Posten befindlichen Genossen, dessen Aufenthalt Niemand er-fahren sollte"?Das war— mau höre I— niemand anders als der viel-gewandte, vielerfahrene Propagandist der„That",Herr Josef Peutert.Und nun mache sich Jeder selbst die Moral darauf.Deutschlands Arbeiterverhältnisse von einemAmerikaner beurtheilt.Die Berichte der Konsuln der Bereinigten Staatenvon Nordamerika, Hest 74 für Februar 1887, find kürzlich erschienen und zur Ausgabe gelangt.„Der erste, sehr umfangreiche Be>richt, schreibt die„Newy orker Volkszeitung", ist der des CommercialAgent Jas. Henry Smith von der United States CommercialAgenty in Mainz. Derselbe behandelt auf das Eingehendste dieFabrikverhältnisse des Rheinlandes, Sachsens undSchlesiens und entrollt«in meist recht düsteres Bild vond«m Schaffen und Darben deS deutschen Arbeiters in der altenHeimath."Wir entnehmen demselben folgende charakteristische Stellen:Lom Lehrlingöivcsen heißt es: Der Lehrlingsstand wirdin geradezu erschreckender Weise vernachlässigt. InOberbayern z. B. werden die Lehrlinge„entweder zu allen nurmöglichen, mit dem Handwerk durchaus nicht zusammmhängenden Hand-leistuugen im Hausholt beschäftigt, oder sie werden nur auf einen be-stimmten Theil der Arbeit gedrillt, wodurch sie dem Arbeitgeber früh«zeitiger nützen, bei dieser einseitigen Bildung aber nie den rechten Be«griff von dem Ganzen gewinnen können. An einigen Orten auch ist esnicht gestattet, soviel Lehrlinge zu halten, al« jeder Meister für gut hält.So verbietet beispielsweise die Deutsche Buchbinder-Vereinigung, daßneben sechs Gesellen mehr als zwei Lehrlinge beschäftigt werden, dannfür fernere fünf Gesellen nur je ein Lehrling. München besonders kehrtsich nicht an diel« Vorschrift. Der dortige Fabrikinspektor gibt an, daßhöchstens die Hälfte der dortigen Meister diese Bedingung innehalten.Gießereien werden, nach der Aussage desselben Inspektors, derIn<S»W_ IW WBilligkeit halber eine viel zu große Anzahl Lehrlinge be-schäftigt. In einer Sieherei fand er 61 Lehrlinge zwischen 14 und17 Jahren, während die Anzahl der Arbeiter nur 148 betrug. InScbwarzburg-Rudolstadt soll es sogar noch schlimmer damit bestellt sein;einige Fabriken arbeiten fast ausschließlich mitLehr«lingen."Ueber die Arbeitsstunden:„Die Arbeitszeit beträgt durchschnittlich10—12 Stunden pro Tag. In Ost- und Westpreußen 12 Stunden, inPommern 11 Stunden, in Posen 10—11 Stunden, in Hannover undSachsen 11 Stunden, doch in Zwickau und Reißen 12 Stunden, ebensoin ganz Bayern und in Plauen; Bremen verlangt nur 10 Stunden,Hamburg etwa« mehr. Berlin halb 10. halb 11 Stunden.„Daß dies« Arbeitszeit durch die Saisons, durch größere oder gerin-gere Nachfrage, durch stets arbeitende Feuerungen besonders in Betreffver Ueberstunden nicht unwesentlich insluirt werden, bedarf keines Be-weises. Recht traurig sind in der oberen Rheinpfalz, Ober«tranken und Umgegend die Schleifer und Glasschneider> den Spiegelsabriken gestellt. Nach Angabe des FabrikinspektorS ar-besten die Glasschneider von 4 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends, daSfind sechSzehn Stunden, während die Polirer sechs Tag« undRächte unausgesetzt zur Stelle sein müssen und sich in der Nacht vier,höchsten« sechs Stunden gegenseitig ablösen. NurSonntags haben sie ihren Schlaf; in der Woche kampiren sie aus elen-dem Sack in irgend einem Winkel der Werkstatt. Die Besitzer derFabriken leben fast alle weit weg von der Fabrik; sie kennen ihre Ar«Keller nicht und rechnen nur mit ihren Direktoren ab. Diese aber er-pressen schon des eigenen Bortheil» willen so viel als möglich au« derArbeitskraft.„Auch in manchen Papierfabriken wird geradezu Unerhörtes verlangt:ein« Woche täglich zwölf Arbeitsstunden, die ander« sieben-,ehnl"Ueber die Frauenarbeit:„Die Frauenarbeit, heißt eS, hat sich,was die Zahl der Arbeiterinen anbetrifft, in Deutschland nicht verändert.In Bayern, der Rheinfalz, Regensburg und Franken kommen die Frauenjetzt mehr zur Verwendung, weil sie ja weniger Lohn(natürlich!)beanspruchen und auch williger bei der Arbeit sind. In Franken findsechs Fabriken, die nur Frauenarbeit anwenden: eine Seiden-faden-, eine Garn-, eine Schuh-, eine Perl-, eine Draht- und eine Zünd-Holz-Fabrik. Andere Fabriken benutzen bis zu zwei Dritteln dieFrauenarbeit, hauptsächlich Papier- und Bleistiftsabriken, die größte An-zahl aber findet in Spinnereien und mechanischen Webe«reien eine Verwendung, welche die der Männer bedeutend überwiegt.Trotzdem das die Frauenarbeit regelnde Gesetz viel Keffer g-handhabtwird als da« der Kinderarbeit, kommen doch Fälle vor, die da« Bildeine« wahrhaft grauenvollen Elends klarlegen. EinFabrikinspektor aus dem Distrikt Frankfurt an der Oder sagt beispiels-«eise aus:„Ich fand bei einer Nachtinspektion im kalten Winter, die ich in einerPreßkohlenfabrik vornahm, zwei Mädchen zu 17 und 18 Jahren in dün-neu Kleidern unter einem halboffenen Schuppen, wo st« bei schneidigemWinde Briquets ausstapelten. Das war während deS ganzen Wintersihre Arbeit! Das Gesetz konnte hier nichts thun. Mir gelang es, durchfreundliche Einsprache, den Besitzer zu veranlassen, einen geschützterrnPlah für diese Arbeit zu gewähren."„Die Zuckerfabriken beschästigen viele Frauen, die meist frssch und ge«funb ausschauen. In den Eisenwerken und Glasfabriken hat ihre Ver--Wendung sehr nachgelassen. Nicht genug getadelt kann daS Verfahren«imger Backsteinbrennereien in Leipzig werden. Dortmüssen die Frauen die schweren Steine, den nassen Thon schleppen; dazugeben sich meist nur ganz alte Frauen her, weil sie in andernBranchen keine Beschäftigung mehr finden können.(„Ganz alt«Frauen", die s chw e r e S tetn« sch lep p en müss«n, welcherTriumph unserer Zivilisation!)„Die Lumpensortirerinen wie die Mädchen in den Spinnereien sehenihre Gesundheit durch ihre Arbeit am meisten gefährdet. Trotzdem drän-gen st« sich auch zur Nachtarbeit, um ihren kargen Lohnzu erhöhen. Die Arveit der Männer und Frauen in denselben Räummhat sich in moralischer Hinsicht als durchaus nicht nachtheilig erwiesen.Wohl aber hat die weitere Entfernung von der Stadt, die die Mädchen zulängerem Gehen zwingt, große Nachthetle. Sin Inspektor des DüsseldorferDistrikts gibt an, daß in einer einzigen entlegenen Zuck-rfadrik von ISMädchen in einem Arbeitsjahre 11 in gesegneten Umständen sich be«funden haben."....Der Bericht schließt mit einem Briefe des Herrn Ronaghan,Konsuls der Ver. Staaten in M a n n h e i m. Es heißt darin:„In der Baumtvollenfabrikatio« sind die Deutschen ge«gen die Amerikaner staunenswerth zurück. Maschinen,die schon vor zwanzig Jahren in Amerika bei Seit« ge-stellt sind, werden hier benutzt. Arbeit wird mühsam mstder Hand gefertigt, welche die Maschine zehnmal besser und schnellerliefert, Mädchen werden zu Arbeiten benutzt, zu denen Männer nothwen-dig wären. Ueberall alte Spinnmaschinen, alte Wickelmajchinen, Kinderund Mädchen bei elend bezahlter Arbeit. Grade in Ladenzeigt sich die größte»rmuth in den Arbeiterwohnungen. Sin traulichesenglisches oder amerikanisches Heim ist dort unbekannt, oft wohnt dieganze Familie in einer Stube, und ich möchte den Arbeit« sehen, der«ine Drehorgel oder gar einen Teppich jemals besessen hat."Daß an diesem Zurückbleiben der Technik nichts andere« schuld ist,als die„elend bezahlte Arbeit", brauchen wir unseren Lesern nicht erstauseinanderzusetzen. Nicht« kulturfeindlicher als niedrigeLöhne— darum bewundere man den staatsmännischen Geist dervismarck, Puttkamer und Konsorten, die alles aufbieten, um den Ar«beitern den Kampf um Verbesserung ihrer Löhne oder um Widerstandgegen noch weitere Herabsetzung derselben unmöglich zu machen.Das größte Militärbudget und die billigsten Ar-better— das ist der deutschen Staatsmänner KulturideallSozialpolitische Rundschau.Zürich, 11. Mai 1887.— Tie„Kölnische Zeitung", diese« gesinnungsloseste aller ge-sinnunzslosen Organe des verbismarckten Deutschland, heulmeiert nachschärferen Maßregeln gegen die Nihilisten, weil sich herausgestellt, daßdieselben nicht blos eine Sekte, sondern eine ganze Partei seien. EineLogik, würdig eine» SchinderknechtS. Weil der Nihilismus in denweitesten Kreisen Rußlands Boden gefaßt, wa« für jeden Menschen, derHerz und Verstand auf dem rechten Fleck hat, doch nur beweist, daß erein Produkt allgemein empfundener Mißstände ist,folgert das„ W e l t b l a t t", es brauche nur noch mehr gehängt, nochmehr gemordet zu werden, als ohnehin m Rußland geschieht, und dannwerde alleS vortrefflich bestellt sein im Lande der Reußen. Und daSangesichts der vielbejammerten„Vergewaltigung deS verlassenen Bruder-stammes" in den Ostseeprovinzenl Und das angesichts der tag-täglich zu konstatirenden und konstatirten Deutschenhetze seitensder Preßbanditen des Zaren!Wahrhaftig, man muß sich schämen, ein Deutscher zu sein. Auch inandern Ländern gibt es Bedientenorgane, auch in anderen Ländern gibtes offiziöse Organe, die aus auswärtige M'.chihzber und deren NervenRücksichten nehmm, auch in andern Ländern gibt es Reptile auswärtigerSouveräne, aber selbst diese würden eine solche Lakaienspreche nicht ris-kiren, aus Furcht, den Kredit im eigenen Lande einzubüßen. In Deutsch-land aber genirt das Blatt, welches nach außen hin als das vornehmsteim Lande der Denker sich geberdet, sich nicht im Mindesten, demWütherich von Gatschina schärsere Maßregeln zu empfehlen— einemKaligula zu sagen, er sei noch nicht grausam genug!Man weiß wirklich nicht, über was man mehr Ekel empfinden soll,über die R o h h e i t oder über die Heuchelei, die einem da entgegen-tritt. Denn natürlich ist die Fürsorge für das Leben d«S Zaren nurerheuchelt— nicht erheuchelt aber ist die Rohheit, die in dem Em-pfehlen schärferer Maßregeln liegt. Sie ist de« Abgottes der„KölnischenZeitung" würdig, der bekanntlich an dem Staatsstreichhelden Bonapart«nur das auszusetzen fand, daß er„zu sentimental" gewesen. Nur keineSentimentalität, das ist heute die Devise; Gewalt und Unterdrückung,Unterdrückung und Gewalt.„Nur keine falsche Milde, Väterchen, mehrmorden, immer mehr morden!" Und darauf geht man in's Theater undapplaudirt schmunzelnd, wenn Schillsr'S Posa dem König Philipp dieKirchhofsruhe Flanderns vorwirst.O wir sind doch nicht umsonst die sinnigste und gestttetste— so lautenja wohl die Modeausdrücke?— aller Nationen der Welt. Was Salletvor vierzig Jahren als Ausnahme geißelte, gehört heut zum„guten Ton":Zertretet uns, ächtdeutsche Junker,Wie in der alten, guten Zeit!Wir schrec'n bei eurem Prunkgeflunker,Wie ächtdeutsch ritterlich ihr seid!Und wenn wir mit zerbrochnem NackenDas Joch geschleppt, jahraus, jahrein,Und rücken endlich die KosakenUnd die Baschkiren bei unS ein:Dann heißt's ächtdeutsch illuminiren,Wo sich nur seh'n läßt der Barbar;Im Transparent, das Blumen zieren,Steht: Vtvat unser Gott, der Zarl— Die Ermordung de« Gegner» ist sicherlich eine dem Gefühldes Kulturmenschen widerstrebende Kampfweis«, aber weran die uns innewohnende Achtung vor dem Leben des Nebenmenschen appel«lirt, von dem darf man billigerweise verlangen, daß auch er Beweisefür diese Achtung an den Tag lege. Handelt es sich um die Ab-schaffung der Todesstrafe, da« heißt darum, daß die wohl-organistrte, mit allen Machtmitteln ausgestattete Gesellschaft darauf ver-lichten soll, einen Menschen, den st« in der Gewalt hat, kalten Blutes vomLeben zum Tode zu bringen, dann rufen uns grade die fanatischstenVertreter der„Ordnung" im Chorus das seichte Warf de« seichten Al-phons« Karr entgegen:(juo msssisurs leg assassins cornmonoent—die Herren Mörder sollen anfangen! Run, mit viel größerem Rechtkönnen wir ihnen mit Bezug auf ihren Abgott, den Zaren, heut- zu-rufen: Quo sa majestö le tsar cornmenco— Seine Majestät der Zarsoll anfangen! Er hat die Macht in Händen, er mag erst zeigen, daße r das Leben seiner Mitmenschen r e s p e k t i r t, ehe wir sein Lebengleich dem des letzten seiner„MuschikS" schätzen werden.Und daß wir mit unsrer Auffassung keineswegs allein dastehen, magfolgendes Zitat aus einem unabhängigen schweizerischen Blatt, dem be>reits öfter von uns zitirten„St. Galler Stadt-Anzeiger", zeigen. Esist kurz nach dem Petersburger Attentat geschrieben:„In Rustschuk ist ein hoher bulgarischer Beamter vonMeuchelmördern angefallen worden. Heroorragende englische unddeutsche Zeitungen(„Times" und„Kreuzzeitung") haben nachgewiesen,daß es mit r u s s i s ch e m Gelde gedungene Mörder waren, welche denBulgaren heuchlerisch nach Rustlchuk gelockt hatten.Der Hallunke, welcher gegenüber dem Fürsten Alexander den erstenBerrath beging, erhielt als Belohnung den höchsten russischenOrden. Die Hinterlaffenen der ehrlosen Offiziere, welche vor einigenWochen bulgarisch- Festungen verrätherisch überrumpelten, erhalten vomZar lebenslängliche Pensionen» ihre Kinder werden auf russisch«Staatskosten erzogen und ausgebildet. Und, wenn so von aller-höchster Seite der Meineid, der Berrath, der Meuchel«m o r d belohnt und gelobt werden, dann wundert man sich, daß Opern-gucker und Schulbücher gefährlich werden können.„Das Gute kommtvon oben."Der Unterschied ist nur, daß die Bulgaren die Mörder und Berräthernicht bestrafen durften, weil„Väterchen" es nicht erlaubte. Bätercheuaber mordet nach Herzenslust, und das„gesittete" Europa, das denBulgaren Milde anempjahl, klatscht ihm obendrein Beifall.Uebrigens, um keinen Jrrthum zu erwecken, verwahren wir un« aus-drücklich dagegen, daß wir die Uljanow, Roworuffiski»c. etwa auf eineStufe mtt den gedungenen Banditen deS Zaren stellen möchten.— Ueber den Prozeß der Petersburger Revolutionäre lesenwir in einem ziemlich objektiv gehaltenen Bericht der Münchener„All-gemeinen Zettung":„Aus der Anklagebank saßen lö Personen, darunter drei Frauen,sämmtlich beschuldigt, einer geheimen sozial-revolutionären Gesellschaftanzugehören, und an der Ausführung de« jüngsten AttentatSversuchsunmittelbar oder mittelbar betheiligt gewesen zu sein oder darum gewußtzu haben. Sämmtliche Angeklagte haben«in Alter von 20 bis 2« Jahren;der älteste unter ihnen, 28 Jahre att, ist O s s i p a n o w, einer der dreimit Bomben am IS. März ausgerüstet gewesenen Studmten; seine beidenGenossen waren Generalow und Andrujuschenko. Der in-tellizenteste unter den Angeklagten ist em gewiffer Uljanow, einjunger Mann von 21 Jahren, der im vorigen Jahr den Gymnasial-kursuS mit einer silbernen Medaille absolvirt hat. Er scheint die Seeleder Verschwörung hier am Orte gewesen zu sein, und ist als einer derhervorragenden Agenten des im Auslande weilenden nihilistischen Exe-kutivkomites zu betrachten. Sein nächster Sehülfe war«in gewisserS ch y r j a j« w, der gleichfall« auf der Anklagebank fich befindet; ebensokam dem Studenten der hiesigen geistlichen griechisch-orthodoxen Aka-demie, Noworossijskij, ein« bedeutendere Rolle zu. Die Frauensind alle unans hnlich, und speziell die Hebamme, welche in dem Villen-ort Pargolowo bei St. Petersburg vorgenommen worden ist, ein äußerstabstoßende«, rohes s?) Wesen. Am meisten Jutereffe weckt unter denFrauen die Braut d«S Andrujuschenko, welche am wenigstenkompromtttirt ist. Den Borsitz de» auS Senatoren und Vertretern derStände bestehenden Gerichts führte Geheimrath Deyer, die Anklageverttat Oberprokurator Rekljudow» einer der theorrttsch und praktischhervorragendsten russischen Juristen. Vertheidiger hatten nur einige An»geklagte, weil die meisten solche abgelehnt hatten. Di« ganze VerHand»lung verlief außerordentlich ruhig und wurde von Geheimrath D-yermit großer Umsicht geleitet; sie fand natürlich bei geschlossenen Thür«statt; nur ewige Beamte des Justizmimsteriums hatten Einlaß und dieEltern von drei Angeklagten auf ihren Wunsch, darunter die MutterUlj anow s, welche aus der Provinz am Prozeßtage in der volle»Ueberzeugung herbeigeeilt war, daß ihr Sohn unschuldig sei, und nun,als sie von der Eisenbahn direkt in den V-rhandlungssaal ellend, vondem Sohne selbst das Bekennwiß seiner Schuld vernahm, ganz nieder«geschmettert war. Einmal kam eS zwischen dem Staatsanwalt und demVertheidiger der Hebamme zu einem lebhafteren Wortwechsel, als de«Staatsanwalt beantragt«, die bei der Voruntersuchung gemachten AuS«sagen de» 14jährizen Sohnes der Hebamme zu verlesen, und der Ver-cheidi�er dag egen protestirte, weil diese Verlesung ungesetzlichsein würde, insofern dem Sohne damals nicht gesagt worden, daßihm das Gesetz das Recht einräume, Aussagen gegen die eigen« Mutterzu verweigern, und er bei der Verhandlung, als ihm als Zeuge«der Präsident Deyer von diesem Recht Kennwitz gab, jede Aussagewirklich verweigerte. DaS Gericht entschied trotzdem(!), dadiese Aussagen schon in der Anklageatte Aufnahme gefunden hätten, denStreit zu Gunsten des Staatsanwalts.Die Angeklagten selbst hielten sich ruhig«ud würdig, leug'neten durchaus nicht ihre Schuld und erklärten, daßsie, wenn man sie freiließe, ebenso handeln würden,wie sie bis jetzt gehandelt haben. Die meisten erklärte»direkt, daß sie keine Gnade wolle«, daß fie gewußt hätten, was siethaten, und daß sie auf den Ausgang, der sie auf die Anklagebank ge«führt, immer gefaßt gewesen seien; sie fielen alS die nothwendigen Opferdes zukünfttgen Sieges ihrer Ideen— mit einem Wort, man begegnetewieder dem aus früheren Prozeffen bekannten Fanatismus für die Ideeeiner sozialen Revolution, mtt welcher Rußland durch unreife Geister,welche kaum die Kinderschuhe ausgezogen, beglückt werden soll. Ambündigsten und klarsten sprach über dies Thema Uljanow, dem de»Vorsitzende sogar bemerkte, daß er ihm das letzte Wort ertheitt habe,damit er versuche, ob er nicht etwas zu seiner Entschuldigung vorbringe»könne, nicht aber, daß er sich noch mehr anllage; übrigens könne eireden, wie er wolle.Sämmtliche lö Angeklagte sind zum Tode durch de»Strang verurtheilt worden, weil die Rttitärgesetzgebung,nach welcher derartige Prozesse gerichtet werden müssen, für B-theiligungan einem Anschlag gegen das Leben des Staatsoberhauptes diese Straf»vorschreibt; doch hat das Gericht selbst von seinem Borrecht Gebrauchgemacht, bei dem Kaiser in ausführlicher Motivirung in Bezug auf achtder Angeklagten um Milderung des UrtheilS vorstellig werden zu dürfe».Unter anderem hat da« Gericht bei der Braut von Andrujuschenko,die nur ahnen konnte, worum es sich handelle, nicht abergenau um die That wußte, Milderung der Todesstrafe bis auszwei Jahre Gefängniß vorgeschlagen. Am 5. Mai wird da» Urtheilrechtskräftig; dann kommt die Sache ins Justizministerium, und vo»dort aus wird es dem Kaiser, der wahrscheinlich noch einigen Angeklagtten die Todesstrafe erlassen wird, vor gest-llt, so daß frühesten» Ende d«Woche«ine Entscheidung zu erwarten fem wird."— Der russischen Justiz hatten wir also doch Unrecht gethan: dieangeblichen Theilnehmer an dem Attentatsversuche deslS.Mäqwerden nicht ohne Prozeß auf langsamerem oder schnellerem Wege ausder Welt geschafft. Es ist ihnen wirklich der Prozeß gemacht worden—hinter verschlossenen Thür«». Mit Ausnahme der, von dem söge«nannten Gerichtshof bestellten Vertheidiger ist Niemandzur Verhandlung zugelassen worden, und den Vertheidiger» selbst wurd«noch obendrein das— übrigen« höchst überflüssige Versprechen abge«nommen, über die Verhandlungen nichts in die Oeffentlichkeit zu bringe«.Ein solcher Prozeß ist natürlich keiner, und im Wesentlichen war alsounsere Mittheilung durchaus richttg. Die Thatsache steht fest— und diesist der springende Punkt— daß das bankrott- Zarenthum nicht mehrdie Kourage hat, im offene» Gerichtssaale seinen Anklägern selbst ent-gegenzutreten. GS mordet fie heimlich.Daß die Angeklagten— denen beiläufig auch der von Amt»weg««veröffentlichte und gebührend zurechtgestutzte Bericht daS Zeugniß heldewhafter Festigkeit nicht versagen kann— verurtheilt wurden, und zwarsämmtlich zum Tode, die Einen zum sofortigen, unmittelbaren;die Andern zum langsamen, aber dafür qualvoller», bedarf keiner bvsonderen Erwähnung.Diese Ankläger und Rächer wären somit glücklich besorgt und auf«gehoben— der Jammer-Zar kann darum aber doch nicht ruhig schlafe«.Hinter jedem Busch, hinter jeder Gardine erblickt er neue Ankläger, neu»Rächer, und in Angst und Schrecken wird er sein elendes Dasein dahin«schleppen, bis das Schicksal sich erfüllt.Dem Zar und dem Zarenthum ist nicht mehr zu helfen. Die Blut«schuld de« Zaren»st zu groß, als daß Amnestie möglich wäre; und nunerst die Blutschuld und das sonstige S chuldverzeichmß de» Zarenthums!Die gemordeten Geister, die gemordeten Völker— das ganze groß»Reich in Schmutz und Nacht versenkt— der Korruption, dem geistige»Tod, der viehischen Brutalität überliefert— polittsch und moralisch zuGrunde gerichtet! Verglichen mit diesem stupiden, rohen Zarenthum wa»das Bourbonenthum de« vorrevolutionären Frankreich ein Ideal vo»Gerechtigkeit, Intelligenz und Sittlichkeit. Und doch mußt- die Sintfluthund Sündfluth der großen Revolution kommen. Denn die Weltgeschicht»'ist da« Weltgericht. Und das Zarenthum, welches eine tausendmalgrößere Last der Schuld und de» Verbrechen« auf fich geladen hat, sollt»der Nemesis entgehen? Nein— die Nemesis hat eS schon beim Schopf,und der scheu im Schloßgarten von Gatschina herumirrend«, vor seine«eigenen Schatten zitternde„Selbstherrscher aller Reußen" ist der lebendig»Beweis dafür, daß das Gericht berettS begonnen hat.— Au»en Pranger mit de« nichtswürdige« Betrüger« tDie Rolle, welche das bsrii�nie Melinit bei den R-ich�tagSwah:-»in der Bismarckspresse gespielt, ist bekannt. GS mußte ganz besonder»dazu herhalten, den Wählern Angst vor den Franzosen einzujagen.Nun, jetzt, wo die Wahlen vorbei, kommt Bismarcks„Norddeutscheund erklärt unverfroren, daß„schon zu einer Zeit, wo di»chemische Zusammensetzung deS Melinit wettere»Kreisen noch nicht bekannt", der Professvr der Chemie.Scheibler, dem Kriegsministerium dieselbe mitgethettt, dieses Versuch»angestellt und sich dabei ergeben habe, daß„fich dieser Sprengstoff mitder Zeit von selbst entmischt, wobei«tickoxydga« oder salpetrige Säur«frei wird.„Da« Melinit," heißt es w örtlich,„eignet sichhiernach nicht zu kriegerischen Zwecke«, wa» man auchM Frankreich schon eingesehen zu haben scheint, da mau von seiner wefteren Verwendung absieht und das bereit« vorhandene Matertal vek»nichtet. DaS Experiment soll Frankreich über 30 Million«»Franken gekostet haben, wovon nur die deutschen PikrinsSure«und Schwefeläther-Fabrikanten einen Nutzen gehabt haben würden."Also al« die Bestellungen auf Pikrinsäure und Schwefel«ä t h e r den Wählern tagtäglich vorgehatten wurden, um ihnen» n g peinzujagen, da wußtea ebendieselben Leute, welche duseZManöver anwendeten, daß von diesen Bestellungen nur di« deutsche»Fabriken Nutzen haben würden. Ist ein schamloserer Betrug denkbar«In der Diplomatie gilt es al« ein Ruhm, einander durch falsch« Vor-spiegelungen hinters Licht zu führen, aber da stehen doch eingestandener-inaßen eittgegengesetzt« Interessen einander geg-nüber. Hier aber wurd«daS eigene Volk schamlos betrogen, betrogen von denen, die sei««besten Freunde zu sein behaupten.Freilich, es ist nicht der erste Betrug. Sett Jahren wird da»«ollgeflissentlich belogen und betrogen, auf daß e« fich willig zu olle« Mc»nipulattonen hergebe, die in den oberen Regionen grade auigeheckt wer-den. Lug und Trug der famose Kulturkampf wider die römischen KuttenLug und Trug der„Schutz der nationalen Arbett", Lug und Tiug jedes-mal, wenn da« Volk an die Urnen berufen wird, sein» V«,tr-t»r»»wählen. Und um dem widerlichen Schauspiel die Krone auszusetzen, stel»sich der Anstifter dieser Lügen jedesmal hinterher hin und jammert dar-über, wie leicht eS für die„gewiffenlose Presse" s-t, Lügen zu verbreite»Es ist wie mit den ewigen Klagen über die Wchrlost�k-tt der Regi«-«ung gegenüber den Agitationen der Oppofitwn. In keine« Lande w