Und mit welcher Majorität wurde das neue Statut angenommen! 6462 Stimmen erklärten sich dafür, nur 2469 Stimmen dagegen! Unter denjenigen Gauvereinen, welche den Muth und den Stolz hatten, die preußischen Zumuthungen zurückzuweisen, steht obenan Leipzig  , das mit erdrückender Majorität das Statut verwarf; ihm folgt der Gau Dresden, auch der württembergisch« Gau  , der bisher den Sitz den Haupt« Vorstandes bildete, errang eine schwache Majoritäj, die übrigen Gaue aber, voran Berlin  , Hamburg  , Hannover  , beeilten sich, Ja! zu sagen und der preußischen Regierung den verlangten Liebesdienst zu erweisen. Die Buchdrucker haben ihr Staatsschifflein wieder einmal vor den drohenden Klippen gerettet, aber wie lange! Suchen wir nach den Ursachen dieser Muthlosigkeit und dieser Ver« trauensduselei, so sind solche nicht schwer zu finden. Der Unterstützungs« verein der Buchdrucker erscheint uns wie ein Philister, der stch auf seine alten Tag« einen Nothpfennig zurückgelegt hat und nun bei jeder kleinen Erschütterung um seine Ersparnisse bangt ein Kartellbruder im Ar« beitSkittel. Die Kassen sind es, die den Gewerkverein der Buchdrucker lahmgelegt haben. Um der K a s s e n willen hat sich eine große Anzahl Mitglieder zu ihm geschaart, die bei jedem ernsten Sturm wieder ab« springt um der K a s s e n willen bangen die andern vor jeder freien Regung innerhalb der Organisation! Schwebt doch immer das Damokles- schwert der Auflösung über jedem Arbeiterverein! Die Buchdrucker bangen um ihre sauer ersparten und erdarbten Groschen, und daher kommt ihre Muthlosigkeit, ihr stetes Zurückweichen, ihre Furcht vor politisch-oppositionellen Regungen. Wie wahr ist doch Leffing'S herrliches Wort:Der wahre Bettler ist allein der wahre König!" Der Buch­drucker mit seinen paar Mark Kaffengeldern ist zum politischen Angst« meier und Feigling geworden. Aber eine so tiefgehende Versumpfung konnte durch die Kassen allein nicht platzgreifen es mußten noch andere Mächte im Spiele sein! Uno so ist eS! Den Künstlerdünkel in gewissen Buchdruckerkreisen wollen wir nur streifen eine eingehende Beachtung aber wollen wir dem Vereinsorgan schenken, dem im 26. Jahrgang« stehenden und seit zirka 22 Jahren von R i ch a r d H ä r t e l in Leipzig   redigirten K o r r e» spondent für Deutschland« Buchdrucker und Schrift« g t e ß e r". Bis zum Jahre lS7S vertrat da» Blatt die Interessen der Arbeiter hier der Buchdrucker schlecht und recht, wie andere Arieiterblätter auch. Als aber der Reaktionssturm hereinbrach, machte Herr Härtel, und mit ihm derKorrespondent", eine Schwenkung nach rechts. Anfangs konnte man glauben, da? Blatt könne unter dem Drucke äußerer Ver« hältniffe nicht anders, nach und nach aber stellte sich heraus, daß das Blatt bewußt mit der Reaktion ging und absichtlich dieselbe för« derte. Heute arbeitet derKorrespondent" systematisch an der Korrumpirung der Buchdrucker, und die Frucht dieser Ar« beit ist in den jüngsten Tagen gezeitigt worden. Herr Härtel ist ein eifriger Förderer des StaatssozialiSmu« und ein verbiffener Gegner des demokratischen Sozialismus geworden. Die Sozialreform hat'« ihm angethan. Es kann von oben Fußtritte hageln Herr Härtel verliert den guten Muth und die Hoffnung nicht. Höch« fiens wenn man seine Buchdrucker gar zu unsanft an die Wand quetscht, macht er mit einem süßlichen Lächeln eine allerunterthänigste Opposition aber sein Sträuben mahnt an das Gebahren einer Dirne, die in ihren Sünden noch nicht recht sattelfest ist, die noch mit einem Auge schüchtern zu Boden schaut, während sie mit dem andern begehr- lich nach stiem Kaufpreis schielt. Als vor drei oder vier Jahren die Hetze gegen die Fachvereine begann, da konnte es auch Herr Härtel nicht unterlassen, in seinem Arbeiter blatte die Fachvereine als sozialdemo« kratische Vereine zu denunziren. Ein anderes Mal deklamirte er, daß die vielen Lehrlinge das Buchdruckgewerbe ruinirten; ihre Verminderung bringe höhere Löhne, reichlichere Arbeit und dergleichen. An diese Sal« badereien knüpste er seine schon oft gehörten praktischen Vorschläge. DerNorddeutschen Allgemeinen" paßte damals dieser Kohl in ihren Kram, und sie geruhte deshalb huldvollst, die Buchdrucker und ihr Organ den anderen minder folgsamen Arbeitern als Muster vorzuführen. Darob war nun in Reudnitz  , wo das famose Arbeiterblatt erscheint, große Freude, und ein bald zusammengeschriebener Leitartikel stiminte eine Jubelhymne auf dieNorddeutsche Allgemeine" und deren Gönner an, außerdem wurde da» Lob noch wörtlich abgedruckt. So ist es fortgegangen bis heute. Da» schön« Lied von der Harmonie zwischen Kapital und Arbeit ist in tausendfachen Variationen gesungen worden und die bösen Sozialdemokraten, die es nicht einsehen können, wie fein und lieblich es ist, wenn Brüder(Arbeiter und Kapitalisten)«inträchtig bei einander wohnen, wurden weidlich angeschwärzt. Nun entsteht die Frage: Haien sich denn die deutschen   Buchdrucker so ruhig von ihrem Redakteur vergewaltigen lassen? Die Mehrheit ja! Die alten gewerkschaftlichen Ideen waren zu tief eingewurzelt, die Kassen schützten vor der äußersten Noth, die politischen Verhältnisse gestatteten einen freien Meinungsaustausch nicht und Herr Härtel hatte stch vieleVerdienste" um den Verein erworben. Auf dies« früheren Verdienste hin konnte Herr Härtel ruhig sündigen, sie umgaben ihn mit einem Heiligenschein, mit einer ehernen Schutzmauer, an der alle Angriffe rebellischer Geister abprallten. Selbst alte Genossen schonten ihn um seinerVerdienste" willen und ließen sich seine Ver- gewaltigungen ruhig gefallen der Buchdrucker-KorpSgeist siegte über den Parteigeist. So hatten auch die Buchdrucker ihren großenStaats« mann"..... Nachdem er das Entstehen einer Opposition innerhalb des Verbandes geschildert, fährt der Verfasser fort: Die ganze Härtel'sche Gefolgschaft war empört. Allen voran mar« schirten die Berliner  . Dort will man erst versuchen, ob man unter den neuen Verhältnissen ezistiren könne. Sind denn die Berliner   Buchdrucker gar so sehr in die Lektüre deSKorrespondent" vertieft gewesen, daß fie gar nicht gemerkt haben» was während der letzten zehn Jahr« um sie herum geschehen ist? Sind ihnen die Maßregelungen der Arbeiterverein« in Berlin   so gänzlich unbekannt geblieben? Die könnten doch gerade am meisten gelernt haben. ES berührt fast komisch, wenn da geschrieben wird:daS Eine muß man anerkennen, daß durch das genehmigte Statut die Erzielung möglichst günstiger Arbeitsbedingungen staatlich sanktionirt ist". Hat uns nicht bisher die Gewerbeordnung den gleichen Schutz versprochen? Und waS hat uns dieser gesetzliche Schutz genützt? Nichts, gar nichts! Vereine und Lohnkommissionen sind aufgelöst war- den, wenn man eS eben gerade für gut befand. Das Sozialistengesetz sticht eben die Gewerbeordnung. Und die staatliche Anerkennung?-- Ebenso hübsch oder noch hübscher machen es die Chemnitzer  . Dort glaubt man, daß erst mit Ablehrnuig des Statuts der preußischen Regierung eine Handhabe geboten sei, den Berein aufzulösen. Wie naiv! Ferner heißt es, nachdem man der Vereinsverbote von Frankfurt  , Berlin  , Zwickau  » Erfurt  , Odergau u. gedacht,es sei nicht recht, wenn man die dargebotene Hand(der Regierung) zurückweise," daS heißt mit anderen Worten: die Buchdrucker sollen die Hand küssen» die sie gezüchtigt. Recht rührend klingt folgender Satz:Ruch unsere Prinzipale würden dem unter preußischem Schutze stehenden Vereine mehr Interesse ent« geaenbringen als bisher l" Die Chemnitzer   sollen nur nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, wenn-in gestrenger Herr Komnierzieurath un- gnädig mit den Augen blinzelt. Endlich wird noch die wehmüthige Hoff- nung ausgesprochen, daß nach Annahme des Statuts der Vereindie so sehr bedürftige Ruhe finden" werde. Doch genug hiervon; wir wollen kein« weiteren Beispiele aufzählen. Ja, derUnterstützungsverein deutscher Buchdrucker" wird dieso sehr bedürftige(und wohlverdiente) Ruhe" finden! Der Appetit kommt mit dem Essen! Die Forderungen der preußischen Regierung werden nicht die letzten sein, und die armen Buchdrucker» die mit einem Sündenlohn ihre verdammten Seelen aus dem Fegefeuer zu erretten hofften, werden weiter und weiter rückwärts revidiren müssen, bis nichts mehr bleibt. Die unabhängigen Elemente aber werden dieses langsame Absterben nicht mit abwarten. Der Verein war bisher nur ein Kompromiß zwischen Anhängern aller Parteien, und schon jetzt fiel«S inanchem Sozialisten S�wer, unter der Härtel'sche» Aera zur Fahne zu halten. Jetzt sind dies« ande noch mehr gelockert worden, und wenn die Härtel'sche Gefolgschaft noch weitere Konzessionen macht und sie wird es thun dann wer- den die Sozialisten«ineS Tages erklären: Wir machen nicht mehr mit! Mag dann auch Herr Härtel zetern, daß dadurch den Prinzipalen in die Hände gearbeitet werde die Austretenden werden sich nicht daran stoßen. Lieder die Prinzipale als offene, ehrliche Feinde nur keine falschen Freunde, die ihre gut bezahlten Stellen dazu benützen, die Arbeiterbewegung der Versumpfung entgegenzuführen l BeklagenSwerth ist eS und bleibt eS, daß ein ehemals so stolzer Arbeiterverein s o weit kommen konnte. Mannhafter und ehrenhafter wäre ein trotzige»Rein!" gewesen, statt dieser wenig ehrenvollen Zaghaftigkeit und Nachgiebigkeit. ES ist geschehen!Du hast'S erreicht, Oktavwl" Soweit das deutsche Arbeiterblatt. Und man glaube nicht, der Ver» fasser gehe mit Herrn Härtel zu scharf in's Gericht. Die Charakter« lofigkeit Härtel's erhält erst ihr« rechte Beleuchtung, wenn man weiß, daß Härtel bis zum Jahre 1878 in Leipzig   sich als großen, tapferen Sozialdemokraten geriete. Das Motiv freilich, das ihn damals in die Reihe der Sozialdemokratie trieb, war so niedrig wie das, das ihn heute zum Bauchrutschen vor der preußischen Polizei verleitet» es war immer nur die feige Sorge um das liebe Ich! Damals trieb ihn der fort- schrittliche Geist der deutschen   und speziell der Leipziger   Buchdrucker in unser Lager, heute treibt es ihn unter die Fahne der Reptilbrüder. Der Strafe für ihre in der Geschichte der Arbeiterbewegung bei« spiellos« Selbsterniedrigung werden die deutschen   Buchdrucker natürlich nicht entgehen. Auf dieser Bahn der Korruption gibt e« keinen Wider­stand, keinen Halt mehr. Sie, die auch auf dem Boden ihre? eigenen Berufes gegen die Ideen und Anforderungen der modernen Arbeits« weise blind und reaktionär sind, und nach Vogel Strauß-Art gegen Krisen und maschinell« Entwicklung sich mit Wander«, MaßregelungS« und ArbeitSlosen-Unterstützungskassen zu wehren versuchen und zu siegen hoffen, sie werden jetzt, nachdem sie ihr politisches Sadowa gesucht, auch ihr gewerkschaftliches Sedan finden die Tage nicht bloS des GlanzeS des deutschen   Buchdruckerverbandes find vorbei auch die Tage seiner Existenz sind gezählt was die preußische Polizei ihm an Lebenslicht läßt, das wird beim Ausscheiden der radikalen sozialistischen   Elemente erlöschen. Aber neues Leben wird aus den Ruinen erblühen, und für all« übrigen Arbeiterorganisationen tn Deutschland  , die seit Jahren den Kampf gegen die reaktionären Gewalten mit unerschütterlichem Muthe geführt, wird dieser traurige Mangel an Einsicht, Muth und Selbstvertrauen, wie ihn die Buchdrucker in ihrer Mehrheit gezeigt, nur ein neuer Ansporn zu kräftigem Aushalten fem. Sozialpolitische Rundschau. Zürich  ,»1. Juli 1888. Bezüglich der Abschaffung de» Sozialistengesetzes  sagten wir schon vor sechs oder sieben Jahren, als zum ersten Male die Möglichkeit(oder Unmöglichkeit) der Abschaffung besprochen wurde: Das Sozialistengesetz kann und wird erst dann abgeschafft werden, wenn un« sere Feinde zu der Erkenntniß kommen, daß nur sie, und nicht w i r, von dem Sozialistengesetz Schaden haben. Und darum befolgten wir von Anfang an die Taktik: daS Sozialisten­gesetz für unsere Feinde so unangenehm zu machen, als e« in unseren Kräften steht. Nicht durch Nachgeben so führten wir wiederholt aus nicht durch Unterwürfigkeit können wir da» Sozialistengesetz je loS werden. Ducken wir uns, unterwerfen wir uns dem Schandgesetz, geben wir den Kampf auf so haben unsere Feinde ja ihren Zweck erreicht, und sie laffen das Sozialisten« gesetz erst recht in Kraft. Zeigen wir ihnen dagegen, daß das infame Gesetz, obgleich es uns schwere Opfer auferlegt und Manchen von uns sogar schmerzhafte Wun- den bereitet, unsere Schlagfertigkeit nicht beeinträchtigt, wohl aber für unsere Feinde mit sehr großen, ihre politische Stellung beeinträchtigenden Nachtheilen verknüpft ist dann, und nur dann ist Aussicht vorhanden, daß daS Sozialistengesetz abgeschafft wird. Wenn nicht, nicht. Entsprechend dieser Auffassung führten wir den Kampf unerbittlich und rücksichtslos. Wir wollten nicht schonen, wir wollten ver- l« tz e n, wie da» in einem ernsthaften Kampf sein muß. Die Partei hat im Ganzen auch dtese Taktik befolgt. Die Wirkung sehen wir jetzt. DaS Sozialistengesetz macht unseren Feinden mehr Kopfschmerzen als uns. Daß es seinen Zweck nicht erreicht hat, das wird allseitig zugegeben. Nicht einmal die fanatischsten und bornirtesten KartellblÄter wagen eS mehr, für das Sozialistengesetz in seiner bisherigen Gestalt einzutreten. Sogar dieKölnische Zeitung  " erklärt, der gegenwärtige Zustand könne nicht fortdauern man müsse an Abschaffung und Ersatz des Sozialistengesetzes denken. Und die Frage, was denn nun werden soll, beschäftigt die gesammte Kartellpresse, und die gesammte Kartellpresse steht rathlo» der Frage gegenüber. Nun wir haben keine Lust, uns den Kopf unserer Feinde wegen zu zerbrechen. Wir wollen uns auch mit demErsatz" gar nicht beschäf- tigen, obgleich wir wiffen, daß er verschiedene Schalkehinter ihm" hat. WaS un» interessirt, ist, daß der deutschen   Sozialdemokratie die rockuotio ad advurdvw d e s Sozialistengesetzes aufs Gründlichst« gelungen ist» und daß daS Sozialistengesetz un- seren Feinden tief inS Fleisch geschnitten, ja vielleicht einenStoß ins Herz" versetzt hat. Mögen sie sehen, wie sie zurechtkommen! Wir haben auf das leben- dige Sozialistengesetzgepfiffen", und wir pfeifen auf das todt« denn todt ist es, wenn nicht alle Anzeichen trügen todt, obgleich wir sehr wohl wiffen, daß an seiner Stelle Schlimmeres geplant wird. Und auch auf da» Schlimmere werden wirpfeifen"! Die Todteugräber der Monarchie. Wenn sich Zustände und Einrichtungen überlebt haben, dann fördert jeder Versuch, sie zu kräf- tigen, nur den Auflösungsprozeß gerade wie die Versuche, einen durch und durch ungesunden Organismus durch chirurgische Heil- eingriffe wiederherzustellen, regelmäßig die Katastrophe beschleunigen. Deshalb finden wir in der Geschichte wie als Wirkung eines unab- änderlichen Gesetzes die tausendmal sich wiederholende Erscheinung, daß die eifrigsten, energischsten Vertreter absterbender Institutionen, Systeme und Reiche deren Todtengräber werden. Es ist wie mit den Anstrengungen eines im Sumpf Versinkenden, der stch durch seine Anstrengung immer tiefer in den Sumpf hineinarbeitet. Die Metternich  , die Guizot  , die Bismarck   alle» Todtengräber. Was insbesondere den Letzteren anbelangt, so denkt er zwar unzweifel- hast in erster Linie an stch selbst an die Dynastie Bismarck  « T y r a s, allein ebenso unzweifelhaft hat er doch auch die Absicht, die Monarchie gegen den Ansturm der trotz alledem und alledem immer mächtiger vordringenden Demokratie und Sozialdemokratie zu beschützen und daS monarchische Prinzip für die Ewigkeit festzugründen. Mit Ausnahme höchstens von Metternich hat aber in Deutschland   noch kein Mann gelebt, der dem monarchischen Prinzip tiefere Wunden ge- schlagen, mit solchem Erfolg sich bemüht hätte, es dem Haß, der Ver« achtung und der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Annexionen von 1866, welche das Königthum von GotteL- gnaden und das legitime Fürstenrecht mit Kanonenkugeln durchlöcherten, waren nur der A n f a n g, und von dm BolkSmaffen wurde dieses gewaltsame Attentat auf daS monarchische Prinzip nur wenig bemerkt, weil es für einen nothwendigen Theil des nationalen Einheitsprogramms angesehen wurde. Von zahlreichm weiteren Schlägen, die dem monarchischen Prinzip bei« gebracht wurden, wollen wir hier nicht reden, und nur die wuchtigsten herausgreifen. Da ist zunächst das tragische Schicksal Ludwigs des Wittelsbacher  » des Mannes, von dem die Initiative ausging, dem König von Preußen die deutsche   Kaiserkrone aufS Haupt zu fetzen. Also gewiß ein Mann der nationalen Einheit kein hartköpfiger Welfe, der ihr im Wege stand. Wohlan es stellt« sich heraus, daß der Mann, der dengenialen" Sedanken deS Hohenzollern  'schen Kaiserthums gefaßt, an Irrsinn litt. Der Irrsinn wurde jedoch von den Berliner  Gewalthabern, denen er Nutzen brachte, geflissentlich ignorirt und auS- gebeutet, bis er sich gegen sie selbst wandte. Nun erst wurde ein- gegriffen. Und der unglückliche Monarch, dem die ganze Schmach der Bismarcksschen Wirthschaft, die breite Kluft zwischen nationalen Hoff- nungen und Bismarck  'scher Erfüllung in einem lichten Augenblick aus- dämmerte, wurde sofort, nachdem die Berliner   Gewalthaber über ändert« halb Jahrzehnte aus seinem Geisteszustand Vortheil gezogen, mit rück- fichtsloser Brutalität der Freiheit beraubt und in den Tod getrieben. Und nicht lange nachher folgte der Wittelsbacher Tragödie die H o h e«< zollern-Tragödie. Der Thronerbe, der Erbe der deutschen Kaiser« kröne, sollte um jeden Preis auS dem Weg geräumt werden, weil er an die Allweisheit der Bismarck  'schen Politik nicht glaubte! DieKraft- proben" deSZwischenreichs", die henkermäßige Wuth, den kranken Thronerbm unter das Bergmann'sche Messer zu bringen, das indezente Geschimpf der Aerzte, denen die Henkerrolle verdorben ward, das ganze Gebahren der vornehmstenStützen des Throns" gegen den unglück- lichenFriedrich den Briten" und seinenglisches"Frauenzimmer"' und seinenenglischen Schwindelarzt" das Alles ist in frischem Ge- dächtniß. Und hätte der grimmigste Feind der Monarchie im Allgemeinen und des Hohenzollerngeschlechts im Besonderen die Zügel der Regierung in der Hand gehabt er hätte die Monarchie und das Hohenzollern  - geschlecht nicht wirkungsvoller demüthigen und in der Achtung der Menschen herabsetzen können. Und nach diesen zwei Tragödien alS Satyrspiel die Aus­weisung der Königin von Serbien  . Eine waschechte Königin von Gotteignaden d. h. so waschecht wie die anderen von den Predigern und Vertheidigern des Gottesgnadenthums aus dem Land« hinausgejagt, als wäre sie«ine Landstreicherin. Mein Liebchen, was willst Du noch mehr? Lakaiensprache. Ein d-utscheS Blatt veröffentlicht an erster Stelle Spezialberichte über dieKaisertage in Perteriburg". Da lesen wir u. A.: Trotzdem, daß die Zahl dieser Dampfer(die Passagiere von Peters- bürg nach Kronstadt   brachten) gegen 300 betrug und manche von ihnen mehr lebende Waare aufnahmen, alS sich mit den elementarsten Begriffe» persönlicher Sicherheit verträgt, konnten sie nicht alle Diejenigen aus» nehmen, die den Wunsch hegten, Zuschauer der großen htstori- schen Episode zu sein, die stch auf den Gewässern des finnländischen Meerbusens abspielen sollte." Das Zusammentreffen zweier Leute, diewirklich auch noch nichts für die Unsterblichkeit gethan", einegroße historische Episode". Merkwürdige Auffassung von der Geschichte. In dem Augenblick, wo daS auf den zahllosen Privatdampfern be- findliche Publikum den deutschen   Kaiser bemerkte, brach eS in ein nicht endenwollendes, enthusiastische» Hurrahrufen aus, daS stch von Schiff zu Schiff fortpflanzte, selbst den Donner der Kanonen zu übertönen schien und das Rauschen der Wellen zum Schweigen brachte. Die Hurrahrufe pflanzte« sich fort von dem weißblinkenden Telbicher Leuchtthurm bi» an die dunkeln Kronstädter Forts, von da bis an die blühenden Gestade von Peterhof, überall ein freudiges Echo hervorrufend. Aui fämmtlichen Dampfern ward die HymneHeil Dir im SiegeSkran z" intonirt, und die schmetternden Töne der Trompeten vereinrgten sich mit dem Hurrahru en Vit Menschen, mit dem dumpfen Donner der Kanonen, mit dem auS weiter Ferne ertönenden Glockengeläut«. Di« Männer schwenkten die Hüte und die Damen wehten mit den Taschen- tüchern, und die tausend«» Fahnen und Wimpeln flatterte« freudig in der blauen Luf t." Sollte man nicht meinen, einen AuSzug aus einem Hofbericht zu lesen? In diesem Ton geht eS weiter, und mit peinlichster Sorgfall wurden die unwesentlichsten Dinge über die Art berichtet, welche die Herrschasten" während der Besuchstage getrieben. Die Begeisterung nimmt kein Ende. Um 10 Uhr Abends erschienen die beiden Kaiser, die Kaiserin und alle übrigen Fürstlichkeiten im Park, wo das Hof-Orchester spielte und sich eine ungeheure Menschenmenge versammelt hatte. Kaum zeigte stck der Zug in den Alleen von Monplaisir, als ein betäub endei Hurrahrufen ertönte, da» sich blitzschnell durch den ganze« weiten Park fortpflanzte und momentan daS große Orchester zum Schweigen brachte".., Ueberall im Park wurden die beiden Kaiser enthusiastisch begrüßt- ...Mehrere Personen, welche die Ehre hatten, den, Kaise« Wilhelm vorgestellt zu werden, sprachen sich ganz begeistert über di« Liebenswürdigkeit und Einfachheit des jungen Kaisers auS, von dew man sich hier eine ganz andere Vorstellung gemacht hat." Etwa daß er ein Menschenfresser sei? Es sind mehr alS hundert Jahre her, daß Mirabeau   sich in seinen Briefen an den Ministe« Calonne über die kindische Begeisterung darüber lustig machte, daß ei« Fürst sich nicht als Kinderpopanz gerirt. Seit zwei Tagen ist der Kaiser von Deutschland Gast deS Kasserl von Rußland  ; ja nach dem enthusiastischen Empfange zu urtheilen, de« Wilhelm II.   hier überall zu Theil wird und nach den großartigen Ovo tionen zur See, die ihm seitens der Bevölkerung dargebracht werde« könnte man sogar sagen, er sei Gast de» rufsifchenVolke» Gut gewedelt, Lakai! Als ich vorgestern Früh auf meinem Wege zum Dampfer die S« bände der deutschen   Botschaft in der großen MorSkaja paffirte, sah W einen Muschik, der auf's Dach geklettert war und an dem Fl.igzensto- die kaiserlich deutsche Standarte befestigte. Diese Thassache schien mi> ein gute? Omen. DaS russische Bäuerlein, daS die deutsche Stand arte mit der einen Hand, und mit der andern die russische National- flagge erhebt, das ist ein guteL Zeichen." Für eine russische Politik Deutschland  «, wenn«S überhaupt eine« Sinn hat. Lei dem in einem herrlichen großen Zelt« stattfindenden Frühstüä, an welchem die Herrschasien Theil nahmen, brachte Kaiser Alexande« einen Toast auf den Kaiser Wilhelm   aus, worauf der deutsche Kais«« in russischer Sprache auf die Gesundheit deS Kaiser? Alexander toastete- E» ist selbstverständlich, daß diese beiden Toaste begeistert aufgenomme« wurden." Selbstverständlich", warum wird dann so viel Wesens davon gemacht! In der Botschaft blieb Kaiser Wilhelm   jedoch nur kurze Zeit, bestieS sodann wieder die Equipage und begab sich nach der, dem Winterpalai« gegenüberliegenden reich dekorirten Dampserauffahrt an der Newa  , wc ihn di« DampfyachtDagmar" erwartete, auf welcher ew Ausflug nats den Inseln unternommen wurde. Dieser Ausflug war im volle« Sinne de» Wortes ein Triumphzug." Imvollen Sinne des Wortes"? WaS der Mann wohl für eine« Triumph gemeint hat.' Noch vor dem Diner hatte Kaiser Wilhelm  , der mit den vom Stadt- Hauptmann getroffenen Anordnungen außerordentlich zufrieden gewese« war und ihm mehrfach huldvollst die Hand gedrückt hatty dem General Gresser den Rothen' Adlerorden 1. Klasse verliehen; der vor Freude strahlende Polizeichef trug schon während de» Diner« daS Band dieses hohen Ordens." Dem P o l i z e i ch e f huldvollst die Hand gedrückt" daS ist i« der That erstaunlich. Doch wozu weiter zitiren? Nennen wir daS Blatt, das stch nicht schämt, seinen Lesern, wie gesagt, an erster Stelle, solchen Be- dientenklatsch zu bieten. Es ist nicht die Berliner  Kreuzzeitung  ",«S is> nicht die Berliner  Nationalzeitung", es ist nicht einmal das Berliner Tageblatt", es ist die demokratischeFranksurter-Zettung." Kommentar wirklich überflüssig. «m S. August beginnen zwei Monstre-Sozialisteuprozesse' einer in Berlin  (in Sachen des bekannten Flugblatts), der ander« i« Altona  (wegen Geheimbunds). Angeklagt sind in beiden Fällen zu- sammen ungefähr ein halbes Hundert. In München   soll nächsten» wieder«inGeheimbundsprozeß" sein, der wie vielte, wissen wir nicht. Vom Rheinischen GeheimbundSprozeß ist's aber immer noch mäuScheN- still. DaSMaterial" scheint den Herren Richtern und Polizisten no«! nicht alS gebratene Taube in den Mund geflogen zu fein. Wer find diedrei großen Männer dieses Jahrhun- dertS"? Hat man sie in den Reihen der bahnbrechenden Geister, de» Forscher, der Entdecker und Erfinder zu suchen? In den Reihen Derer welche Mittel und Wege ausfindig gemacht, die Menschheit von drückende« Uebeln zu befreien, ihre Erkenntniß zu erweitern, ihre Wohlfahrt i» fördern? O nicht doch, mit Kleinigkeiten dürfen sich die Leute nicht ab- gegeben haben, denen dieser Titel zuertheilt werden soll. Weder ei«