Wir bitten die„Lechzifl« Zeitung" um Antwort, können ihr aber die Versicherung«rtheilen, daß wir trotz alledem und alledem an der Zukunft de» deutschen Volkes nicht verzweifeln. ES gibt noch ein« zweite Jugend, die Jugend de» Volkes— da» junge Proletariat. Und diese Jugend wird die Schmach rächen und sühnen, welche durch das herrschende System über ihr Bater- UaCb und über jene andere Jugend gebracht worden ist. — Moral und«ejchäft. Der von den preußischen SchnapSbrennern geplant«„Spiritus ring" behufs Branvschatzung der Boll»- «rasieu gefährdet neben den Interessen dieser die verschiedener Kategorien der bürgerlichen Seschästswelt, über die sich ein gutkapitalistrsches Blatt, wenn es nicht spezielle» Organ der Schnapsbrenner ist, nicht so ohne weitere» hinwegsetzen darf, als handelte es sich bloS um die paar lumpigen Proletarier, deren Lebens- und G-nußmittel man nach Belieben vertheuert, weil sie sich alles gefallen lassen. So sind denn insbesondere die nationalliberalen Blätter in Heller Verzweiflung, wie sie sich zu dem famosen Brandschatzungiplan stellen sollen. Ihn offen tadelnZ Das ging nicht an, dazu sind die Schnapsbrenner viel zu reichstreue Kameraden, und außerdem ist es ja bekannt, daß der Reichskanzler— auf den Bauch vor ihm!— dem„Schnapsring" seine allerhöchste, nun wie lagen wir doch?— feine allerhöchste Patronaze zugesagt hat und ihm am liebsten in Person beigetreten wäre, wenn ihm seine amtliche Stellung auch diesen Skandal erlaubt hätte. Den„Schnapsring" vertheidizen? Da« ging auch nicht an. Der Raubzug ist zu schreiend, und die Ge- sellschaftsklasse, in deren Jntereffe er unternommen wird, zu gering an Zahl, al« daß sich da« gelohnt hätte. Ts gilt also, einen neutralen Standpunkt finden, von dem au« man Alle belriedigen kann. Und dieser neutral« Standpunkt hat sich gefunden,«S ist der S e f ch S f t S- fiandpunkt. Der Plan der Spiritus-Monopolbank, setzt da» Organ der rheinischen Bourgeoisie, die„Kölnische Zeitung ", ihren Lesern auseinander, ist ledig, «ch ein««ach« des Geschäfts, die Moral hat mit demselben gar nichts zu thun. Kommt sie zustande, machen die Brenner ihr Geschäft aus Kosten der Aermsten der Armen, so ist's gut; machen sie«s nicht, Mißglückt die Bank— nun, so haben sie sich eben verrechnet.<Si ist das ihr« Sache, und es liegt gar kein Grund vor, sich darüber zu erhitzen. Moral und Geschäft sind zweierlei. Das stimmt nun allerding«. Wenn zum Beispiel ein Zeitungsbesttzer dafür, daß er sein Blatt, das er dem Publikum als unabhängig auf- schwatzt, der Regierung zur Verfügung stellt, sich von dieser jährlich etliche Tausend Mark schenken läßt, so macht er unzweifelhaft ein gutes Geschäft. Was aber hat die Moral damit zu thun? Od«r wenn ein Minister, der zufällig auch Schnapsbrenner ist, und »war einer der größten, die Klinke der Gesetzgebung dazu benutzt, die «age der nothleidenden Schnapsbrenner zu verbeffern, so macht der Schnapsbrenner, der nebenbei Minister ist, sicher ein sehr gutes Geschäft. Wird aber irgend jemand behaupten wollen, daß die Moral etwas damit »u thun habe? Oder aber wenn ein der Regierung nahestehendes Blatt den Krieg in „Sicht" oder„auf de« Meffers Scheide" erklärt und damit eine Panik auf. der Börse hervorruft, und ein Banquier, der einen guten Freund im auswärtigen Amt sttzen hat und von diesem erfährt, die Sache sei gar nicht so schlimm, die Artikel bezweckten nur-inen Druck auf den großen Hausen auszuüben, diese seine Kenntniß zu erfolgreichen Börsen- Spekulationen ausnutzt, so wird niemand dem Banquier und seinem Freund vorwerfen, daß sie Moral getrieben hätten. Der Banquier hat «in gutes Geschäft gemacht, das ist alles. Und wenn eine Bande Stiaßearäuber einen Wanderer überfällt und ihm krajt de« Gesetzes des Stärkeren seine Baarschaft abnimmt, so machen die Straßenräuber ebenfalls«in gutes Geschäft, während die Moral gar Nichts--- Nicht doch, da» Beispiel stimmt nicht. Mit dem Geschäft der Straßen- räuber hat die Moral allerdings etwas zu thun, sie verwirft eS. Jedes Kind weiß, daß es unmoraliich ist, Leute gewaltsam auszurauben. Wo aber der Unterschied zwischen der Thätigkeit des gemeinen Wege- lagerers und dem Raubzug der hochadligen wohlangesehenen Schnaps- inrone ic. liegt, das ist das Geheimniß der tugendhaften„Kölnischen Leitung". UnS Heiden ist das Räthsel zu spitzig. — EI« guter vergleich. In einer Broschüre, die zu dem neulich zitirten Erguß über die der Nachwelt wohl unglaubliche Größe des Reichsoberschnapsbrenners-ine paffende Ergänzung bildet, wird Letzterer Mit dem alten slavischen Götzen T r i g l a s s verglichen. Der Vergleich ist in mehrfacher Beziehung treffend. Zunächst von wegen des G ö tz e n> b i e n st e s. Und dann von wegen der slavischen A b k u n s t und dem undeutschen und gegendeutschen TypuS und Wesen. Und endlich von wegen— nun, der Leser wird den Gedankenstrich verstehen und daS Richtige finden, wenn wir nachstehend die Schilderung geben, welche der englische„Heroenkulwi"-Fabrikant E a r I y l e in seinem Buch zur Verherrlichung des„Heroen" Friedrich II. - auch„der Große« benamset, gleich anderen ähnlichen„Heroen"— von diesem slavischen Nationalgott entworfen hat. Also— wir übersetzen wörtlich—' .„Triglaff ist ein d r e i k ö p s i g e s U n g e th 2 m. über die Maß e n häßlich, etwa wie drei zusammengekochte junge Wal» fische oder wie ein dreifältiges besoffenes Meer. s ch w e i n(denn die trübe glotzenden Augen sind u n b e. s ch r« i b l i ch, sowie der ungeschlachte Körper)! häßlichster und stupidester aller salschen Götter." . Ist das nicht ein prächtiger Kerl, dieser„häßlichst- und stupideste aller falschen Götter"? Und die— da»st wieder der fatale Gedankenstrich. Vb-r dreiköpfig ist ER nicht.-...... (Damit man die Uebersetzung nicht bemängle, sei mitgetheilt, daß sie der amtlichen, in der Königlichen Ober-Hofbuch- d r u ck e r e i von Decker gedruckten Uebersetzung wörtlich entnom. M-u ist und dort nachgelesen werden kann.) — Miuderwerthige Gesellschaft. Unter dieser Spitzmarke schreibt die liberale„Reue Steltiner Z-itung":„In einem Berichte aus Bad H-ringsdm findet sich in der durch ihre Krilikioslfleit bekannten Ber- frier„Post" folgende für die Besucher Heringsdorfs während der erst.» Saison recht schmeichelhafte Stelle:„Während in der ersten Saison fr diesem Jahre sich mehr gesellschaftlich minderwerthige Elemente ein- »efunden hatten, ist jetzt wieder die aristokratisch- Gesellschaft, der hohe österreichische katholische(l) Adel , das hohe Beamtenthum und die baut« finance, vertreten."— Zu welcher Gattung der Gesellschaft mag sich Wohl der Einsender dieser plumpen Reklame rechnen?" Die„Post" ist Organ der sogenannten freikonservativen Partei, das heißt derj-niq-n konservativen Partei, deren Konservatismus frei ist von jeder grundsätzlichen Färbung, deren politisches Ideal in der möglichst frnigen V-rbindung der Geburts- und der Geldaristokratie, der Räuber von heute und der Nachkommen der Räuber von gestern besteht. Daß dieser Gesellschaft w der Aera Bismarck-Bleichröder der Kamm besonders schwellen muß, versteht sich von selbst. Vor SO Jahren hätte sie H trotz der„Reaktion", dergleichen Unverschämtheiten nicht erlaubt. Damals steckte ihr eben die l8<3er Revolution noch zu sehr m den Knochen; der heilsame Schrecken, der z. B. den schlesischen Grafen Renard veranlaßle. in einer Wählerversammlung zitternd auszurufen:„Nicht Graf R-nard, Bürger Renard, wenn ich bitten dars," war noch nicht überwunden. Jetzt ,ft er überwunden, gründlich überwunden. Dank der Feigheit d«s deutschen Bürgerthums. Die ehrsamen oder auch nicht ehrsamen Kaufleute, Fabrikanten, Professoren, Richter,»erzte ic. haben es sich selbst, ihrer bodenlosen S-rvilitäl. zuzuschreiben, wenn fie heutzutage w'-d-r. wie vor IS48, öffentlich als minderwerthige Gesell. s ch a s t bezeichnet werden. Sie benehmen sich als Knechte, warum wollen fr ander« behanvell werden denn als Knechte? � . Ueberdies, wer in einem Glashaus« sitzt, soll nicht Mit Steinen werfen. Würde die„Neue Stetttner Zeitung" es ebenso unamtändlg finden, wenn die Fabrikanten,«aufleute. Prosefforen ,c. nun ihrerseits in«e. >UZ au, Kl-inbandw-rker, Klemgewerbtreibend« und Bauern von einer "winderwerthtgen Gesellschaft" reden? Dergleichen soll dämlich zuweilen auch vorkommen. Der Kastengeist herrscht in D-utjchland mallen Schichten der Gesellschaft wieder vor. Knecht«. >'»n au, der einen und dünkelhaft- U-berhebung auf d«r «ndern Seite tritt dem Beobachter auf jedem Schritt entgegen. Ein« gründliche ,« ch ü t t e l m i r t u r" wäre dringend am Platz«. — Kartellbrüderliche Taktik. In Sachsen stehen bekanntlich die Landtagswahlen bevor— Ende Oktober muß der Landtag zusammentreten, und die Wahlen nrüffen doch selbstverständlich vorher stattfinden. Nun schreiben wir aber schon Ende August. Trotzdem ver- lautet noch nichts von dem Wahltermin. Di« Regierung hüllt sich fii undurchdringliches Schweigen; und die gesammte Kartellbrüderschaft thut desgleichen. Natürlich ist'« auf eine lleberrumpelung abgesehen. Ran läßt den Gegner möglichst lange warten, damit er ermüdet werde, und dann platzt plötzlich das Dekret hervor und setzt die Wahl auf den möglichst frühen Termin fest, damit der Gegner möglichst wenig Zeit zur Borbereitung hat. Die Herren Kartellbrüver, denen der ganze Regie. rungs- und Kapital-Einfluß zu Gebot steht und die ohnehin nicht im Lichte des Tages arbeiten— sie wtffen warum— brauchen für sich keine langen�Vorbereitungen. Es bedarf blas eines Druck« auf den Knopf, und jeder Staats- und Gemeinde-Beamte, vom Minister und Kreishauptmann bis hinunter zum kleinsten Ortsvorstand, zieht mit aller Macht an dem Karren der Kartellbrüder. Und dafür, daß die Gegner— daS heißt in diesem Falle die Sozialdemokraten, denn eine andere Oppofi- tionspartei gibts nicht mehr in Sachsen — keine Versammlungen abhalten können, ist bereits gesorgt. Sämmtlichen Wirthen ist unter der Hand bereits mitgetheilt, daß der Regierung ganz besonder« viel daraus ankomme, die Sozialdemokraten auch bei diesen Laadtagswahlen keinen einzigen Sieg erfechten zu laffen; und dazu gehöre, daß sie keine Ber- sammlungen abhalten dürften. Also-- Und so nachdrücklich ist zu den Wirlhen geredet worden, daß auch nicht ein einziger Saal in den vielen Kreisen, wo eine Wahl vorzunehmen ist, den Sozialdemo- kraten zur Verfügung steht. Selbst zu den Zeiten der letzten Reichs- tagswahl war's nicht so schlimm. Man sieht, unsere Kartellbrüder sind doch noch im Stand, etwas zu lernen. Man sieht aber auch, von was für Stoff die Burschen geschnitzt sind. Lichtscheu und feig. Jämmerliche Kerle. Und daS renommirt noch mit seinen patriotischen Thaten! Uebrigens sind unsere Genoffen aus dem Platz — Die Breölauer Untersuchung ist noch immer nicht geschlossen. Wir gaben ja schon früher das Rezept, wie man«ine Untersuchung und die Untersuchungshaft nach Belieben ins Unendliche verlängern kann. Und nach dem Rezept handelt gewiffenhast der Breslauer Staatsanwalt. Er läßt alle Wochen eine frische Verhaftung vornehmen, so daß immer neues Material beschafft wird, das, wenn es auch negative« Mate- rial ist, doch die Möglichkeit gibt, die Untersuchung wieder zu e r ö f f- n e n. Nun— das sind kleine Kniffchen, die zu dem herrschenden System paffen. Uebrigens ist die Nachricht verschiedener Blätter, daS Verfahren gegen Geiser und die anderen fünf aus der Haft Entlassenen sei eingestellt, nicht im Einklänge mit der Wahrheit. Das Verfahren schwebt noch gegen Alle— nur daß-S bisher dem Herrn Staatsanwalt noch nicht gelungen ist, einen bestimmten Anklagepunkt zu formuliren. Jndeß— da wird sich ja wohl schon Rath schaffen lassen. — An die falsche Adresse. In Ostende in Belgien ist e« in der vorigen Woche zu einem Aufstand der dortigen, schamlo« ausgebeuteten Fischerbevölkerung gekommen, der mit der Niederschießung einer Anzahl der Proletarier der Küst« geendet hat. „Die Ursachen des Ausstand««," schreibt man der„Allgemeinen Ztg.", sind dieselben, wie jene, welche die letzten Arbeiterausstände hervorriefen: der Hunger und da» Elend. Die belgischen Fischer führen ein noch viel jämmerlicheres Dasein als die Arbeiter in den Kohlengruben. Ganze Tage und Nächte bringen fie in ihren meist gebrechlichen Barken auf offenem Meere zu, allen Gefahren der Witterung und der Stürme auegesetzt. Die Unglücksfälle sind förmlich zu einer periodischen Erschei. nung geworden, und der Untergang einer Fischerbarke mit allen ihren Insassen wird von den Blättern unter den vermischten Nachrichten wie etwas veröffentlicht, was die Welt nicht besonder« interessirt. Der Jahresverdienst eines belgischen Fischers berträgt für diesen ausopferungs- und gefahrvollen Beruf zwischen 300 und 500 Fr., übersteigt letztere Summe aber niemals. Man muh sich nun fragen, woher eine arme Fischerfamilie mit einem solch jämmerlichen Verdienst ihr Aus- kommen finden soll. Wenn nun die Fischer buchstäblich Hunger» sterben, so ist dagegen die Lage der Händler, welche die Fischmärkte versorgen, eine beneidenSwerthe. Der geringe Arbeitslohn, den sie zahlen, setzt sie in den Stand, ihre Fische billig zu erhalten, aber theuer zu verkaufen. Sie sind inSgesammt reiche Leute und kümmern sich wenig darum, ob ihre Arbeiter darben oder nicht. Verlangen aber die Letztern eine noch so geringe Lohnerhöhung, und stellen sie, da ihnen diese ver- weigert wird, die Arbeit ein, so laffen die Händler ihre Fisch« einfach auS England kommen. Hiebet zngt es sich wiederum, wie vortrefflich die belgische Regierung die Interessen der Wähler wahrzunehmen versteht, wenn auch sonst dadurch Hunderttausende von Nichtwählern geschädigt werden. Während nämlich Enzland und Frankreich die b- Mischen Fischer entweder gar nicht oder nur gegen Leistung bedeutender Zölle und Hasen- gebühren herankommen lassen, ist die Einfuhr englischer Fische nach Ostende weder mit einem Zoll noch mit einer Gebühr belegt. Die bel- gische Regierung, die soeben erst zu Gunsten der Agrarier schutzzöllnerisch geworden ist, bleibt zu Gunsten der reichen Fiichhändler freihändlerisch. Denn nur durch die Zollfreiheit ist es den belgischen Händ- lern möglich, die heimischen Fischer zu wahren Bettellöhnen zu zwingen. Seit vollen zehn Jahren nun petitioniren die belgischen Fischer fort und fort um die Einführung eines Zolles auf englische Fische nach dem Grundsatz der Reziprozität(Gegenseitigkeit). ES wurde auch ein» Kom- Mission eingesetzt, welche eine Menge Tazgelder eingestrichen hat, nachher aber spurlos verschwunden ist. Den belgischen Fischern ist darob die Geduld geriffen, worüber Niemand, der mit ihrer trostlosen Lag« ver- traut ist. sich wundern kann." Daß den belgischen Fischern die Geduld gerissen ist, wundert uns frei- lich nicht, wundern könnte uns höchstens, daß sie ihnen erst jetzt gerissen ist. Jndeß nicht darum handelt es sich hier. Die Frag« ist vielmehr, ob es wahr ist, daß die Z o l l f r e i h« i t die schlechte Lage der Ostender Fischer verschuldet, und diese Frage ist unbedingt zu verneinen. Nicht die Zollsreiheit, bezw. die englische» Hafengebühren verschulden diese schlechte Lage, denn die armen Fischer könnten, auch wenn England alle Hafengebühren abschaffte, nicht nach England exportiren, sintemalen e« ihnen am Nöthigsten dazu fehlt. Di« englischen Hafengebühren hindern die belgischen Fischereirheder durchaus nicht, steinreich zu werden, die englischen Hafengebühren und die französtschen Einfuhrzölle dienen ihnen nur als Vorwand, die Fischer immer schlechter zu bezahlen; nach einem Bericht der„Frankfurter Zeitung " erhält der Fischer vom ErlöS der jedesmaligen Ausfahrt nur»'/. Prozent! Daß«ine so schamlose Ausbeutung der Zollsreiheit geschuldet sei, ist lächerlich, eine Zollgebühr würde an der Lage der Ostender Fischer gar nichts ändern. Was sie drückt, sind nicht die Zollverschiedenheiten, oder dies- doch nur in minimem Grade, sondern das kapitalistisch« A u s be utu n g» s y st« m, wie-S in der Fischerei ausschließlich herrscht, und«S ist ein bedauerliches Zeichen für die Unwissenheit der belgischen Fischer, daß sie ihren berech- tigten Groll von kapitalistischen Soldschreibern aus einen ganz unter- geordneten Faktor ablenken ließen, daß sie gegen die fremden Fischer statt gegen die heimischen Ausbeuter losgingen. Es liegt uns gewiß fern, der gegenwärtigen Pfaffenregierung in Belgien das Wort zu reden, aber wenn sie weiter keine Schuld auf sich gelaven hätte, als daß sie keinen Zoll auf Seefische einsührte. so hätten die liberalen deutschm Pharisäer alle Ursache, ihr gegenüber schönstens den Mund zu halten. Oder ist e« nicht der Gipfel de» Pharisäerthums, wenn z. B. der bel- gische Korrespondent der„Kölnischen Zeitung " am Schluß einer Korr«. spondenz über die Ostender Unruhen pathetisch ausruft: „DaS heute vergoffene Blut aber kommt wiederum über diejenigen, welche die Mittel in der Hand hatten, um der Sklaverei der Fischerei «in End« zu machen. Ich meine dt« großen Herren in der Kammer, die bisher für da» Volk nichts gethan, ob dasselbe sich nun«ckerknecht, Fischer oder Bergmann nennt, während sie schön Gelegenheit sanden. um ihre durch Mißwirth. schaft gefährdeten Gewinne durch Zollauflagen zu retten. Wenn es so weitergeht, könnte es schließlich dahin kommen, daß an jeder belgischen Waare Blut klebt. DaS ist die Folg« der Politik der kapitalistischen Ausb«utung, welch« d«m Armen nicht» darzureichen weiß, al» di« Schnaps« flalche, und nicht de» guten Beispirl» achtet, welche« in Nachbarländern geboten wird." „Da» gut« Beispiel in den Nachbarländern" l Daß dem Kerl, ber da» schrieb, nicht die Dinte in der Feder stocktet«l» ob fich diese»„gute Beispiel" in dem gemeinten Nachbarlande nicht darauf beschränkt«, dach man dem Armen die SchnapSflasche— noch vertheuert hat! Im Uebrigen stimmt bekanntlich Wort für Wort dessen, wa» der Kor» respondent der Kölnerin von den hohen Herren in der belgischen Kammer sagt, auf di« hohen Herren im deutschen Reichstag, di« ebenfalls nur darauf bedacht waren und sind, ihre durch M i ß w i r t h s chast gefährdeten Gewinn- durch Zollauflagen, u retten. Vielleicht reißt auch einmal den immer schamloser getretenen deutsche« Arbeitern die Geduld, und dann wollen wir uns daS Wort der KA- nerin merken: Auf diejenigen daS vergossene Blut, die di« Politik der kapitalistischen Ausbeutung bi» aufö Seußerst« getrieben! — Zum«uflösnngSProzeß der bürgerliche» Gesellschaft» Wir l-ien im„Philad. Tageblatt": „E i n O p s e r i h r e s B e r u f e s. Die Leiche der Mr«. Scott ist vorgestern von England hier angekommen. Was interessirt un» da»? mögen unsere Lsser fragen. Aber nur gemach. Mr«. Scott(eine S hwiegertochter des verstorbenen Tom Scott, Präsidenten der Penn» syloania Eisenbahn) ist ein Opfer ihres Berufe». Und ihr Beruf war. di« leitende Dame der„Gesellschaft" von Philadelphia zu sein. Sie starb plötzlich am 20. Juli in London , wohin fie sich mit anderen aus der Gesellschast begeben hatte, um sich bei der Ju« biläumS-FeierimGlanz der britischenKönigSsonne und in deren Abglanz, repräsentirt durch das britische Aristokratenthum» zu sonnen. Die„Pflichten ihrer hohen sozialen Stellung" zwangen fie dabei, sich solange in aufregenden Festlichkeiten herumzutummeln, bis sie erschöpft— ein Opfer des Millionär. Beruf», wie ste ihn in ihrer Heimath gelernt hatte— niedersankt Während des ganzen Monats vor ihrem Tode war sie in einem«N- unterbrochenen Wirbel von Vergnügungen befangen, die ihre Gesundheit stark mitnahmen. Da sie das Abnehmen ihrer Kräfte empfand, so griff sie zu dem Mittel, täglich und zuweiten sogar zweimal des Tag» türkische Bäder von sehr hoher Temperatur zu nehinen. Die unvermeidliche Wirkang zeigte sich bald: der vollständige Zusammenbruch ihrer Lebens» geister. Ein Herzschlag machte ihrem Dasein ein End«. Haben nun un>ere Leser noch immer keine Sympathie für diese»«n- glücklich- Opfer der„Gesellschaft?" Wenn nicht, dann müssen fie Herzen von Stein besitzen. Sie sollten nur die langen, langen Artikel in der englischen Presse lesen über das„gesellschaftliche Talent" der Dame, über die Genialität zu„repräsentiren". Feste zu arrangiren. Sie sollten die Wehklagen lesen über den unersetzlichen Verlust, den tne „Gesellschaft" erlitten, über die bange Ungewißheit, ob sich auch eine würdige Nachfolgerin als„leitende" Dame der Gesellschast von Phila» delphia finden werde. Man befürchtet bittere Kämpfe u>»t«r den Ri» valinnen um die hohe Ehre, die„Gesellschaft" ist in Aufregung, und wenn sie erst aus Europa und den Bädern zurückkommt, so mag e» einen Krakehl absetz n, gegen den der Streit unter den politischen Draht» ziehern McManus, Leeds , Dißlon und Lane um die Beute im nächsten Herbst in Nichts verschwindet. Sind unsere Leser jetzt noch immer nicht interessirt in dieser wichtigen Affaire? Unsere Kunst, sie zu rühren, ist erschöpft."— Uebrigens ist Frau Scott nicht da» einzige Opfer ihre» edlen„Be- russ". Er fordert vielmehr tagtäglich seinen Tribut. Während Tau- sende und Abertausende von Proletariermädchen und Frauen den lang» samen Hungertod sterben, sterben die Töchter ihrer Ausbeuter im Taumel von Vergnügungen, die für sie selbst eigentlich mehr F r o h n» dienst« sind, aber von ihnen oft mit einer wahren Todesverachtung absolvirt werden, die an antike Heldengröße mahnt. Solche Erschein. ungen aber— wahnsinnige Opfer hier und verbrecherisch Geopfert« da— zeugen nur für oen nothwendigen Zusammenbruch de» Ungeheuers, „moderne Gesellschast" genannt. — Die Sozialreform zum Lachen, so Winziges sie bisher ge» leistet, ist dem deutscheu Ausbeuterthum schon zu viel. Im neue» flen Jahresbericht(sür 1883) der Kasseler Handelskammer gibt sich die„Industrie"— poetische Umschreibung für Jndustrie-Unter- nehmer, wie Landwirthschaft für Grundbesitzer— daS Zeugniß, daß sie „die ihr durch das Krankenkassengesetz auserlegten Lasten in richtiger Wür- digung der dem Arbeiterstande damit erwiesenen Wohlthat bereitwillig auf sich genommen hat(es ist wahrhaft rührend).„Jndeß," wird sirtge» jammert,„ist nicht zu leugnen, daß ihr, so lange die anderen Kulturländer zögern, durch die Gesetzgebung ähnliche Boriheile dem Arbeiterstande zu- zuwenden, durch die höheren Lasten di« Konkurrenz auf dem Wettmarkt erschwert wird." Es ist notorisch, daß Deutschland von allen Industrieländern die niedrigsten Löhne zahlt, und es ist ferner notorisch, daß die Beiträge der Unternehmer zu den Krankenkassen der Arbeiter nicht im Entferntesten di« Differenz ausgleicht, welche zwischen dem Lohn« deS deutschen und dem des amerikanischen oder deS englischen Arbeiters besteht. Wozu also das Gejammer? Es beweist nur, daß eS mit der gerühmten Bereitwilligkeit angesichts des edlen Zweck? nicht weit her war, und daß di« Herrschaften jede wirklich ernsthaste Maßregel zur Ver» besserung der Arbeiterlage, als von der Industrie nicht zu tragen, von vornherein abwehren möchten. Immer bescheiden, das ist die Hauptsache. — Die„Londoner Arbeiier-Zeitung" veröffenilichi in ihrer neuesten Nummer di« in Rr. 34 unseres Blattes erschienene Einsendung der Münchener Genossen und bemerkt dazu: „Die Münchener Genoffen sind also nicht ganz mit uns einverstanden. Da sie uns aber wenigstens prinzipiell beipflichten, so wollen wir nicht mit ihnen rechten. Ueber Temperaments- und GeschmackSverschiedew heilen läßt sich ja nun einmal nicht streiten. Die ergebene Selbstver- tröstung aus den nach„sechs langen Jahren"(!) zu erhoffenden„Sieg" ist offenbar eine Sache des Temperaments. Und da» Andre— wir denken da speziell an Grillenberger— ist Geschmackssache. Uebrigen» war besagte Resolution weniger auf die Münchener al« auf die Fürther Genossen gemünzt." Im unmittelbaren Anschluß an diese lesen wir sodann folgende Notiz: „Kein Paktiren, kein Kompromiß! Daß böfeS Beispiel mitunter— nämlich wenn e» abschreckend wirkt— auch gute Sitten erzeugen kann, beweist die nachstehende Nachricht au» der Schweiz :„Die Arbeitervereine dei Zürcher Bezirks beschlossen, für die Erneuerungswahlen der S Nationalräthe des Wahlkreises am 30. Oktober zum ersten Male auf ein Zusammengehen mit den Demo- kraten zu verzichten und eine reine ArbeilerUste aufzustellen. Einstimmig werden aufgestellt: Vogelfänger, Conzett, Jtschner, Greulich, Schäppi." Hoffentlich ist das nicht blas zum„ersten," sondern von»un ab für alle Mal." Wenn da»„böse Beispiel" auf di« Fürther Genossen gemünzt ist, so so mag sich die„Londoner Arbeiterzeitung" beruhigen. Was die Zürche» rische Arbeiterschaft jetzt thut, unterscheidet sich keineeweg» grundsätzlich von dem Vorgehen der Fürther Genossen bei der letzten Landtagswahl. Rationalrath Schäppi, der auf ihrer Ltste figurirt. ist ein sehr achtbarer Befürworter von Arbeiterschutzgesetzen, aber keineswegs Ardeitervertreter im Sinne der Sozialdemokratie und steht zu unserer Partei in durchaus keinem anderen Verhältniß als Herr Evora in Fürth . UeberdieS genügt«in Blick in die„Arbeitsrstimme", um sich zu übe>zeugen, daß ganz andere Verhältnisse eS sind, welch« die Zürcherische Arbeiterschast zu ihrem Vorgehen bestimmten, als daS„abschreckende Beisprel der Füriher Genossen. Wer sich so überlegen geberdet, wie di- Redaktion der„Arbeiter Ztg.". sollte sich doch wenigstens bemühen, di- that. sächlichen Verhältnisse möglichst genau zu studiren. ehe er sein Urtheil abgibt. Oder ist daS auch„GefchinackSsache"? — Der«ltonaer Prozeß weg«« Verbreitung verbotene» Schriften rc.— der bescheidene Rest deS großen, vom bieder» Engel entdeckten Komplotts— hat mit der Be r ur th e ilung von fünf der Angeklagten(Fichtner, Frank,«bel, Steiufatt und Mütze) zu je fünf Monaten Gefängniß, unter Anrechnung von 3 Monate« Untersuchungshast, und vollständiger Freisprechung der Uebrigen(Böhle, Chevalier, Müller, Schumacher, Vita Huck, Molkenbuhr und Frau Mutzfelb) geendet. Di« Verhandlungen boten ein charakteristisches Bild der neudeutschen Recht»- bezw. Unrecht«» zustände. Einbrechereien der Polizei und„uertrauliche MittheUungea",
Ausgabe
9 (2.9.1887) 36
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