fahren wegen Beleidigung der Exzedenten eingeleitet, und zwar auf Veranlassung deSBataillonSkommandeurS. ES wurden denn auch Beide zu 20 resp. 10 Mark Geldstraf«, Tragung der Kosten und Publikation des UrtheilL in zwei Zeitungen verurtheilt. Der Richter hatte den rohen Vorfall als von g e« sundem Korpsgeiste und gegenseitiger Erzieh« ung der Soldaten zeugend aufgefaßt. Die seitens der Lerurtheilten eingelegte Appellation an da« Landgericht ergab eine Bestätigung des Urtheils, wenn auch unter völliger Verwerfung seiner Begründung." Hier wird jeder noch nicht ganzverpreußte" Mensch ftagen: Wie ist eS möglich, daß in der Kaserne eine solche Rohheit geschehen konnte, und wie ist es möglich, daß ein Richter verroht genug ist, um dergleichen aligesunder Korpsgeist und gegenseitig« Erziehung" zu be> zeichnen? Die Antwort ist einfach: In der ganzen preußischen Armee und somit nach der Verpreußung Deutschlands   auch im ganzen deutschen Heere wird nach dem Grundsatz verfahren, die ganze Kompagnie dafür büßen zu lasten, wmn ein einzelner Soldat dauernd nachlässig und unordentlich ist. So erhält z. B. die ganze Kompagnie Extra-Putzstunde, wenn der Einzelne wieder- holt Helm oder Knöpfe schlecht geputzt hat. Es bleibt aber nicht bei dieser indirekten Anreizung, die erduldete ungerechte Straf« an den betreffenden Kameraden zu rächen, sondern man hört bei solchen Gelegenheiten vor der Front der Kompagnie regelmäßig Worte fallen, wie:Da sollten doch die Andern den Kerl'mal gehörig verhauen." Wenn dann das Unglück geschehen ist, wenn der Betreffende in der rohesten Weste krumm und lahm geschlagen ist, dann kräht kein Hahn darnach. Kommt der Fall aber durch Anzeigen von Zivilisten, welche Augen- oder Ohrenzeugen waren, zwangsweise vor das Militärgericht, so schweigt natürlich aus Furcht jeder Angeklagte von der direkten Aus- peizung durch die Vorgesetzten, und die Strafen fallen recht gelinde aus. Diejenigen aber, welche den Borfall zur Anzeige brachten, werden, wenn sie nicht jedes ihrer Worte strikte beweisen können, noch wegen Ver- leumdung oder Beleidigung belangt, und der Herr Richter, welcher höchst wahrscheinlich Reserveoffizier ist, und das richtige Verständniß für die herrlichen Grundsätze hat, welche in der Moltkeschen Volksschule zur Anwendung kommen, führt dem strafbaren Zivilisten im Urtheil zu Gemüthe, daß das alles nur Ausfluß gesunden Korpsgeistes und Mittel gegenseitiger Erziehung war. Der obig« Fall ist nun gerade ganz besonders kennzeichnen, im Uebrigen kommen ähnliche sicher allwöchentlich in der deutschen Armee vor. Aber, könnte man einwenden, das gilt ja nur für? Milttär und hat mit dem allgemeinen politischen System nichts zu thun. Der Einwand wäre zwar an sich schon hinfällig; denn die Armee ist » für Preußen maßgebend, und da« oben zitirte richterliche Urtheil beweist, wie herrlich der betreffende Erziehungsgrundsatz bereits aufs bürgerliche Leben seinen Einfluß geltend macht. Aber, was noch mehr ist, derselbe Grundsatz tritt auch in der hohen Polittk in die Erscheinung, oder ist es etwa nicht genau dasselbe Prinzip, viele für die Schuld einiger weniger büßen zu lassen, welches bei der berüchtigten Paßzwangmaßregel in Elsaß  . Lothringen   zur Anwendung gekommen ist? Genau wie man, um den einzelnen Soldaten an Ordnung und Pünktlichkeit zu gewöhnen, gegen die ganze Kompagnie«ine brutal« Ungerechtigkeit verübt, und diese dadurch wieder zu ungesetzlicher Brutalität gegen den Vetteffenden anreizt, genau so läßt man das ganze reisende Publikum, und besonders die ganze elsäsische Bevölkerung in ihrem BerkehrS- und Erwerbsleben dafür büßen, daß jährlich vielleicht hoch gerechnet hundert französtche Agitatoren über die Grenze kommen und den preußischen Behörden etwelche Ungelegenheiten machen. Ran sieht also deutlich, daß der ebenso ungerechte wie bornitte Grund- satz, viele für die Schuld einzelner büßen zulassen, in Preußen-Deutschland   im Militär, im bürgerlichen Leben und in der hohen Politik gleichmäßig zur Anwendung kommt, daß er also einen Kundamentalsatz des herrschenden System« ist, unter welchem ein großes und edles Volk gegenwärtig seufzt. Und nun Herr BundeSrath Droz, Hand aufs Herz: Ist ein solches System nichtinfam"? So schreibt nicht etwa ein sozialdemokratische« Hetzblatt, sondern der gut demokratischeSt. Galler Stadt-Auzeiger". Man sieht, auf den Standpunkt seinesdiplomattschen" Regenten ist das Schweizer  - Volk doch noch nicht herabgesunken. Freilich ist die Frage an Herrn D«z überflüssig. Auch wenn er die Hand auf's Herz legte(nebenbei ein höchst überflüssiges, sentimentales Ding bei einemStaatsmann" neu-eurvpäischer Schule, die ja, ähnlich den Alchymisten des vorigen Jahrhunderts, in Bismarck   den politischen Goldmacher und den OedipuS her sozialen Sphinx verehren) auch wenn Herr Droz die Hand auf's jherz legte, er fände dieses System nicht infam. Frage.man Herrn Puttkamer  :Hand auf's Herz, Ex-Exzellenz, ist Ihr System der Schröder, Haupt, Heinrich, Jhring-Mahlow, Raporra und Genoffen, Nicht infam?" Mit unnachahmlicher Pose würde der Extugend- Ministersein" System als das bestmöglichst« dieser Welten recht- fertigen! Und Herr Droz, der Vater der Schweizer-Bundespolizei, aus deren Eierschalen bald die Lockspitzel-Hühnlein schlüpfen werden, muß ja ähnlich denken! Infam? Rein, nachahmenswerthl Schade nur, vaß das Volk noch in einem sozurückgebliebenen Kulturzustand" sich 6 findet, daß eS sich nicht zurRegentenweiSheit" feinesdiplomattschen" undesvaters aufschwingen kann! Die wirklich demokratischen Blätter in der Schweiz   werden überhaupt gut thun, die Empfindlichkeit ihrer Oberen mehr zu schonen. Die neu- deutsche Praxis hat viel Verständniß und Sympathie bei denRegenten" «llerwirts gesunden die«ffaire der Schweizer-Koloni« in Bukarest  ist ein lehrreicher Wegweiser für die Zukunft' AuS Frankreich  . Paris  , 4. August. Dt« Ersatzwahl für eine« Sitz i« der Kammer, welche am v. Juli im Rhone  -Departement mit der Hauptstadt Lyon   stattfand, hat sich zu einem glänzenden Triumph für den Sozialismus gestattet, obgleich schließlich ein Opportunist den Sieg davontrug. Während die Opportunisten binnen der letzten drei Jahre rund 58, 000 Stimmen ver­loren haben, find die für den Sozialisten Baillant abgegebenen Stimmen von 84000, welche der Kandidat der revolutionären Arbeiter- vartei 1885 erhielt, auf zirka 18,000 angewachsen. Die sozialistische Partei ist die einzige, welche fich im bettefs-nden Wahlkreise einer Zu- nahm« ihrer Stimmen rühmen kann, denn während sich ihre Anhänger um da» fünf-, ja fast sechsfache vermehrten, büßte der Opportunismus Kbie Hälfte, und der bürgerliche Radikalismus über die Hälft« seiner olgschast ein! Charakteristisch für die Unpopularität der derzeitigen Kammer und da» herrschende parlammtarische System überhaupt ist die Thatsache, daß sich bei der Stichwahl von 185,000 Wählern mehr als 160,000 der Stimmabgabe enthielten, und dies angesichts deS UmstandeS, daß Monarchisten und voulangisten in letzter Stunde die Sachlage zu «wer Ueberrumpelung ausnützen konnten. Bezeichnend ist auch, daß ge- rade die Mittelpartei, die Radikalen die Opportunisten sind mehr oder minder ausgesprochene Konservattve, verhältnißmäßig am meisten Terrain verlorm hat. Ei zeigt sich dadurch in eklatanter Weise, daß auch in der Provinz der ZersetzungSprozeß der Mittelparteien fich voll- zieht, auf den wir wiederHoll hingewiesen, und der die Bildung einer starken Arbeiterpartei fördern muß. Das Wahlresultat ist um so beweis- kräftiger für Leben und Wachsthum der sozialistischen   Ideen in der Pro- vinz, als das sozialistische Wahlkomite kaum wenig mehr als acht Tag« in Kampagne stand, über sehr beschränkte Geldmittel verfügte und nicht auf Unterstützung seitens«ine» Lokalorgans zählen konnte, im Gegen- theil, in allen Blättern und Blättchen de» Departement« grimmig« Feinde fand. Aber Vaillant'S Kandidatur wurde nicht nur von dem Gros der bürgerlichen Presse aller Schattirungen bekämpft, leider machten mit 8nen in dieser Beziehung auch die Organe der Poffibllisten gemeinsame ache. Die wiederholt widerlegte und von den Thatsachen in jeder Hin- £ht Lügen gestrafte falsche Behauptung von Vaillant'S boulangistischer efinnung mußte den Vorwand abgeben, unter welchem seine Kandidatur von possibilistischer Seite angegriffen ward. Die übrigen sozialistischen  und revolutionären Gruppen jedoch hatten fich ohne Unterschied sofort mit großem Enthusiasmus für die Kandidatur Vaillant'S erklärt, sobald dieselbe von einzelnen revoluttonären Zirkeln Lyon's   in Betracht gezogen wordm war. veistimmungsadreffen und Aufforderungen an die Wähler, Baillant zum Abgeordneten zu ernennen, kamen aus allen Theilen Fes Lande«, auS Paris   wie aus der Provinz, und bezifferten sich auf Hundert«. Baillant selbst akzeptirte die Kandidatur erst, al« fich die Wähler des Viertels Pöre-Lachaise, die ihn in den Pariser Gemeinderath   geschickt, sowie das revolutionäre Zentralkomite für Annahme derselben auSge- sprachen. Er betheiligte sich in thätigster Weise am Wahlkampfe, zu dessen Erfolg er wesentlich durch die klare und gediegene Darlegung der sozialistischen   Ideen beitrug. Ohne Uebertteibung kann man behaup- ten, daß die Wähler, welche Baillant gehört, für sein Programm gewonnen wurden. Die propagandistischen Früchte des Wahttampfe« schließen mit der Wahl nicht ab, sie werden in der Masse weiter wirken. Die Ergebnisse des 8. Juli machten eine Stichwahl nöthig, an der sich die Sozialisten nicht betheiligten, einestheils weil sie die Kosten derselben scheuen mußten, andernthells weil sie auch den Schein der Anschuldigung unmöglich machen wollten, als ob sie durch ihre Intervention die Auf- stellung, respektive den Erfolg einer monarchistischen oder boulangistischen Kandidatur begünstigten. Sie hatten ihre Mannschaft in einer imposanten Revue gezählt, eine lebhafte Agitation in die Masse geworfen, die sie durch energische Propaganda weiter zu erhalten suchen, und so ließen sie fich an dem errungenen Siege genügen. Seit dem 28. Juli ist in Paris  «ine große Streikbewegung aus­gebrochen, welche von Anfang an das Gute gehabt hat, die unüberbrück- baren Gegensätze zwischen Proletariat und dem Rest der bürgerlichen Gesellschaft in seiner ganzen Schärfe hervortreten zu lassen und der Masse zum Bewußtsein zu bringen. Anlaß zu den Streiks gab die For- derung auf Aufbesserung der Löhne, entsprechend den neuen Submissionsbedingungen, welche der Pariser Stadttath kürz- lich für alle Gemeinde-Unterneh münzen festgesetzt hat, sowie auf strikte Jnnehaltung des neunstündtgenRormalarbeitstags. Die Streikenden konnten in dieser Beziehung auf ein günstiges Beispiel ver- weisen. Die an dem Bau der Handelsbörse beschäftigten Maurer   hatten unmittelbar zuvor durch einen Streik Durchführung der neuen Arbeits- bedingungen erreicht, obgleich gerade dieser Bau noch vor Erlaß der neuen Submiffwnsbedingungen vergeben worden war. Di« Initiative zu dem betteffenden Ausstand war voulö zu verdanken, dem Sekretär derunabhängigen Gewerkschaften", einem thätigen Mitglied der kollek- tivistischen Fraktion. Auf seine energische Agitation ist auch der neue, große Streik zurückzuführen, welcher all- Ecdarbetter, Brunnen-, Kanal- gräber, Röhrenleger, Steinbrecher, Pflasterarbeiter»c. umfaßt, die theil» bei Privat-, theils bei städtischen Unternehmungen, die noch vor Votirung der Submissionsbedingungen in Akkord vergeben wurden, zu sehr Nied  - rigen Löhnen bei unverhältnißmäßig langer Arbeitszeit beschäftigt sind. Die angeführten, sowie verwandte Arten von Arbeitern beschlossen, an- geregt durch den glücklichen Ausgang deS Maurerstreiks und die Wir- kung der Boulö'schen Agitation, am 21. Juli die Arbeit einzustellen, wenn die Unternehmer nicht folgende Bedingungen bewilligen wollten: Einführung des Serientarifs der Stadt von 80 Centimes pro Stunde anstatt der jetzt gezahlten 46 Et«., den neunstündigen Rormalarieitstag, Entlohnung von Ueberstunden mit 90 Et»., von Nachtarbeit mit 1 Fr. 20 Cts. pro Stunde. Wie zu erwarten, wiesen die Unternehmer diese Forderungen ab, und in der Presse brach ein Sturm der Entrüstung loS ob dieser Unver- schämtheit der Arbeiter. Schwerer Zorn entlud sich auch über denPariserStadtrath, der durch seine Submissionsbedingungen, die alskommunaler oder munizipaler Sozialismus" verketzert wurden, all das Uebel heraufbeschworen, das den Profit der Kapitalisten bedrohte. Da» hielt die betreffenden Arbeiter keineswegs ab, am 23. Juli die Ar- beit einzustellen. Die Gewerkschaft der einschlägigen BeschäftigungSzweige, welche bis dahin äußerst schwach und lose konstttuirt war, gab Zeichen von frischem Leben. Schon am ersten Tage zeichneten fich mehr als 2000 Arbeiter al» Mitglieder in ihre Listen ein und traten in Ausstand. Die Bewegung nahm täglich an Ausdehnung zu, an die Erdarbeiter, Straßen- arbeiter, Kanalgräber ic. schloffen stch die BSphalt- und Steinpflasterer, die Todten gräber ,c. an. Die Streikenden durchzogen in sich stetig ver- größernden Trupps die Stadt und die Vororte, überall verwandte Ar- bester zum Ausstand auffordernd. Jeden Morgen fand und findet noch in der Arbeiterbörse eine Versammlung der Ausständigen statt, welche über den Streik, seine Entwicklung, Ziel«, die zu ergreifenden Maß- regeln vom rein gewerkschaftlichen Standpunkte aus berathen. Die Mit- gliedschaft der genannten Syndikatikammer ist binnen wenigen Tagen auf 10,000 angeschwollen, die Zahl der Streikenden beträgt 16,000. Die Lastsuhrleute für Sand, Steine und andere Baumaterialien haben sich bereits dem Streik angeschlossen, die Lastfuhrleute, welche den Kehricht und Schutt auS der Stadt führen(odarrotiors-bougurs), sich solidarisch mit der Bewegung erklärt und stehen auf dem Punkt, offiziell die Ar- beit einzustellen. Der Streik neigt dazu, sämmtliche Arten von Bau- arbeitern in seine Kreise zu ziehen; Maurer  , Zimmerleute-c. werden in Folge der mangelnden HülfSarbeiter bald gezwungen sein, ihrerseits zu feiern. In den Reihen der Maurergehülfen gährt e» außerdem stark, und es fehlt nur noch der bekannte letzte Tropfen, um auch sie zur Arbeit«- einstellung zu bewegen. Der Streik trägt diS jetzt einen streng ökono- mischen Charakter und ist ein ausschließlicher Lohnkampf, ein Kampf um» Stück Brot. Die Führer deS Streik» halten absichtlich jede Herein- ziehung von politischen Fragen fern und zeigen sich in dieser Beziehung um so strenger, als die Gift und Galle   speiende, an ihren Lügen fast erstickend« Bourgeoiipresse den Streik bald al» ein mit dem Gelde der preußischen Polizei inszenirtes Manöver, bald als eine von den Voulangisten hervorgerufene und unterhaltene Bewegung zu verketzern sucht. Es ist der größte Stteik, der noch je in Paris   ausgebrochen, und macht um so tieferen Eindruck, alS zum ersten Male eine große Bewegung die Reihen der ungelernten Arbeiter durchzittert, deren tiefe Schichten bi» jetzt den kämpfenden Arbeiterorganisationen und deren Agitation fremd und gleichgültig gegenüberstanden. Die Groß- und Kleinbürger können sich beim Anblick der meist großen, kräfttgen Gestalten eine» leisen Gru- felns nicht erwehren, die Angst drängt die Freud  « an dem malerischen Bilde, das die Leute in ihren weiten Sammthosen, mit breitem rothem Gurt und blauen Leinwandjacken gewähren, in den Hintergrund. Die Ausständigen bewahren bei ihren Streifereien von ArbettSplatz zu Ar- beitSplatz, um überall zum Streik aufzufordern, eine ruhige und würdig« Haltung; bis jetzt ist es den Provokationen der Polizei und einiger Unternehmer im Allgemeinen nicht gelungen, dieKanaille" von ihrer Taktik abzubringen. Vereinzelt ist es vorgekommen, daß Verräthern an der gemeinsamen Sache die Arbeitsinstrumente entrissen und fortgetragen, ins Wasser geworfen wurden, desgleichen haben Gruppen Streikender Karrenladungen Sand oder Steine umgeschüttet. Derartige Lorgänge trugen fich gegenüber offenkundigen Renegaten oder solchen Unternehmern zu, welche von vomherein erklärten, die Ausständigen mit Revolvern zu empfangen, resp. ihre Leute zu bewaffnen. Natürlich reiten die kapita- listischen Blätter gehörig auf den betreffenden Vorkommnissen herum. Beim Ausbruch d«S Stteik» haben Baillant und Chauviöre sofort einen Antrag auf Unterstützung derArbeiter durch 90,000 Fr. seitens der Stadt Pari» gestellt, fanden aber keine Majorität, welche durch den Beschluß ihr eigenes Werk den Serientarif sanktionirt hätte. Rur   die Possibilisten und sozialistischen Radikalen stimmten dafür, die erster» dem Anscheine nach widerwillig genug, da sie nicht verwinden können, daß der Stteik von dem nicht zu ihrer Fahne schwörenden Boul6 geführt und in erster Linie von Baillant und den Blanquisten unterstützt wird. Chabert erklärte in sauersüßer Weis«, daß erfür die Bewilligung der Unterstützung nur auS hu- manitären Gründen stimme, da er dm betreffendm Stteik im gegebenen Moment für durchaus inopportun halte". Kennt er da« Sprichwort nicht:routro ailamä n'a pae d'orreillee* f(Ein hungriger Bauch hört nicht.) Die betreffende Erklärung, welcher von Jossinn zuge- stimmt ward, wird natürlich von der Presse gegen die Bewegung be- haglich ausgeschlachtet, während die possibilisiischen Stadträthe von der- selben Seite her wieder einmal den Ehrenpreis ihrerMäßigung und Anständigkeit" erhalten. Die im Gemeinderath verttetenen Monarchisten, Opportunisten und Radiialm, autonomistischer und antiautonomistischer Färbung, traten wie ein Mann dem Antrag Baillant'» entgegm und illustrirten wieder einmal recht deutlich, daß die Arbeiter nur auf stch selbst zählen können, daß sämmtliche politische Parteim, auch die radi- kalsten, ihnen gegenüber die Interessen einer feindlichen Klaffe vertreten und, wenn ei darauf ankommt, zu der einen reakttonären Raffe zu- sammenschmelzen. ES ist da« erste Mal, daß sich die Radikalm deS im Allgemeinen so anständigen Pariser  'Stadtraths ganz nackt und unver- hüllt in so schroffen, feindlichen Gegensatz zu den Arbeitern bringm. Die Bewegung war aber ganz dazu geschaffen, das kapitalistische Esels- ohr aus der radikalen Löwenhaut zum Vorschein zu bringen, sie rührte zu unmittelbar an die Stelle, wo jeder Bourgeois sterblich ist, an den Beutel. Dies wird auch durch die Haltung des radikalen KabinetS Floquet bestätigt, welches von Anfang an den Unternehmem Polizei, Gerichtt und Heer zur Verfügung stellte. Die Polizei hat stch wiederholt mtt der ihr eigenthümlichen Brutalität auf harmlos herumziehende Trupps von Streikenden geworfen, mit dem blanken Säbel eingehauen, verschiedene Arbeiter schwer verwundet und Massen von Verhaftungen vorgenommen. Ein polizeilicher Erlaß verkündet außerdem, daß alle Ausländer, welche unter den Streikenden gefaßt werden, sofort aus Frankreich   ausgewiesen werden. Die Ausständigen werden dieser Maßregel gegenüber nicht müde, die Solidarität zu betonen, welche sie mit ihren ausländischen Kameraden verbindet, gegen deren Ausweisung zu protestiren. Die Haltung der Polizei wird noch besonders durch die Thatsache charakterifirt, daß in verschiedenen Bauplätzen an Stelle der Streikenden Polizisten arbeiten. Arbeits- und Bauplätze find nicht nur durch Polizei und Gensdarmerie, sondern durch aktive Truppen bewacht, welche nach demTemps" Be- fehl haben,bei jedem versuchten Handstreich seitens der Streikenden ohne Schwäche zu handeln." Mtt einfachen Worten heißt das,ergreist die erste beste Gelegenheit, um die Arbeiterkanaille gründlich nieder- zukartätschen." Wie richtig diese Deutung, zeigt der weiterhin entschlüpfte Stoßseufzer,daß die Regierung viel zu milde vorgehe, daß ihr Schwan- ken und Zögern vor einer energischen Haltung nicht zu begreifen und entschuldigen sei." Soweit unser Korrespondent. Den weitern Verlauf deS Stteik» oder der Streikbewegung eingehend zu schildern, fehlt uns hier der Raum, wir müssen uns auf eine Zusammenfassung der wesentlichsten Borgänge beschränken. Während die streikenden Arbeiter im Großen und Game« sich durch- auS ruhig verhielten und nur ein« kleine Minorität von ihnen fich von einigen Hitzköpfen oder auch wohl Hetzspitzeln zu Unüberlegtheiten hin« reißen ließ, die aber bei Weitem nicht den schlimmen Charakter ttugen, den ihnen die Bourgeoispresse andichtete, tobte dies« von Tag zu Tag immer ärger gegen die Regierung, daß sie sich unfähig zeig«, die Ordnung aufrechtzuerhalten, daß sie z u s ch w a ch sei, die guten Bürger vor demTerrorismus der verhetzten Massen" zu schützen, und was dergleichen Liebenswürdigkeiten mehr sind, die alle in der deutschen   Bour- geoispresse ein verständnißinniges Echo fanden. Und diese saubere Taktik verfehlte ihre Wirkung nicht. Den Vorwurf, daß sie nicht stark genug sei, die hettigeOrdnung" zu schützen, erttägt keine BourgeoiS-Regierung und sei es die radikalste. Herr Floquet und seine Kollegen ergriffen als» begierig die erste Gelegenheit, die sich ihnen bot, den Herren vomTemps", Journal des Debats  " rc. zu zeigen, daß sie eS wie der erste beste ESbelheld verstehen, dieKanaille" zur Raison zu bringen. Diese Gelegenheit lieferte ihnen daS Begräbniß von Emil EudeL. Es war vorauszusehen, daß die Betheiligung an demselben eine großartige sein werde, daß namentlich die Streikenden sich in Mass» einfinden würden, um dem Mann, dessen letzte Motte ihrer Sache ge- gölten, die letzte Ehre zu erweisen. Run, statt der Polizei und Gens- darmerie strenge Ordre zu geben, sich jeder Provokation der ohnehin durch die Feindseligkeiten der letzten Tage gereizten Menge zu enthalten, wies man dieselbe an, jederungesetzlichen Handlung" rücksichtslos ent- gegenzutreten, was soviel hieß, als ihr einen Freipaß geben, bei der ersten Gelegenheit dreinzuhauen. Und daS hat sie dann auch redlich gethan. Den Vorwand lieferte da» Entfallen einiger im Zuge befindlichen rothen Fahnen. Selbst Anhänger des Ministeriums, wie Herr Pelletan von der Justice", erkennen an, daß die Organisatoren deS Begräbnißzuge» Alles aufgeboten, der Manifestation ihren friedlichen Charakter zu er« halten, und tadeln die lächerlichen Versuche, die rothe Fahne mit Polizei« gewalt zu unterdrücken. Aber wie hat die Polizei auch gehaust! Ich mat Mm Qug," h-tgt«S in-in-rn un« V-l lügung gestellten Prioatbrief,und zwar gerade an der Stelle, wo die Polizisten emhieben. Es ist der reine Zufall, daß ich mit ganzen Gliedmaßen nach Haus« gekommen, denn die Polizisten fielen wie Bestien über die Menge her und hieben blindlings auf alles ein, Theilnehmer und Zuschauer, Frauen und Kinder. Die Panik war mibeschreiblich, der Einzelne ward im Tu« mult wie ein lebloses Objekt fortgerissen, geworfen, getragen. Die Szene hat auf mich einen unauslöschlichen Eindruck gemacht, ich hatte noch nie vorher Menschen mtt so bestialischer Wuth über ihre Nebenmenschen her« fallen gesehen." Nach den üblichen Massenverhastungen war die erste weiter« Maßregel die Schließung der den Ausbeutern so verhaßten Arbettsbörse. Di» Bureaux   derselben hat man zwar seitdem wieder freigegeben, aber der Versammlungssaal bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Die Streikenden sind fortgesetzt unter Polizeiaufsicht gestellt, und da», obwohl sie auf den Vorschlag, ein unpatteiisches Komite zu bilden, das ihre Forderunge« untersuchen soll, emgegangen waren, während gerade die Herren Unter« nehmer es schroff abgelehnt hatten, fich aus Verhandlungen irgmd wel» cher Art einzulassen. Die opportunistische, und namentlich die Börsenpress« jubelt, daß die Regierung sich einmalenergisch" gezeigt, nämlich sich von ihr hat inS Schlepptau nehmen lassen. Sie hat den Radikalismus de« Herrn Floquet richtig taxitt. Bor die Entscheidung gestellt, e« mit dem Protzen- thum ganz zu verderben, werden die kleinbürgerlich Radikalen im kritischen Moment immer zu diesem überlaufen, nichts nothwendiger finden, als den Gutgekleideten zu zeigen, daß man mtt dem schmutzigen Kittel nichtS gemein hat. Nun, die Arbeiter haben eine Lehre erhallen, die sie in Zukunft beherzigen werden, auf's Neue ist ihnen gezeigt, daß sie i« Weitern für ihre sozialen Forderungen einzig und allein auf sich, aus die Macht ihrer Organisation zu rechnen haben. Von diesem SestchtS« punkt auS hat die Polizei de» Herrn Floquet dem Sozialismus eine« unschätzbaren Dienst geleisttt. Aus die albern« Redensart, der Streik sei von den Boulangifien und Monarchisten inszenitt worden, um der Republik   einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, gehen wir nicht wetter«in. Sie ist zu kindisch, um von vernünfttgen Menschen ernst genommen zu werden. Zudem, wäre die Republik   daS, waS sie fein soll, so braucht« fi« solch« Manöver nicht zu fürchten. Sozialpolitische Raudschau. Zürich  , 15. August 1888. Die französische Republik   hat jetzt eine abermalige Warnung erhalten. B o u l a n g e r war da» erste Avertissement die Demo«- strationen der vottgen Woche find das zweite. Da« erste hat genützt; wttd das»wette ebensogut! verstanden, dann werden die Augusttag« d«S Jahres 1883 zu den glücklichsten Frantteichi gehören. Daß Partei«« und Personen, welch« im Trüben zu fischen lieben, die Spitze jener Kundgebungen gegen die Republik   zu richten suchten, steht außer Zweifel, und wenn die Franzosen dabei auch an Bismarck'sch« agonte prorooa- tour« denken, so haben sie nicht ganz unrecht. Jedenfalls dürfen di« deutschen Reptilblätter über jenen Verdacht fich nicht allzulustig mache«. Die Aussagen der Haupt, Schröder und Genossen befinde« sich in schweizettschen Polizei- und Gerichtsakten, und wenn im Jahr 1848 russisch« Agenten notorisch in dem Juniaufstande mtt- kämpften, so kann die gleich« Taittk doch auch der«ismarck'schen Regierung zugettaut werden, die mtt der rusfischen heut« mehr alt je ein Herf und eine Seele ist. Freilich, zu behaupten, die jüngsten Kundgedungen seien da» W e r> der Boulangist-n und ihrer ausländischen Helfershelfer, da» ist ebenso lächerlich, al» es weiland die Behauptung einiger honntten Repu­blikaner war: der Juniaufstand sei künstlich von Legitimisten, Bonapar« tisten und rusfischen Polizifien gemacht wordm.