religiösenFreidenker" der Bourgeoisie gewöhnlich beim Nahen des Todes zu Kreuze kriechen, so die Bourgeoisie selbst als politischer Körper. Auch sie möchteewig leben" und verschreibt in der Angst jedem Charlatan ihre Seele. Und so müssen denn die Stipendiaten des Reptilienfonds dafür sorgen, dasun- übertreffliche Heilmittel", dasunfehlbare soziale Leoenselixir" in allen Sprachen und in allen Tönarten anzupreisen. Selbst für den Segen des Papstes ist gesorgt. Pius IX.   empfahl die Hsvalsnta arabica des Schwindlers Du Barry, und sein Nachfolger, der milde Bourgeoispapst Leo XIII.  , approbirt die Bismarck  'schen Ausnahmegesetze durch Enzykliken wider den Sozialismus und die-j-j-f Preßfreiheit. Es kann also gar nicht fehlen. Freilich stellen sich dem sauberen Plan noch manche Hinder- nisse entgegen, aber wer wollte daran zweifeln, daß es dem guten Willen und der sprichwörtlichen Geschicklichkeit der Macher nicht schließlich doch noch gelingen wird, ihn zu ver- wirklichen? Die Elemente dazu sind vorhanden, und an Narren, welche das Dynamit als mystischen Gott der Revolution an- beten, fehlt es auch nicht. Also nur unablässig weiter gearbeitet, Ihr Maulwürfe aller politischen und sozialen Reaktion. Nur nehmet Euch in Acht, daß Euer unterirdisches Wühlen nicht genau das Gegentheil von dem bewirkt, was Ihr erstrebt, daß nicht auf dem von Euch so wirksam unterminirten Boden nur um so kräftiger aufblüht die Drachensaat der Revolution. Nicht umsonst sind die Maulwürfe von Natur blind. Die Lage der Arbeiter in Pennsylvanien  . Von Henry George  (Verfaffer vonFortschritt und Armuth"). Deutsch von G. M. IV, Vom Standpunkte des Krämers kann es kein besseres Geschäft geben als«inen K o m p a g n i e l a d e n. Er hat alle ökonomischen Vortheile eines Genossenschaftsgeschästes ohne die Theilung der Profite. Hier gibt es keine uneintreibbaren Ausstände, keine verlegenen Waaren, keine AuS- gaben sür Annoncen zur Anpreisung schlechter Waaren oder Heranziehung von Kunden. Beim Einkauf wissen die Inhaber sehr genau, was sie brauchen und können so am billigsten kaufen, und beim Verkauf haben sie keine Konkurrenten zu fürchten, und brauchen somit keine besonders anziehenden Waaren einzulegen oder die Preis« herabzusetzen. Selbst wenn sie nur gewöhnliche Preise berechnen würden, so wäre der Laden noch sehr profitabel, aber bei den Preisen, die sie fordern, ist es kein Wunder, daß die kleineren Grubenbesitzer das Geschäft als keinen unbe- deutenden Nebengewinn des Kohlengeschäfts betrachten. In der Weichkohlen- regio» behauptet man, daß eine Kompagnie, die einen Laden hält, die Kohlen V« bis Cent per Bushel billiger verkaufen kann als die, die keinen Laden haben, und wenn Gesellschaften, wie die Reading-Kompagnie, nicht den Transport in der Hand hätten, könnten sie m der Hartkohlen- regio» nicht bestehen, da die Ladcnhaltenden einen großen Theil deS Lohnes zurückerhalten. Es besteht natürlich kein ausgesprochener Zwang, in diesen Läden zu kaufen, aber nichtsdestoweniger besteht er thatsächlich. Die Grubenbesitzer würden freilich erklären, daß die Leute kaufen können, wo es ihnen beliebt, und daß sie die Läden blas zur Bequemlichkeit ihrer Arbeiter halten. Zwei Ursachen sind es jedoch, die die Leute veran- lasten, in diesen Läden zu kaufen. Erstens, wo der Kompagnie der Boden gehört, auf dem das Dorf steht, wird Niemondem erlaubt, einen Laden zu halten; zweitens, da die Leute blos alle Monate bezahlt werden, und immer erst 2 bis L Wochen nach Verlauf des Monats, so ist es ihnen unmöglich, anderswo zu kaufen. Zudem ist es im Allgemeinen wohlbekannt, daß der Arbeiter seine Einkäufe in diesen Läden machen muß, denn thut er es nicht, so erhält er sehr bald einen Wink von einemBoß"(Busseher), oder wird in aller Stille benachrichtigt, daß seine Dienste am Schluß nicht länger mehr benöthigt sind. Auf der Convention(Zusammenkunft) der Berg- leute in Altoona   erzählte man mir folgenden Fall, der sich kurz vorher in Elk County zugetragen hatte. Die Frau eines Bergmannes hatte einen Korb mit in den Kompagnieladen gebracht. Der Verkäufer sah sich veranlaßt, den Deckel des Korbes zu heben und bemerkte, daß die Frau in einem andern Laden Einkäufe gemacht hatte. Am nächsten Morgen wurde ihr Mann entlasten, ohne irgend welche Erklärung, ob- wohl die Ursache wohl bekannt war. Und neben dem Zwang, in Kom- pagnieläden zu kaufen, anstatt andern den Vorzug zu geben, scheint eS allgemein üblich zu sein, daß derjenige, der am Ende des Monats am wenigsten baares Geld bekömmt, die beste Arbeit erhält. Bei dem ge ringen Verdienst der Bergleute ist es unter diesen Umständen kein Wunder, daß ihnen am Schluß des Monats nichts Nennenswepjhes übrig bleibt, da fast alles durch die Ladenrechnung aufgezehrt wird. In zwei Delegirtenversammlungen der Bergleute verschiedener Distrikte hörte ich unter allgemeiner Zustimmung sagen, daß nicht die Hälfte der Bergleute am Zahltag baares Geld bekommen, und daß dies der allge- meine Zustand von einem Ende des Jahres bis zum andern sei. Der Bergmann   kann allerdings dabei leben, da er Alles, was er nothwendig braucht, im Laden bekommen kann, selbst Billets sür Unterhaltungen der Christlichen Jünglings-Gesellschaft" in den Nachbarstädten, die von den Minenmagnaten begünstigt werden. Ebenso bezahlt die Kompagnie die Steuern für ihre Angestellten und zieht dieselben am Lohne   ab, des- gleichen bezahlt sie den Doktor und zieht dem Ledigen 50 und dem Ver- heiratheten 75 Cents per Monat am Lohn ab, und schließlich sorgt sie auch für fein Seelenheil, indem sie die Kirchensteuern erlegt und ihn am Lohn dafür büßen läßt. Auch können andere Ausgaben, gegen die die Kompagnie keine Einwendungen erhebt, auf diese Weise bezahlt werden. So hörte ich, daß ein« Anweisung auf den Laden gegeben wurde für das Flicken eines Schuhes. Dieses System gibt der Kompagnie aber auch in allen Angelegenheiten im ganzen Distrikt volle Gewalt. Im Allgemeinen gilt die Regel, daß der verdiente Lohn nicht über» zogen werden kann, und dies w»rd oft bis zum letzten Cent eingehalten. Ich hörte von einem Falle, wo man 5 Kartoffeln vom Bushel(KV Pfd.) zurückbehielt, da der Kredit des Arbeiters nicht bis zum vollen Preis hinanreichte. Durch den Laden kann der Arbeiter seinen Lohn so schnell bekommen, wie er ihn verdient hat; will er diesen jedoch baar haben, so muh er oft 4«Wochen warten. Und da jede Hoffnung geschwunden, mehr als das knappe Leben zu machen, so sind die Meisten damit zu- frieden, so viel wie möglich aus dem Laden zu bekommen, da die, die am wenigsten baar bekommen, die bevorzugtesten Arbeiter sind. Das bittere und tiefgehende Gefühl, das in Pennsylvanien gegen diese Läden herrscht, resultirt nicht allein aus den hohen Preisen. Das ist wohl der Punkt, worüber die Arbeiter am meisten reden, doch darunter liegt, glaube ich, und besonders bei den Frauen, das Gefühl, daß derjenige freier sei, der seine Einkäufe nach Lust machen könne, ohne an einen bestimmten Platz gebunden zu sein. Dieses Gefühl mag auch in folgender Geschichte, die ich von einem Tabakreisenden hörte, eine Erklärung finden. Er ging nach Cambria, um eine neue Sorte Rauchtabak zu verlaufen, und um eine Nachfrage darnach zu erzeugen, vertheilte er eine bedeutende Quantität Proben an die Arbeiter Als er jedoch zur Kompagnie ging, in der Hoffnung, eine Bestellung zu bekommen, erfuhr er, daß er die Rechnung ohne den Wirth gemacht hatte. Unter keinen Umständen konnte er die Betreffenden veranlasten, von seinem Tabak zu kaufen.Aber was wollt Ihr thun, wenn die Leute kommen und denselben verlangen?" fragte er schließlich.Dann werden wir ihnen etwas anderes verkaufen," war die prompte Antwort. Und zu den Klagen über dieseRupf-mich Läden" kommen noch viele Beschwerden über die Berechnung der Arbeit. In der Hartkohlenregion wird nach Maß, in der Weichkohlenregion nach Gewicht berechnet. Aber eS wird behauptet, daß in vielen Fällen die Wagen, die 2 Tonnen halten sollen, zu groß sind, und daß da» Gewicht falsch ist. Um diesen Be- schwerden abzuhelfen, hat die Legislatur kürzlich ein Gesetz erlassen, wo- nach die Arbeiter einen Wäger anstellen können. Wo dies gethan wurde, hat es<wie die Arbeiter sagen, ihnen Vortheil gebracht, doch nicht allent- halben gelang es, das durchzusetzen. Aehnliche Beschwerden sind folgende: Wenn ein Wagen aus der Grube kommt, so trägt er die Nummer des Bergmanns, dem er gutgeschrieben wird. ES ist die Aufgabe eines Unteraufsehers, darauf zu achten, daß er gehörig gefüllt und frei von Schiefer, Steinen oder Staub ist. Wenn der Wagen nach seiner Meinung diesen Bedingungen nicht entspricht, so wird dem Arbeiter ein halber Wagen abgezogen. Die Berg- leute klagen nun darüber, daß dies gewohnheitsmäßig gethan wird, um den Lohn herabzudrücken, und daß einige Pfund Schiefer oder das Her- abfallen einiger kleiner Kohlen, Dinge, die unvermeidlich sind, Ursache genug sind, dem Arbeiter den Abzug zu machen. Zufällige Bestätigung dieser Angaben erhielt ich in Schuylkill County, wo zwei alte ausge- arbeitete Bergleute erzählten, daß ihnen der Posten eines Unieraussehers angeboten worden sei, daß sie ihn aber abgelehnt hätten, da sie ihn für einen ehrlosen hielten. In einer Petition, die die Arbeiter von Clearfield an den Gouverneur von Pennsylvanien   richteten, wurden noch bedeutend mehr Beschwerden angeführt, und der Lohn eines Arbeiters durchschnittlich auf 20 Dollars per Monat angegeben, wovon für Miethe 5 Dollars, Schärfen der Werkzeuge 50 Cents, Pulver und Oel 2 Dollars, Kohlen sür Familie 1.60 Dollar bezahlt werden, so daß nur noch 10 Dollars und 90 Cents (46 Mark!) sür den Unterhalt der Familie übrig blieben. Damit schließt der erste Theil des Artikels. Daß, was derselbe über den Geist der pennsylvanischen Ausbeuterbande sagt, in keiner Weise übertrieben ist, geht aus der Thatsache hervor, daß sie in diesen Tagen mit Hilfe des pennsylvanischen Obergerichts das vor einigen Jahren erlastene sogenannteStore Ordre(LadewAnweisungs-) Gesetz, das dem Arbeiter wenigstens einigen Schutz gegen die Sklaverei der Kompagnie- Läden ermöglichen sollte, rechtlich zunichte gemacht haben, faktisch befolgt hatten sie es nie. ImPhiladelphia Tagblatt" lesen wir darüber: Die Arbeiter im Innern des Staates waren seiner Zeit hocherfreut über die Durchsetzung dieser Akte. Sie hofften, daß nunmehr der Räu- berei, welche sie um beiläufig 25 Prozent ihres hart verdienten, kärg- lichen Lohnes brachte,«in Ende bereitet würde. Darin täuschten sie sich aber ganz entschieden. Die Kohlen- und Schlot>Barone kümmerten sich nicht einen Pfifferling um das Gesetz. Erst kürzlich ist erwiesen worden, daß der republikanische Gouverneurs-Kandrdat Theil- haber einer Firma ist, die Store-Orders, ausgibt und derselbe hat sich nicht anders auszureden gewußt, als daß der demokrat sche Häuptling Wallace es ebenso halte. In dem netten Gesetz war nämlich wieder ein- mal die Bestimmungvergesten" worden, welche es gewissen Beamten zur Pflicht macht, seine Vollstreckung zu bewirken und die Frevler ge­richtlich zur Verantwortung zu ziehen. Daß sich die Staatsanwälte, Friedensrichter und Konstabler freiwillig dazu herbeilaffen würden, der Gedanke wäre zu kühn. Die Aufgabe lag den Arbeitern ob, was doch nichts anders bedeutet, als daß dieselben ihre Existenz preiszugeben hätten, wenn sie ihr gesetzliches Recht geltend machen wollten. Endlich entschlosten sie sich dazu und erwirkten in erster Instanz Urtheile zu ihren Gunsten. Die Unternehmer appellirten und nach jahrelanger Ver- zögerung fällte das Obergericht endlich eine Entscheidung, welche das Gesetz vernichtet. Die Begründung dieses Urtheils ist von großer prinzipieller Bedeu- tung. Sie sagt:Die Anweisungen, welche der Beklagte dem Kläger gegeben, bilden eine zulästige Zahlung. Die erste, zweite, dritte und vierte Sektion der Akte vom 2g. Juni 1881 sind gänzlich unkonstitutionell und ungültig, da vermittelst derselben die Legislatur einen Versuch gemacht hat, zu thun, was in diesem Lande nicht geschehen kann, nämlich: dispositionsfähige Personen zu hindern, Kontrakte nach ihrem Belieben abzuschließen. Die Akte ist eine Ver- letzung der Rechte der Arbeitgeber sowohl wie der Arbeitnehmer. Und noch mehr, sie ist ein schimpflicher Versuch, den Arbeiter unter eine ge- setzliche Bevormundung zu stellen, welche nicht allein seine Mannes- würde erniedrigt, sondern auch seine Rechte als Bürger der Bereinig- ten Staaten untergräbt. Er mag seine Arbeitskraft verkaufen, wie es ihm am besten dünkt, für Geld oder sür Waaren, gerade wie sein Ar- beitgeber sein Eisen oder seine Kohlen verkaufen mag, und ein Gesetz, welches ihn daran zu hindern sucht, ist eine Verletzung seiner konstitu- tionellen Rechte und daher schlecht und ungültig." Wir brauchen die niederträchtige Heuchelei dieser Argumentirung nicht noch besonders nachzuweisen, sie ergibt sich nach den oben mitgetheilten Thatsachen, die den Herren Oberrichtern natürlich kein Geheimniß ge- blieben, von selbst. Aber auch die Konsequenzen solcherRechtsprechung" ergeben sich für jeden, der denken kann, von selbst, und die pennjyl- vanischen Arbeiter werden sie hoffentlich zu ziehen wissen. Sozialpolitische Rundschau. Zürich  , 19. Oktober 1886. Der berühmte Prozeß Jhring-Mahlow eautr» Berudt und Christense« hat in der zweiten Instanz eine überraschende Wen- dung genommen. Er hat zu einem Urtheilsspruch geführt, welches mit dem aller anständigen Menschen übereinstimmt. Unsere Genossen sind freigesprochen worden und Puttkamer ist gerichtet. Ver- urtheilt ist er ja von der öffentlichen Meinung schon längst. Man schreibt uns darüber aus Berlin  : Vorigen Dienstag hat das Berliner   Landgericht den Prozeß, welchen derpflichttreue Beamte", dieStütze der Gesellschaft", Puttkamer's Liebling, mit einem Wort Ehren-Jhring-Mahlow wider Christensen und Berndt wegen verleumderischer Beleidigung angestrengt hat, in zweiter Instanz verhandelt und nach umfangreicher Beweisausnahme erkannt: daß die Angeklagten v on S t r a f e u nd K o st e n loszu- sprechen sind, weil ihreAngaben durchweg auf Wahr- heit beruhten. Aber nicht nur der Schurke Jhring, welcher übrigens nur Werkzeug desTugendministers" ist, nicht nur Herr v. Puttkamer  , dieser christlich- fromme, nach Arbeiterblut lechzende Retter der Gesellschaft, sondern auch dergehorsame Richter" B a r t h i s i u s, welcher in erster Instanz unsere Genosten dafür, daß sie di» Gemeinheiten des gedungenen agenr provocateur ausdeckten, zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilte, hat die verdientemoralische Ohrfeige" erhalten. Punkt für Punkt ist erwiesen, daß Jhring zu Dynamit- Attentaten aufgereizt, daß er hochverrathduftende Reden geführt, daß er Majestätsbeleidigungen verübt hat, Alles nur zu dem Zweck, um die Genoffen zu Schritten zu verleiten, welche den Puttkamer und Konsorten die ersehnte Gelegenheit geben sollten, die Flinte schießen und den Säbel hauen zu lasten. An der Wachsamkeit unserer Genoffen ist dieses gewistenlose Attentat auf Leben und Freiheit der Arbeiter gescheitert das macht aber die Schuld der Anstifter nicht geringer. Jhring-Mahlow wird fortan an den Rockschößen Puttkamer's hängen, der Tugendminister wird ihn nicht abschütteln können, denn er selbst hat sich ja für seinePflichttreue« verbürgt, er selbst hat ja frech geleugnet. daß er agents provocateura halte, und nun ist gerichtsseitig festgestellt, daß dieses schmutzige Handwerk unter der Herrschast Puttkamer's in vollster Blüthe steht. Für uns hätte es dieses Prozestes nicht erst bedurft, wir wußte» längst, mit welch' schändlichen Mitteln die Regierung in Deutschland   das infame Ausnahmegesetz aufrechtzuerhalten sucht, aber daß nun vor den Augen aller Welt unwiderleglich nachgewiesen ist, daß die Arbeiter durch im Dienste der Polizei stehende Agenten zur Propaganda der That» veranlaßt werden, das gereicht uns zur lebhaften Genugthuung. Eine nette Gesellichast hat sich übrigens in diesem Prozeß aus Seiten derOrdnungsmänner" zusammengefunden. Jhring-Mahlow, Puttkamer  , Barlhisius ein auserlesenes Kleeblatt. Und als vierter im Bunde gesellt sich zu diesen würdigen Vertretern der heutigen Gesellschaft der Herr Staatsanwalt Wagener, welcher meint, daßdie Sozialdemokraten eS mit dem Eide nicht genau nehmen." Der Mann verwechselt da augenscheinlich unsere Genoffen mit dem, wohl seiner Partei angehörenden Herrn S t ö ck e r, desten Metier ja dieFalscheide" sind. Oder sollte er vielleicht den konservativen Herrn Amtsgerichtsrath Franke, den llnterschriftenfälscher, gemeint haben? Wir versichern dem Herrn Staatsanwalt, daß die Sozialdemokraten es mit dem Schwur, nicht eher die Streitaxt zu begraben, bis an Stelle der von den herrschenden Elementen der heutigen Gesellschaft geübten Heuchelei und Ausdeutung wirkliches Recht und Gerechtigkeit getreten, sehr ernst nehmen, und vielleicht wird Herr Wagener es noch erleben, durch die Thatsachen belehrt zu werden, wie absurd seine Ansicht über die Sozialdemokraten ist. Herrn v. Puttkamer   aber, dem wir genaueste Lektüre des Erkennt- nisses zweiter Instanz dringend anempfehlen, entlasten wir mit dem Wunsch: Wohl bekomm's!" So weit unser Korrespondent. Wie aber, müssen wir uns fragen, war das Wunder möglich, daß dasselbe Gericht, das noch wenige Tage zuvor, in dem Prozeß B o b k i e w i c z, die Aussagen des Jhring als glaubwürdiger befunden als die einer ganzen Anzahl unbescholtener Arbeiter, diesmal zu dem entgegengesetzten Ergebniß kam? Nun, die Antwort ist, daß die Beweis- aufnähme diesmal so erdrückend gegen Jhring ausfiel, daß dieser selbst sich nicht mehr auszureden wußte und so die Richter beim besten Willen feine Glaubwürdigkeit nicht aufrecht erhalten konnten. Wir lesen darüber in einem, zweifelsohne von einem Augenzeugen herrührenden Artikel derBerliner Volkszeitung": Auch in der deutschen   Geschichte gibt es seit gestern einen tfon-mi- riccorcko'y-Zeugen, Herrn Jhring-Mahlow nämlich, der vor dem hiesigen Landgericht, enger und enger in seines Nichts durchbohrendes Gefühl eingekreist, am letzten Ende auch nichts weiter hervorzustammeln wußte, als: ich erinnere mich nicht, ich weiß nichts davon, das ist nicht wahr. Dabei fuhren die Augen des traurigen Gesellen voll scheuer Angst so hastig und unsicher in allen Ecken und Winkeln des Saales umher, daß selbst dem die Verhandlungen keineswegs mit einer Voreingenommenheit zu Ungunsten des Jhring leitenden Präsidenten einmal der Geduldsfaden riß. Ungeduldig rief er dem sein: lioa rni riccorcko zum hundertsten Male stammelnden Opfer eines edlen Berufes zu:Aber so sehen Sie den Zeugen doch an!" Herr Jhring-Mahlow kann viel, wie er gezeigt hat, aber ehrlichen Männern in die ehrlichen Augen sehen, das konnte er gestern nicht. In der vielstündizen Verhandlung gab der Hou-mi- riccoräo-Zeuze nur einmal eine etwas artikulirtere Aeußerung von sich, und die war auch danach. Man entsinnt sich, daß der preußische Minister des Innern am 19. Februar d. I. im Reichstage eineauf Gewissen und Amtsehre" abgegebene Erklärung despflichtgetreuen Beamten" verlas und daß Herr v. Puttkamer  , als über handgreifliche Albernheiten dieser Erklärung auf der Linken gelacht wurde, sich in eine sehr drama- tische Pose gegen die deutsch  -freisinnige Partei warf und dieselbe in einer Weise anredete, welche einen äußerst unparlamentarischen Zwischenruf des Abgeordneten Barth**) hervorrief. Nun wurden gestern dem Jhring- Mahlow die gröbsten Lügen in jener Erklärung nachgewiesen, und alS ihn ein Vertheidiger fragte, wie er denn,auf Gewissen und Amtsehre" befragt, seine Vorgesetzten und nicht zuletzt den Minister des Innern habe täuschen können, erwiederte er mit der sittlichen Entrüstung des tiefgekränkten Biedermanns:Aber, Herr Rechtsanwalt, so was darf man doch nicht so schroff auffassen." Herr Jhring-Mahlow kann sich wirklich beruhigen; seinGewlffen" und seineAmtsehre" ist von Nie« mandemschroff aufgefaßt" worden, außer von dem Minister des Innern. Und dieser Jhring-Mahlow," fährt das fortschrittliche Blatt mit be- rechligter Schärfe fort,wurde von den leitenden Beamten der hiesigen politischen Polizei gestern milden ausgesuchtesten Lobsprüchen überschüttet; haben sie Recht, so wandelt augenblicklich schwerlich noch ein Mensch auf dem Erdenrund, welcher sich an menschlichen Tugenden mit dem Hon- mi-riocorcko-Zeugen messen kann. Namentlich seine Wahrheitsliebe feierte« sie in feurigen Reden, so daß der Vertheidiger Munckel dem Gräfe« Stillsried und Genosten vorhalten mußte, daß sie doch nur wenig prak» tische Um- und Vorsicht bewiesen hätten, indem sie einen Beamten von so unvergleichlicher Wahrhaftigkeit zu einem Dienst bestimmt hätten, t« welchem er vom frühen Morgen bis in die späte Nacht lügen, lügen und wiederum lügen mußte." Am drastischsten kam der Gegensatz zwischen demwahrheitsliebenden" Jhring und den nach Ansicht der Polizei sammt und sonders unglaub- würdigen Arbeitern zum Ausdruck, als einer der Letzteren, von der Erregung hingerissen, und in der Erinnerung an den früheren vertrau« lichen Verkehr, Jhring mit Du anredete, während dieser ihn nicht an- zuschauen wagte. Nun, der Jhring ist gerichtet, aber es wird wohl schwerlich die Stimme von oben" lange ausbleiben, die ihm das erlösende:Ist ge- rettet!" zuruft. Gegen Leute dieses Schlages ist man in Preußen immer sehr erkenntlich gewesen. Die Opfer des Jhring aber, die seinetwegen Ausgewiesenen und Eingekerkerten, bleiben natürlich ausgewiesen und ein« gekerkert, ebenso wie auch der von ihmüberwachte" Arbeiterbezirksverein geschloffen bleibt. Und das ist die M o r a l davon. Ans dem Leipziger Polizei-Allerheiligsteu.(Von unserem Spezial-Döbler.) Um einem dringenden Bedürsniß abzuhelfen, hat unser allweise» Polizei-Oberhaupt unterm 17. August dieses Jahres eine« Nachtrag zur Instruktion für die S ch u tz m a n n s ch a ft der Stadt Leipzig  , den Gebrauch der Schußwaffe betreffend, ver« faßt, der in vieler Beziehung auch für Nicht- Eingeweihte sehr inter- essant ist. So bestimmt gleich§ 3: In jedem Falle und ohne daß es einer besonderen Aufforderung bedarf, ist die Schußwaffe und zwar nach§4 geladen! zu tragen: 1) Von denzurUeberwachung einer öffentlichen Ver- s a m m l u n g(!) und zur«usrechterhaltung der Ordnung bei derselbe« kommandirten over zur Unterdrückung von Straßentumulten aufgebote« nen Mannschasten." Sieht man vom Schlußsatze ab, der hier nur einen dekorative« Zweck hat im 5. Alinea ist der Gedanke in anderer Form wieder- holt, so fehlt für diese Bestimmung jeder Nachweis des B e d ü r f' nisse S. Noch nie sind bisher in Versammlungen Schutzleute in der Lage gewesen, einer Schußwaffe zu bedürfen, obwohl man es Polizei- licherseits an Provokationen der Versammlungsbesucher nicht hat fehle« lassen. Es muß also Herrn Bretschneider, als er sie formulirte, ein Zukunstsbedürfniß vorgeschwebt haben. Ahnte der Herr vielleicht, wohin seine schärfere Praxis schließlich führen muß, oder gibt er den Schutzleuten neben den sonstigen Instruktionen auch geladen« Revolver in die Versammlungen mit, weil er weiß, wie leicht diese Dinger in gewissen Fällenvon selbst" losgehen? In bei- den Fällen wirst diese Maßregel, die sonst gar keinen Zweck hat, ei« überaus lehrreiches Schlaglicht auf dieerziehlichen" Wirkungen des Sozialistengesetzes. Welche Früchte wird die neudeutsche Pädagogik noch alles zeitigen?! Nach Punkt 2 des gleichen Paragraphen find geladene Revolver i« jedem Falle zu tragen: Bei Aussuchungen in den Wohnungen solcher Personen, welche ver- d ä ch t i g sind, der anarchistischen Partei anzugehören." Da in den Augen der Polizei Jeder, der nicht selbst Polizist oder wenigstens nationalliberal ist, verdächtig ist, Anarchist zu sein, so wird diese Bestimmung in der Praxis wohl bei allenAussuchungen" i« Kraft treten. Wonach zu richten! Von erfreulicher Elastizität ist§ 7: Es darf jedoch die Schußwaffe nur als da« äußerste Mittel der Bertheidigung und tn der Regel auch nur dann angewendet werden, wenn der Angriff oder die Widersetzlichkeit entweder von einer Anzahl Personen, welche stärker als jene der zur Stelle *)Jch-erinnere-mich-nicht." Mit dieser Antwort suchte sich der Kammer- diener der Gattin Georg IV.   von England, der von diesem gekrönte« Buben gedungen war, die gemeinsten Lügen über die Königin auszusagen« jedesmal auS der Verlegenheit zu ziehen, wo er vor dem Gericht der Lords durch glaubwürdigere Zeugen in die Enge gedrängt wurde. **)Komödiant!" Red. deSS.-D." l