Diese Trennung beruht aber keineswegs auf irgend einem wesentlichenUnterschied im Fleiß und in der MoralitLt der einzelnen Individuen.„Seitdem das Menschengeschlecht keine Mittel einer genußreichen Gxi-fienz oder überhaupt der Existenz hat, die es nicht seiner eignen Arbeitund Entbehrung verdankt, würde kein Grund zu einer Anllage gegendie Gesellschaft vorliegen, wenn Jeder, der feinen rechten(feir)«ntheilim der Arbeit und Entbehrung zu übernehmen gewillt ist, seinen rechtenAntheil an den Früchten derselben erlangen könnte. Aber ist dies derFall? Ist das nicht das Gegentheil von dem, wie eS sich wirklich verhält? Statt der Arbeit und Entbehrung des Einzelnen zu entsprechen,steht die Belohnung derselben meist in umgekehrtem Verhältniß zu ihnen;diejenigen, die am wenigsten empfangen, arbeiten und schinden sich ammeisten."(J. Stuart Mill, geschrieben 18Kg und publizirt in der„Fort-nigthly Review" von 1879, S. 229.)Wir haben sin Abschnitt VIII) gesehen, was jede der beiden„Ratio-nen" bezieht; eS bleibt noch ihr Zahlenverhältniß zu einander abzu-schätzen, und sollen die nachstehend aufgeführten Thatsachen daS Materialfür diese Bergleichung liefern.a) Die Wohlhabenden.Wie schon früher erwähnt, belief sich im Jahre 1881 die Zahl dererwachsenen Männer ohne ausgesprochenen Beruf auf 407,189. Diesreprälentirt eine Bevölkerung von gegen 1,850,000 Individuen, diefämmtlich von Einkommen leben, die aus keiner speziellen BeschäftigungDie Zahl der Grundbesitzer, die mehr als ein Feld und eine Hüttebesitzen, beträgt nur 18 0,824. denen zehn Elftel deS Gefammt-»real« gehört.(Mulhall, Statistisches Lexikon. S. 286.)Die mit dem Namen„Nationalschuld" bezeichnete Pfandver-schreibung auf die gesellschaftliche Gesammtarbeit vertheilte fich im Jahre1880 unter nur 238,818 Personen*), von denen 108,122 je nur einenAntheil von weniger als 18 Pfd. Stlg. besaßen.(Mulhall, StattstischeSLexikon, S. 109.)Rur 89 von je 1000 Personen hinterlassen nach ihrem Tode Eigen-thum im Werthe von 300 Pfd. Stlg.(insbesondere HauSgerSth k.) undnur 61 von 1000 hinterlafien überhaupt nennenSwertheS Eigenthum.„ES scheint..., daß der Reichthum deS Bereinigten Königreichs zurHälfte stch in den Händen Derjenigen befindet, die bei ihrem Hin-scheiden mmdefiens 20,000 Pf. St. persönliches Eigenthum hinterlassen."(Mulhall, Statistisches Lexikon, S. 278/79, nach den Tabellen der Erb-schaftSsteuern und der Gebühren für Legalisirungen von Testamenten.)Die Zahl dieser Leute wurde von der Verwaltung der Jnlands-Ein-nahmen im Jahre 1877 auf 1129 angegeben; da Eigenthum ungefährin 20 Jahren seinen Inhaber durch Todesfall wechselt, so ergibt das«ine Gesammtkategorie von ungefähr 2 8,000 Personen.DaS Einkommen von 180 Pf. St. pro Jahr und darüber entfallenauf nur 1 V, Millionen von 18'/, Million« n Einkommenüberhaupt.(Gissen, Aufsätze über Finanzwesen, 2. Bd. S. 467.)D«e Klaffe der sehr Reichen zählt 220,000 Familien, die Klasse derReichen 804,000 Familien, die Klasse des Mittel- und Gewerbestandes1220,000 Familien— Alles in Allem ungefähr zwei MillionenFamilien über der Handarbeiterklasse mit nahezu fünf MillionenFamilien.(Mulhall, Etat. Lexikon, S. 246.)Man kann daher mtt Sicherheit schließen, daß die Gesammtsummevon 800 Millionen Pf. St. jährlich auf ungefähr 10 Millionen Jndi-viduen entfällt, waS ein durchschnittliches Einkommen von 320 Pf. St.pro erwachsenen Mann ergibt. Ungefähr zwei Fünftel davon(330,000.000Pfund, Mulhall: Statistisches Lexikon, S. 248) werden von einer Min-derheit, die aus weniger als einer Million Individuen besteht, bezogen,also 1668 Pfd. jährlich im Durchschnitt auf den erwachsenenen Mann,ob sie nun zum Gesammtprodukt durch eigene Leistungen beitragen oderNicht.d) Die mehr oder minder Armen.Di« Handarbeiterklasse besteht aus ungefähr 8,000,000 Familien.Mulhall, Statistisches Lexikon, S. 246, Familien 4,629,000Prof. Leone Levi,„Times" vom 13. Januar 1888Familien..... 8,800,000Gissen. Aufsätze über Finanzwesen, 2. Bd. S. 461,Separate Einkommen... 1», 200, OvoFünf und eine halbe Million Familien leben in Wohnungen, die unterSO Pfo., vier und eine halbe Million Familien in Wohnungen, dieunter 10 Psd. Miethe kosten, ungeachtet dessen, daß die Armen in dengroßen Städten in großen MiethSkasernen wohnen.(Gissen, AufsätzeÜber Finanzwesen, 2. Bd. S. 348.)Neunhundertunddreißig von je 1000 Personen(darunter die HälfteErwachsene) sterben, ohne nennenswerthes Eigenthum zu hinterlassen,und 961 von je 1000, ohne Miethszegenstände, Kleidung oder Fahrhabeim Werthe von 800 Pfd.St.(Mulhall, Statistisches Lexikon— aus denTabellen der Legalisirungsgebühren— S. 279.)Die Zahl der in der Industrie gegen Lohn„beschäftigten" Personenwird für das Bereinigte Königreich auf 13—14 Millionen, darunterüber 4 Millionen weibliche Personen angegeben.3. S. James, Zeitschrift der Statistischen Gesellschaft,47. Bd. S. 631. schätzt ihre Zahl aufGissen, Aussätze über Finanzwesen, 2. Bd. S. 461(Einzeleinkommen ver fiicmdarbeiterklaffe)Mulhall, Statistisches Lexikon. S. 246(Einzelhaus-halte der Handarbeiterklasse).Prof. Leone Levi,„Times" vom 13. Januar 1888(Zahl der Arbeitenden der Handarbetterllaffeim Jahre 1881)....Bon 10,464,288 überhaupt tMgen männlichen Individuen arbeiten«,180,000 gegen Lohn und gehören zur Handarbetterllaffe.(Prof. LeoneLevi,„Times" vom 13. Januar 1888.)Wir können daher als sicher annehmen, daß die der Handarbetterklasse»uflicßenben 480 Millionen Pfd. der Antheil von 25 Millionen Personenjist, was pro Erwachsenen weniger als 35 Psd.(oder 70 Pfd. pro er-wachsenen Mann, bezw. Familienvorsteher) ausmacht.Veranschaulichen wir uns nunmehr das Resullat der beiden Gegen-Überstellungen bildlich:14,000.00013,200,0004.629.00012,200,0001668 Pfd. Stg. jährliches Durch.schnittseinkommen pro erwachsenenMann aus der Klasse der sehrReichen(Gentry). Etwa 222,000Famttien.320 Pfd. Stg. jährliches Durch-schnittseinkommen der Wohlhaben-den(die Nichtarbeiter) pro er-wachsenen Mann.138 Pfd. Stg. jährlicher Durch-schnittsantheil am Gesammtproduktpro erwachsenen Mann.70 Pfd. Stg. jährliches Durch.schnittseinkommen pro erwachsenenMann aus der ärmeren Klaffe.(Demnach würde stch bei einer gleichen Vertheilung des Gesammtein-kommens daS Einkommen der etwa 13—14 Millionen Arbetter geradeum das Doppelte erhöhen.)(Fortsetzung folgt.)Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 19. April 1887.— Der„Posener Sozialistentzrozeß" ist eine jener schandbarenZustizfarcen, welche eine Sigenthümlichkett deS Reichs der Gottesfurcht*) Darin sind inbegriffen viele Banken, BerstcherungSgesellschaften,fremde Potentaten und Andere, die in die obige Bergleichung nichthineingehören.und frommen Sitte bilden— die Polizeiniedertracht in feierlicher Ge>richtsverhandlung von servilen Kreaturen der Machthaber, genannt„un-abhängige Richter", in rechtliche Form gebracht und in Form Rechtensbesisgelt. Das französische Kaiserreich deS Spitzbuben Bonaparte hatte,das Oesterreich der verfaulenden Habsburger Dynastie hat seine schwach.vollen Arbeiter- und Sozialistenprozesse; allein bei all diesen Prozessenhandelte und handelt eS stch um wirkliche oder angeblich« Versuche z u mUmsturz der staatlichen oder gesellschaftlichen Ein-r i ch t u n g e n— so daß die Verfolgung immerhin einen Schein desRechts für sich hat.Um was aber handelt es sich in diesem Posener Sozialistenprozeß?Welches Verbrechen war den dreiundzwanzig Männern, die dort in denletzten Tagen der vorigen Woche auf der Anklagebank saßen, zur Lastgelegt?Die Verbreitung eines Wahlflugblattes zur vori-gen Reichstagswahl.DaS fragliche Flugblatt, bestimmt für den Kreis Posen, dessen Be<völkerung zum größten Theil polnisch ist, war auf der einen Seite indeutscher, auf der anderen in polnischer Sprache abgefaßt. Schreiberdieses ist der polnischen Sprache nicht kundig; von Polen aber ist ihmversichert worden, daß der polnische Text eine freie Uebersetzungdes deutschen ist, in der nur einige Ausdrücke und Wendungen de« Ori-ginals etwas„kräftiger" und etwas allgemeiner geworden find.Das deutsche Original ist„gemäßigt", bis zur Schwächlichkeit. Undwenn man für die polnische Uebersetzung auch eine tüchtige Dosis ge-pfefferter Wendungen und Ausdrücke hinzuthut, so bleibt es immer nochein sehr„gemäßigtes" Schriftstück, das den Bedürfnissen einer freienWählerschaft, z. B. einer amerikanischen, englischen oderschweizerischen, nicht entsprechen, den Wählern zu fade erscheinenwürde.Und wohlan, ob dieses Wahlflugblatts sind 23 Sozialdemo-kraten angeklagt, und von den 23 angeklagten Sozialdemokraten neunschuldig befunden und zu Gefängnißstrafen von 2 Wochen bis zuüber 2 Jahren verurtheilt worden! Der Hauptangeklagte Janiscewskierhielt 2 Jahre und I Woche!Zwei Jahre und eine Woche Gefängniß, obendrein noch zwei MonateUntersuchungshaft für ein W a h l f l u g b l a t t!Und warum war JaniScewski der Hauptangeklagte? Und warum hater die höchste Strafe bekommen?Weil er bei der letzten Wahl in Posen kandidirte.Das war ein um so„erschwerenderer Umstand", als die polnische Be-völkerung jener Gegenden die Wahrheiten des Sozialismus zu sehen undstch in immer größeren Massen um das Banner der Sozialdemokratiezu schaaren beginnt.Das ist freilich ein„Verbrechen" l Ein Verbrechen, welche? in denAugen der polnischen Gutsbesitzer und der preußischen Richter, so schlechtsie sonst auf einander zu sprechen sein mögen, gleich todeswürdig ist.Und daß die Arbeiter von der Waffe des Stimmrechts Gebrauchmachen, und ein Arbetter fich die Freiheit nimmt, ebenso gut wie einRittergutsbesitzer oder Bourgeois zu kandidiren— ist das nicht auch eintodeswürdiges Verbrechen?Gibt es überhaupt ein todeSwürdigereS Verbrechen, als daß daS ge-meine Arbeitervolk sich herausnimmt, die auf dem Papier ihm verbrief-ten, aber nicht ernsthaft gemeinten Rechte ernsthaft gebrauchen und inseinem Interesse benutzen zu wollen?Die Verurtheilung erfolgte nach den verschiedenen Gummi-ParagraphendeS Reichsstrafgesetzbuchs, welche aus jeder Kritik eine Beleidigungund aus jedem Tadel eine Verletzung der Staats- und Gesellschaft«-ordnung machen.Eine Aufforderung oder Anreizung zu Ungesetzlichketten oder gar zuHochverrath konnten selbst die preußischen Richter in dem Flugblatt nichterblicken.Und für ein Flugblatt, das die Verhältnisse einfach k r i t i s i r t undtadelt— weiter nichts!— und wohlgemerkt bei weitem nicht mttder Schärfe, welche die Elendigkeit dieser Verhällnisse erheischt— zweiJahre und eine Woche Gefängniß und zwei Monate Untersuchungshaft!Pfui, dieser Schandwirthschaft.Und wer will es uns verargen, wenn angesichts solcher Justizverbre-chen unsere Feder sich in Galle taucht, und der Zorn über die Urheberdieser unerhörten Verbrechen fich w leidenschaftliche Worte kleidet? Kannes für solche Verbrechen eine zu scharfe Sprache geben? Und verräthder, welcher sich über scharfe Sprache in solchen Fällen beschwert, nichteine verbrecherische Sympathie mit dem Verbrechenund den Verbrechern?— In dem Augenblick, da De«tschla«d im Zeichen des„Aul»turfriedcus" marschirt, ist es wohl angebracht, vi« Urväter deS Re-zepts zu hören, nach welchem der Säbel mit der Kutte Frieden schließt,weil er allein mit den Umsturz-Elementen, d. h. den Elementen, die seineHerrschaft bedrohen, nicht fertig wird. Nicht oft genug kann man demdeutschen Volke zeigen, mit wie alten, uralten Mitteln und Mittelchender von seinen Mameluken als noch nicht dagewesenes Musterexemplarvon einem Staatsmann gepriesene Bismarck arbeitet.Schon Aristoteles lehrte in seinem vor mehr als zwei-tausend Jahren geschriebenen Werk„Politik", wie der Tyrann(Einzelherrscher) handeln müsse, um sich die Herrschaft zu erhalten. Ergibt den Rath:„Der Tyrann muß sich den Schein geben, als nähmeer es mit der Religion ungemein ernst. Denn von solchem besorgen dieUnterthanen weniger eine ungesetzliche Behandlung, wenn sie den Wandeldes Herrschers für gottesfürchtig und fromm zu erkennen glauben, undandrerseits unternehmen sie nicht leicht etwa? gegen ihn, da er ja dieGötter zum Beistand habe."Wenn so schon Aristoteles die Wichtigkeit der Religion für die Be-herrschung der Völker erkannte, darf es nicht Wunder nehmen, daß d-rin einem viel späteren(christlichen) Zeitalter, dem 15. Jahrhundert,lebende Macchiavelli dieses noch viel besser einsah. In seiner berühmtgewordenen Schrift„Der Fürst" ertheilt er den Fürsten einen förmlichenLehrkursus, wie sie am besten absowtistisch regieren können. So sagt erim 18. Kapitel:„Der Fürst muß die guten menschlichen Eigenschaftenhaben oder, nochbesser, zuhaben schelueu; er muß beson-der« ganzFrömmigkeit, ganzReligion scheinen. Wennauch Einige ihn durchschauen, so schweigen sie doch still; denndie Staatsmajestät schützt den Fürsten, der dann vermögedieses Schutze?, wen» es sein Borthett erheischt, die gegentheiligen Seitenherauskehren kann. Das Gros der Unterthanen wird ihn, weil er beivielen Gelegenheiten, da eS ihm nichts verschlug, Gottesfurchtzeigte, immer für-inen ehrenwerthen Mann halten, auch da, wo ergegen Treu und Glauben und gegen die Religion handelte. ImUebrigen soll der Fürst Kultus und Kirchenthumganz besonder» pflegen."WaS Aristoteles und Macchiavelli vom Alleinherrscher sagen, gilt selbst«verständlich auch von ganzen herrschenden Klassen, sobald deren Herr-schaft über die Massen in Gefahr ist. Wie damals erscheint e» ihnenauch heute noch als das geeignetste, ihre Privttegien zu rette», daß siesich der Kirche in die Arme werfen und eine Frömmigkeit heucheln, diegrade sie am wenigsten empfinden. Nirgends ist das heute so, wie inD e u t s ch l a n d, der Fall, im Lande der Lessing, Kant und Feuerbach,das aber heute zum Lande der Stöcker und Kopp geworden ist. Nir-gendg wird so gegen den Materialismus der Zell geeifert als in Deutsch-land, und in keinem Lande sind die Herrschenden mehr auf den mate-r t e l l e n Gewinn aus alS in Deutschland. Die Schnapsmilliarde, diejetzt den lüsternen Agrariern in den Schooß geworfen werden soll, istdas treffendste Seitenstück zu der famosen„Rückkehr zu geordnetenKirchenzuständen". Und M i q u« l, der frei— geistige Verwaltungsrathder DiSkontogesellschaft, dieses ErzgründerinstitutS, Arm in Arm mitdem tugendhaften christlichckonservattven Bekämpfer des GründerthumS,Diest-Daber, für Dusel und Fusel stimmend, das ist die beste Jllu-stration für die neueste Wendung in Deutschlands Entwickelung.— Grober Nnsttg. Die politisch« Rechtsprechung— manverzeihe dieses schönfärberische Wort— kommt in Deutschland ohneKautschukbegriffe nicht mehr aus. Trug man ehedem Sorge»den Begriff de» strafbaren Vergehens möglichst genau zu präzifiren,damit der Willkür Thür und Thor des Gertchtssaals verschlossen werde,so ist man heut im Äegenthett daraus auS, Vergehen oder Vergehenskategorien zu konstruiren, die jeder Bestimmtheit erman-gel», und deshalb vom Richter nach Belieben ins Feld geführt werdenkönnen. Zu diesem Kautschukvergehen gehört U.A. der„grobeUn-f u g". Der ist jetzt«ine bequeme Handhabe zu polttischen Prozessen, woalle andern Vergehen, die das Strafgesetzbuch aufzählt, nicht zutreffe«.WaS ist nicht alles grober Unfug, oder was kann nicht alles für„grobe«Unfug" erklärt werden? Keine öffenttiche Handlung, die ein findigerRichter hier nicht unterbringen könnte.Im Schleswig-Holsteinischen hängt die Frau eines Ar»beiters an„Kaisers Geburtstag" eine rothe Gardine zum Fensterhinaus.„Grober Unfug" dekretirt irgend ei« OrdnungSheld, und di«Frau muß für daS unschuldige Vergnügen sechs Woche« ins Ge«fängnißIn Halle a.d. Saale trägt am Tage der Reichstagswahl ei»Arbeiter ein an einer Stange befestigtes und mit der Ausschrist:Arbeiter, wählt Max Kayfer! versehenes Plakat durch dieSttaßen der Stadt. Aehnliche Mittel der Agitatton sind von bürger-lichen Parteien zu Hunderten in Anwendung gebracht worden, ohne daßein polizeiliches oder richterliches Gemüth stch verletzt gesühtt hätte. Wirerinnern nur daran, daß bei der Reichstags wähl 1884 die Antisemitenim ersten Berliner Wahlkreis ihr Plakat durch einen Herold zu Pferdedurch die Straßen führen ließen. Run denn, was in der Hauptstadt,wo es Neugierige in Hülle und Fülle gibt, unangefochten passirte, warin Hall-„grober Unfug", weil— man höre!— bei dem Schu lsch lußNachmittags 4 Uhr infolge des Plakats ein Menschenauflauf entstandenwar. Die Amtsanwaltschaft behauptete eS, und das Schöffengericht tukannte demgemäß.Wir könnten die Beispiele noch ins Unendliche vermehren, wollen tiindeß für heut bei diesen beiden bewenden lassen. Die„Moral" ergibbstch von selbst: Im Staate der Gottesfurcht und frommen Sitte istdas gleiche politische Recht für alle Staatsangehörigen—grober Unfug.vielen SnatürlichHandlunHerren c»um unThatfachdaß diesl1hierherwir sie(«» N«werdendie Her,Gut<wit einePßichterhau siIhnen»Ihr gro— Wie man Geschichte schreibt. Unter dem Tttel„Arbeiter-freund", Wochenblatt für Stadt und Land, geben die preußische»Pfaffen ein Wochenblättchen heraus, da« zu„Kaifers Geburtstag" dieobligaten Purzelbäume schlug— unter obligatem Psalmensingen— undbei dieser Gelegenhett auch eine Biographie de«„Heldengreises" verübte»die in verschiedene Kapitel zerfällt und über die heikle Episode von 184»fich wie folgt ausläßt:„l8»7-t8S7.Pf. 119, 61. 114. Der Gottlosen Rotte be»raubet mich. Du bist mein Schirm und Schild:„Der Tag brach an, den wir gern mit Thränen au» der GeschichtePreußens tilgten. Da« Volk stand auf gegen seinen König. Beson«ders aber war die Aufregung gegen den Prinzen vo»P r e u ß e n s o g r o ß, daß dieser, um nicht schreckliche Kämpf« herbei-zuführen, Berlin am 19. März 1348 verlassen und am 2 2. MSrAnach England flüchten mußte. Das war ein Geburtstag fürden 51 jährigen Mann I Er selbst aber trug männlich die schweren Zeiten:und wir wissen, daß er fich grade damals mit aller Roth an GotteDHerz flüchtete.„Im Mai schon rief der König seinen Bruder zurück. Gehorsamewar der gegangen, gehorsam lehrte der wieder. t„Nun half er Ordnung schaffen. Den AufstandderRhein«pfalz und in Baden 1849 dämpfte er mit fester Hand»Ein Amt nach dem andern wurde ihm übertragen. Es gab viel zu thu«im Lande. Militärisch wie bürgerlich galt es thätig sein zum Wohl de«Unterthanen.„Ich bin glücklich, wenn Preußens Volk glücklich ist ttfläußerte er.„Langsam errang er stch Anerkennung: im Jahre 1854 bei seiner fil-jkernen Hochzeit erhielt er vielfache Beweise davon; auch bei seinen«50jährigen Dienstjubiläum, das am 1. Januar 1887 gefeiert wurde."—'Also er„mußte flüchten" und„gehorsam war er gegangen". Schön,Gehorsam ist des Christen Schmuck. Nun hätten die frommen Herren!auch hinzufügen sollen, warum fich des Volkes Zorn namenttich gegen»den Prinz von Preußen richtete. Was die„dämpfende"„feste Hand"des Jahres 1849 bettifft— nun, wir haben fie nicht vergessen. Und,damit st« Andere auch nicht vergeffen, hören wir, wie ein Auge n«<zeuge dieser„glorreichen" That in der konservativ- republikanische«!„Illinois Staatszeitung" darüber schreibt:„ES sind heut- SS Jahr- s-it d-m Tag- vergangen, da derselbe Maitn�der seit dem 18. Januar 1871 alS sieg- und ruhmreicher deutscher KatfeLbekannt ist, heimlich aus Berlin fliehen mußte, um nicht der Wuchtdes Volkes zum Opfer zu fallen. Am 22. März 1848, seinem 81. Ge-burtstag, traf er als politischer Flüchtling in London ein, von wo e?nur zurückkehrte, um den Oberbefehl über das zur Unterdrückung der-Volkserhebung in Baden entsendete preußisch« Heer zu übernehmen. Auftwelche Weis- er damals die„Ruhe eines Kirchhofs" hergestellt hat, da»bezeugen die Grabstätten der bei Rastatt standrechtlich Ermordeten�-Ermordeten— nicht Gerichteten, denn sie standen nicht unterspreußischer Gerichtsbarkeit. Für Preußen waren sie nichts anderes al«!Kriegsgefangene, die als solche hätten behandelt werden müssen.�Die Zeit, wo eS für statthaft galt, Kriegsgefangene hinzurichten, warseit dem dreißigjährigen Kriege vorbei. Gleichwohl bestätigte der da»3M zwei)im sächs. Der(ist, Undsaub-rerisch zwiiZahl stseine»,dringen!ZunäAmtsklagt, ehaben,war nidinfolgeUnd wuals soc"aterlaiEchand-festen 30wie er|Major-petten Bhabe. Dselbe PIschlagenTrotzdenlerjschenEndlü«Miz ardringen,»um Lei!doch nichÄ1könntenRückhaltNnv sei»tfichtsn!Jen ausj-n die«»ch ein'ich-r bei- El.Herzoj»Mister,20 MitgUnd mu�ittei12 Univ"eichsta,«lag, w«oio genmalige preußische Oberbefehlshaber alle Bluturtheile der Standgerichtesselbst in Fällen, wo sie als eine unerhörte Grausamkett erscheinen■ vmß«ten. Di« greisen Eltern des 23jährigen Dortü(«S war ihr einzigerSohn) warfen fich vor dem preußischen Rachegott auf die Knie« undflehten ihn an, dem jungen Mann wenigstens daS Leben zu schenken iumsonst; er mußte abgeschlachtet werden!Diese geschichtlichen Erinnerungen haben weiter keinen Zweck als diesen:zu erklären, warum Männer, deren Sedächtniß vier Jahrzehnte zurück»reicht und die an jenen Ereignissen mehr oder weniger unmittelbar Theikhatten(quormn parva pars fuerunt), auf die bevorstehende neunzigsteGeburtstagsfeier des RanneS, welcher damals der„Henker von Rastatt-genannt wurde, heute aber„greiser Heldenkaiser", nicht mit denselbe»Gefühlen blicken können, wie das erst fett jenen schaudervollen Eretz�nisten herangewachsene Geschlecht. Denn wenn sie auch längst ver»geben haben, können sie doch nicht vergessen. Geschichtebleibt Geschichtel Und wie di« Jahr«l86S und 1870, so gehöre»auch die Jahre 1848 und 1849 zu der Lebensgeschichte d«S Manne«, denam letzten Dienstag sein neunzigstes Lebensjahr vollendet hat.— AuReinem unheiligen SauluS mag ein heiliger Paulus werden, aber es wäreeine rohe Fälschung der Thatsachen, wenn man leugnen wollte, daß«pjemals ein Saulu« gewesen sei."Augen«!Dirne,,�estaüntzlos die«ngefähiUn preus..BeiLsUAehVolke!«iiaschiJogenikß'es t.Der 3lteiBelü,W« Wvlheute G.»Oer Drher Lögemit i'NgstmilJustg d!Nr dieEiland»et Wahnn EingftitarbeiPfiffen'— Ein Bismarck macht— viele. Die Franzosen haben ei»Sprichwort:> Qaand un gendarme riiDans la gendarmerie,Toua leg gendarmes rjentDang la gendarmerie.Zu Deutsch; Wenn ein GenSdarm lacht in der GsnSdarmerie, lache»alle Gensdarmen in der GenSdarmerie. Der Sinn springt in die Auge«!In gewissen Kreisen braucht nur ei« Mitglied den Ton anzugeben, undsofort fällt die ganze Heerde ein— keiner will den andern im Blöken»Grunzen oder um waS eS sich gerade handelt, nachstehen. Eine solcheKoterie bildet u. A. auch di« höher« und niedere Bureaukratte, und ganzbesonders in Deutschland. In der ersteren heißt der Tonangebend«Bismarck. Jeder„nattonalgesinnte" Verwaltungsbeamte, vom kleinste»Duodezminister bis»um preußischen Land- oder RegierungSrath willheute in seiner Sphäre ein Bismarck sein— natürlich waS das Auf«treten, die Art des Verkehrs re. anbetrifft. Wie Er fich räuspert undwie Er sich spuckt, das haben sie ihm alle abgeguckt.So auch der StaatSminister von Hessen-Darmstadt, Herr Finger.Mit diesem Finger hat bekanntlich der gekoleminte Großherzog de»Hessenlandes sich den Preußen ganz in di« Hände gegeben. Seit er amRuder ist, wird auf gut preußisch regiert, wie u. A. Offenbach bewiese»hat. Kürzlich hat nun unser Genosse Jöst im hessischen Landtag in Formeiner Interpellation über die unter dem Deckmantel des Sozialisten»gesetzes verübten Nichtswürdigkeiten Beschwerde geführt,«or«auf-r. mach der„Kölnischen Zettung", von Herrn Finger folgendeprotzige Antwort erhielt:„Was die Beschwerden deS Herm Abgeordneten Jöst anbelangt, sowerden darüber ja vielleicht verschiedene Urtheile bestehen. Ich habeschon im Gegentheil sagen hören, wir seien zu lax in Bezug auf dieHandhabung deS Sozialistengesetzes, anderwärts handhabe man dasselbeviel ernster und gründlicher. Und ich kann auch vielleichtbemerken, daß die Maßregeln bei uns noch gar nicht erschöpftsjnd, die in Bezug auf die Bestrebungen der Sozialdemokratte von.—Richten,Jri von«ndelt,Jett eg19. fdem iStimBeyer tcdewählt»ichtgMgenihrer NqDi'Sehen|Das. Ü l f A4h-untnißvrdrrL»0"•f denMütchtei«ffdeckt.Sil9 w"Hb und60 ist