aktiv n und jed- Diktatur. Sie solle den großen politischen Vereinigungen gleichen, wie fie zur Zeit der großen Revolution bestanden. Die ver« lesene Prinzipienerklärung lautet zusammengefaßt wie folgt: Die verschiedenen Fraktionen der republikanischen Familie schließen sich behufs Abwehr der boulangistischen Gefahr zusammen. Das Einver- ständniß dauert so lange wie die Gefahr. Nächstes Ziel der Gruppirung ist die Revision der Verfaffung im republikanischen Sinne, Wiederauf- nähme und Fortsetzung der nationalen Bewegung der großen Revolu- tion, Schutz der individuellen und öffentlichen Freiheit, der Preß«, Rede- und Propaganda-Freiheit, des Versammlungs- und Affoziations-Rechts, allseitige Entwicklung der Republik durch schrittweise Verwirklichung der entsprechenden politischen und sozialen Reformen. Mittel zum Zweck ist in GemSßheit der republikanischen Tradition die Gründung von politischen Vereinigungen, welche alle demokratischen Kräfte zusammenfassen. Sin provisorisches Komite von 31 Mitgliedern ist mit der Organisation von Versammlungen ic. beauftragt. In dem Komite sind Radikale, Opportunisten und Possibilisten vertreten, außerdem der Sozialist Four- niöre und der„Revolutionär" Liffagaray, beide als„Unabhängige". Verschiedene Redner sprachen zu der Erklärung, am besten Longuet, welcher darauf hinwies, daß die Abschaffung politischer Mängel allein den Zäsarismus nicht beschwöre, daß ihm nur durch Steuerung der öko- nomischen Mißstände vorgebeugt werden könne. Die wahre Republik ist mit der heutigen Gesellschaftsordnung unverträglich, fie fordert ein« Um- gestaltung des sozialen Organismus. Longuet sprach weit sozialistischer als der Wortführer der Possibilisten, C h a b e r t, welcher lediglich erklärte, seine Partei werde trotz der Vereinigung ihr Programm aufrechterhalten. Dieser Anschluß der Possibilisten an die bürgerlichen Republikaner hat in sozialistischen Kreise» viel böses Blut gemacht. Der bekannte Kommune- general C l u s e r e t, über dessen militärische Leistungen man streiten kann, dessen Ehrlichkeit aber unbestritten ist, bezeichnet ihn in einem Brief an den„Cri du Travailleur"(sozialistisches Organ des Nord- Departements) als da»„Begräbniß des PoffibiliSmus als sozialistischer Partei". Er bedeute die Preisgabe deS Prinzips des Klassenkampf s. WaS die Arbeiter von den Phrasen und Versprechungen der Radikalen zu hoffen haben, wiffen sie leider nur zu gut. Die Geschichte der letzten IS Jahre enthält auf jeder Seite die Quittung über die Schwäche und Halbheit der bürgerlichen Demokratie. Zweifelsohne ist der Zweck der Vereinigung in erster Linie«ine Kartellbrüderschaft für die bevorstehenden Wahlen. Cluseret nennt sie nicht mit Unrecht„eine Wahlfabrik". Jede Richtung hofft mit Hilfe der übrigen etliche Kandidaten mehr durchzupreffen, als es sonst der Fall wäre. Das ist Alles. Von Seiten der bürgerlichen Parteien braucht eine solche Taktik nicht zu verwundern, und die Poffibilisten haben ihre Genossen schon längst an derartige praktische— Wandlungen gewöhnt. Sie benutzen jeden Vorwand, der ihnen erlaubt, das unbequeme sozialistische Programm bei Seite zu schieben. Uebrigens sei hier bemerkt, daß sich ein Theil der Mitgliedschaft der„Union federative" gegen den Anschluß an die bürger- lichen Parteien erklärt hat. Uebrigens wird sich die„Gesellschaft der Menschenrechte" wahrschein- kich bald als todtgebornes Kind erweisen. In dem Augenblick, da es sich darum handeln wird, die Aktion zu Gunsten der Revision wirklich in die Hand zu nehmen, werden die jetzt vertuschten Differenzen der verschie- denen Richtungen deutlich hervortreten. ES kommt bei der Forderung der Revision nicht darauf an, daß, sondern was und w i e revidirt werden soll, und die sich aus dieser Frage ergebenden inneren Konflikte müssen die Thätigkeit der Gesellschaft lähmen. So wird sie, abgesehen von etlichen Wahlerfolgen, die ihr besonders in Paris , wo der klein- türgerlich-radikale Geist unter der Bevölkerung vorherrscht, in Ausstcht stehen, auf den Gang der Ereignisse nur einen sehr untergeordneten Einfluß ausüben. O-o.
Sozialpolitische Rundschau.
Pie europäische Spielhösse. Unser Zeitalter ist ein ungemein moralisches, der Kampf gegen daS Laster ist seine Devise. ES hebt die Bordell- auf, eS sucht die Zahl der Schanlslätten zu verringern, es unterdrückt die Spielhöllen. Damit wird natürlich weder der Trunk, noch die Prostitution, noch das Spiel aus der Welt geschafft, aber die Katz', die Katz', d. h. die Reputation, ist gerettet. Isaturam kurea oxpoUns, tamon uaque recurrit— lautet ein lateinisches Sprichwort. Und wenn du die Natur mit der Heugabel austreibst, so wird ste doch immer wieder zum Durchbruch kommen. WaS in den natürlichen Verhältniffen begründet ist, läßt sich mit Äewaltmaßregeln nicht unterdrücken. Natürliche Verhältnisse übersetzen sich in einer ge- gebenen Epoche in gesellschaftliche, wirthschaftliche Verhältnisse, insofern dieselben als Grundlage der Gesellschait allgemeine Geltung haben. So . B. die Theilung der Gesellschaft in verschiedene Klassen, obwohl die- elbe an sich durchaus nicht„natürlich" ist. Solange diese Klassenunter- chiede bestehen, wird auch die moderne Prostitution bestehen, sie bilden >ie„natürliche" Grundlage. Alle Deklamationen, alle Verbote richten dagegen nichts aus. Und ebenso verhält es sich mit Trunk und Spiel. In keinem Staat ist man enerischer gegen die Spielhöllen vorgegangen als im tugendhasten Deutschland . Wird deshalb dort etwa weniger ge- spielt? Mit Nichten. Es wird nur unter andern Formen gespielt. Alle Sorten Hazardspiele floriren, Unsummen werden in gewissen„Zir- keln" gewonnen und verloren, im Roulette -, im Karten-, im Würfelspiel, und was der Systeme sonst noch sind, die eS den großen Herren er- lauben, den gewonnenen«rbeiterschweiß einander„spielend" abzunehmen. Neben diesem, wenigstens insofern sozial harmlosen Spiel, alS es sich bei demselben um Werth« handelt, die dem Volke bereits abgepreßt sind, und e« diesem sehr gleichgültig sein kann, ob sich der Mehrwerth in den Händen des Grafen X oder des Bankiers Y befindet, sobald er sich über- Haupt in Händen befindet, denen er so wenig gebührt als dem Schwen- ninger die Keuschheitspalme, neben der Ausräuberei auf Gegenseitigkeit blüht aber in Deutschland wie in keinem anderen Lande daS viel schlimmere Spiel um daS, was dem Volk erst abgenommen werden soll, und zwar durch und vermittelst des Spiels erst abgenommen werden soll. Das Spiel mit dem täglichen Brod de» Volkes— nicht nur im übertragenen, sondern auch im buchstäblichen Sinne de» Worte», das Spiel mit dem Blut des Volkes, das Spiel an den Börsen, das Spiel in den Kabinetten. Nirgends wird so schamlos auf dem Rücken und auf Kosten des Volkes gespielt als in Deutschland . Eine Bande politischer Abenteurer, die nach Stellungen lüstern oder um ihre erschlichenen Stellungen besorgt find, spielt in gewissenlosester Weis« mit dem Wohle, mit den Lebensbedingungen des Volkes, indem fie durch fortgesetztes Ausspielen des Kriegsgespenstes zum Vortheil ihrer persönlichen und Kliqueninteressen die Kriegsgefahr immer näher heraufbeschwören. Und in ihrem Gefolge, unter der Hand mit ihnen auf gemeinsame Rechnung arbeitend, benutzt eine Bande gieriger Marodeur« jede von ihren polittschen Patronen angezettelte Beunruhi- gung der öffentlichen Meinung, dem Volke immer mehr von seinen kargen Ersparnissen abzuzapfen. Die Proletarier, die nichts ihr eigen nennen als ihre Arbeitskraft, sind in keinem Kulturfiaat« so schranken- loser Ausbeutung unterworfen als in Deutschland , die kleinen Leute, die noch etwas haben, werden nirgends so rücksichtslos ausgebeutet als in Deutschland . Deutschland hat heut« von allen Kulturstaaten die zurückgebliebenste Fabrikgesetzgebung, den geringsten Arbeiterschutz, in keinem Land« arbeitet man so unverhüllt daraufhin, dem Volke die noth- wendigsten Lebensmittel zu vertheuern— alles zu Gunsten einer Hand- voll Privilegirter, der Strauchrttter des Grundbesitzes und der hohen Finanz, alle» um„Millionäre zu züchten". Zu diesem edlen Zweck ist den politischen Stellenjägern, den Maro- deuren des Schlachtfeldes— heute de» wtrthschaftlichen wie morgen des wirklichen Kriegsfeldes— jedes Mittel recht, keines ihnen zu schlecht. Da wird im Rassenhaß gemacht, werden die Völker gegeneinander gehetzt und geschürt, blos um das„Geschäft" zu heben. WaS macht's, wenn da» wirkliche Geschäftsleben, wenn Handel und Verkehr darunter leiden,
Tausende exiflenzlos, Hunderttausende bodenlos geschädigt werden? Wenn nur Junker X und Banquier 3) ihre Vermögen„arrondiren", alles andre ist gleichgülttg. Glaubt man, daß wir übertteiben? Wir könnten jeden Satz, den wir geschrieben, mit Zitaten aus durchaus gutgesinnten, bürgerlichen Zeitungen Deutschlands belegen. Man höre nur, was die gemäßigt liberale„Magdeburger Ztg." mit Bezug auf die von der Bismarckischen Berliner„Post"(in einem der Form nach„inspirirten", und von dem hochosfiziösen Wolff'schen Telegraphenbüreau sofort in die Wett hinaus- telegraphirten Anikel) erhobene Forderung von neuen„Zollrepressalien" gegen Rußland schreibt, wobei zum Verständniß der Sache noch bemerkt werden muh, daß diese Zollrepreffalien in einer Erhöhung der Korn- zölle auf das Doppelte bestehen sollten, d. h. in einer Maßregel, welche dem deutschen Volk das Brod vertheuern, dem pommerschen Junker seine Profitchen erhöhen mußte: „Die offiziösen Blätter, die noch vor wenigen Tagen die Nothwendig« keit zollpolitischer Repressalien auseinandergesetzt hatten, schreiben nun- mehr, daß derartige Maßregeln„für jetzt" nicht zu erwarten seien. Das„für jetzt" ist wohl nur geschrieben, um den Rückzug in einem Feldzuge zu maSkiren, der zu Gedanken eigener Art Ver- anlassung geben muß. Der Schlachtruf ist aufgenommen und unterstützt worden von einem Theil« der Presse, der sich selbst seiner „zuverlässigen Informationen" zu rühmen pflegt. Man könnte einwenden und man hat eingewendet, daß schon die öffentliche Ankündigung der bevorstehenden Repressalien Zweifel an der Richttgkeit der Nachricht hatte hervorrufen müssen. Die Wirkung eines solchen Schlages würde dadurch zum großen Theil aufgehoben worden fein. Dieser Einwand ist unzweifelhaft begründet. Aber leben wir nicht in einer Welt, die sehr oft auch das Unvernünftige zur Nicht- schnür ihrer Handlungen zu machen pflegt? Wäre eS nicht auch richtig gewesen, damals, als die Absicht bestand, die Getreidezölle zu erhöhen, diesclbe so lang wie irgend möglich geheim zu halten? Statt dessen wurde diese Zollerhöhung von agrarischer Seite schon im Winter des vorigen Jahres angekündigt, und man hat sich dann den Kopf zer- brachen, um geeignete Bestimmungen zu ersinnen, welche die mtt den vorherigen Ankündigung der Zollerhöhung begangenen Thorhetten wieder gut machen sollten. Im gegenwärttgen Falle wurde sogar Jeder, der nicht ohne Weiteres die Rothwendigkett von Zollrepreffalien gegen Ruß- land zugeben wollte, mit dem Vorwurf böswilliger,„reichsfeindlicher" Opposition belastet, und so kann die Thatsache gar nicht wundernehmen, daß die Ankündigung derselben, die übrigens— auch bezeichnend genug— einem kleinen Kreise von Speku- kanten, wie von der Berliner Börse gemeldet wurde, bekannt war, noch bevor sie im Druck erschien, Glauben gefunden und Verluste verursacht hat, deren Umfang sich noch gar nicht übersehen läßt. Es wäre eine dankbare, freilich ein wenig erfreuliche Aufgabe, einmal eine ungefähre Schätzung der Verluste anzustellen, die durch solche Beunruhigungsversuche dem deutschen Volksvermögen zugefügt worden sind. Es würden sich un- zweifelhast Summen erg-b-n, drei-, vier-, fünfnial so groß, als Beträge, um welche die gewissenhafte Regierung und die gewissenhaste Volksver- tretung oft wochen- und monatelang miteinander verhandeln." Was das für„Gedanken eigener Art" sind, von denen oben die Rede ist, liegt nach dem, waS hinterher ausgeführt wird, auf der Hand. Ge- wisse politische Größen und gewisse Börsianer haben gemeinsam einen Raubzug ausgeführt und dabei Millionen eingeheimst. Die Verlierer sind in diesem Falle andere Börsianer und daher die unverhüllte Eni- rüstung der Magdeburgerin, in hundert anderen Fällen, namentlich wenn tüchtig mit dem Säbel gerasselt wird, ist es die Masse des Volkes. Und es pfeifen die Spatzen von den Dächern, daß auch gewisse Krieg-inSicht-Artikel, noch bevor sie im Druck erschienen, einem kleinem Kreise von Spekulanten bekannt waren— eine Wissenschaft, die unter Brüdern Millionen werth zu sein pflegt. Was sind gegen solche« Treiben die Vorgänge in den verrufensten Spielhäusern? Kleinigkeiten, wie Franz Morr sagen würde. Dort werden höchstens einzelne, in der Regel schon moralisch angefaulte Jndi- viduen zu Grund« gerichtet, hier wird die Existenz von Hunderttausenden fleißiger Individuen in frevelhnster Weise preisgegeben, dort spielt die Hefe der Nationen unter sich um das persönliche Sein und Nicht- sein, hier spielt ebenfalls die Hefe der Rattonen, aber in den Mantel der Respeitabilität gehüllt und um Sein und Nichtsein Anderer. Unter dem Treiben in den Spielhäusern leiden nur die direkten TheUnehmer, unter diesem Treiben aber in den Kabinetten und an den Börsen leiden am meisten, ja man kann sagen ausschließlich die Richt-Mitspieler, und ihre Zahl beziffert sich nach Hunderttausenden, nach Millionen. Die Schuldigen aber entziehen sich jeder Verantwortung, für fie gicbt eS keine Kontrolle. Ihr öffentliches Gebahren deckt die schillernde Hülle „Patriotismus", und das andre steht einzig und allein in den G e« Heimbüchern gejw isser Bankier». In diesen Geheimbüchern wird der künftige Historiker wichtigeres Material finden zur Bsurtheilung unserer Zett und ihrer großen Staats- männer als in allen politischen Aktenstücken, welche die Staatsarchive füllen. Gegen daS frevelhafte Spiel aber giebt es kein Gesetz, daS stark ge- nug wäre, es auszurotten. Nur eine Möglichkeit giebt es, ihm den Garaus zu machen und das ist, ihm den Boden zu entziehen durch Be- seitigung seiner materiellen Voraussetzungen. Je mehr die Völker die Entscheidung über ihre Geschicke, über Krieg und Frieden aus den Händen geben und genialen Staatsmännern anvertrauen, um so mehr wird das frivole Spiel mit ihrem Wohl um sich greifen, um so weniger werden sie zur Ruhe kommen, je mehr sie dagegen ihre Geschicke unab- hängig machen von den Launen einzelner Individuen und die Ent- sch-idung über die Lebensfragen des Gemeinwesens von der eignen Be- 'chiußsassung abhängig machen, um so weniger werden sie von geschickten Spielern ausgebeutet werden. Es ist kein Zufall, daß Deutschland heut die größte Spielhölle Europa » ist, eS hat ja den größten Staatsmann an seiner Spitze, in dessen politische Zirkel kein Sterblicher dreinzureden sich unterfangen darf. Wohl dem deutschen Volke, wenn eS endlich zur Einsicht kommt, daß die genialen Staatsmänner immer zu theuer be- zahlt werden.
Zürich , S. Juni 188S. — Sine wunderbare Mähr macht die Runde durch die deutschen Zeitungen. Der Kaiser soll anläßlich der Erörterungen im preußischen Abgeordnetenhause über die Wahl im LandtagswahlkreiS Marienburg an Puttkamer geschrieben haben» er erwarte, daß bei den nächsten Wahlen keinerlei Wahlbeeinflussung seitens der Regierung stattfinde. Puttkamer, statt diesen Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen und sich ins Dunkel zurückzuziehen, soll eine Denkschrift zu seiner Rechtferttgung einreichen wollen. Wenn dies« Denkschrift ebenso ausfällt wie jene, wo- mit er die kleinen Belagerungszustände im Reichstag rechtfertigte, kann sie nur von Scheinheiligkeit und Verlogenheit strotzen. In Marienburg kam in erster Linie der Bruder des Ministers als Abgeordneter in Frage. Um ihn durchzudrücken, wurden Mittel ange- wandt, die bisher selbst in Preußen unerhört waren, und das will viel heißen. Dies und vieles Andere zu rechtfertigen, dazu gehört eine eherne Sttrne, mit der allerdings Herr v. Puttkamer wie kein zweiter Sterb- licher begnadet ist. Ei frägt sich nur, ob der Hohenzoller sich ebenso leicht mit einer Puttkamer'schen„Denkschrift" abspeisen läßt, wie die Majorttät deS Reichstags. Wie Herr von Puttkamer mit allen, aber auch mit allen Mitteln kämpft, um feine und seiner Klasse Interessen, daS in seinen Augen natürlich das StaatSinteresse ist, zu wahren, darüber folgendes Beispiel, von dem wir ganz neuerdings Kennwiß erhielten: Ende Februar, also kurz nach den bekannten Sozialistengesetzdebatten, in denen Herr Puttkamer«ine so traurige Rolle spielte, erließ er an das Berliner Poliz« tpräsidrum den Befehl, im Falle einer Mobilmachung all« Sisenbahnbrücken und Uebergänge mit doppelten Schutzmannsposten zu besetzen, um die Sprengung der Brücke« und Uever- gänge durch die Sozialdemokraten zu verhüten. WaS war der Sinn dieses Befehl», zu dem natürlich nichtder allergeringste Anhalt vorlag? Herr v. Puttkamer spekulirt«, daß, wenn unter der Aufregung einer
Mobilmachung eine solche Maßregel bekannt würdch alsdann die furchtbarste Erbitterung gegen. die Sozialdemokratie in Berlin und ganz Deutschla'ckS ausbrechen würde, und unter dem aufregenden Eick* druck, den ein solch niederträchtiger Plan hervor'» rufen mußte, es gelingen werde, die denkbar schärf« sten Maßregeln gegen die Partei auszuführen. Eis sollte ein zweites 1878 insjenirt werden. DäRäls- hak matt die Atten- tat« gegen die Partei in der schamlosesten und Ni'ed'ektrachtkgsten Weise ausgebeutet, um ihr das Ausnahmegesetz aufzuh'alsÄs, setzt Machte man' mit Hilfe aus der Luft gegriffener Lügen und der erdichteten Zeug« Nisse einiger Lockspitzel die Aufregung über die Mobilmachung zu einen» zweiten, noch schlimmeren Schlage auszunutzen. Dieser Plan ist in der That rasfinirt erdacht- �entspricht aber ganz dem,- was wir Herrn von Puttkamer zutrauen. Die Quelle, aus der wir obige Nachricht schöpfen, läßt keinen Zweifel- an der Rich« ti gleit zu. Und da wir einmal bei den Enthüllungen sind, mag ndch eiste zweite' folgen. Bei dem Lockspitzel Schröder wurde bekanntlich eine Kiste Dp« namit gefunden, die auS der Dynamitfabrik Opladen bei Düsseldorf herstammte. Aber nicht bekannt war bisher, daß Schröder sofort nach Eintreffen der Kiste den Polizeirath Krüger da« von in Kenntniß setzte, ferner, daß er mit Wiffen der Berliner Polizei die Kiste bei sich ausbewahrte und Polizeirath Krüger benachrichtigte, er werde ihn wissen lassen, sobald da» Dynamit soll Ver« wendung finden. Ist das nicht niedlich? Ein königlich preußischer Polizeispion mit Wissen seines obersten Vorgesetzten in Besitz von Dynamit, das- dieser selbstverständlich nicht zu Vergnügungszwecken aufbewahrte. DaS ist aber noch nicht Alles. In der bei Lockspitzel Schröder gefundenen Dynamitkiste fand sich auch eine kunstvoll gearbeitete Wursbombe mit aus« führlicher Gebrauchsanweisung von der Hand des bekannten„Anarchisten" Kaufmann» der ebenfall» im Solde der Berliner Polizei stand und jetzt in London intimer Freund und eifriger Parteigänger von— Peukert ist! Dynamit und Bombe— von Lockspitzeln angeferttgt und Mit Wiffen der Berliner Polizeichefs bis zum Augenblick der„prak- tischen Verwendung" aufbewahrt— fürwahr Herr von Puttkamer und Herr Krüger sind ein nettes Gespann, man folfe sie in Gold fassen und ihnen das bayrische Schnadahüpfel widmen:> Ja so zwoa, wie wir zwoa— die find't man net glet, Denn wir san ja, wir fan ja— die ordentlichsten Leufl — Hundert und zehn Monate Gesang nisi hat das Leipzfger Landgericht, unter der Direktion des Herrn H ä n tz s ch e l und de« Vorsitze des Herrn Bartsch über 27 Verbreiter des Flugblattes zu» Andenken an den 18. März verhängt. Hundert und zehn Monate Gefängniß! Und schließlich 27 Ausweisungen! 27 zerstörte Existenzen! Natürlich, eS sind ja nur Arbeiter, nur Sozialdemokraten, die getroffen werden! Und solches Gesindel verdient kein Mitleid, hat kein Recht auf Gerechttg» kett und Menschlichkeit! Wenn der Stöcker und das Kartellbrüder- pack von rohen Appellen an die Leidenschast und von Majestätsbeleid» gungen förmlich trieft, so ist das ganz in der Ordnung— kein Staats- anwalt, kein Gerichtshof hat Augen dafür. Allein wenn Arbeiter und Sozialdemokraten eS wagen, in maßv ollster Form ihr Recht zu fordern, das Unrecht zu brandmarken und an eine glorreiche Vergangen- heit zu erinnern— hundert und zehn Monate Gefängniß! Damit die Leser, und insbesondere die schweizerischen Leser, sehen, welche RechtSzuständ« in Deutschland herrschen, und gegen welche„Ausschreitungen" sich die Verfol- gungen der Machthaber richten, bringen wir in heuttger Nummer das Flugblatt zum Abdruck. — DaS Leipziger Flugblatt, welches von dem Letpztgrr Näpel l und Oberstaatsanwalt Häntzschel als„Schandblatt" bezeichnet, und von den Leipziger Richtern an 27 Angeklagten mit zusammen hunder» und zehn Monaten Gefängniß bestraft wurde, lautet wie folgt!
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A» das Zflolk! iedenkblatt zum 13. März.
Vor 40 Jahren war's— im Jahre 1848, dem Jahre de» Völkeo frühlings, der vielen Hoffnungen und getäuschten Illusionen. Damals ermannte sich das Volk zum Kampf gegen Despotie und Tyrannei- Aber diejenigen, deren Reich es gebracht, haben es vergessen, und nu» noch von denen wird eS gefeiert, deren Sache in sein«» Tagen im Blut» erstickt ward— von den Arbettern. Die Revolution von 1848 war eine bürgerliche. Aber ste wurd« erkämpft von Arbeitern. In Paris , in Wien , in Berlin — überaß waren es fast auss hließlich Arbeiter, die auf den Barrikaden kämpften die mit ihrem verzblut einttaten für die Niederwerfung des alten halbabsollltistisch-feudale« Polizeistaat«». Dan! dem selbstlosen, opferwilligen Eintreten der Arbeiter fiel dem Bürger- thum die Herrschast in den Schoost. Dank ver Feigheit und Unfähig keit deS BürgerthumS aber ging das Eroberte bald wieder verloren, ver- loren um einem System der traurigsten Korruption, der brutalsten Niedertracht Platz zu machen. Sehe man hin in Deutschlands Gauel überall dasselbe Lied: Unterdrückany der breiten Grundlage de» Gemeinwesen», de» Staate», also der Arbeiter, in der brutalsten Art— Stellung der' selbe« unter Ausnahmegesetze! Das ist der oberste Grundsatz der Staatenlenker und der herrschenden Klassen. Von Haus und Hotz aus der Heimath, von der Familie, von Weib und Kind— so lautes die Gesetze des heutigen Unterdrückungsstaates— wird der gejagt welcher es wagt, nach seiner freien Ueberzeugung sür eine neue Zett zs wirken, die der Menschheit ein menschenwürdiges Dasein bringt. Selbst die allereinfachstrn und bescheidensten Forderungen der Arbeiter, welch» ihnen das gesetzliche Koalttionsrecht verbürgt und welche zu nicht» wette» dienen können, als dem Arbeiter die Möglichkett zu gewähren, ds Rahmen der herrschenden Produkttonsweis« günstigere Lohnbedingunges zu erlangen— selbst diese werden unmöglich gemacht. Und wie ftehl es sonst mit dem freie« verein»« und Versammlungsrecht 1 Wie mit der Preßfreiheit u. s. w.? Man sehe nur aus die Tages» ereigniffe. Massenhafte Auslösungen von Vereinen, Verbote von Be» sammlungen und Zeitungen, polizeiliche Maßregelungen aller Art und ohne Zahl erscheinen, wo es fich um Arbetterbestrebungen handelt. Des Bourgeoisie und den Machthabern der heuttgen Gesellschaft dageges stehen alle Freiheiten unbehindert zur Verfügung. Und doch heißt es im geschriebenen Gesetze:„Alle Deutsch « find vor dem Gesetze gleich/ Welch hohle Phrase! Um aber diesem Gebäude des Unrechts und der Unterdrückung di« Krone aufzusetzen, werden Dinge durch die deutsche Regierung eingejührt die aller Moral Hohn sprechen. Die Regierung züchtet ein System ock polittschen Spionage, welch« den Emanzipationsbestrebungen der Arbeit» den letzten Rest geben soll. Wird die« gelingen? Dies« Spione Hai» die Aufgabe, die Arbetter zu Thaten aufzufordern, welche dem Prinzitz der Arbeiter zuwiderlaufen, zu Gewaltakten gewöhnlicher Art. Lasset fich aber die Arbetter zu solchem thörichten Thun nicht verleiten, sondert entlarven die Spione, so werden nicht dies«, sondern die Arbeiter unw Anklage gestellt. Die Spitzel, agsvt» provocateare, die Aufreiz» zu Gewallthätigkeiten bekommen dagegen auf Verwendung de» Polizes minister? v. Puttkamer Belohnungen, Ehrenzeichen und Orden. Wtt konnte Deutschland so ttef sinken? Rur durch da» Bündniß der Bout» geoiste mit der Regierung, di« es beide verstanden haben, die Situatiot zu beherrschen. Ob es ihnen gelingen wird, auf der Höhe der Situatiot dauernd zu bleiben? Unmöglich, man müßte den» am Fortschritt det Menschheit verzweifeln! Wie aber soll uns die Rettung kommen? Soll fich da» Volt alle Nackenschläge geduldig gefalle« lassen? Dadurch er- muthigt es nur zu weiterer Drangsalirung. Kein Volk ist frei, das nicht jeden Augenblick bereit ist, für feine Freihett den Kampf aufzn nehmen, daS nicht feine revolutionären Traditionen bochhält. Wenn«< daher bei der deutschen Bourgeoisie Sitte geworben ist, über da»„toll«
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