gnädigst g«uh«n, dieser Feier beizuwohnen. In tiefster Ehr- furcht erstirbt Euer Königlichen Hoheit unterthänigst gehör- s a m st e s Konnte" u. f. w. Kann man auf neun Zeilen mehr Hundedemuth unterbringen, als es hier„unterthänigst gehorsamst" geschehen? Schwerlich, wie es auch allerdings unmöglich ist, das Zeug stnngetreu in irgend eine andere der modernen Kultursprachen zu übersetzen. Knechte im Superlativ sein zu können, ist ein Borrecht, auf das der Deutsche ebenso stolz sein darf wie auf das Kunststück, diesen Superlativ durch das Borsetzen der Silbe„aller" noch auf einen neuen Superlativ emporzusteigern. Diese Niedertracht auS der deutschen Sprache herauszubringen, ist ein würdigeres Beginnen als die sich jetzt allerwärtS breitmachende Wuth, Fremdwörter, die längst Gemeingut des ganzen Lölkes geworden, aus- zutreiben und durch schlechte, geschraubte Uebersetzungen zu ersetzen. Wenn der Deutsche auch fürderhin Portier sagt statt„Thürwart", so ist daL wahrlich ein kleinerer Schade, als wenn er in alle Ewigkeit „allerunterthänigst erstirbt." Diese niederträchtige Redens- ort wird in der erwähnten Zeitungsnotiz durch folgende Randgloffe verdientermaßen lächerlich gemacht: „Es folgen noch(d. h. dem Brief) die Namen der erstorbenen Personen, die wir aber mit der Rücksicht, die Todten geziemt, ver- schweigen wollen." Ob aber mit dem Wort auch die Sache verschwinden würde, das ist frellich eine andre Frage. Dazu brauchte es einer andern al? einer bloßen Sprach-Reinigung. — Knechte für alle. Wer etwa aus der Thatsache, daß m der vorstehenden Notiz der betreffende Kriegerverein nicht namhaft gemacht ist. den Schluß ziehen wollte, daß der Brief nicht echt, sondern böswillige Erfindung eines Uebelwollenden sei, um die Kriegervereine fp der öffentlichen Meinung herabzusetzen, den wird die folgende Notiz Äneö Bessern belehren! „BomRhein. Am Sonntag den 22. Juli fand in Elberfeld ein „Delegirtentag von ehemaligen 8. Husaren" aus Rheinland und W-stphalen statt, auf welchem groß« Begeisterung herrschte ob der Kunde von der Ernennung deS russischen Thronfolger« zum Chef des Husaren-Regiments N r. 8, deffen letzter Chef König Ludwig II. von Bayern gewesen war. Di« Begeisterung brach sich Bahn in einem Begrüßungs-Tele- gramm an den Großfürsten-Thronfolger, welches, wie « Lokalblättern gewissenhast berichtet wird, 40 Mk. gekostet haben soll! Als die Antwort des Thronfolgers mit dessen Danke eintraf, waren die„patriotischen" Delegirten schon zu Hause; denn sie kam zwei Tag« später." Man sieht, die Kriegervereinler„ersterben" nicht nur vor ihren„an- gestammten", sondern auch vor allen möglichen stemden Fürsten . Statt sich schönstens für die„Ehre" zu bedanken, zum„Chef" den Prinzen eines Landes zu erhalten, in dem das Deutschthum in jeder Weise ge- schuh riegelt wird, gerathen diese Musterpatrioten über dieselbe vor Freude schier aus dem Häuschen. Was kümmert sie alles andre, e« ist ja ein Prinz, ja, ein Thronfolger, mit dessen— Livree hätten wir bald gesagt— mit dessen Namen sie sich künftig brüsten können. Und nach diesem Akt traurigster Servilität haben sie hoffentlich ein Lied an- gestimmt von„des Kriegers freiem, hohem Sinn", von„Männerwürde" und„kühner That", denn dabei riskirt man nichts und es hört sich doch sehr gut an. Im Lied schwärmen sie ja alle für die Freiheit, diese Kriecher, die sie in der Wirklichkeit tagtäglich meucheln helfen— „mit Gott für König und Baterland". — Upropos. Die Gemahlin deS neuesten deutschen Kaisers hat den„fünften Rekruten" zur Welt gebracht. Noch einen— und sie hat Ach die Hohenzollernmedaill« verdient. Oder gehören sieben Rekruten dazu? Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein Titel auS dem„All- §«meinen Wahlzettel für den deutschen Buchhandel" ein. Jahrgang lXXXTT S. 1316 von diesem Jahr finden wir dort Zeil« 18 von oben in fetter Gothischer Schrift die monumentale Inschrift: Hohenzollern— Säugethiere— JliaS. Zu diesem Text(bei dem allerdings die Jlias fehlt) hat der deruchttgte Judenhetzer„Gerhard von Amyntor" folgende Verse verübt: Ein Freudenschein nach banger Nacht und Roths Glücklicher Zukunft heitres Morgenroth l Der fünfte Prinz! O, flüstert Sommerlüfte Es leise in die beiden Kaisergrüfte Und tragt des Groß- und Urgroßvaters Ruh Vom neuen Glück die frohe Kunde zu. Heil, hohe Mutter, Dir und Deinen Gaben, Den fünf erlauchten und holdsel'gen Knaben! Die Finger sind sie an der Gotteshand, Die wieder segnend ruht auf unser« Land. Hoffentlich sind die„fünf Finger" keine langen Finger, wie die Freunde, Patrone und Günstlinge des„Amyntor" zu haben pflegen. Daß der „fünfte Rekrut" schon tiichlig herhalten muß für die PopularitätShascherei, welche jetzt für den neuesten Kaiser mit aller Macht reptilischer Reklame betrieben werden muß, das versteht sich von selbst; und auch die vier «Ideren Rekruten werden dem Publikum tagtäglich vorgeführt, sogar im Hemd und noch naturalistischer. Mundus valt decipi(die Welt will betrogen sein)— und in den Augen dieser Sippe ist die Well so dumm, daß sie gar nicht merkt,„mit wie wenig Verstand die Welt «giert wird." — Puttkamer war doch ein elender Stümper. Hat er da, dem deutschen»usbeuterthum zu Liebe, einen S t r e i k e r l a ß von Stapel gelassen, der sich bloS durch den hohen Grad der Brutalität auszeichnete, mit welcher die Polizei den Fabrikanten im Lohnkampfe gegen die Arbeiter zu Hülfe kam. Man konnte freilich von diesem schmal- schädligen Junker eine neue oder eigene Idee nicht erwarten— die preußischen Junker find ja gerade wegen ihrer Jdeenarmuth und Bru- talttätiüberschüssigkett bekannt! Welch' andere Kerle sind da die„prak- tischen Amerikaner"! Nicht daß sie weniger brutal wären, nein, ihre ggolden« Rücksichtslosigkeit" ist viel urwüchsiger, weil ihre Machtmittel viel gewalttgere, aber ihre Brutalität ist doch mit einer gewissen ' stell verbunden— ei ist nicht die öde hohenzollern'fche Rvßstall- tmofphäre, die ihr Gehirn umnebelt. Die kolossalen Streiks in Ame- sta, gegen welche die europäischen Arbeitseinstellungen nur Zwerg- Erscheinungen sind, liegen natürlich den amerikanischen Großfabrikanten «nd Fabrikanten-Koalitionen gewaltig im Magen. Wie dieselben unmöz- sich machen oder doch vereiteln? Di« Chicagoer Pinkerton'sche Privatpolizei, die bekanntlich auch vurch falsche Zeugen, käufliche Veschworne und Richter Spies, P«son» und Genossen an den Galgen fachte, hat daL Räthfel gelöst. Durch die amerikanische Arbeiterpresse geht der Abdruck eines„geheimen" Zirkulars, das diese Polizei an De Fabrikanten gesandt hat und aus dem wir folgenden Auszug bringen ; „Pinkerton'S National-Detektive-Sgentur, 191—193 Fifth Ave. , Chicago . Meine Herren! Wir lenken Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorzüglichkell unserer Polizei und bieten Ihnen im Falle der Roth dieselbe zum Dienst an. .... Unsere Leute find sorgfältig ausgesuchte M-nsch-n, welche natürlich Anlagen»um G-heimdienst haben, unter trefflicher Disziplin stehen und von erfahrenen Offizieren kommandirt werden. .... Korporationen und Gesellschaften, welche die G e- finnung ihrer Arbeiter kennen lernen wollen, oder erfahren möchten, ob dieselben unter gewissen Umständen wohl streiken würden, oder ob dieselben einer geheimen Arbeiter« Organisation angehören in der Absicht, bestimmt« Bedingungen von Korporationen oder«rbettgebern zu er- zwingen,— wollen sich vertrauensvoll an uns wenden; wir werden sofort«inen Detektive als geeigneten An»- twndschafter senden.." Wie nicht anders zu erwarten, hat dieses amerikanische Spionensystem den Begriff der„Auskundschaft" im Sinne der L o ck s p i tz e l e i aufgefaßt. Die Pinkerton'schen Detektives haben sich nicht mit der Roll« des Spion« begnügt, sie wurden thätige, eifrige GewerkschaftSmllglieder, «e arrangirten und hetzten zum Streik, sie predigten die„Propaganda der That"— sie lieferten ä la Schröder das D y n a m i t— in dm Aesetzgebmdm Körperschaften waren unter dem Schrecken der Hmmarkt- bomb« zeitgemäße„Verschwörungsgesetze" eingebracht und angenommen
worden— und das Resultat erleben wir heute in Chicago . Der große Streik der Arbetter an der Quincy-Eisenbahn ist verloren, die Leiter des Streiks sind wegen Dynamitverschwörung hinter Schloß und Riegel, von diesen sechs stnd heute schon drei— Bowles, Smith, Welson— geständig, Pinkerton-Detektives zu sein— ja, die Vertheidiger der Verhafteten haben sogar den Beweis erbracht, daß der Haftbefehl gegen die Angeklagten eher erlassen war, als die mit- angeklagten Pinkertonianer das Dynamit auf die Eisenbahnschienen, auf die Lokomottven ic. gelegt hatten! Der Zweck der Fabrikanten ist aber erreicht— in dm Reihen der Arbeiter herrscht Mißtrauen— die starke Organisation„Brüderschaft der Lokomotivführer" ist lahmgelegt— mag auch die große Dynamit- Verschwörung" in Chicago sich ebenso wie die kleine der drei Böhmen als Polizei-Humbug herausstellen— gleichviel Fabrikantm und Polizei lachm sich inS Fäustchen! Wie ganz anders hat die Putttamer'sche Polizeibrutalität gewirkt! Statt zu entzweien, hat sie geeinigt, statt zu entmuthigen, hat sie zum Widerstand aufgereizt— Puttkamer , hänge dich> Solch' ein Gedanke sproßt in einem öden Junkerschädel nicht! — Wegen de» Berliner Flugblatte», über welches wir schon öfters zu berichten hatten, ist letzter Tage von den bewährten und pflichttreuen Berliner Richtern das Urtheil gefällt worden: der Drucker Karklinni« wurde zu 2 Jahren 9 Monaten Gefängniß verurtheilt, die übrigen angeklagten Genossm Specht, Sperber, I a c o b i ck erhielten je 1 Jahr 7 Monate, B a t h und H a n s ch k e kamen mit 2 Monaten davon. Wir haben unsere Meinung über das Flugblatt schon wiederholt ausgedrückt; aber die ungeschickte oder auch taktlos« Sprache, die verkehrte Ausfassung der ganzen polMschen Situation— alles das rechtfertigt noch lange nicht die Ungehenerlichkeit des Richter- spruches! Zwei Jahre und sieben Monate Gefängniß für die Herstellung eines Flugblattes, das gar nicht zur Verbreitung kam! Fünf Jahre und einen Monat Gefängniß für Vorberei- tung einer Handlung, die nicht nur ohne alle Folgen blieb, sondern gar nicht zur Ausführung kam! Aber was wollen wir uns in Deutschland angesichts des allwärt« herrschenden Streberthums und der seit Jahrm von oben systemattsch gepflegten Korrumpirung des Richterstandes noch wundern über die Höhe des Strafmaßes! Erleben wir es nicht tagtäglich, daß die höchsten deutschen Richter als ihren Lebenszweck und als ihre obersten Amts- pflichten die Fälschung der Gesetze betrachten, daß sie das Gegen- theil von dem, was der Gesetzgeber in das Gesetz hineinlegen wollte, aus dem Gesetz heraustifteln, nur um der Regierung zu Gefallen die unteren Richter zur Verurtheilung der angeklagten Arbeiter zu zwingen! Aber auch nach einer andern Seite soll dieser hinter geschlosse- nen Thören abgewürgte Prozeß unsere Genossen zum Nachdenken bringen! Stehen die Opfer an Geld, an LebmS- und Familienglück, welche solch' ein Flugblatt wie dieses Berliner von den Genossen er- fordert, in gesundem Verhältniß zu— wir wollen da« Wort Vor, theil hier gar nicht gebrauchen— zu den Erwartungen, zu den Er. folgen, die seine Urheber von der„scharfen" Sprache, von der„rück- sichtslosen Wahrheit" sich versprachen? Die ruhige, vorurtheilSlose Beantwortung dieser Frage dürfte kaum zur Nachfolge auf dem hier eingeschlagenen Wege besonder» anspomen! Ran darf sich vom Gegner nicht auf das Terrain drängen lassen, daS ihm Vortheile bietet, sondern umgekehrt! Schließlich ist auch die söge- nannte öffentlich- Meinung und da« Borurtheil großer Volkskreis- ein Ding, daS man bekämpfen muß, dem man sich nicht unterwerfen darf, gegen dessen Macht man aber auch nicht blind fein darf, will man sich nicht gewaltigen Enttäuschungen und Schädigungen aussetzen. — ES gibt noch unabhängig gesinnte Studenten— in Schweden und anderswo. Verfolgungen und Bestrafungen von Genossen wegen Gottesleugnung und Gotteslästerung stehen in Schweden , wie der„Gleichheit" auS G o t h« n b u r g ge> schrieben wird, jetzt auf der Tagesordnung.„Ran fühlt sich in die mittelalterlichen Zeiten der Religionsverfolgungen versetzt, eS fehlt blos der Scheiterhausen. Bereits in 7 Fällen haben diese Ver- folgungen zu Verurtheilung in ganz empfindliche Geld- und auch Freiheitsstrafen geführt. So ist z. B. unser unentwegter Genosse A. Danielson in Malmö zu weiteren 10 Monaten Gefängniß verurtheiit, nachdem er vorher schon 10 Monate bekommen hatte. „Sein Nachsolger in der Redaktion der„Arbeit", Genosse Björk, hat auch bereits eine Anklage aus dem Halse, und wird diese? Treiben wohl noch eine Zeittang so weiter gehen. Unter solchen Verhältnissen muß man Handlungen um so höher schätzen, wie sie kürzlich der frei- sinnige Studentenverein„Berdandi" in Upsala aus- führte. Als nämlich Branting, Redakteur deS„Sozial-Demokrat" in Stock- Holm, auch wegen Gottesleugnung zu 800 Kronen Geldstrafe verurtheilt war, beschloß dieser Verein(er zählt 250 Mitglieder) einstimmig, S 0 Kronen dazu beizusteuern. Freilich erhielt der Vorstand dafür vom Kuratorium der Universität eine Strafpredigt und einen Verweis." Die ihre Wirkung hoffentlich nicht verfehlt haben. Die Schweden haben es eben noch nicht so weit gebracht, wie ihre Stammesverwandten im Reich der Mitte. Dort macht man mit Studenten, die es wagen, eine andre als die polizeilich geaichte Gesinnung zu bekunden, viel kürzeren Prozeß. So ist erst jüngst wieder in Berlin eine Sitzung des akademisch- liberalen Vereins polizeilich ausgelöst worden, weil ein Redner sich zu folgenden Aeußerungen verstiegen hatte: „Erfreulich sei da» Wachsen der sozialreformatorischen Richtung; zu wünschen wäre aber noch, daß der starr« Ausdruck:„bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung" den Freisinnigen nicht in alle Zeit als die Grenze des sozialreformatorischen Nachdenkens gelte, zumal dieser AuS- druck in seiner Unbestimmtheit keineswegs«inen ganz klaren Begriff re- präsentire..." Kaum war dieser fiaatsumstürzlerische Gedanke dem Gehege der Zähne des Unvorsichtigen entflohen, alS der überwachende Polizist wie von einer Tarantel gestochen aufsprang und die Versammlung auf Grund des ß S des Schandgesetze» auflöste. Der Unvorsichtige sagen wir ausdrücklich. Denn ist es nicht der Gipfel der Verwegenheit, im Gettungsbereiche de« Gesetzes gegen die gemeingefährlichm Bestrebungen der Sozialdemokratte einen Gedanken in öffentlicher Versammlung laut werden zu lassen, den der B a t e r dieses Gesetzes bei Schaffung desselben ausdrücklich alS— be- rechtigt anerkannt und ausführlich begründet hat? Wer'» nicht glaubt, lese die große Rede, die der Staatsmann Bennig- sen zur zweiten Lesung de« SoztaNZengesetzeS im Jahre 1878 gehalten. Auch ein Beitrag zur„erzieherischen Wirkung". — Ein«ette» Kulturbild entrollt sich dem Leser folgender Notiz, die wir der Berliner„Volkszeitung" entnehmen: „Aus O b e r h o f(Thüringen ) wird berichtet: Die kaiserlichen Prinzen befinden sich ausgezeichnet. Oft fährt der Kronprinz den jüngern Bruder in einem kleinen Wägelchen. Belauert werden leider die Kleinen auf das Fürchterlichste; sobald es bekannt wird, welch« Richtung die Hofgesellschaft — eingeschlossen von Gendarmen— einge« schlagen, so stürzt der ganze Fremdentroß nach." „Eingeschlossen von Gendarmen"—„von Gendarmen rings umstrickt", wie es im Liede heißt— vermuthlich auf Befehl des Vaters, der seine „Kreuz,-itung", wie man sieht, mtt Erfolg gelesm. Hier der Attentats- tatterich und dort beim„Fremdentroß", d. h. dem Troß der Bade- g ä st«, die hysterischen Loyalitätsausbrüche, bei denen es gleich ist, ob daS Objekt ein Wickelkind oder sonst etwas ist, wenn's nur„allerhöchst" tttulirt wird. Wie weit ist's von da noch zum Dalai -Lamismus. Wir haben es herrlich weit gebracht, aus der Höh« der Kultur. — Neber de« Aretiuismu», welcher das„reichstteue",„patrio- tische" Deutschland ergriffen hat, wird unter der Spitzmarcke:„Gegen das Skatspiel" geschrieben: „Nachdem daS Skatspiel kongreßfähig geworden ist und den Charakter einer gelegentlichen harmlosen Unterhaltung abgestreift hat, veranlaßt es eine unverantwortliche Zeitvergeudung, und drobt geradezu zu einer nationalen Gefahr zu werden. Nach meiner Ueberzeugung trägt zur Nervosität der Männer der Skat und das durch ihn veranlaßt« gewohnheitsmäßige stundenlange Kneipsnsitzen, der Aufenthalt in den meist unzureichend gelüsteten, qualm- erfüllten Zimmern, ganz abgesehen vom Biertrinken, mehr bei, al» die Last der Berufsarbeit. Alle Stände find von der
Krankheit ergriffen, de» Bauern, des Arbeiters SonntagSver- gnügen(blauer Montag und gelegentlich andere Tag- auch mit ein- geschlossen), was ist's? Der Skat. Junge Kaufleute haben kaum de» letzten Bissen ihrer Mittagsmahlzeit hinunter, so rufen sie dem Kellner: Abräumen! Skatkarte! Die Zeit bis zum Anfang deS Nachmittags« diensteö muß doch würdig ausgefüllt werden. Die Soldaten in den Kasernen, die O f f i z i e r e in den Kasino«, womit pflegen sie ganz vorzugsweise die Kollegialität? Mtt dem Skat! Wenn in einem Bahn« wagen drei Leute zusammensitzen— nicht lange, so zieht der eine die Karte hervor, und ein Plaid wird über die Knie gebreitet— es wird ein Skätchen gemacht. Mir ist von einem Gymnasiallehrer glaubwürdig versichert worden, daß auf den Ausflügen, die Lehrer mit höheren Klaffen unternehmen, bei einer längeren Einkehr die Erlaubniß des Skatspielen« daS sicherste Mittel fei, die Bürschchen davon abzu« halten, daß sie einen regelrechten KommerS in Szene setzen. Ja, der» selbe Lehrer sagte mir, daß es nicht selten vorkomme, daß die Schüler gleich im Bahnwagen, kaum daß er die Abfahrtsstation verlassen heck, Skat zu dreschen anfangen, wenn der Lehrer nicht rechtzeitig dazwischen« fährt und sie entschieden darauf aufmerksam macht, daß dies wohl kau« Naturgenuß und die Reisefreude sei, um derentwillen solche Schulreife« von den Behörden und Bahnverwaltungen so bereitwillg unterstützt werden. Und dabei pflege sich, so sagt man uns, herauszustellen, dich fast Niemand in der Klaffe sei, der den Skat nicht kenne; die sogenannten Dummen seien sogar meist die gewitzigsten Skater. Die Skatfrage ist für die Verhandlungen von der Ueberbürdung der Schuljugend wichtiger, als man denkt. Statistische Erhebungen darüber, wie weit in die untere« Klassen der Skat hinabreicht, würden staunenswerthe Ergebnisse zu Tage fördern! Ich kam einmal in ein thüringisches Walddorf, um de» Pfarrer zu besuchen. Ich war sehr staubig vom langen Wege, suchte darum erst das recht bescheidene Winhshaus auf, und wer sitzt, am Sonntag Nachmittag, bei prächtigstem Wetter in dem engen niedrigen Wirthszimmer? Mein Freund, der Pfarrer, dann der Lehrer, der Förster und der Schultheiß - am Skattisch l" Und diese» wahrheitsgetreue Bild des„patriotischen" Krett- nismui, zu dem das deutsche Volk systematisch herangezogen wird, findet sich nicht in einem„reichsfeindlichen" Blatt, sondern in dem durch und durch verreptllten„Grenzbote n". Also sogar d i e f am Volk ist die Seuche zu arg geworden. — Ganz wie i« Oesterreich präsentirt sich die neueste Nummer der Berliner „Volkstribüne". An Stelle des Leitartikels prangt unsttn großen, aufreizenden Lettern auf dem ominösen weißen Grunde von anderthalb Spalten das Wort: KoufiSzirt! entgegen. Die Konfiskation ist uns wohl begreiflich. Trug der Leitartikel doch die untergrabend« Ueberschrist:„Kann es und wird es einmal beffer werden?"! Natürlich nicht! Schon die Frage, ob eS unter den heutigen Verhältnissen besser werden kann, setzt die umstürzlerische Tendenz voraus, daß es heute i» dieser besten der Welt, unter der glorreichen Regierung des Grunewald - Helden nicht zum Besten bestellt ist. Für solch neugierige, staatigefähr- liche Fragen hat daher die Polizei allerwärts ein probate» Mittel: Maul halten! KoufiSzirt! — Deutscher Patriotismus tu«eugsten. Der deutsche Reich». verein in Zürich , der bekanntlich unter dem Patronate deS deutsche » Konsuls Beuteführ steht, hatte zuerst auSposaunt, er wolle gege« die in dem Ehrenberg'schen Sudelbuche enthaltenen Infamien wider dt« Schweiz Stellung nehmen. Aus dieser Zwickmühle, für die Schwei » und damit zugleich gegen die deutsche Regierung, in deren Geist und Puttkamer -Ton Ehrenberg mit hoher polizeilicher ErlaubnG auf die Schwei , geschmäht hat, Partei zu nehmen, stnd diese deutschen Mordspatrioten nun glücklich dadurch entwischt, daß die Zürcher Buch- Händler den V e r t r i e b des Ehrenberg'schen Buches abgelehnt haben. Dadurch, erklärt der Verein, sei für ihn die Veranlassung zur Stellung- nähme hinweggefallen.—— Man kann nicht mehr Math, größere Klugheit und feineres Ehrgefühl auf einmal verrathen, als dies« „Blüthe der deutschen Nation" in erwähnter Erklärung. Der gewöhn- liche Menschenverstand findet frettich zwischen dem plötzlichen Erwachen und dem ebenso plötzlichen Wiederentschlafen des Anstandsgefühls einer- seit» und einer buchhändlerischen Geschäftspraxis anderseits keinen Zu- sammenhang, aber der gewöhnliche Menschenverstand kennt auch Einflüsse nicht, wie sie in diesem Verein bei Kaiserseiern von der deutschen Ge- sandtschaft in Bern ausgeübt werden.— Es wäre wirklich interessant,»u erfahren, ob vielleicht auch bei diesem Versuche, den„Gentleman" Ehrenberg abzuschütteln, der Herr Konsul Beuteführ vo» dem deutschen Gesandten in Bern „Rathschläge" für sein Verhalten ertheilt bekommen hat. Ehrenberg gab ja bekanntlich auf der deutschen Gesaudtschaft tu Bern seine Spitzelberichre ad! -«u» der beste« Gesellschaft. „VolkSzeitung":
..Rennen zu Eharlottenburg bei Berlin . Sonntag, den 29. Juli, Nachmittags 8'/, Uhr. Einen erschütternden Vorfall hatte leldchc der heutige Renntag im Gefolge. Für die zweite Rummer, da« Schwere Jagd-Rennen, stiegen vier Herren in den Sattel, unter ihnen Rittmeister von der Osten vom Garde-Küraffier-Regiment auf seinem alten„Tourist". Dieser hatte die Strecke auch bis zur vorletzten Hürde glücklich absolvirt und sah hier ganz wie der Sieger aus, als sein Pferd mit ihm köpf. über ging und einen so schweren Sturz that, daß Rittmeister von der Osten leider augenblicklich verstarb; ebenso w« „Tourist" auf der Stelle todt; die Stimmung auf dem R-nnplatze war in Folge dessen eine sehr gedrückte. Doch trotz dieser gedrückten Stimmung erwachte, wie wir aus dem Berichte des„Kl. Journ." ersehe», in keinem der Herren Sportsmen der naheliegende Gedanke. die Rennen zu unterbrechen. GS wurde munter weiter ac- ritten und gewettet! Man sieht hieraus," schließt die„VolkS- zeitung",„wieder einmal, welche außerordentliche Feinfühligtei in den„besten Kreisen der Gesellschaft" zu Haus« ist." Das ist doch recht„spießbürgerlich" gedacht. Bon Rechtswegen sollte jede» Blatt, das etwas aus sich hält,«inen begeisterten HymnuS auf bte bewunderungswürdige Seelengröße der rettenden uch> wettenden Herrschaften anstimmen, die sich mit antikem Stoizismus üb« den Tod de« Kameraden hinwegsetzten und unverdrossen ihr wichtiges Tagewerk zu Ende verrichteten. Man muß eben nicht vergessen, daß bei den meisten dieser Herren das Reiten und Wetten „ihres Lebens höchst« Zweck", und wie wichtig namentlich daS letzt«« für das Wohl des Vaterlande» ist. Ohne Wetten keine Pferdezucht, und ohne Pferdezucht wäre das Vaterland wehrlos den Angriffen seiner Feinde überliefert. Drum„sprecht mir nicht gering von solchen Helden". —„Sin Hallunke". In dem„Tagesbericht" ihrer Nr. 220 vom 7. August leistet daS Organ der börsenjobbernden Rordostbahn-Akttonäre, die„Neue Zürcher-Zeitung ", folgenden Satz: „Mit welchen Gefühlen werden die Erdarbeiter, denen Hallnnlen wie der famos« Maxime Lisbonne sett mehr alS einer Woche beständig predigen, daß sie schießen und stechen müßten, wenn ste Verstand hätten und nicht Feiglinge wären, mit welchen Gefühle« werden sie heut« in der gewohnten Versammlung in der Arbeits- börs« die Kund« von d« Großthat ihrer Brüder in der Provinz (die Niederbrennung der Sammetfabrik in Amien » ist gemein)) aufnehmen?" Ohne auf die nach dem Gout ihrer Spießbürger- und Bouraeoitles« berechneten Entstellungen d« Streikversammlungen einzugehen(darin hat ja ihr Reporter Fleiner beim Zürcher Schlofferstreik ein solche» litera- rischeS Falschmünzertalent an den Tag gelegt, daß er sofort zum Redak- teur avancirte)— wollen wir hier nur die Gesinnung charak«»- ristren. Wir wissen uns frei von jeder Schwärmerei für Lisbonne. Aber ein Mann, der mtt der heldenhaften Tapferkeit, die Lisbonne beim Rückzug aus dem zusammengeschossenen Fort Jssy bewies, für seine Prinziptt» unter Preisgabe seines LebmS eintrat und dann die Folter und In- famim der Deportatton nach Reu-Caledonien ertrug, ohne einen Augen- blick in seinen Grundsätzen schwankend zu werden, der soll nicht in die- sem rohen Bierbanktone beschimpft werden von Leuten, die, wie obig« Redakteur, am offenen Biertisch sich nicht entblöden zu sagen,„ein Zei- tungsredakteur könne nicht immer nach Ueberzeugung schreiben." Wir zweifeln keinen Augenblick, daß er hier nach Ueberzeugung gesprochen! Bemerken wollen wir noch— es ist freilich pro nimlo—, daß kurz vor den Ausweisungen die„Neue Zürcher-Zeitung " es Haupt-