' voraus, dessen Spitze ausschließlich darin gipfelte, daß das genannte Arbeiterilatt sich gegenüber dem Tode des Kaiser? Wilhelm aus Mit« theilung de? Thatsächltchen beschränkt und des Weiteren folgende Warnung gebracht habe: „Aus Nah und Fern":„Wir glauben mit der Mahnung am Platze »u sein:„Arbeiter, laßt euch nicht zu unbedachten Aeußerungen hinreißen", denn in einer so bewegten Zeit, wie gegenwärtig, entstehen die meisten Rajestätsbeleidigungsprozefle." Es genügt nicht, daß das Arbeiterblatt gegenüber dem Todten schweigt — nein, sein Schweigen wird ihm sogar zum Verbrechen angerechnet Wer schweigt, kalkulirt da» Reptil, thut dies nur, weil er Gedanken hegt, deren Aeußerung strafbar wäre, f o l'g l i ch ist auch sein Schweigen strafbar. Es ist ein hochverrätherisches, majestätsbeleidigendes Schweigen, ein„den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung in einer den öffentlichen Frieden und die Eintracht der verschiedenen Bevölkerung»- klaffen bedrohenden Weise" predigendes Schweigen. Glaubt man etwa, wir übertreiben? O so lese man, wie da» Reptil weiterhin die sehr vernünftige Warnung der„Hessischen Bürgerzeitung" tommenttrt. Es schreibt dazu: Was heißt das?„Bewegte Zeit", bewegt denn doch nur durch den Tod des Kaisers und die Thronfolge deS Kronprinzen. Die Aeußerungen, welche anläßlich dessen, die Arbeiter(im Sinne der H. B.«Z."j unbedacht, d. h. ihrer innersten Gesinnung freien Lauf lassend, thun, sind, also nach der Auffassung dieses Blattes natürlicherweise nur solche, welche geeignet sind, Anklage der Majestätebeleidigung hervorzurufen! Ange- ficht, der Majestät deS Todes, angesichts der Tragik des Schicksals des neuen Kaisers hat das sozialdemokratische Blatt auch nicht die mindeste Spur der Theilnahme, sondern nur die Warnung, man möge sich nicht durch Offenbarung der wahren, d. h. der gehässigsten Gesinnungen, Anklage zuziehen! So weit entfernt sich die sozialdemokratische Presse von dem Denken und Fühlen der ganzen Nation l— Aber, wendet man ein, warum und gar so umständlich sich mit einem nur wenig gekannten Blatte befassen, redigirt von irgend Jemanden, dem die Verantwortung für sein Thun und Lassen lediglich persönlich zukommt?— Antwort: In der vorstehend gewürdigten B-chandlung der unsere Fürsten betreffen- den Angelegenheiten ist offenbar System, und dies ist nicht im Kopfe des Darmstädter Redakteurs erwachsen, sondern geht von der sozial- demokratischen Parteileitung aus. Man will die Arbeiter und darüber hinaus, von dem Denken und Fühlen der Nation trennen, man will sie an die Anschauung gewöhnen, unsere staatlichen Verhältnisse seien für ste gleichgültig, unsere Fürsten für sie gar nicht da. Und dies System wendet sich jahraus jahrew scheinbar harmlos an ein Publikum, das den Pferdefuß gar nicht merkt. DaS sollte unbedenklich und für den, welchem die Erhaltung staatlicher Ordnung MwaS gilt, gleichgiltig sein?" Natürlich nicht, und darum überläßt e» Herr Finger nicht der„ganzen Nation", von deren„Denken und Fühlen" die sozialdemokratische Presse fich nach ihm„so weit entfernt", deren Thun durch Nicht> Abonnement tu strafen, sondern er verbietet kurzweg das Organ der Darmstädter Arbeiter. Es hat nicht geschimpft, eS hat nicht„aufgereizt"— in dem Artikel de»„Darmstädter Tageblatt" heißt es von ihm ausdrücklich: „Die Schreibweise ist, wohl infolge deS Sozialistengesetzes, meist nicht schärfer als in deutfchfreisinnigsn und demokratischen Blättern, und daß sich das Blatt mit den Interessen der Arbeiter beschäftigt, läßt sich nicht beanstanden." Aber viel bezeichnender dagegen ist die Tendenz des Blattes in dem, was es nicht sagt! Ss heuchelt nicht, und darum muß es unterdrückt werden. Wo findet man im Frankreich des zweiten Kaiserreichs eine gleiche Schamlosigkeit? — Der Streit um da» Heine» Denkmal ist vorläufig ver« stummt, mit einer Stimme Mehrheit hat der Rath der Vaterstadt des Dichters die Ausstellung des Denkmals beschloffen. Wir müssen gestehen, daß uns dieser Ausgang der Sache gar nicht imponirt, lieber gar kein Denkmal für den Dichter des„Atta Troll " und des„Winter- Märchen", als ein so mit Hängen und Würgen zustande gebrachtes. Ja, wenn der Stöcker und sein« Studenten-Garde ihre Opposition gegen die Errichtung des Denkmals aufgeben würden, so hätten wir große Lust, sie unffctseit» aufzunehmen. d-!U> in. oder vielmehr von dem heutigen Deutschland gebührt Heine wirklich kein Denkmal— das mag einer andern Zeit vorbehalten bleiben. Wir nannten oben da«„Wintermärchen"— nun. man lese die fol« gende Stelle au» der Vorred« zu diesem Gedicht(nicht zu verwechseln mit dem„Reuen Wintermärchen" dei inzwischen sehr reichsfromm ge> wordenen„Heine ll."), und man wird uns Recht geben, daß die Zeit für ein Heine-Denkmal noch nicht gekommen ist: „WaS ich aber mit noch größerem Leidwesen voraussehe, das ist daS Zeter jener Pharisäer der Nationalität, die jetzt mit den Antipathien der Negierungen Hand in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochachtung der Zensur genießen und in der Tageipreffe den Ton angeben können, wo es gilt, jene Gegner zu befehden, die auch zugleich die Gegner ihrer allerhöchsten Herrschaften sind. Wir sind im Herzen gewappnet gegen das Mißsallen dieser heldenmüihigen Lakaien in schwarz- roth- goldener Livrse Ich hör« schon ihre Bierstimmen:„Du lästerst sogar unsere Farben, Verächter des Vaterlands, Freund der Franzosen , denen du den freien Rhein abtreten willst!" Beruhigt euch. Ich werde eure Farben achten und ehren, wenn sie es verdienen, wenn sie nicht mehr eine müßige oder knechtische Spielerei sind. Pflanzt die schwarz-roth-goldne Fahne aus die Höhe de» deutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschenthums, und ich will mein bestes Herzblut für sie hingeben. Beruhigt euch, ich liebe da» Vaterland eben so sehr, wie ihr. Wegen dieser Liebe habe ich dreizehn Lebensjahre im Exil verlebt, und wegen eben dieser Liebe kehre ich wieder zurück in's Exil, vielleicht für immer, jedenfalls ohne zu flennen oder eine schiefmäulige Duldergrimaffe zu schneiden. Ich bin der Freund der Franzosen , wie ich der Freund aller Menschen bin, wenn sie vernünstig und gut sind, und weil ich selber Vicht so dumm oder so schlecht hin, als daß ich wünschen sollte, daß «eine Deutschen und die Franzosen , die beiden auSerwählten Völker der Humanität, sich die Hälse brächen zum Besten von England und Ruß- land und zur Schadenfreude aller Junker und Pfaffen dieses Erdballs. Seid ruhig, ich werde den Rhein nimmermehr den Franzosen abtreten. Elsaß und Lothringen kann ich freilich dem deutschen Reiche nicht so leicht einverleiben, wie ihr es thut, denn die Leute in jenen Landen hängen fest an Frankreich wegen der Recht«, die sie durch die französische StaatSumwälzung gewonnen, wegen jener Gleichheitsgesetze und freien Institutionen, die dem bürgerlichen Gemüthe sehr angenehm sind, aber dem Magen der großen Menge dennoch Vieles zu wünschen übrig lassen. Indessen die Elsässer und Lothringer werden sich wieder an Deutschland anschließen, wenn wir Das vollenden, wa» die Franzosen begonnen haben, wenn wir diese überflügeln in der That, wie wir e» schon gethan im Bedanken, wenn wir uns bis zu den letzten Folgerungen desselben empor« schwingen, wenn wir die Dienstbarkeit bis in ihrem letzten Schlupfwinkel, dem Himmel, zerstören, wenn wir den Gott, der auf Erden im Menschen wohnt, aus seiner Erniedrigung retten, wenn wir die Erlöser Gottes «erden, wenn wir das arme, glückenterbte Volk und den verhöhnten Benius und die geschändete Schönheit wieder in ihre Würde einsetzen, wie unsere großen Meister gesagt und gesungen, und wie wir es wollen, wir, die Jünger. — Ja, nicht bloS Elsaß und Lothringen , sondern ganz Frankreich wird unS alsdann zufallen, ganz Suropa, die ganze Welt— die ganze Welt wird deutsch werden! Von dieser Sendung und Universal« Herrschaft Deutschlands träume ich oft, wenn ich unter Eichen wandle. Das ist m e i n Patriotismus." Das ist aber nicht der Patriotismus, wie er heut in Deutschland Rode ist, und darum, liebe, brave Stadtväter von Düsseldorf , überlegt Euch die Geschichte noch einmal und laßt lieber irgend«inen Eurer «eltberühmten Mostrichfabrikanten in Stein auShauen. — In unserer vorletzten Nummer konstatirten wir bereit», daß der TrauerktUtuS um den verstorbeneu deutschen «aiser mehr Rodesache al» irgend etwas andere» sei, und wie er allmälig zum retnen Sport ausarte. Wir wiederholen die Worte Mode und Sport ausdrücklich, weil wir sie jetzt in einem deutschen Blatt wiederfinden, das in Loyalitätsbetheuerungen gegen das preußisch-deutsche Herrscherhaus hinter keinem andern zurückgestanden. Wir meinen die „Kölnische BolkSzettung". Da» Organ der rheinischen Ultra- Montanen schreibt: „Mit dem vollen Bewußtsein, in ein Wespennest zu greifen, erlauben wir an», ein deutliche« Wort gegen die augenblicklich grassirende Leiden« schaft für K a i s e r> D e n k m S l e r zu sagen. Noch vor der Beisetzung des Kaisers hat man in Köln den Anfang gemacht, ein Theil der Stadt« verordneten und die Verwaltung wurden förmlich überrumpelt durch den Antrag aus Bewilligung für ein in Köln zu errichtendes Denkmal. Vorbereitet war der Antrag selbstverständlich in keiner Weise; aber es mußte Hals über Kopf angenommen werden. Anscheinend sollte die Stadt Köln nun einmal um jeden Preis die erste sein; Ausführung de« Denkmal», Kosten(für die eventuell doch vermuthlich wieder die Stadt aufkommen müßte) und sonstige Kleinigkeiten— alles Nebensache. Das Beispiel hat gezündet: um die Wette werden jetzt die Denkmäler aus größeren Städten angemeldet. Düsseldorf . Elberfeld - Barmen, Krefeld , Essen, Aachen , Breslau , Straßburg und München fallen uns gerade ein. Geht es in diesem Styl fort, so wird die ganze Sache Mode: eS gibt wieder so und so viel Standbilder zu Fuß und zu Pferd, von denen zwölf aus das Dutzend gehen. Das wollen wir nicht. Kaiser Wilhelm ist eine zu bedeutsame geschichtliche Erscheinung für Denkmäler nach der Schablone. Man setze ihm ein mächtiges, wahrhaft künstlerisches, sein Herrscherwirken wirklich kennzeichnendes Monument, ein National- Denkmal nach Art der herrlichen Schöpfung auf dem Niederwald, wie es offenbar unsere parlamentarischen Körperschaften planen; besser hier- für Willionen, als daß man die gleiche oder eine noch größere Summ- mit Hunderttausenden und Zehntausenden in so und so viel Städten für nichtssagende Standbilder verzettelt. Es gibt Leute, welche PatriottSmus und Loyalität treiben, als handle eS sich um ein Wettrennen oder einen sonstigen Sport. Diese werden vermuthlich über uns herfallen, die besonnenen Leute werden uns Recht geben." Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß wir auch über das„National- Denkmal" anders urtheilen als die„Kölnische VolkSzeitung", daß nach unserer Ansicht auch dieser Vorschlag unter die Rubrik des neuesten Sports gehört. Heut hat man aber die Sache so in'S Maßlose über- trieben, daß Das sich schon„besonnen" nennen darf, was ehedem alS widerliche Uebertreibung galt. — Rur konsequent. In deutschen Zeitungen lesen wir:„Miß- brauch der Offiziersstellung. Der Premierlieutenant der Landwehr von Albert berief kürzlich eine Versammlung des Kriegervereins in H o r k a in Niederschlesten und nahm sich heraus, vor demselben zu erklären, er komme in Uniform auf Befehl deS Bezirkskommandoi Muskau in seiner Eigenschaft als Bezirksoffizier der S. Kompagnie. DaS Bezirkskommando sei durch Allerhöchst« Kabinetsordre und Erlaß des Kriegsministeriums aufgefordert worden: Kriegervereine, welche bei den letzten Wahlen regie- rungsfeindlich gestimmt hätten, unter direkte Aufsicht ihrer Bezirksosfiziere zu stellen!! Es seien ihm nun speziell die Vereine Horka und Geisers- dors zur politischen Bearbeitung unterstellt worden, welche beide in vor- bedachtem üblen Rufe ständen. Weiter„befiehlt" Herr Premierlieutenant Albert dem Vorsteher de» Miliiärvereins, demnächst«ine Versammlung anzuberaumen und den Kameraden„mit möglicher Schärfe" zu eröffnen, daß es keinem a l t e n S o l d a ten u nd M i t g l i e d e e i n e S Kriegervereins, welch- unter dem Protektorat deS Kaiser» stän- den, gestattet sei, gegen die Regierung und somit gegen den obersten Kriegherrn zu stimmen. Wem die Person deS Regierungskandidaten nicht genehm sei, der solle lieber zu Hause bleiben!! Wer das nicht thun wolle, soll ans dem Verein austreten- Aus die Verwahrung des Vorstehers, daß es dem Verein statutenmäßig nicht ge- stattet sei. Politik zu treiben, meinte v. Albert hesttg:„Wenn Sie in diesem Sinn für die Regierung wirken, treiben Sie nicht Politik, aber wenn Sie einem oppositionellen Kandidaten Ihre Stimme geben, dann treiben Sie Politik." Der Mann ist wenigstens offenherzig. F-ü r die Regierung ist AlleS erlaubt, gegen die Regierung nichts. Man sollte dann aber auch konsequent sein und den Verkaffungs- Paragraphen, welcher den Soldaten das Wahlrecht nimmt, ab« schaffen. WaS den alten Soldaten recht ist, ist den j u n g e n billig. Und so gut eS die Pflicht der„alten Soldaten" ist, für die Re> gierung und den obersten Kriegsherrn zu stimmen, ebensogut ist dies auch die Pflicht der jungen Soldaten. Und wie sehr würde da» Wahlgeschäst auf diese Weise vereinfacht. Die Abstimmung ginge mit militärischer Präziflo» vor fich— kompagnieweise hätten die Wähler anzutreten. Und wenn man jeden Deutschen männlichen Geschlecht» in die Stamm« rolle eintrüge und den Militäreid schwören ließe, so würde die militä« tische Disziplin Wahlen erzielen, wie kein anderes Kulturvolk sie je fertig gebracht hat: alle Mann ein st immig für dt« Regie« rung und den obersten Kriegsherrn. ?robatnw est. —„Echt hohenzollerisch." Al»„durchaus verbürgt" berichtet die Berliner „National-Zeitung", das Organ des Berliner Profefforenthums: „Aus den ersten Trauertagen nach dem Tode de» Kaiser » wird fol- gender echt kindlicher und zugleich echt hohenzollernscher Zug von dem Sohne des Kronprinzen, dem kleinen Prinzen Wilhelm berichtet. AIS man demselben mittheilte, daß der Urgroßvater todt wäre, fragt« er, waS da« heiße und wa» nun aus dem Urgroßvater würde. Man sagte ihm, daß sein Leib im Sarge ruhe und dann in die Gruft von Chat- lottenburg gebracht würde, und daß seine Seele in den Himmel zu Gott ginge und er dort einen neuen Leib bekäme.(!) Ohne Be- sinnen fragte der kleine Prinz:„Aber nicht wahr, seinen Säbel nimmt der Urgroßvater doch mit in den Himmel?" Wenn vieser„Zug" irgend etwas beweisen soll, so zeigt er höchstens, daß dem kleinen„Hohenzoller" schon von frühester Jugend an der K u l- t u s des Säbels beigebracht wird, daß man ihm einpaukt den Säbel als etwas besonders Hohe« und Herrliches zu verehren DaS ist allerdings„echt hohenzollerisch" und namentlich bei der bekannten Gesinnung des Vaters des Knaben sehr begreiflich. Daß eS aber schön sei, daß daS deutsche Volk eine solche Denkart womöglich bewundern soll, eine solche Zumuthung kann nur in der verkommensten Bedienlen-AtmoS- phäre gedeihen. Das„Kindliche" an der Antwort geht nicht über da» Niveau de» Allergewöhnlichsten hinaus, was Kinder deS betreffenden Alters zu leisten pflegen, und das„Hohenzollerisch-" ist— der Säbel. Der Säbel, der Säbel und wieder der Säbel, und in Ekstase geräth darob die Gesellschaft, die sich die geistige Elite nennt de« Volte« d, r Denker! — Wo steht da«?„Urach , 18. März. Verehrliche Redaktion de»..... I Zur Nachricht, daß die hiesige Stadt, resp. Bürgerschaft. die Todtenfeier von Kaiser Wilhelm würdig gefeiert hat, doch kann ich nicht verschweigen, daß das K. Oberamt und das K. Forstamt nicht ge- flaggt haben, obwohl beide Häuser sogar voriges Jahr vom Kameralamt neue Fahnen bekommen haben. Diese Unterlassungssünde wurde in hiesiger Stadt sehr mißliebig wahrgenommen. Es könnte gar nicht» schaden, solches zu veröffentlichen, weil Tags zuvor ein Be« amter in einer Wirthschaft noch geäußert haben soll, es lohne sich nicht, Unkosten aufzuwenden, denn die Sache sei ja doch bald vorbei, dagegen haben die Kaufleute den ganzen Tag die Läden geschlossen gehabt und dt« übrigen Gewerbe haben auch geruht." „Für solche, die es nicht wissen sollten, bemerken wir zunächst, daß Urach in Württemberg liegt. Das steht also gewiß, denkt der Leser, in irgend einem kartellbrüderlichen Organ des an solchen so reichen Schwabenlandei, etwa im„Schwäbischen Merkur", oder in der„Wärt- tembergischen Landeszeitung". Fehlgeschossen! Das ist wörtlich zu lesen in dem zu Stuttgart erscheinenden„Beobachter", dem Organ der Schwäbischen V o l k s p a r t e i. Ein Blatt, das sich al» getreuer Eckardt der demokratischen Freiheit aufzuspielen pflegt, gibt sich zum Kolporteur einer Denunziation wegen unterlassener Be« flaggung am Begräbnißtag des Kaisers hin.„Unglaub- lich, aber wahr und— erklärlich" schreibt man uns.„Mittels solcher heuchlerischen Wettkriecherei suchen die Königl. Württembergischen und jetzt auch Kaiserlich deutschen Hofdemokraten Stimmenfang für die nächsten Wahlen zu machen." Wohl bekomme ihnen diese Arbeit— pour le roi de Priuael — Zeichen de» Verfall».„In dem Maße, als einig« Reichen ihre Macht durch vermehrten Reichthum steigerten, sanken die Uebrigen in vergUlchrnigsweise Schwäche, und da die Gewalt hinwieder größeren Reichthum brachte, so wurde daS Mißverhältniß zwischen den Bürgern in Beidem täglich größer. So konzentrirte sich die Macht in den Händen der allerreichsien Bürger und ei wurde die hassenSwertheite aller Aristokratteen begründet— die Geldaristokratie. „Die Aristokratie des Reichthums ist eben dadurch gehässig und ver- derblich und sie kann kaum aufkommen oder bestehen, ohne Ertödtung der moralischen Begriffs, denn es wird die Achtung, welche dem Ver« dienst und der Tugend gebührt, dem Geld erwiesen und mit dem Geld« werden auch die Mittel, zu demselben zu gelangen, geehrt. Betrug und Raub sind gerechtferttgt, wenn sie nur reichen Gewinn bringen; die niedrigste Selbstsucht hebt frech das Haupt empor, Uneigennützigkett und Großmuth werden verspottet. Weiter: je größer der Reichthum der Einen, desto vollständiger— da durch natürliche Anziehung daS Geld dem Gelde zufliegt— wird meistens die Srmuth der Andern. Hierdurch theilt sich dann ein Volk in zwei äußerst ungleiche, feindselige Klaffen; die eine, die in der Fülle des Genusses schwelgt, übermüthig und über- mächtig ist: die andere elend, unterdrückt, ohnmächtig, voll Haß gegen die Reichen, und gleichwohl denselben feil. In solcher Lage wird der Staat unheilbar verderbt, welches auch seine Form sei." So schildert der sehr gemäßigte Geschichtsschreiber Rotteck die Zu« stände im— R ömischen Reiche zur Zeit des Verfalls. In D e u t s ch- land züchtet Bismarck Millionäre und unterdrückt die Koalitionen der Arbeiter. — Worte und Thaten. Liberale Blätter zitiren folgenden»u«- spruch, den Friedrich III. als Kronprinz bei der Einweihung de« neuen Logengebäudes, der Loge„Royal Jork zur Freundschaft" als Antwort auf einen ihm gewidmeten Trinkspiuch gethan: „Sie wissen, daß Ich Meine Kräfte bereitwillig den edlen Zwecken der Freimaurerei widme, und hierin nicht nachlassen will, so lange der Bund seinen Grundgesetzen treu bleibt. Innerhalb der mehr als fünfundzwanzig Jahre aber, welche verstrichen, seitdem Ich zu der Ueberzeu« gung gelangt, daß, während die Zeit, in der wir leben, Licht und Aufklärung verlangt, die Freimaurerei sich solchem Streben nicht verschließen soll. Wir Maurer dürfen i m Forschen und Prüfen nicht rasten. Wir dürfen an dem Her- kömmltchen, selbst wenn es uns theuer und werth geworden ist, nicht darum festhalten, weil wir eS als Ueberlieferung empfangen haben, weil wir uns in daffelbe wie in eine Gewohnheit nun einmal eingelebt haben. Auch bei uns heißt es: Nicht Still st and, sondern Fortschritt. Mit dem Vertrauen, daß solches frisches freimaurerisches Leben unserem Zeitalter beschieden ist, trat Ich heut« unter Sie. Schließen wir uns zur Förderung desselben immer fester und fester aneinander, und reichen uns die Hände zum schönen Bunde. Das sind vielversprechende Worte, und wir finden es gan, in der Ordnung, jetzt an sie zu erinnern. Nach den T h a t e n des nunmehr König und Kaiser Gewordenen wird man ihren Werth erst recht zu würdigen Gelegenheit haben. — Ein« recht interessante Statistik veröffentlicht der Berliner Fachverein der Buchbinder und verwandten BerufSge» Nossen . Dieselbe erstreckt sich aus l l 1 B e t r i e b e,. in denen im vergangenen Jahre Ivos Gehilfen(davon 243 verheirathet), 14ö Lehr- linge. 1078 weibliche Arbeiter(davon 96 verheirathet) und 888 Maschinen thätig waren. Die Arbeitszeit betrug im Durchschnitt täglich 10'/, Stunden. Ja 38 Betrieben wurde jedoch 11 Stun- den und in 2 Betrieben 9 Stunden gearbeitet. Der höchste Wochen« lohn betrug 4S Mk., der niedrigste 8 Mk.; meistens wurden 18 Mk. gezahlt. Das vorstehende Zahlenmaterial beweist leider, daß der größte Theil der Berliner Buchbinder sich an der statistischen Zu- sammenstellung nicht betheiligt hat, denn von ungefähr lövo am Orte befindlichen Betrieben haben nur III statistisches Material geliefert. Die Zahlenangaben der männlichen und weiblichen Arbeiter erscheinen etwa» bedenklich. Ein eigenthümliches Verhältniß besteht hauptsächlich in den Luxuspapierfabriken, in welchen oft dreimal mehrwetb» lich« wie männlich« Arbeiter beschäftigt find. Zur Lehr» l i n g S s r a g e ist zu bemerken, daß größere Etablissements gan» auf daS Halten von Lehrlingen verzichten, während die kleineren Unternehmer hinsichtlich der Zahl der Lehrling« sich gegenseitig überbieten. Beachtenswerth ist, daß bei der kürzesten Arbeitszeit die höchsten Löhne gezahlt werden, obwohl dl« betreffenden Fabrikanten jedenfalls nicht mit einem Defizit arbeiten, oder auch nur mit einem kleinen„Verdienst" zufrieden sind. „ES beweist dies Verhältniß"— lesen wir im Berliner„Volksblatt", dem wir die Notiz entnehmen—„wieder zur Genüge, daß ein Arbeiter, der die nöthige Zeit hat, sich geistig und körperlich zu erholen, in 9 Stunden mehr leistet, wie ein anderer in 11 Stunden." — Wie unS au» K o p e n h a g e n mitgetheilt wird, hat dort da» Märchen von der einstimmige» Annahme der Militärvor- läge im deutschen Reichstag zu der phantastischen Kombination geführt, die sozialdemokratischen Abgeordneten hätten mit den Kartellparteien einen Kompromiß abgeschlossen, nach welchem sie unter der Beding- ung, daß das„verschärfte" Sozialistengesetz abgelehnt würde, die Op« Position gegen das Militärgesetz ausgegeben hätten. Wenn nicht merkwürdigerweise Genossen dieser wunderbaren Jagd- geschichte Glauben geschenkt hätten, so würden wir der Sache gar nicht Erwähnung thun. Genug— es sei hiermit wiederholt, daß die Mit« glieder der sozialdemokratischen Fraktion, so viel« ihrer in Berlin an» wesend waren, gegen die Militärvorlage gestimmt haben, und daß e» sich m jener famosen Sitzung, in welcher Bismarck die bekannte spiri« tuose Rede hielt und nachher die„einstimmige Annahme" der Militär« vorläge erfolgt sein soll, überhaupt gar nicht überAnnahme oder Ablehnung der Militärvorlage, sondern nur über die parlamentarische Behandlung derselben abgestimmt wurde. Bei dieser Gelegenheit, wo allerding« keiner unserer Genossen anwesend war— sie hatten sicherlich kein Interesse, in dieser parla» mentarischen Extravorstellung als Staffage zu dienen— wurde durch Akklamation nur beschlossen, daß der Reichstag auf«ine Detail« berathungverzichte. Da» ist Alle»— und hoffentlich gehört diese» Märchen nicht zu den „Würmern, dt- nicht sterben". - Amerika . Zu unserm Arttkel in Nr. 10 de«„Sozialdemokrat" über das Projekt der„Vereinigten deutschen Gewerkschaften" schreib» da»„Phild. Tageblatt": „Wir schließen unS den Ausführungen de«„Sozialdemokrat" an und rathen den New-Dorker Gewerkschaften, den Plan fallen zu lassen. Eh« die„Federation os Labor"(Verband der großen Gewerkschaften) bestand, war Aussicht aus die Verwirklichung eine« solchen �Projektes vorhanden; jetzt besteht sie nicht mehr. Die lokalen Verbindungen der Deutschen Gewerkschaften sind gan, gut. aber weiter braucht man unserer Ansicht nach nicht zu gehen. Da nun weiter nach der neuen Konstitution der Soz. Arb.-Partei Gewerkschaften oder anderen Vereinen, die e» wollen, nicht» im Wege steht, sich derselben anzuschließen, so ist, was die propa« gandistische Seite anbelangt, keine weitere nationale Organisatton nöthig, eine gewerkschaftliche aber neben der„Federation " und den„Trade» Distrikten" der Arbeitsritter nicht möglich.» — Unser Genosse Max Kayser, seit Langem an einem hart- näckigen HalSleiden erkrankt, hat in diesen Tagen, am 20. Mär», nach- dem bereit« früher der Kehlkopsschnitt an ihm vorgenommen werden mußte, sich der sehr gefährlichen Operation der theilweisen Ent» fernung des Kehlkopf« unterziehen müffen. Die Operation dauerte drei volle Stunden und ist, wie wir dem„Sächs. Wochenblatt" entnehmen, trotz mannigfacher Schwierigkeiten glücklich verlaufen. Di« ganze link« Hälfte deS Kehlkopf» konnte, weil völlig gesund, stehen blei« den. Kayser befindet fich in der Privatklinik des Dr. Rieger und ist den Umständen entsprechend wohl. ES steht zu hoffen, daß der Hei« lungsprozeß günstig verlaufen wird, leider wird aber durch diese Opera« tion Kayser außer Stand gesetzt, je wieder öffentlich zu reden und die Partei so eine» ihrer fähigsten Redner beraubt. Möge dem verdienstvollen Genossen e»«in« Genugthuung gewähr«, daß seine Erkrankung in den weitesten Parteikreisen dt« lebhafteste Theil« nahm« erregt hat.
Ausgabe
10 (31.3.1888) 14
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