines TheileS unserer Genossen in Deutsch - laNd mit Notizen, die sie geheim halten wollen. Jeder überhaupt Denkfähig« muß doch begreifen, daß bei Haus- und Durchsuchungen die Notizbücher daS Erste sind, nach denen die Polizei greift, und daß bei der P o l iz ei w i r t h s ch a f t in Deutschland keiner unserer Genossen auch nur eine Stunde vor Haus- Und Durchsuchungen sicher ist. Auch ist den Genossen schon dutzendmale gepredigt worden, daß sie vor der Polizei zu keinen Aussagen verpflichtet sind und auch vor Ge- richt zu keinen solchen gezwungen werden können. Jeder Versuch, solche zu erpressen, sei es durch Drohungen, Versprechungen oder Verlängerung der Haft, muß mit Hinweis auf das Strafgesetzbuch zurückgewiesen werden. Ein Beamter, der Geständnisse aus irgend eine Art zu erpressen sucht, ist straffällig. Auch sollte Niemand ein Protokoll unter- schreiben, der es nicht zuvor selbst genau durchgelesen hat. Die bloße Vorlesung genügt nicht. — Ein christlich-konservativer Kulturstrciter. In Berlin fand in der vorigen Woche ein„Allgem mer deutscher Kongreß zur Förderung überseeischer Interessen" statt, der sich auch mit der unseren Kolonialschwärmern so überaus am Herzen liegenden Frage der„Er-
ziehung des NegerS zur Arbeit" beschäftigte. Der Neger ist bekanntlich noch so unzivilisirt, für die Redensarten unserer Moral- schwätzer von dem beseeligende» Einfluß der Frohnarbeit auf das Ge- müth kein Verfländniß zu haben. Ja, er ist so unchristlich, das Mehr- werthschaffen für eine überflüssige Beschäftigung zu halten; wenn er so viel geschafft uls zu seinem Unterhalt erforderlich, fröhnt er dem Recht auf Müffiggang, wobei er merkwü.digerweise körperlich viel besser gedeiht als der arbeitsame Fabrikproletarier unserer zivilisirten Gesellschaft. Das soll und muß nun anders werden. Der Neger muß„zivilisirt" werden, d. h. Mehrwerth erzeugen lernen. Und so trat der sehr christlich- konservative Joachim Graf Pfeil auf und führte, begleitet vom lebhaften Beifall des größten Theils der Versammlung, Folgendes auL: „Der Kulturmensch fei berechtigt, sich den Neger dienstbar zu machen, der keinerlei moralische Privilegien habe. Die gegen» theilige Ansicht sei ein Erzeugniß der Periode der Huma- nitätsduselei. Mit der Einführung der Negerarbeit werden dem- selben keine Rechte genommen, vielmehr werde er durch die Arbeit ledig- lich von seinen meist aus ganz geringfügigen Gründen entstandenen Kriegs- und Raubzügen abgehalten. Wolle man mit Kolonisationen vor- gehen, so gebrauche man den Häuptlingen gegenüber zunächsi die Ent- faltung einer bewaffneten Macht, der Neger folge dann willig zur Ar- beit, sobald er sähe, daß man ihn dafür belohnt. Die kriegerischen Stämme müssen durch geschickt- Handhabung zu kulturellen Zwecken be> nutzt werden; sie müssen dazu dienen, die friedlichen Stämme zur Ar- beit anzuhalten, denn sie selbst sind bei ihrer Verwilderung zur Arbeit untauglich. Hat der Europäer sich auf solche Weise Verbündete und sich selbst damit eine autoritative Stellung erworben, so beginne die eigent- liche Erziehung des Negers. Dieselbe muß wie bei unS zunächst vom Weibe ausgehen, welches zu diesem Zwecke ebenfalls zur Arbeit heran- gezogen werden muß. Die Heran, iedung eines ganzen Stammes zur Arbeit werde eine rotirende sein müssen, derart, daß in bestimmten Pe- rioden eine bestimmte Anzahl des Stammes arbeiten müsse, so gewöhne sich Mann und Weib und auch W Kind an die übernommene Verpflich- tung. Sodann dient die Auflage nner Kopfsteuer ebenso wie die Mission zur Erziehung des Negers, wenn die letztere sich nach dem Grundsatze:„Bete und arbeite" weniger mit Predigen und Gebetelesen als mit praktischem Arbeitsunter- richt abgeben wollte. Emanzipire man das deutsche Ur- theilvonden p h i l an t h r o p i s ch en T h e o r i e n anderer Nationen, so wird es gelingen, in deutschen Kolonien den Neger dienstbar zu machen." Mit andern Worten: Die kriegerischen Stämme sollen zu Schweiß- Hunden„erzogen" werden, ungefähr die Rolle übernehmen, die im zivi lisirten Europa die Rottenführer, Äufieher u. f. w. spielen, so daß die friedfertigen Neger doppelt ausg oeutet werden. Das Beten ist d. natürlich Nebensache, es kommt erst in zweiter Linie. Arbeite, frohn., das ist die Hauptsache. So lange die phhsiich- Peitsch- ihre Dienste thut, ist die geistige Luxus. Gegen diese zynische Bloslegung der wirklichen„Kultur"bestrebunge!' der Herren Koloni-lpolitiker erhob sich der Pfarrer und Missionar Büttner(Wormditt):„Die Ausführungen des Grafen P'eil haben mir das Blut erstarren gemacht! Der Neger ist sehr empfänglich für eine humane Behandlung, er ist aber sozialistisch angehäucht, sozusagen ein geborener Sozialdemokrat; wa r Einer hat, muß er mit dem Andern theilen, was sollte also der fleißige Neger machen, der, wenn er mit dem verdienten Lohre der Europäer aus dem Hose träte, und nun von seinen kriegerischen Brüdern sofort umschwärmt und zur Therlung ge zwung n würde?" Naive Frage. Drm Neger muß eben seine„sozialdemokratische" Denk weise, das kommuvrst schc Gesühl, mir der Peitsche anegetrieben werde» Man betrügt ihn, bestiehlt ihn. mißhandelt ihn. zwingt ihn— höchst Kultur!— eine Steuer zu erleg.n, und so wird er ein seiger, unter- würfiger, gegen seine eigenen Brüder mißtrauischer Lohnfklave. � Aus Sachsen wird uns gemeldet, daß es der Polizei gelang den Drucker des Ftugblaites ausfiadig zu mach-n, wegen dessen sieben- zehn unserer Leipziger Genossen(siehe den Bericht in Nr. 34 unsere« Blattes) im Ganzen zu 3S Monaten Gesängmß verurtheilt wurden. E soll dies Buchdruckereibesitzer Ludwig in Chemnitz sein, der wegen dieses Vergehens mehrere Tage in Unters chungshaft gehalten würbe. En« andere Verhastunz wird aus Leipzig signalisirt, bei welcher da leidige Notizbuch ebenfalls die enischeidende Rolle spielte. Ein Schuhmacher soll in einer Restauration ein Notizbuch haben liegen lassen. dessen Inhalt Mitlheilungen über das am Sedantag verbreitete Flu- blatt:„Marschlied an die deutschen Truppen" enthielt. Ob der Ver- haftete ein Genosse ist, wissen wir nicht, uns wird wenigstens aus den Kreisen unserer Leipziger Genoffen gemeldet, daß man dort von den Herstellern und Verbreitern jenes Flugblattes keine Kenntniß habe. — Wozu der„Kleine" gut ist. Aus dem belagerten Sprem b e r g dernytet ein O r d n u n g s b l a t t, die gutgesinnte„Frankfurter Oder-Z-itung": „Das Belastungsmaterial gegen die hiesigen Sozialdemokraten mehrt sich anscheinend fort und fort. Trotzdem seit mehreren Monaten eine beträchtliche Zahl der Führer und Agitatoren(zirka 20) sich in Unter- suchungshast befindet und außerdem gegen einig- 30 Anklage erhoben ist, werden die Wühlereien fortgesetzt, so daß sich bekannt- lich die Polizeibehörde genöthigt gesehen hat, den sozialistischen Fach verein der vereinigten Arbeiter und Arbeiterinnen der Textilbranche aus- zulösen und zu verbieten. Während die Haussuchungen oft ziemlich resul- tatlos verlaufen, findet man auf Promenaden und freien Plätzen oder auch in Privatgärten ziemlich oft ganze Stöße vom„Sozial- demokrat" und anderen ähnlichen Schritten. Für die imFreiberger Sozialistenprozeß verurtheilten Genossen wurden Geldspenden gesammelt." Fortgesetzte Wühlereien, ganze Stöße vom-fj-f„Sozialdemokrat", der früher kaum in einem Dutzend Exemplaren in Spremberg verbreitet war— man sieht, der Kleine macht sich. Im Weiteren vergleiche unsere Spremberger Korreszonden, in Heu- tiger Nummer. — Bravo Z Nachdem Herr von Richthofen auch den Ar- b eite rb e zir ks v er e i n für den Südosten Berlins Polizeilich aufgelöst, hat der letzte der Berliner Arbeiterb>ziriS- vereine, der Arbeiterbezirksverein für den Westen Berlins , sich selbst ausgelöst, unter der Motivirung, daß er „keiner besonderen Gnade bedürf e." Wir befürworten es sonst nicht gerade, irgend eine Position sreiwil« lig auszugeben, in diesem Falle aber sprechen alle Gründe dafür, ein Feld freiwillig zu räumen, das man doch nicht mehr mit Ehren be- haupten konnte. — Bon Tag zu Tag brutaler. Wir lesen in der Hamburger „Bürgerztg." vom 11. September: „Ausweisung aus Grund des Sozialistengesetzes. Vorgestern wurde ein in der Poolstraße arbeitender Schuhmacher aus Sachsen plötzlich von der Arbeit weggeholt und nach dem Stadthaus transportirt. Dortselbst wurde ihm die Ausweisungs- ordre eingehändigt und er alsdann unter Bedeckung per Drosche nach dem Bahnhos geschafft, woselbst er in den um l l Uhr 10 Minuten nach Hannooer abgehenden Zug spedirt wurde. Ob die Gesetzgeber an eine solche Handhabung des Sozialistengesetzes wohl gedacht haben? Wir glauben kaum." Wir auch nicht, wenigstens wollen wir eS von der großen Mehrheit nicht annehmen. Aber verantwortlich bleiben sie für solche Bruta- litäten doch, und zu Mitschuldigen erklären sie sich selbst, wenn sie nicht mit aller Energie für die Aufhebung des Schandgesetzes wirken. — Gegen das Chicagoer vluturtheil werden immer mehr Stimmen laut. So ha: u. A., wie man uns aus London schreibt, eine dort am S. September in C l e v e l a nd Hall abgehaltene, von Anhängern aller Parteien besuchte Volksversammlung zwei energische Proteste gegen das Ur theil und seine Vollstreckung beschloffen. Es handelt sich aber nicht nur darum, zu protestiren, sondern auch darum, die Mittel aufzubringen, welche es den Anwälten der Angeklag- ten ermöglichen, den Prozeß in zweiter Instanz zu führen, was nach Lage der Dinge eine sehr kostspielige Sache ist. Der Prozeß ist jetzt nicht mehr eine speziell« Angelegenheit der Anarchisten, er ist ein« Angelegen- heit von allgemeinstem politischem und menschlichem Interesse, es handelt
sich um die Opfer eines von der Parteileidenschaft diktirten Tendenz» u r t h e i l s, um die Verhütung eines Justizmordes. Wir glauben daher im Sinne aller Genossen zu handeln, wenn wir auch unsererseits einen Beitrag zu dem Prozeßsonds beisteuern, und senden demgemäß, da Eile noththut, 500 Mark an Herrn Dr. Ernst Schmidt in Chicago , der die Sammlung der Gelder übernommen. — In Frankfurt am Main flatterte, wie die„Franks. Ztg." berichtete, am 18. September um 5 Uhr früh im Morgenwind aus dem Jureit'schen Hause am Roßmarkt eine rothe Fahne. Auf der einen Seite stand:„Zur Erinnerung an die am 18. September 1848 gefal- lenen Freiheitskämpfer", auf der anderen:„Hoch lebe die Schsialdemo» kratie! 1838." Recht so. — Immer auf dem Platze. Bei der am 15. September statt- gehabten Wahl zum reußischen Landtage erhielten unsere Genoffen in der Stadt Gera im ersten Wahlkreise 91 Stimmen(gegen 338, die auf den Mischmaschkandidaten fielen), im zweiten 123 Stimmen (gegen 150 nationalliberale und 132 deutsch -freisinnige) und im dritten 125 Stimmen(gegen 177 deutsch -freisinnige und 61 nationalliberale). Demnach kommt in letzterem Wahlkreise der Kandidat unserer Partei, Restaurateur Hahn, mit dem Kandidaten der Deutsch-Freisinnigen in Stichwahl. Ist auch ein Sieg nicht gerade wahrscheinlich, so bezeugen die Zahlen insgesammt doch eine lebhafte Thätigkeit der Geraer Genossen, von der wir mit Vergnügen Notiz nehmen. — Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, waS sie thun, hatte der Tischler Richard Müller aus Meerane ausgerufen, als im Mai dieses Jahres die Polizei in Gera eine Versammlung auf- löste, in der er gesprochen. Dafür verurtheilte ihn das Landgericht Gera zu sechs Wochen Gefängniß. Moral: Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie thun. — Richtigstellung. In Nr. 37 unseres Blattes charakterisirte» wir ein«, die Abstammung des Bulzarensürsten von dem polnischen In- 'urgenten Bossak Hauke behandelnde Notiz der„Elberfelder Zeitung", die vir der Berliner„Volkszeitung" entnahmen, als„nichtswürdige Denun- ziation". Von Elb-rfelder Lesern unseres Blattes geht uns nun die Nr. 237 der genannten Zeitung, in deren Leitartikel die betr. Notiz ge« standen, mit dem Ersuchen zu, uns zu überzeugen, daß dieselbe im Zu« lammenhang keineswegs den denunziatorischen Sinn habe, den wir in ihr gefunden. Wir haben noch nie Anstand genommen, ein selbst dem entschiedensten ?egner zugefügtes Unrecht, sobald wir uns von dem Vorhandensein eines solchen überzeugt, offen einzugestehen, und geben daher auch den Einsendern wenigstens das Eine unbedenklich zu, daß die Notiz der Elberselderin im Zusammenhang einen weniger gehässigen Charakter trägt, als das isolirte Zitat uns annehmen ließ. Nichts desto weniger bleibt die Betonung der polnischen Abstammung Alexanver's von Batten- berg, gerade mit dem Hinweise auf die„Idiosynkrasie"(Voreingenom- menheit) Bismarck's gegen Alles, waS mit Polen in Verbindung steht, m unseren Augen ein Akt charakterloser Bedientenhastigkeit. Denn in jenem Moment konnte sie nur den Zweck haben, die inzwischen erfolgte feige Preisgabe des Battenbergers zu beschönigen. — Schweiz . Auf dem letzten Zentralfest des Schweizerische» Grütlivereins wurde bekanntlich die Gründung einer allge» meinen schweizerischen Streikkasse beschlossen. Nachdem über diese wichtige Frage mehrere Konferenzen zwischen dem Zentral- komite des Grütlivereins, dem Kamite des Gewerkschaftsbundes und dem Aktionskomite des Schweizerischen Arbeilertages stattgesunden, unter- breiten diese nunmehr einen gemeinsam ausgearbeiteten Statuten- entwurf der öffentlichen Diskussion und späteren Abstimmung. Dar« nach soll unter dem Titel:„Allgemeine Schweizerische Ar« öeiter- Reservekasse" eine unter der Leitung eines aus de» drei Verbänden kombinirten Komites stehende Genossenschaft ge- gründet werden, deren Zweck in dem Statuteneniwurf folgendermaßen formulirt ist: „Der Zweck des Institutes ist, bei drohenden Arbeitseinstellungen und bedeutendern Anständen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern eine genaue Untersuchung der Verhältnisse anzuordnen, Vergleiche mit den Arbeit« geoern oder schieösgeriqiliche Austragung der Differenzen anzustreben und nach Versagung aller andern Mittel bei geeigneter Sachlage eine Arbeitseinstellung zu genehmigen und die Belheiligten subsidiär auS einer Reserve und durch öffentliche Sammlungen zu unterstützen. Die Reservekasse hat die spezielle Aufgabe, die gewerkschaftliche Or« ganisation der Arbeiter nach Kräften zu fördern." Die Statuten im Einzelnen auszusühren, fehlt uns der Raum; nur soviel sei bemerkt, daß möglichst Bedacht genommen wurde, bei den einzelnen Verbänden Lasten und Rechte in Einklang zu bringen und eine Zentralinstanz zu schaffen, die bei eintretenden Lohnkonflikten als Ver« treterin der gesammten organisirten Arbeiterschaft schnell und wirksam einzugreisen im Stande ist. Die Vollmachten der Zentralkommission sind demgemäß sehr weitgehende, wogegen sich wohl schwerlich grundsätzlicher Widerspruch erheben wird, im Einzelnen wird sich vielleicht hier und da noch bessern lassen. Wir halten den Gedanken dieser Genossenschaft, angesichts der eigen» artigen Verhältnisse in der Schweiz , für einen sehr fruchtbaren.
Sozialistische presse und Literatur. —„Die Ikarier in Nordamerika, eine Warnung vor kommunistischen Kolonialgründungen"— dies ist der Titel einer kleinen, sehr lesenswerthen Broschüre, welche unser» Genoffen Ad. Hepner zum Verfasser hat, und die zum Preise von 35 Pfg. (40 Cts.) durch die Volksbuchhandlung in Hotlingen-Zürich zu beziehen ist. Der Verfasser gibt darin einen gedrängten Abriß der Schicksale der von den Anhängern Etienne Cabet's in Amerika gegründeien Kolonien, in denen das vom Verfasser der„Reise nach Jkarien" ge- schiloerte Ideal möglichst verwirklicht werden sollte, und von denen noch heute Reste bestehen. Hepner kommt am Schluß seiner Schrift zu folgendem Ergebniß: Fürsozialistifche Kooperativ- Genosfenschaften und sür kommunistische Kolonien— fllr keine von beiden ist in der bürgerlichen Gesellschaft Platz; sie müssen naturgemäß der Uebermacht der kapitalistischen Umgebung erliegen, auch ohne daß sie gerade böswilliger Weise angefeindet werden. Jedes neue Experiment nach den zahllosen bereits fehlgeschlagenen wäre nur un« nütze Geld- und Zeitverwüstung und würde lediglich die Anhänger entmuthigen und zurückschrecken. Denn der Kommunismus in der Nußschale, wie die kleinen Cabetlstischen Organisationen, bietet selbst in dem Falle, wo er nicht mit Roth und Elend verknüpft ist,«in recht trostloses Bild, weil er innerhalb seines engbegrenzten Raumes dem Individuum keinen großen Spielraum läßt. Das ist das Gefähr« liche solcher Unternehmungen nach der agitatorischen Seite hin. Für den Kommunismus, wie ihn Nauvoo -c. repräsentiren, wird sich kein denkender Kommunist, geschweige denn«in Gegner der Theorie de, geistern können. Jeder Mensch von Intelligenz würde, wenn er die Wahl hätte, in Nauvoo dreimal täglich Fleisch zu bekommen und dabei zu verbauern, oder in Newyork einmal täglich ordentlich zu essen,— doch ohne Be« denken Letzteres vorziehen. Der Kommunismus bezweckt nicht, einen Zustand zu schassen, in dem man nur für's liebe Brod arbeitet, sondern im Gegentheil eine Lage, welche die Arbeit nicht als Last erscheinen läßt, dem Jnaividuum Zeit und Mittel gewährt, seine Anlagen zu bethätigen und schaffend zu genießen. Eine kleine Organisation kann dies nie und nimmer erzielen. Da ist jeder Einzelne der Sklave der Gemeinde, eingeengt in die Fesseln, die sie bei ihrem Eintriit in die Welt begleiten, eine Maschine, die nur zu den einfachsten Verrichtungen gebraucht wird; zur Bethätigung von In- telligenz fehlt es da an Raum und Gelegenheit. Eine kommunistische Gesellschaft, welche Bestand haben will, darf keinen klösterlichen C h a r a k t e r h a b e n, wie die bisherigen kommunistischen Kolonien; eine zukünftige Gesellschaft, die die Massen für sich begeistern soll, muß, wenn dieselbe organistrt und in Thätigkeit ist, im Gegentheil den Ver« kehr der Menschen unter einander erleichtern. Das schließt ein, daß zur Vermeidung der Monotonie und Langeweile «in kleiner Privatbesitz in den Händen des Einzelnen nicht verboten sein darf. Zweck des Kommunismus ist es nicht, Alle gleich so zu unisor«