DaS NichtSthun ber republikanischen Parteien auf dem Gebiete der Arbeitergesetzzebunz und Sozialreform hat seine Früchte getragen: DaS Vertrauen in weiten Arbeiterkreisen ist erschüttert worden. Es ist ein« Lebensfrage für die Republik , daß sie sich diese» Vertrauen wieder gewinnt. Wir sagten schon früher emmal: für die französische Republik gitt da»: Noblesse oblige— sie ist verpflichtet, für die Arbeiter zu thun, was eine Monarchie nicht zu thun vermag. Eine Republik , die d-i monarchistisch- Prinzip der Klassenherrschaft und Ausbeutung beibehiill. hat heutzutage kein Recht mehr zu existiren. Und auch nicht die Fähigkeit, denn es fehlen die Existenzbedingungen. Die R-pu» blik ist entweder nicht», oder sie ist die Regierung des Volke» durch das Boll. Und da« Volk in seiner Majorttät leidet unter den sozialen Ungerechtigkeiten und muß. wenn eS nicht zu Grunde gehen will, deren Beseitigung erstreben. Eine Monarchie kann diese« Recht der Majorität leugnen, da« Volk, welches Gerechtigkeit sordert, unter AuSnahemegesetze und P o l i z e i d i k t a t u r stellen und die geknechteten Massen mit einem Bettelalmosen abfinden, wie daS j. B. die Polttik der deutschen Regierung auf dem Gebiete der Arbeitergesetzgeiung und„Sozialreform' ist. Stellt sich aber die Republik auf dieses niedere Niveau der Polizei- und Militärmonarchie, so gräbt sie ihr eigenes Grab. Für das arbettende Volk verliert sie jeden Werth, und ihre Feinde haben freies Spiel. DaS muß den bisherigen Leitern der Republik nachgesagt werden: sie waren redlich bemüht, den Arbettern die Bewegungsfreiheit zurückzugeben, und ihnen die Fesseln abzunehmen, welche die früheren Monarchien geschmiedet— allein das genügt nicht, obgleich es mcht wenig ist, und die französischen Arbeiter unzweifelhaft in eine weit günstiger« Lage versetzt hat. als die, in welchen die deutschen sich be- finden. Allein die„positiven«, sozialreformatorischen Maaßregelungen haben wir bisher vergebens erwartet. Nicht daß wir sagen wollten, die französische Regierung sei in dieser Beziehung hinter der deutschen zurückgeblieben— im Gegentheil, die Arbeitergesetzgebung der franzö- fischen Republik ist weit besser als die deS deutschen Polizeireichs- allein was will das bedeuten. Das Geschehene ist nach jeder Richtung hw unzulänglich, und die Sozialresorm, die in einem freien Lande natürlich nicht nach dem Bismarck'schen Schwindelrezept gefälscht werden kann, ist noch nicht ernsthaft in Angriff genommen, oder auch nur vorbereitet worden. DaS ist eine schwere Unterlassungssünde,«elcher die Kund- gedungen der vorigen Woche gegolten haben. Wir wollen hoffen, daß diese Lektion nicht umsonst war. Von außen kann die französische Republik nicht mehr zerstört werden. Die Armee der Republik ist groß genug, um selbst einer Koalition Trotz bieten zu können, und die Zahl der Wehrhaften läßt sich noch verdoppeln und verdreifachen, weil die Republik sich nicht gleich der Monarchie vor der Bewaffnung und Wehrhaftmachung der esammten wehrfähigen Bevölkerung zu fürchten at. Rur von innen drohen der Republik Gefahren, l-a llbertS ou la mort. Freiheit oder Tod! war die Losung der ersten sranzö- fischen Republik. Die Losung der dritten ist: Sozialismus oderTod! Ist sie nicht im Stand, die soziale Frage zu lösen, so wird Frankreich wieder in die Monarchie zurückfallen, bis die Verhält- Hisse und die Menschen weit genug entwickelt sind, um den Sozia» liSmuSinderRepublikzu verwirklichen. — Die deutsche Reptilpresse hat durch ihre Lügereien in Bezug auf die jüngsten Arbeiterkundgebungen in Frankreich sich selbst übertroffen. In diesem Fall konnte sie die z w e i Wauwaus, die ihr polittscheS Kapttal bilden, zu einem zusammenkneten: das «othe Gespenst und daS französisch« KriegSgespenst. Und da kam natürlich ein furchtbares Ungeheuer zu Stande.„Anarchie«, „Zerfall«,„Auflösung«,„Militärdiktatur«,„schreckliche Blutszenen"— Mit dem Hintergrund der Versöhnung Aller in dem gemeinschaftlichen Haß gegen Deutschland und— als Finale: der Revanchekrieg. Auch die Fortschrittspresse und der Sonnemann'sche Moniteur haben sich bei diesem Bangemach-Spiel kräftigst betheiligt, worüber wir uns Nicht wundern konnten. Kurz— in größerem Maßstab hatten wir eine Wiederholung der Preßorgien bei Gelegenheit der vorjährigen Streiks in Belgien . Thatsächlich hat die Pariser Polizei, so arge Gemeinhetten sie auch verübte, doch nicht halb so viel Gewaltthaten sich zu Schulden kommen lassen, als vor zwei Jahren die preußische Polizei bei der berüch- kigten Versammlungsauflösung in Hannover . Wenn unsere Reptilien sich der Hoffnung hingeben, durch solche Grusel- aeschichten über Frankreich die deutschen Arbeiter mit der deutschen Polizei- und Schandwirthschaft auszusöhnen, so ist das natürlich ver- körne Liebesmüh. Die umgearbeiteten„Grundzüge" des Alters- und Jnvaliden-Versorgungsgesetze» zeigen, daß die zwei Thronwechsel WeseS Frühlings in dem herrschenden System nicht die mindeste Ver- Änderung hervorgebracht haben und daß nach wie vor Unwissenheit, Unehrlichkeit und Beschränktheit fich in die Vaterschaft der BiLmarck'schen Sozialresorm theilen. Wir übertreiben nicht, wenn wir sagen, daß eS in Deutschland auch Nicht einen einzigen Arbeiter gibt, der diese vismarck'sche Sozialreform pour rire(zum Lachen), und namentlich die sogenannte„Krönung" des Gebäudes nicht als eine Schande für die deutsche Regierung und als «ine Beschimpfung der deutschen Arbeiter auffaßte. — Die Rachwahl im«. Berliner ReichStagSwahlkreis Segt der Polizei schwer im Magen, und auch Leuten, die über der olizei stehen. Liebknecht'« Kandidatur ist ganz besonders unangenehm — auS Gründen, die nicht auseinandergesetzt zu werden brauchen. Und die„Norddeutsch- Allgemeine", in deren Redaktion Liebknecht 1862 war, hat den Auftrag erhalten, für ein— Kartell zu agitiren und zwar für«in Kartell, zu dem auch die Fortschrittspartet zugezogen werden soll. ES ist zum Todtlachen, welche Wirkungen die Angst vor der Sozial- demokratie hervorbringt: Herr Pindter bietet den„verkappten Repu- blikanern«, der„Vorfrucht" u. s. w. die biedere Bruderhand und buhlt UM die Gunst der„ReichSfeinde"! Run— Herr Pindter ist«in sehr Ungeschickter LiebeSbote— wozu wäre der Tölpel überhaupt geschickt?— Und die einzige Wirkung, welche er biS jetzt gehabt hat, ist, daß die »lten Kartellbrüder sich mörderisch in die Haar« gerathen sind und zwei verschiedene Kandidaten aufgestellt haben—«wen verschämten und eine« unverschämten Antisemtten, die einander wie die Fischweiber »uSschimpfen. — Llebknecht's Kandidatur wurde von unfern Berliner Genossm in einer kolossalen Wählerversammlung unter einstimmigem Jubel pro- klamirt. Naturlich verfiel die Versammlung dem AuflösungShenker. In einer zweiten Wählerversammlung am S. August wurde, da Liebknecht selbstverständlich persönlich n i ch t in die Wahlagttation eingreifen kann, folgender Brief verlesen: „Freunde, Genossen! Den sozialdemokratischen Wählern de» sechsten Berliner ReichstagswahlkreiseS, die mich für die bevorstehmde Ersatzwahl VIS Kandidat ausgestellt haben, meinen herzlichsten Dank. Ich nehme die Kandidatur an und werde das in mich gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen bemüht sein. So traurig eS auch für mich ist, die Stelle eine» Freundes Und langjährigen Mitkämpfer» einzunehmen, den ein unsagbar grausame« Schicksal m der vlüthe der Kraft zu Boden geschmettert hat. so ist eS Mir doch eine besondere Genugthuung,»u einem Vertreter der Stadt «usersehen zu sein, in welcher ich nach langer Verbannung zuerst wieder auf deutschem Boden für die Sache de» arbeitenden Volkes streiten konnte und au» welcher ich vor 23 Jahren ausgewiesen wurde, weil ich dem Versuch entgegentrat, die Arbeiterbewegung gu Reaktionszwecken zu mißbrauchen. Damals hofften die verbündeten Feinde der Arbeitersache, Berlin auf immer der Sozial- demokratte zu entreißen. Jetzt ist Berlin schon seit mehr als einem Jahrzehnt die Hauptstadt der deutschen Sozialdemokratie. Jede bisherige Wahl bekundete dort ein Fortschreiten der Partei, und auch die Wahlschlacht de» 30. August wird und muß ein Anwachsen der Arbeiterbataillone bekunden. Rein Programm brauche ich nicht zu ent- wickeln— e« ist daS Euere und da» Programm der Sozialdemokratie Mit allen seinen theorettschen und praktischen Konsequenzen. Und daß «s mir Ernst ist mit diesem Programm, da» weiß, wer mich kennt.
Wer mich kennt, weiß auch, daß ich unter den obwaltenden Verhällnissen die Bedeutung des WSHlenS und der parlamentarischen Thättgkeit weit mehr in dem agitatorisch-propagandistischenWirken erblicke, als in dem gesetzgeberischen. So lange sämmtliche auf dem Boden der heutigen Staats- und Gesellschaftsordnung, oder richtiger gesagt, Unordnung stehende Parteien den Forderungen der Arbetterklasse gegen- über sich feindselig-negirend verhalten, ist an ein ersprieß- liches Wirken auf dem Gebiete der Gesetzgebung nicht zu denken. Will die Arbetterklasse zu ihrem Rechte kommen, so muß sie sich die nöthige Macht erobern. Ohne Macht kein Recht! Was der Gerechtigkett unserer Forderungen verweigert wird, das werden die Feinde dem unaufhaltsam sich vermehrenden Heere der sozial- demokratischen Wähler und Genoffen auf die Dauer nicht verweigern können. Jedenfalls ist die Sozialdemokratie einzig auf ihre eigene Kraft angewiesen. Weder von oben, noch von irgend einer andern Partei haben wir etwas zu erwarten. Doch wozu noch der Worte? Wir sind ja einander nicht fremd. Genug, ich werde unter allen Umständen meine Pflicht thun und ich weiß, daß die Berliner Wähler ihre Pflicht thun werden— am 30. August und sonst. Also auf Wiedersehen in Berlin ! Mit sozialdemokrattschem Gruß! BorSdorf, 3. August 1888. W. Liebknecht.« Der Brief wurde mit stürmischem Beifall begrüst, und der Geist der an dieser Versammlung gehaltenen Reden läßt keinen Zweifel, daß die Berliner Genossen ihre Pflicht thun werden— am 80. August und sonst! — I» Berlin „agitirt" die Polezei in ihrer Weise für die bevorstehende Reichstags-Crsatzwahl: erstens nimmt sie aufs Gerathewohl Haussuchungen und Verhaftungen vor; zweitens löst sie unter den nichtigsten Gründen und in provokatorischster Weise Arbeiter-Versammlungen auf. Die sozialdemokratischen Wähler sollen eingeschüchtert und an der nothwendigen Wahlorganisatton gestört wer- den; und als idealste Hoffnung schwebt der Jhring-Rahlow-Gesellschaft ein blutiger Krawall vor, der zu Maßregelungen im großen Stil benützt werden könnte. Natürlich fällt eS den Berliner Genossen nicht ein, in die plump gestellte Falle zu gehen; und die Polizei wird als einzigen Lohn für ihre Infamie nur eine großartig« Blamage zu verzeichnen haben. Bemerkt muß eS aber werden— und die Genossen dürfen eS nicht außer Acht lassen— daß die Politik der Provokation auch unter Puttkamer's Nachfolger die Politik der deutschen Polizei ist. Und— wo die Politik der Provokation herrscht, da pflegen auch agents provocateur s, d. h. Agenten der Provokation oder auf fchweizerdeutsch: Lockspitzel zu sein. Was nie zu vergessen! Da wir gerade von Lockspitzeln reden, so sei hier erwähnt, daß zwar die beiden Ehrenmänner Jhring-Rahlow und Naporra noch nicht in die „Reichslande« abgegangen sind— die betreffenden Zeitungsnotizen haben das geplante Spiel durchkreuzt und etwas veränderte Dispositionen, so- wie eine Vertagung des Plan» nöthig gemacht—, daß aber der famose Schöne sich schon seit längerer Zell in den Reichslanden, oder richtiger an der französischen Grenze aufhält und dort seinen sogenannten„Polizei- dienst" zär Anfertigung von„Mißhandlungen Deutscher in Frankreich « mit dem ihm eigenthümlichen Ungeschick«ingerichtet hat. Was das Un- g e s ch i ck anbelangt, so werden wir vielleicht gelegentlich einige Liedchen davon singen. Einstweilen sei nur angeführt, daß die famosen Berichte der„Norddeutschen Allgemeinen« über„Mißhandlungen Deutscher in Frankreich " von Herrn Schöne verfaßt sind und schließlich nur auf die Verherrlichung der Thaten deS Herrn Schöne und seiner Leute hin- ausläuft. Dieser skribelnde Spitzel hat nämlich mit vielen seiner Kollegen eine phänomenale Eitelkeit gemein— er kann es nicht lassen: er muß seine Thaten selbst an die große Glocke hängen, und fintemalen es mit seinen Thaten nicht sonderlich bestellt ist, so korrigirt er das Glück nach Art des biedern Riccault de la Marliniöre, und lügt sich glorreiche Thaten an. Von dem, was er an die„Norddeutsche Allge- meine" schreibt, sind neun Zehntel nicht wahr und das letzte Zehntel ist gelogen. Und wie wir schon vor fast zwei Monaten mittheilten— Herr Schöne hat außer dem„Grenzdienst" gegen Frankreich auch den Spitzel- dienst i n der S ch w e iz und g e g e n die S ch w e i z unter seine Lei- tung bekommen; und wird dabei von verschiedenen alten Bekannten unterstützt. Auch von— doch Herr Schöne braucht ja nicht zu wissen, was wir wissen. — Die Erziehung zur Rohheit und Gedaukeulofigkeit ist, neben dem Militarismus und der Taschendieberei, das Hauptstreben der jetzigen Machthaber. Neun Zehntel von neun Zehnteln sämmtlicher deutschen Zeitungen— wir meinen sämmtliche Kartell- und Reptilienblätter— sind mit den gemeinsten Hetzereien gegen Mitbürger und fremde Nationen, oder mit der Verherrlichung niedriger Gesinnung und brutalen Handelns gefüllt. Das Regiment der Bismarck, Stöcker, Jhring-Mahlow, Puttkamer und Konsorten wird in allen Tonarten ge- feiert, jede freiheitliche Regung, jede Regung des Sdelmuths und deS Rechtsgefühls verhöhnt, denunzirt; die knechtseligfle Bauchrutscherei ge- predigt, und ein dem kothfressenden Bonzenthum deS Dalai-Lamismus ähnlicher P-rsonenkultus gepflegt, ja als politische Pflicht geheischt. Selbständiges Urtheil ist«in todeswürdiges Verbrechen; wer von dem Kartellgesindel, das jetzt gesellschaftlich wie politisch überall Oberwasser hitt, nicht zum„Reichsseind" gestempelt, verfolgt, gehetzt und geboycottet sein will, muß mit der„patriotischen Hurrahkanaille" Hurrah! brüllen, und das Kreuziget ihn I Kreuziget ihn I Jedem, der nicht mit dem Strom schwimmen will, inS Gesicht schreien. Was zu allen Zeiten von allen ehrenhaften Menschen als Niedertracht gebrandmarkt worden ist: eigen- süchtiges, Prinzip und Charakter mit Füßen tretende» Streberthum, schleichendes Denunziantenthum, feigei, kriechendes Schmarotzerthum— heute wagt es sich nicht dloS auf die Straße, nein, ei dominirt die Straße, es beherrscht Staat und Gesellschaft,«S spreizt sich im Mantel der Bürgertugend und der Vaterlandsliebe, eS proklamirt sich als höchste Staatspflicht. Wer Karriöre machen will, muß in das Horn des Streber- thumS blasen— muß verzichten auf Scham, Ehr«, Männlichkeit: will er das nicht, kann er das nicht, so ist er zum Mindesten verdächtig; die emsigste, pflchtreinste Arbeit rettet ihn nicht— er wird den„Reichs- feinden" zugezählt, in Acht und Bann gethan. Und der Kultus der R o h h e i t! Jetzt beginnen in Deutschland di, militärischen Uebungen. Und da haben wir dt« vortrefflichst« Gelegenheit, in di«„Moltke'sche Schule« hineinzublicken, und den„Geist" zu studiren, welcher den Soldaten eingeprägt wird. E» ist Befehl, daß di« Soldaten auf dem Marsch möglichst viel singen müssen. Natürlich „patriotische" Lieder. Nun, drese Lieder muß man hören. Stupide» Ge- schimpfe aus die Franzosen , Ausbrüche barbarischer Freude am Mord und Todtschlag, hyperbyzantinische Loblieder auf den„Kaiser« Wilhelm und ähnliche Leute, auf blinden hündischen Gehorsam— kurz die reine Unteroffizieri-Poesie für Gott, König, Atassenmord und jegliche Nieder- tracht, di« jemals von gewissenlosen Rachthabern und deren Kreaturen auSgeheckt oder gepflegt worden ist. Und die Lieder, welch« den Schulkindern, Gymnasiasten, Akademikern und Studenten eingelernt werden, sind von ge- nau„derselben Kouleur in Grün«— nur etwa» ander» s ch a t t i r t. Die Bismarck , Stöcker und Konsorten glauben offenbar, sie hätten den richtigen Nürnberger Trichter für die Mensch-nschäsel ent- deckt oder wieder entdeckt und könnten, wie weiland der Gott der Bibel- fabel, die Menschen schaffen nach i h r e m Bild— so daß es blos noch Leute auf der Welt gibt, die denken und fühlen, wie eS dem Bismarck , Stöcker und Kompagnie gefällt. Nun— es hat ja schon früher Leute gegeben, die«ehnliche« sich zu- trauten. Zum Beispiel einm gewissen Karl den Fünften,„indessen Reich di« Sonne nicht unterging.« Er wollte auch vermittelst det Nürnberger Trichters die Msnfchenschädel mit solchen Gedanken und Gefühlen vollstopfen, wie sie ihm paßten und siehe da, eines Tagei wurde ihm klar, welch' bodenloser Esel er gewesen; er klopft« an di« Pforte des Klosters von St. Just, und wollt« die Kunst lernen, wie man zwei Uhren kann gleich gehen machen. Und al» ihm dies nicht gelang, trotz alles Genies, aller Macht und aller Anstrengungen, da rief er vor seinem Tode aus:„O, ich Thor! nicht zwei Uhren kann ich gleich gehen machen, und ich dachte Rillionen von Menschen nach meinem Willen denken und fühlen zu machen!« Die gleiche Enttäuschung wird der jämmerlichen Epigonen warten, die ohne die geistige Begabung eines Karl dei Fünften und relativ mtt weit geringerer Macht di« nämliche Thorhett verüben. Rur wird der „Abgang« von der Bühne kein so würdiger sein.
— Späte Einficht. Wir haben in der angeblichen Chicagoer Bombeu-Berschwöruug vom ersten Augenblick an nur Polizei» mache, nicht» als einen von Polizeistrebern ausgeheckten und von ihne» mit Hinzuziehung einiger bethörter Arbeiter in Szene gesetzt- Schwindel erblickt, und dieser Ueberzeugung auch Ausdruck gegeben. Diese unsere Ansicht wird auch durch alles, was seitdem über die„Verschwörung« bekannt geworden, bis zur Evidenz bestätigt. Wenn also I. Rost in seiner„Freiheit" dieselbe ebenfalls als eine„Verschwörung von Schur« ken" hinstellt, so ist das an sich gewiß sehr begreiflich, nur stimmt e» schlecht zu der Art und Weise, wie Herr Most bisher alle diejenigen traktirte, die schon früher— wie er jetzt— zwischen wirklichen und Polizei-Attentaten unterschieden. Ehedem hatte der„unerbittliche Anarchist" nur Hohn und Spott, wie allerhand Verdächtigungen für solche„Schlapp- michelei". An der Aechtheit irgend eines Attentats, an der moralischen Qualität irgend eines Attentäters zweifeln, hieß ihm die Sache der Revolution verrathen, den revolutionären Geist im Volke untergraben. Die Anstifter von Attentaten oder Attentatsverschwörungen in den Reihen derjenigen zu suchen, denen dieselben in erster Reihe, wenn nicht auS- schließlich zu gute kommen, hieß nach ihm die propagandistische Wirkung solcher revolutionärer Akte in Zweifel stellen. Was hat er nicht für Schimpfworte über unsere Partei ergossen, daß sie so„feige" war, an dem revolutionären Werth des Hödelschusses zu zweifeln— wobei er freilich vergaß, daß er zur Zeit deS Hödelschusses, als er die Wir- kungen desselben selbst zu fühlen bekam, genau so urtheilte und schrieb, als die später von ihm so maßloS beschimpfte Partei. Nun, jetzt hat sich das Blatt wieder einmal gewendet. Jetzt sind die Theilnehmer an der Chicagoer Bomben-Verschwörung entweder„ver- schworen« Schurken" oder„arme Teufel". Zugestanden. Aber was haben Gary, Grinnel und Bonfield vor dem alten Wilhelm voraus, daß wer sich aus ein Attentat gegen sie einläßt, ein„armer Teufel" ist, der „Attentäter seiner Majestät deS Königs« aber alS ein„zielbewußter Revolutionär" gepriesen werden muß, dessen Name noch unsterblich fort- blühen wird, wenn von einem Liebknecht oder Marx kein Mensch mehr spricht? Eo hieß es ja wohl einst, als I. Most die Wirkungen der Propaganda der That nur auS der Ferne beobachtete. „Bonfield lacht sich noch heute in die Faust, wenn er bedenkt, wie leicht die„öffentliche Meinung" seiner Zett wider die Anarchisten in wahre Tollhäuslerei verwandelt werden tonnte. Er weiß, welche Wunder die bloßen Worte Dynamit und Bombe unter den Philistern zwei Jahr« lang gewirkt." ...„Aus alledem haben die Genossen die Lehre zu ziehen, daß nicht alles Gold ist, was glänzt, das heißt in diesem Falle, daß nicht jeder ein Revolutionär oder Anarchist ist, der fortwährend von Dynamit und Bomben spricht. Wer sich mit dem nächsten besten hergelausenm Kerl aus Unterhandlungen über revolutionäre Aktionen einläßt, der kann von Glück sagen, wenn er nicht verrathen und verkaust ist, ehe er sich'» versieht. „Ja, auch mit älteren Bekannten ist solche Planerei nicht immer räthlich Viele Leute, die von Hause au« ganz un- verdorbene Naturen sein mochten, werden in der jetzigen schweren Zett der Roth unter dem Druck von Arbeitslosigkeit und Hunger zu Hallunten. Sie vermögen den Verlockungen der Polizei-Kanaille nicht zu widerstehen, nehmen JudaS -Schillinge an und spielen die polizeilichen Schlepper, welche die Arglosen dem Verderben überliefern. „Ferner sollten nachgerade auch jene W irthShaus-Schreiereien aufhören, in denen sich Manche gefallen, und hinter denen zwar gar nichts steckt, die jedoch unter Umständen genügend sein könnten, Manchem den Hals oder mindestens die Freiheit zu kosten."... Alles das steht wörtlich in der Nr. 3t der„Freiheit«. Wehe den«, der ihr vor etlichen Jahren dergleichen eingeschickt hätte. IS mm er» ling, Abwiegler— das wären noch die sanftesten Ehrentttel ge» wesen, die ihm an den Kops geflogen wären. Das war eben vor Chicago und der Attentatshetze in nächster Nähe der Redaktion der „Freiheit". Die Bomb« hat wirklich Wunder gewirkt, wenn auch keine „revoluttonäre". Beiläufig, wie würde der Mann, der in Amerika , wo denn doch noch ganz andere Verhältnisse herrschen al» im Polizei- und Philisterstaat Preußen-Deutschland, jetzt so schreibt, erst in Deutschland schreiben, wenn er all den niederträchtigen Polizei-»c. Chikanen ausgesetzt wäre, mit denen unser« von ihm als Leisetreter verlästerten Genossen Liebknecht , Bebel, Auer, Singer»c. zu kämpfen haben? — Zur Bettclrcform. So wenig die„Sozialresorm" den deut« schen Arbettern auch bietet, wenn überhaupt von bieten da di« Rede fein kann, wo nur in neuer Form gegeben wird, was vorher in anderer Form genommen wurde, so ist selbst die» Wenige noch dem deutschm Ausbeuterthum zu viel. In ihren Organen hören die Herren gar nicht auf zu klagen, wie hatt sie durch die Unfallversicherung bedrückt werden, wie große Opfer ihnen dieselbe auferlegt, wie schwer sie sie in ihrer Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt be- einträchtigt. Diesem GeschwStz gegenüber veröffentlicht die„Fränkische Tagespost" folgende, den amtlichen Ausweisen entnommene Zahlen über die fürchterlichen Leistungen der Herren: „Derjenige Thett der im ersten Betriebsjahre(1886/87) vorgekom- menen Unfälle, deren Folgen die in den Berufsgenossenschaften ver- einigten Arbeitgeber allein zu tragen haben— und lediglich diese kommen ja in Betracht— hat den Genossenschaften eine Gesammt- ausgab« von 1,711,633.38 Mk. verursacht. DaS giebt auf den Kopf der 3.473, 4Sd versicherten Arbeiter-ine AuS- gäbe von KV Pfg., auf jeden der betheiligten 233,174 Betriebe von 6.32 Mk., 0,0008 pCt. de« gezahlten Arbeitslohns 2.223.388.863.30 Mk. Zu den Erzeugungskosten tritt also im Großen und Ganzen nur eine verschwindend kleine Belastung der Unternehmer hinzu, die selbst dann nicht in« Gewicht fallen kann, wenn diese An»« gab« bi» zu demjenigen Punkte steigt, an welchem die Steigerung natu»- gemäß in Stillstand gerathen muß. Daraus ergiebt sich aber auf der andern Sette, daß der Vortheil, der dem Arbeiter aus der Zwang»« einrichtung erwächst, ebensowenig bedeutend ist, und dies« Wahrnehmung wird noch dadurch verstärkt, daß, wie die Rechnungslegung ergibt, für jeden dieser schweren Unfälle nur eine Entschädigung von 1 7 6.04 Mk. zu zahlen gewesen ist." „Es scheint also", heißt eS in dem betreffenden Artikel weiter,„die Last sehr ungleichmäßig und zwar zu Gunsten derArbeit» geber vettheilt zu sein, wenn man von dem vielfach bereit» alS richtig erwiesenen Grundsatz ausgeht, daß der Arbeitgeber für ver- pflichtet erachtet werden muß, für die beim Betriebe sich ereignenden Unfälle allein aufzukommen. Neun Zehntel aller Unfälle werden nach den Vorschriften de» KrankenversicherungSgesetzeS behandelt. Zu dieser Ver- stcherung liefern an die freien Kassen der Arbeiter die Arbeitgeber gar keine Beiträge. Der au» eigenen Mitteln zu leistende Beitrag der Arbeitgeber an di« Ottskassen beläuft sich auf ein Drittel der- jenigen Betträge, welche auf die von ihnen beschäftigten Versicherung»« Pflichtigen Personen entfallen. Dieser Drittel. Beitrag aber wird reich- lich ausgeglichen durch die Leistungen, zu denen die freien Kassen der Arbeiter lediglich au» eigenen Mitteln ihren zu Unfall ge- kommenen Mitgliedern gegenüber verpflichtet sind.« 30 Pfennig per Jahr auf den Kopf de» versicherten Arbeiters eine„erdrückende Belastung«! Die Herren können den Geist, der fie beseelt, nicht besser kennzeichnen al» durch dies« Klage. Wer noch nicht Sozialdemokrat ist, der muß e» werden, wenn er die» prozentwüthtge, pfennigfuchsende Protzenthum in der Werkstatt bettachtet. Solche Geister brauchen in der That ein Sozialistengesetz gegen die „unmäßigen" Ansprüche der Arbeiter, denn acht Zehntausendstel de» jämmerlichen Arbeitslohn» bedrohm ja ihre„Konkurrenzfähigkett". Wann wird endlich das 83 anbrechen für diese Filz«, die zehntausendmal schäbiger sind alS die alte Noblesse! — Zahlen» die sprechen—«ei«, die schreie«, enthält der statistisch« AuSweiS der Kranken- und Sterbekasse der Holzarbeiter in Deutschland , der größten freien HilfSkasse im deutschen Reich, für die Zett vom l. Juli 1887 bii zum 30. Juni 1888. Danach sind in diesem Z-ittaum 436 Mitglieder dieser Kasse gestorben, 171 Tischler und 323 Nichttischler, und bei nicht weniger als 66 von den 1 7 1 Tischlern war die Todesursache Lungenschwindsucht , bei 48 Lungenkrankheiten anderer Art.„Da nun die meisten dieser„andern Lungen- krankheittn," heißt et sehr richtig in einem durch die deutsche Arbeiter- presse lausenden Artikel,„wie Bluthusten, Lungenleiden, Bronchialkatarrh,