„Die Grundrechte des deutschen Volles und die Einführung einer allgemeinen Volksbewegung bilden und verbürgen augenblicklich den einzig gesetzlichen Boden deS deutschen Volkes." „Di- Versammlung fordert daS Volk in allen Theilen Deutschlands dringend auf, angesichts der jetzigen Gefahr und Roth überall in Stadt und Land zu politischen Vereinen zusammenzutreten und eine o r gani- firte Volksbewaffnung in Angriff zu nehmen. Wir wollen hier hinter den Brüdern in Deutschland nicht zurückbleiben. „Sind diese Leute rasend?" hören wir gewisse Heuler hier ausrufen. Wie können sie den Schweizerdoden zu so unerhörten Anschlägen wider fremde Regierungen mißbrauchen? Das rechtfertigt die schärfsten Maß- regeln gegen diese Hetzer, gegen diese Aufwiegler! „Gemach! Diese Leute sind durchaus nicht rasend oder vielmehr sie waren durchaus nicht rasend, als sie die obigen Beschlüffe faßten. Sie riikirten ntchis dabei, keine Ausweisung, keine Maßregelung. Im Frühjahr l S ö K waren eben die Nerven noch nicht so zart organisirt wie heutzuiage, und zur Beruhigung sür die freiwilligen und bezahlten Angeber in Zürich und anderwärts sei bemerkt, daß die zitirten Be- schlüffe bereits 22 Jahre alt find. „Die Zeiten ändern sich und die Menschen mit ihnen. Wie gar manche von den Leuten, die damals offen zum gewaltsamen Sturz der deutschen Fürsten ausforderten, stimmen heute mit ein in das Geschrei über die aufreizende Sprache des„Sozialdemokrat" und unterstützen die Forderung von Repressionsmaßregeln gegen denselben. Wo findet man aber in unserem Blatt, wo in irgend einer Publikation unserer Druckerei derartige Aufforderungen zu Hochoerrath und„gewaltthätigem Umsturz"? „Je nun, wir vertreten auch die Jntereffen der Arbeiterklasse, und vor 22 Jahren war das B ü r g s r t h u m in der Opposition. Das erklärt alles." Diese Beispiele, welche vermehrt werden könnten, genügen, um die neue Kampsweise des„Sozialdemokrat" zu charatteristren. Was die Angriff- auf Personen anbelangt, so sind zwar die rohen KraftauSdrücke, auf welche man in den frühern Nummern auf Schritt und Tritt stieß, arößtentheUs verschwunden; immerhin trifft man deren einzelne noch fast in jeder Nummer. Im Uebrigen haben die Angriffe selbst nicht aufgehört; sie bilden den wesentlichen Inhalt jeder Nummer. Vergebens würde man inr„Sozialdemokrat" ein« ruhige Erörterung von Lehr« Meinungen und Theorien suchen: des Blatt ist ein Kampforgan, für den Kampf eigens gegründet und konsequent fortwährend aggressiv. Boriges Jahr schon, unterm 10. April, hat Bernstein der zürcherischen Polizeidireklion Nachfolgendes geschrieben: „Es liegt mir und meinen Freunden, die wir— freilich nicht als Flüchtlinge, sondern auf Grund der bestehenden Verträge— die Gastfreundschaft der Schweiz genießen, gewiß fern, derselben wiffentlich irgend welche Schwierigkeiten zu bereiten. Meine Ausführungen haben nur den Zweck, darauf hinzuweisen, daß nicht dasjenige, was der „Sozialdemokrat" in letzter Zeit geschrieben, neu und unerhört ist, sondern dies eher von etwa darauf sich stützenden Reklamationen der Fall wäre. Sollten indeß solche in Aussicht stehen oder zu besürchlen sein, so würde ich, und ich glaube das auch von meinen Freunden ver- sprechen zu können, insofern dieser neuen Situation Rechnung tragen, als wir mit dementsprechend größerer Sorgfalt darauf bedacht sein werden, grobanflößige Wendungen, wie sie bisher zuweilen unterlaufen sind, aus unseren Publikationen auszumerzen. An dem grund- sätzlichen Programm deS„ S o z i a l d e m o k r at" kann natürlich ebensowenig geändert werden als etwa an dem der„Arbeiterstimme Der Empfang der vom Bundesrath unterin 27. Januar verfügten Verwarnung ist vom„Sozialdemokrat" in folgenden Ausdrücken be- schetnigt worden: „Treu der uns gestillten Aufgabe, die Grundsätze der Sozial- demokratie zu vertreten, die Unterdrückten und Verfolgten zu ver- theidigen und die Unterdrücker und Verfolger zu bekämpfen, werden wir auch fernerhin in dem Sinne wirken, wie eS die Interessen unserer großen Sache erheische n." Und in seiner Nr. IS(vom 7. April) veröffentlicht der„Sozial- demokrat" einen Programmartikel, in welchem er erklärt, daß er seine Haltung in nichts ändern werde. Er sagt u. A.:„Sit ut«st, aut nou sit— er muh fein, wie er ist, oder er braucht gar nicht zu fein. Man mag gegen einzelne Personen, welche man für die Leiter und Lenker Hält, unternehmen, was man will,— so lange die Voraussetzungen bestehen, die ihn ins Leben gerufen, muß er an diesem Programm fest- halten und wird er an ihm festhalte n." Damit ist der Beweis geleistet, daß die Leiter des„Sozialdemokrat" enischloffen sind, nur ihre eigene Konvenienz zu Rathe zu ziehen, sowie diejenige der ausländischen Partei, deren Organ sie auf unserem Boden sorterscheinen zu lassen sich daS Recht anmaße», ohne irgend welche Rücksicht auf das Land zu nehmen, das sie gastlich aufgenommen hat; In Erwägung: Daß durch die in Frage stehenden Publikationen, welche geeignet sind, die guten Beziehungen der Schweiz zu einem befreundeten Staate zu gefährden, nachfolgende Mitglieder des deutschen Sozialistenkomite in Zürich die schweizerische Gastfreundschaft mißbraucht haben: Bernstein , in seiner Eigenschaft als Redakteur en edek deS„Sozialdemokrat": Schlüter, in derjenigen eines Chefs der„Volksbuchhandlung und Expedition des„Sozialdemokrat" und speziell auch durch die Herausgabe und den Vertrieb des„Rothen Teufels"; Moltcler, in derjenigen eines Spediteurs der in Frage stehenden Publikationen; Tauscher, in derjenigen eines Faktors der Druckerei deS„Sozialdemokrat" und speziell durch seine Mithülfe zur Veröffentlichung des „Rothen Teufels"; in Anwendung von Artikel 70 der Bundesverfassung, beschließt: 1) Die Vorgenannten, Bernstein , Schlüter, Motteler und Tauscher, werden aus dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft weggewiesen. 2) Dieser Beschluß wird der Regierung des Kantons Zürich mitgetheilt, mit der Einladung, denselben den Betheiligten nebst Art. 63 litt.» des Bundesstrafrechts vom Jahre 1S53 zu eröffnen und hierauf deren Aus- Weisung zu vollziehen, sowie darüber Bericht zu erstatten. 3) Das eidgenössische Polizeidepartement ist mit der Ueberwachung der Vollziehung beauftragt. 4) Dieser Beschluß ist in das Bundesblatt aufzunehmen. Auf eine Kritik der vorstehenden Ausführungen können wir verzichten' Selbst Blätter, welche die Ausweisung vertheidigten, haben erklärt, daß die in dem offiziellen Beschluß angeführten Gründe zur Rechtfertigung derselben nicht ausreichten. Weit schärfer drücken sich natürlich diejenigen Blätter aus, welche die Ausweisung überhaupt oder doch das Umgehen des richterlichen Verfahrens mißbilligen, und die Zahl der Einen, wie der Andern ist— zur Ehre der Schwei , sei es festgestellt— eine sehr große. Rückhaltlose Billigung findet der Ausweisungsbeschluß eigentlich nur bei gewissen erzkonservativen Blättern. Unsere vier ausgewiesenen Genossen haben als Antwort auf den Be- schluß ein Flugblatt,„an alle Freunde der Freiheit und des Rechts in der Schwei, " gerichtet, erlassen, in welchem sie die Hauptargumente des Bundesrathes widerlegen und als den wahren Grund der Busweisung da» Rachebedürfniß Puttkamer's für die Spitzel-Ent- lar ungen, deren sich der„Sozioldemokrat" schuldig gemacht, be- zeichnen. Es fehlt uns heute der Raum, dieses Flugblatt, das für die Geschichte deS„Sozialdemokrat" unzweifelhaft dokumentarischen Werth hat, vollinhaltlich abzudrucken, es wird dies in der nächsten Nummer unseres Blattes gesch-hen. An dieser Stell- mag nur noch ein Zitat aus einem angesehenen schweizerischen Blatte folgen, das den bundes- räthlichen Beschluß unseres Erachtens am überzeugendsten— erläutert. Im„Winterthurer Landbote", dem Hauptorgan der ländlichen Demo- kratie des Kantons Zürich , schreibt Herr Z i e g l e r, früherer Regierungs- rath des Kantens: „Der Stoß muß von Außen gekommen fem. Nun sagen zwar der „Bund" und Andere, die Veranlassung liege nicht etwa in einer deutschen Note.„Aber", so schreibt das„Vaterland«,„Leute, die im Bundes- rathhause täglich ein- und ausgehen, versichern dem„Nouvelliste", daß der deutsche Gesandte in letzter Zeit so zu sagen Tag für Tag im politischenD-part«ment vorsprach. Ob„Noten" mündlich oder schriftlich angebracht werden, thut in diesem Falle nichts zur Sache." Indessen ist zur Zeit wohl der Herr von Bülow nicht ein- mal nothwendig zur Erklärung. Die„Züricher Freitaaszeitung" glaubt zu wissen, daß unser schweizerische Gesandte zu Berlin , Dr. Roth, mit seiner Entlassung gedroht habe, wenn man in der Schweiz nicht energisch gegen die„Anarchisten" vorgehe. Daß Herr Roth dergestalt einen Druck auf die Handlungsweise feiner Regierung hätte ausüben wollen, ist unwahrscheinlich, weil es gegen alle Gepflogenheit und gegen allen politischen Anstand ginge. Besser verbürgt ist eine andere Version. Nach derselben soll man im deutschen Reichskanzleramt dem schweizerischen Gesandten in einer dermalen außer allen internationalen Rücksichten und Formen liegenden Weise begegnet sein, daß Herr Roth im Gefühl der verletzten Würde seines Landes den Bundesrath um seine Heimberufung gebeten, von diesem aber abschlägigen Bescheid erhalten habe. Jene famose Lllokution scheint noch heute nachzuwirken... Ueber die Schreibweise des„Sozialdemokrat". 5 In seiner Begründung der über unsere vier Genossen verhängten AusweisungSmaßregel veröffentlicht der Bundesrath u. A. eine Stelle aus einer Eingabe Bernstein'S an die Polizeidirektion des Kantons Zürich . Dies veranlaßt uns, die betreffende Eingabe, von der sich Bernstein Kopie zurückbehielt, nunmehr vollinhalttich zum Abdruck zu bringen. 1� Zur Erklärung diene Folgendes: Als im Frühjahr 1837 der BundeSrath eine Untersuchung über den „Sozialdemokrat" und die Publikationen der„Schweizerischen Genossen- schaftsbuchdruckerei" ic. anordnete, lud die von ihm mit dieser Unter- suchung beauftragte Polizeidirektion des Kantons Zürich u. A. auch Bernstein zur Vernehmung vor. Di- Hauptfrage, die diesem gestellt wurde, bezog sich auf die Schreibweise des„Sozialdemokrat", insbesondere die Angriffe desselben„gegen die höchstgestellten Personen im deutschen Reich". Bernstein , der seine Mitwirkung am„Sozialdemokrat" nicht in Abrede stellte, bat sich die Erlaubniß aus, die Antwort auf diese Frage in einer eingehenderen Zuschrift abgeben zu dürfen, und lein Gesuch wurde ihm auch von Herrn Regierungsrath Dr. Stößel in loyalster Weise gewährt. In dieser Zuschrift wird in der Einleitung erst darauf hingewiesen, daß C. C o n z e t t als Inhaber der Buchdruckerei, deren Eigenthum der „Sozialdemokrat" ist, auch der juristische Vertreter des Blattes selbst ist, worauf es unmittelbar weiter heißt: „Die scharfe Sprache, bezw. die Angriffe gegen hochgestellte Personen in Deutschland , über welche jetzt Klage geführt wird, datiren keineswegs erst von heute. Organ einer unter Ausnahmegesetze gestellten Partei, konnte der„Sozialdemokrat" von Ansang an nicht umhin, der Stimmung der Opfer dieses Gesetzes Ausdruck zu geben. In dem Maße als sich die Verfolgungen häuften und das Sozialistengesetz dazu benutzt wurde, nicht nur die politischen, sondern auch die rein gewerkschastlichen Organi- sationen der deutschen Arbeiter in willkürlichster Weise zu zerstören, den Sozialisten Deutschlands selbst die legalsten Handlungen, wie z. B. die Wahlagitation, nahezu unmöglich zu machen, steigerte sich naturgemäß auch die Erbitterung der betheiligten Kreise, und daß diese Erbitterung ihren Widerhall im Organ der Partei findet, wen darf dies wundern? In den zahlreichen Einsendungen, welche die Redaktion aus Deutschland erhält, heißt es am Schlüsse immer und immer wieder: „Slilisiren Sie das Vorstehende, aber bitte, so scharf wie mög- l i ch ," und trotzdem besteht die Thäiigkeit der Redaktion in den meisten Fällen nicht im Verschärfen, sondern im Mildern der Ausdrücke. Wer eS nicht selbst an sich erfahren, kann sich eben keinen Begriff davon machen, wie bitter eS der Arbeiter empfindet, wenn ihn» die Polizei ohne jeden andern Grund als den Hinweis auf den Kautschuk- begriff der„Staatsgesährlichkeit" feinen Verein, ,u dem er vielleicht jahrelang gesteuert, aujlöst und die Kaste konfitzirt,— von den Ausweisungen ganz zu schweigen. Und baß für ein solches Gesetz und seine Konsequenzen nicht etwa die niederen Ausführungsorgane, sondern die oberen Regierungsorgane verantwortlich zu machen sind, kann gerade für «in Land nicht bestritten werden, wo, wie in Deutschland , das persön- liche Element in der Regierung so gefliffentlich in den Vordergrund gedrängt wird. Eine Bekämpfung des Systems ohne Bekämpfung feiner Träger ist in Deutschland kaum denkbar. Wird ja doch offiziellerseits ebenfalls jeder Angriff auf das System als ein Angriff auf die Person des Regenten, bezw. seines Ministers gebrandmarkt. Nach alledem wird man es begreiflich finden, warum das persönliche Moment in den Artikeln des„Sozialdemokrat" öfter wiederkehrt. Indeß ist das, wie gesagt, keine Neuerung, wie die Jahrgänge des„Sozial- demokrat" von 1881, 82 ,c. beweisen. Im Ganzen aber glaub- ich be- Haupte» zu können, daß die Schreibweise des„Sozialdemokrat" gegen- über dem, was feiner Zeit die bürgerliche Auslands- bez. Emigrations- presse an persönlichen Jnvektiven ,c. geleistet, eher noch eine gemäßigte zu nennen ist, und daß die Angriffe des„Sozialdemokrat" gegen die Ver- folger seiner Partei bei Weitem nicht den Ton niedrigster Verläumdung erreichen, wie ihn die Organe der Letzteren, unter dem Schutz der Aus- nahmegesetze und wohlwollender Staatsanwälte, gegenüber den Bor- kämpfern der Sozialdemokratie anschlagen, denen gegenüber Ausdrücke wie„verkommenes Gesindel" it. zu den Alltäglichkeiten gehören. Uebrigens ist auch hier der Ort, darauf hinzuweisen, daß eine gewisse Presse in Deutschland und in der Schweiz , in der Absicht, weitere Ver- folgungen gegen die Sozialdemokratie herbeizuführen, es sich zur Auf- gäbe macht, durch Fälschung von Zitaten aus dem„Sozialdemokrat" die öffentliche Meinung zu irritiren. Typisch in dieser Beziehung ist der „Stadtbote" in Zürich , herausgegeben von Hrn. E. Attenhofer, früherem Redaktor der„Limmat ", der seit Jahren in dieser Richtung arbeitet. Keine Lüge, keine Verdrehung ist diesem Manne zu schlecht, um die Sozialdemokratie als eine Mordbrennerbande zu denunziren. Bald wird bei einem Zitat aus dem„Sozialdemokrat" der entscheidende Nachsatz fortgelasse», bald ein bedingter Satz als absolut hingestellt, bald eine Einsendung zitirt und dabei verschwiegen, daß der„Sozialdemokrat« selbst gegen dieselbe polemisirte— kurz, alles aufgewendet, um ein Ein. schreiten gegen den„Sozialdemokrat" als nothwendig erscheinen zu laffen. Das Bergste in diesem Genre ist eine Notiz in Nr. 1 des„Stadt- boten" vom lausenden Jahre, die auch die Runde durch andere schweizerische Zeitungen machte. In Nr. 52 vom vorigen Jahre hatte der„Sozial- demokrat" eine Notiz veröffentlicht, in welcher dem jetzigen Führer der deutschen Nationalliberalen, Marquardsen, vorgeworfen wurde, er habe im Jahre 1866 den Ausspruch gethan:„Den König von Preußen sollte man an den ersten besten Zaunpfahl hängen!" Aus dieser Notiz nun, deren Fassung keinen Zweifel darüber zuläßt, daß sie nur den Zweck hatte, die Wandlungsfähigkeit des Herrn Marquardsen zu geißeln, reißt Herr Attenhofer den zitirten Satz heraus und schreibt kurzweg, der „Sozialdemokrat" schr-ibe. man sollt- den König von Preußen an den ersten besten Zaunpfahl hängen." Wer nicht in der Lage ist, diese insainen Fälschungen zu verifiziren, der muß allerdings zu sonderbaren Schlüssen in Bezug auf ben Charakter des„Sozialdemokrat" kommen. Im Uebrigen wiederhole ich: Man vergleiche die Schreibweise deS „Sozialdemokrat" mit der Schreibweise der Kampforgane irgend einer andern Partei— von den konservative» Volksparteien b>s zu den radikalsten bürgerlichen Gruppen, und man wird nicht finden, daß er von dem Recht der Polemik und Kritik einen unerhörten Gebrauch macht, namentlich wenn man bedenkt, daß er das Organ einer unterdrückten Partei ist, das Organ einer Gesellschaftsilasse, welch« die feinere Malice nicht kennt. Der Unterschied liegt in den Personen, gegen die seine An- griffe zuweil« n gerichtet sind. In dieser Beziehung muß aber doch konstatirt werden, daß die Empfindlichkeit wohl nirgends so groß ist, als zur Zeit in Deutschland . Ich habe im Augenblick das Material nicht zur Hand, mache mich aber anheischig, reichliche Belege dafür zu beschaffen, daß in Deutschland er- scheinende Blätter, und zwar nicht etwa oppositionelle, sich über aus- wärtige Souveräne und deren Angehörige oder Minister schon oft in der injurösesten Weise geäußert haben. So z. B. vor gar nicht langer Zeit erst die nationalliberale„Elberfelder Zeitung" über den Prinzen von� Wales. Was deutsche Blätter über Gladstone geschrieben, umfaßt die Skala aller Art von Beleidigungen— von ihren Angriffen auf die fran- zösischen Minister(Boulanger!) ganz zu schweigen. Die Schweiz hat keinen persönlichen Souverän, dafür aber muß sie es sich gefallen laffen, und es fällt auch keinem ihrer Vertreter ein, darüber Klage zu führen, wenn irgend ein literarischer Strauchdieb, der in der Schweiz seine Rech- nung nicht gefunden, in Deutschland in Pamphleten über ihre Jnstitu- tionen in gemeinster Weise herfällt, ohne daß ein deutscher Staatsanwalt oder sonst eine Behörde dagegen intervenirt. Es liegt mir und meinen Freunden, die wir— fteilich nicht alS Flüchtlings, sondern auf Grund der bestehenden Verträge— die Gastfreundschaft der Schweiz genießen, gewiß fern, derselben wissent« lich irgend welche Schwierigkeiten zu bereiten, meine Ausführungen haben nur den Zweck, darauf hinzuweisen, daß nicht, was der„Sozialdemokrat" in letzter Zeit geschrieben, neu und unerhört ist, sondern dies eher von etwa darauf sich stützenden Reklamationen der Fall wäre. Sollten indeß solche in Aussicht stehen oder doch zu befürchten sein, so würde ich, und ich glaub« das auch von meinen Freunden versprechen zu können, inso> fern dieser neuen Situation Rechnung tragen, als wir mit dement- sprechend größerer Sorgsalt darauf bedacht sein werden, grobanstößige Wendungen, wie sie bisher zuweilen unterlaufen sind, aus unfern Publikationen auszumerzen. An dem grundsätzlichen Programme deS „Sozialdemokrat" kann natürlich ebenso wenig geändert werden, als etwa an dem der„Arbeiterstimme". Die Personenfrage ist da ganz irrelevant. Was ferner den„Rothen Teufel" anbetrifft, so hat derselbe mit dem „Sozialdemokrat" nichts zu thun, sondern ist ein ganz selbstständiges Unternehmen, das namentlich den Zweck hatte, eine Antwort auf die vielen Verfolgungen und Prozesse des vorigen Jahres zu geben. Anlaß zu dem ominösen Titel gab der von Ed. Lockroy, dem jetzigen französi- schen Handelsminister, Arthur Ranc , Aug. Bacquerie u. A. Ende des Kaiserreich« in Frankreich herausgegebene„Diablo k quatre«. Auch in Bezug auf ihn will ich auf mein« Freunde im Sinne der vorstehenden Ausführungen eventuell einwirken, glaube überhaupt mütheilen zu können, daß das Blatt wirklich nur eine Eintagsfliege war. Zum Schluß erlaube ich mir nur noch zu bemerken, daß der„Sozial« demokrat " sowie andere Auilandspublikationen doch thatsächlich nichts anderes sind, als Früchte des Ausnahmegesetzes, daS die Sozialisten Deutschlands ächtet. Man hebe das Sozialistengesetz auf, und die Partei wird stch, wie unsere Abgeordneten wiederholt im Reichstag erklärt haben, wieder auf ihre legale Presse stützen. So lange das Ausnahmegesetz aber besteht, ist der„Sozialdemokrat" immerhin eine Art Ventil, indem er wenigstens der Entrüstung Gelegen- heit bietet, sich öffentlich Luft zu machen. Man verstopfe auch dieses Ventil, und der Rest heißt Rußland ." In Sachen des internationalen Kongresses. Man schreibt unS: „Nachdem die englische„Social Demccratic Fsderation" ihre Erklärung veröffentlicht hat, in welcher der Aufruf unserer sozialdemokratische» Reichstagsfraktion kritisirt wird, ist es nöthiz geworden, auch da« Schreiben des Parliamentary Committee der englischen Trades Union« zu veröffentlichen, durch welches jener Aufruf der Fraktion veranlaßt wurde. Um dieses Schreiben aber vollständig beurtheilen zu können, muß auch das erste Schreiben deS Parliamentary Committee in der gleichen An- gelegenheit mitgetheilt werden. Am 2 8. Dezember des vorigen Jahres antwortete Herr Broadhurst, der Sekretär des Parliamentary Committee aus eine» Brief B e b« l' s, dessen Inhalt sich aus der Antwort zur Genüg« ergibt*): London W. C. , 28. 12. 87. Werther Herr! Ihr Brief mit dem Datum des 12. d. M. kam mir etwas ver- spätet zu Händen, allein sofort nach Empfang ließ ich ihn übersetze» und schickte jedem Mitglied unseres Ausschusses eine Abschrift. Soweit ich die Meinung de« Ausschuffes über Ihren Brief ken- nen gelernt habe, sind die Mitglieder einverstanden mit Jhrei« Vorschlage, daß die Einladungen zu dem beabsichtigten Kongreß auch in deutscher Sprach« erfolgen sollen. Was aber die stehende Kon- greßordnung betrifft, enthaltend die Bedingungen, unter denen di« Delegirten zugelassen werden, so sind die Mitglieder der Meinung daß es schwer sein würde, die Bedingungen genügend zu ändern- um der in Ihrem Brief dargelegten Sachlage(Unmöglichkeit einet freien Delegirtenwahl unter den(in Deutschland ) obwaltenden Polizei Verhältnissen) zu entsprechen. Sie besürchlen, es würde, wenn auch i» Ihrem Falle einer Nothwendigkeit genügt würde, die Grundlag - der Vertretung eine solche Erweiterung finden, daß die Zusammen- kunst aufhören würde, überhaupt ein Gewerkschafts kongreß zu sein, und nur noch eine offene Konferen wäre. Ich bin überzeugt, daß ich die Meinung des Ausschusses au» spreche, wenn ich sage, daß wir den herzlichsten Wunsch hegen, Alle» was in unserer Macht liegt, zu thun, um allen wirklicher (doua fide) Vertretern der deutschen Arbeiter die Theilnahme aS Kongreß zu erleichtern. Es wird uns freuen, Ihre weitere Meinung über diese Frag' zu hören. MitllerweUe maß ich Ihnen für Ihr freundliche» Anerbiete danken, Ihren beabsichtigten Kongreß sür den Fall auszugeben, da wir Ihren Anschauungen Rechnung zu tragen vermögen. Ausrichtig der Ihrige. Broadhurst. Der in Frage kommend« Theil der„stehenden Kongreßordnung" laut« in der eigenen Uebersetzung des Parlamentarischen Ausschusses: „Der Kongreß soll bestehen aus Delegirten, die rechtsgittig« MÜ glieder und ordentlich gewählt(worden) sind, von wirklichen B« rufsvereinen, Ortsverbänden und ähnlichen Körpern, welche Benen- nung st- auch zur Zett haben mögen; aber die Kosten der Del«- girten dürfen nicht direkt oder indirekt von Privatpersonen od« außenstehenden Gesellschaften irgend welcher Art getragen werden-� Und in der„Dezember 1887" datirten„Vorläufigen'Notiz zu de» (nächsten) Internationalen Gewerkvereins-Kongreß" heißt es erläuternd „Der Zweck dieser Bedingungen ist, daß Niemand als Delegirt« beiwohnen soll, eS fei denn, daß er ein Arbeiter ist oder g« wefen ist i» dem Gewerb«, welches er vertrit' und daß seine Kosten(einschließlich persönlicher Kosten) nitf von ihm selbst, noch durch außerhalb gemachte Sammlungen, so» dern aus der Kasse deS Vereins, welcher daS Mar dat ausstellt, bestritten werden sollen." Genosse Weiler in London , der mitten in der englischen Gewert schaftsbewegung steht, gab im Auftrag seiner deutschen Freunde Herr« Broadhurst eine eingehende Schilderung des Standes der deutschen Ve> hältnisse, und zeigte ihm die Unmöglichkeit, vorstehenden Bedingung«' zu entsprechen. Das Resultat war der entscheidende Brief, welcher als lautet: London , 25. Januar 1888. Lieber Herr Weiler! Ich schrieb(an die Mitglieder unseres Ausschusses) einen au> führlichen Bericht der Darlegung, welch« Sie mir in Bezug auf d' Stellung der deutschen Gewerkschastsorganisationen gaben. Und in d« Antwort spricht sich«in jedes Mitglied des Au» schusses gegen jegliche(aa?) Aenderung unser« stehenden Ordnung in dem Sinne, wie Ihr Freunde es wünschen, aus. Unter diesen Umständen, fürchte ich, kann ich i der Sache nichts mehr thun. Ich hoffe j-doch, daß Ihre Freunde stch bemühen werden, wenii stens ein paar Gesellschaften(onl? a kuw societies) I bestimmen, daß dieselben sich den Bedingungen unserer stehend« *) Die Briefe liegen uns auch im englischen Wortlaut v» doch halten wir eS für unnöthig, denselben hier folgen zu lassen, sola»! eS nicht von betheiligter Seit« gewünscht wird. Uu ko> bei ab ha « he e m «ii R- „Z i«
Ausgabe
10 (28.4.1888) 18
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