die neuen Ideen nicht in ihren Dienst pressen können und nnversöhn- liche Feinde in ihnen haben. Wohl geben sie sich die krampfhafteste Mühe, die Entdeckungen der Wissenschaft zu reaktionären Zwecken— für Mord, Todtschlag und Volksverdummung— zu verwerthen, allein daS gelingt doch nur bis zu einem gewissen Grade. Ali 1792 das kriegerische Ringen zwischen der alten Feudalwelt und der französischen Revolution begann, waren die Armeen der jungen Republik, ungeachtet mangelhafter Schulung und mangelhafter Bewaffnung im Anfang, doch sehr bald in allen technischen Dingen den Armeen der Militärmonarchien überlegen. Aehnlich verhält es sich gegenwärtig. Viele der wichtigsten militari- schen Erfindungen verdanken wir den durch und durch unmilitärischen Amerikanern; und wie sich jetzt herausstellt, haben die Franzosen in mehr als einer Beziehung unsere deutsche Armee wesentlich überholt. Und sollte eS zum Krieg kommen und der revolutionäre Geist in Frank- reich vollends entfesselt werden, so würde die intellektuelle Superiorität der Republik zweifellos noch schärfer zu Tag treten. Es ist nun einmal in dieser, allerdings noch nicht besten aller Welten, aber doch fichtbarlich sich bessernden Welt so glücklich eingerichtet, daß da« Absterbende nicht am Leben erhalten und das Abgestorbene nicht ins Leben zurückgeführt werden kann. So wenig es Bismarck und feinen Leuten gelang, den alten Wilhelm vor dem Tode zu retten, ebenso wenig wird ihnen da? mit dem herrschenden System gelingen. DaS zwiefache ölomonto mori des vergangenen Frühjahrs und die nothwendige Verweisung des alten Mottle in die Rumpelkammer sind wahrhaftig doch deutliche Mahnungen. Und andere werden folgen, bis daS Schicksal fich vollzieht. Abgesehen von dem Lebelgewehr, hat auch das nicht mehr weg- zuläugnende Fiasko des„Antrittsbesuchs" in Petersburg al« Dämpfer gewirkt. Der einzige praktische„Erfolg" ist, daß Oesterreich mißtrauisch gemacht und England mehr an die Seite Frankreichs gedrängt worden ist. Daß die Dinge durchaus nicht nach dem Geschmack des„neuen alten Fritz" und seines Hausmeiers gegangen sind, erhellt recht deutlich auS dem tollen plumpen Gebahren der Reptilpresse, die geradezu rohrspatzen« mäßig auf Frankreich schimpft. Besonders arg treibt es die„Nord- deutsche", deren Spiritus rootor— leitender Genius— in feiner Wuth die einfachsten Regeln der Klugheit vergißt und feine innersten Gedanken verräth. Durch das rohe Geschimpfe auf Frankreich haben die deutschen Rep- tilien es fertig gebracht, daß die friedensstörerischen Absichten Bismarcks weltbekannt sind und, daß im Falle eines Krieges die Schuld für alle Welt offenkundig auf Seiten des Bismarcksschen Reichs liegen würde. Doch lassen wir das. Genug— die jungen alten Fritze und ihre Hausmeier und Hofmeister haben ihre Warnung empfangen, und wenn sie dieselben ignoriren, dann um so schlimmer für sie. En atiendant— mittlerweile— hat der„junge alte Fritz" dem „ T y r a S" in Friedrichsruh einen„hohen Besuch" abgestattet— ob mit größerem Erfolg als den Besuch bei„Väterchen"— daS wissen wir nicht und wollen wir nicht wissen. Während TyraS— apropos, Tyras soll die griechische Urform für Tyrannos, Tyrann sein, so daß also Tyras schon durch seinen Namen prädestinirt wäre, der klassische Repräsentant des herrschenden Regierung«- systemS zu sein— während Tyras und das übrige Volk dieser Art sich die größte Mühe gibt, den Despotismus zu vereinigen, feilt der Sozia- lismus ohne Unterlaß an den Ketten, in welche das arbeitende Volk geschlagen ist, und bereitet— aller Hindernisse, spottend aller Gewalt- streiche der Gewalthaber— die Befreiung der Menschheit vor. In B e r l i n, in der Hauptstadt des deutschen Reichs, die zugleich die Hauptstadt der deutschen Sozialdemokratie geworden ist, arbeitet der neue Geist mit Macht. Die Ersatzwahl im VI. Kreise demonstrirt unfern Feinden wieder einmal aä oculos der Unaufhaltsamkeit der sozialdemo- kratischen Bewegung. Sie mögen thun was sie wollen— den Wahlsieg der Sozialdemokratie vermögen sie nicht zu hintertreiben. Sie müßten die Wahlen selbst abschaffen. Und dann hätten sie die Thatsache, welche sie erschreckt, doch nicht aus der Welt geschafft, so wenig wie der Bauer, welcher das Barometer zerbrach, da« schlechte Wetter loswürde. — Eine der widerlichste» nnd zu gleicher Zeit charalte- ristischste» Erscheinangen des deutschen Las Empire») ist die chauvinistische Selbstverherrlichung verbunden mit einer rüpelhaften Herab« fetzung der fremden Kulturvölker und ihrer Sitten und Einrichtungen. Dw Deutschthümelei, welche den sogenannten Freiheitskriegen im ersten Viertel dieses Jahrhunderts folgte, war nichts im Vergleich mit den Orgien unserer reichstreuen„Hurrahschreierei", die jede vernünftige Meinungsäußerung niederbrüllt. Alles, was im bismärckischen Deutsch land geschieht, ist groß, edel, genial; Alles, was Engländer, Franzosen, Schweizer und andere freie Völker thun, wird mit Koth beworfen, in den Schmutz herabgezogen. Die Franzosen sind verkommen, rettunzilo« der Anarchie versallen, ein Volk von„Wilden". Nicht besser sind die Engländer, und wie die Schweizer im Spiegel der deutschen Polizei- Orthodoxie aussehen, das ist in der E h r e n b er g' fchen Schmutzschrift ,u lesen, die den Geist des Reptiliengesindels, welches die Presse und Literatur des offiziellen Deutschlands beherrscht, zu klalsiichstem Ausdruck gebracht. E« hat niemals in irgend einem Lande etne ähnliche Korruption der Presse und Literatur gegeben, wie gegenwärtig in Deutschland . Schon früher bemerkten wir: selbst unter Napoleon dem Dritten und Kleinen wurde diese Höhe oder richtiger Tiefe der Niedertracht, des Knechtsinns, der Denunziation und Verhetzung nicht annähernd erreicht. Aber man betrachte sich auch die Männer, die heute in Deutschland das große Wort führen und die Kloaken de« Reptilienfonds speisen. Der Stil ist d e r M e n s ch. Und diese Pindter, Schweinburg, Treitschke und Konsorten finden höchstens in den berüchtigten Schreiben des ost- römischen Las Empire ihre würdigen Ebenbilder. Nur daß der Byzan- tinismus der»era Bismarck weit rohere Formen angenommen hat— entsprechend dem Polizeistuben- und Kafernenton, der heute Mode ge« worden ist und in cynischer Brutalität feinen Ruhm sucht. Die W a h r- h e i t ist diesem Volk, da« mit Ausnahme einiger engherzigen pfäffischen Fanatiker ä>a Treitschke aus käuflichen Subjekten ohne Scham, ohne Ehre, ohne Wissen besteht, daS verhaßteste aller Uebel, und wer die Wahrheit sagt, wird verläumdet, verfolgt, in»cht und Bann gethan. Das Hohe wird mit Füßen getreten, die platte spitzbübische Gemeinheit auf den Thron erhoben— Mord und Diebstahl zur vornehmsten Staats- ausgäbe gestempelt. Oder läuft etwa die Verherrlichung des Kriegs und feiner Werkzeuge und Hohepriester nicht auf den Kultus des Mord« SinauS. Und ist etwa die sogenannte Wtrthschastspolitik de» totzlers Sisenstirn etwas anderes als der organisirte Raub im Großen. Die Ausplünderung der Kleinen durch die Großen, der Arbeiter durch die Müssiggänger? Gibt ei eine Niedertracht, die von dresen Reptilien nicht vertheidigt, nicht gepriesen, nicht al» Ausfluß konzentrirtesten EtaatSmannthums der Bewunderung des gedankenlosen Pöbels empfohlen wurde? Und gibt es eine Grenze ihrer Unwissenheit und Dummdreistigkeit? Man nehme nur den jämmerlichen Schwindel der Arbeiterversicherungsgesetze, der als Ausfluß vollendetster Weisheit, al« Lösung des großen sozialen Problem«, an dem alle andern Regierungen bisher gescheitert feien, unter tollem Reklamegetrommel ausposaunt wird. Und doch ist eS eine Thatsache, die mit Händen zu greifen, daß die BiSmarck'sche„Sozialresorm" der verächtlichste Wechfelbalg ist. den böser Wille jemals mit krasser Unwissenheit gezeugt. Die Engländer, Schwei - »er, Franzofen— sie haben für die Arbeiter nichts gethan— lügt diese« Reptilgesindel,— die deutsche Regierung in ihrer himmlischen Güte hat für die Arbeiter so gründlich gesorgt, daß sie zufrieden sein müssen. Und da« lesen wir Tag für Tag, weit lob- und ruhmrediger noch als wie hier angedeutet, in allen deutschen Reptilblättern und in unzähligen Broschüren und Schriften, die au« dem Sumpfe des Reptilfond« wie Pilze emporschieße». Und dieselbe verlogene Schönfärberei wird mit allen unfern Staat«- einrichtungen und mit allen Handlungen unserer Gewalthaber und ihrer Handlanger getrieben,«ein Land hat eine s» gute Regierung, so ge. ordnete Zustände, so tapfere Soldaten, so allweise Staatsmänner, so vollkommene Fürsten. Bloß„Unser Fritz" war nicht ganz, wa« er fein sollte, denn er empfand Ekel vor dieser Schandwirthschaft und wurde deshalb mit in die Hölle der ReichSfeinde verwiesen, oder wenigstens in den Vorhof.
*) Eigentlich: niedriges Reich, so nannte man da« Byzantiner Reich.
Genug— da« gigantische KrebSgeschwür der deutschen Reptilienwirth- schaft ist wohl geeignet, den Satz, daß Alles schon dagewesen sei, mnzu- stoßen. Gleiches ist noch niemals dagewesen; und wie jedes Geschwür das Produkt innerer Fäuln iß ist, eine Zersetzung der Säfte anzeigt, so auch diese». Und da« ist das Tröstliche. Die Reptilienwirth- schaft wäre nicht möglich in einem nur halbwegs gesunden Staatsorga- nismuS; und keine Regierung, keine herrschende Partei, die an sich selbst und an die Güte ihrer Sache glaubt, würde zu so schmutzigen Mitteln und Praktiken ihre Zuflucht nehmen. Und das ist für uns das Erfreuliche an dieser Erscheinung: sie ist das S y m p t o m der Auflösung, und ein untrüglicher Bewei«, daß die Bismarck und Konsorten den Glauben an die Lebensfähig- keit de« von ihnen vertretenen Systems verloren haben. Je häßlicher aber die Fäulniß sich offenbart, desto kräftiger «ollen wir auf da« Gesindel losschlagen. — Recht bezeichnend für die Polizei- unv Rechtszustände in Deutschland ist folgender„Zwischenfall" aus dem Prozeß„Karklinnis und Genossen", den das„Berliner Volksblatt" mittheilt: „Der Zeuge Polizeiwachtmeister Bernhardt gab auf die Frage, woher er seine Kenntniß der sozialdemokrattschen Interna habe, die Antwort:„Das ist zu meiner amtlich»» Kenntniß gekommen." Vorsitzender.'„Haben Sie diese amtliche Kenntniß aus eigenen Erfahrungen oder aus Aktenstücken oder auS mündlichen Jnfor- mationen von Seiten Ihrer vorgesetzten Behörde?" Zeuge:„ G s ist zu meiner amtlichen Kenntniß gekommen." Auch auf die weitere Frage des Vorsitzenden;„Wollen Sie damit etwa sagen, daß Sie auch auf meine letzte Frage amtlich zum Schweigen verpflichtet find?" antwortete der Zeuge sonderbarer Weise anfangs wiederum mit seinem stereotypen:„Es ist zumeiner amtlichen Kenntniß gekommen," nach liochinaligem Eindringen deS Vorsitzende» jedoch mit„I a w o h l". Darauf erklärte der Vorsitzende, daß der Gerichtshof zu einer kurzen Berathung abtrete. Nach einigen Minuten trat der Gerichtshof wieder ein und der Vorsitzende wendete fich an den Zeugen mit den deutlich betonten Worten:„Daß Sie Ihre Quellen nicht nennen dürfen, wissen wir, ich habe Ihne» aber nochmals die Frage vorzulegen: Sind Sie amtlich auch darüber zu schweigen verpflichtet, ob Sie durch Einficht vonAktenstücken, oder durch mündliche Mit« theilungen Ihrer Vorgesetzten, oder durch eigene Wahrnehmungen Ihre Kenntniß erlangt haben?" Zeuge:„Jawohl." Vorsitzender:„Wer hat Ihnen diese Pflicht auf- erlegt?" Zeuge(nach einigem Besinnen):„Regierungsrath...." (Name wurde am Berichterstattertische nicht verstanden.) Der Borfitzende ließ den Zeugen hierauf wieder abtreten und dikttrte dem Gerichts- fchreiber das Protokoll über die Aussage de« Zeugen." Wer spielt eigentlich hier die kläglichere Rolle, die Polizei, die einen solchen— Ehrenmann von Zeugen verschickt, das Gericht, das sich einen solchen Zeugen gefallen läßt und ihn ernst nimmt oder das Volk, das sich eine solche Parodie auf den Begriff Gerichtsverfahren bieten läßt? —„Wie tonnt' ich sonst so tapfer schmähte»." Jedesmal, wenn in Frankreich ein Blatt in Bezug auf deutsche Verhältnisse, deutsche Namen-c. einen Schnitzer begangen, ja selbst bei offenbaren Druck- f e h l e r n, pflegt die gesammte mordspatriotische Presse Deutschlands mit Jndianergeschrei darüber herzufallen und das Beweisstück für die „grauenhafte Unwissenheit und Oberflächlichkett der Franzosen " trium- phirend dem gläubigen Publikum vorzuhalten. Allen voran die„gebildetste" der„gebildeten Zeitungen", die brave„Kölnische Zeitung ". Jetzt ist der weisen Dame das Malheur passirt, innerhalb ganz kurzer Frist auf zwei Böcken in Bezug auf ihr„Französisch " ertappt zu werden, die den Spott der Franzosen geradezu herausfordern. Nachdem sie vor kaum vier Wochen den berühmten Prevost von Paris , Etienne Marcel , mit einem Marschall aus dem vorigen Jahrhundert verwechselt, hat sie jetzt e« sogar dahin gebracht, aus einem Leichenwagen einen Arbeiterführer Corbillard zu machen. In ihrem Bericht über die Beerdigung de« Blanquisten Eudes heißt es wörtlich: „Von 9 Uhr versammeln sich verschiedene Gesellschaften und AuS- ständige vor dem(Trauer-ZHause. Sie halten Kränze mit meist rochen Schleifen. Bei Ankunft CorbillardS um 10 Uhr 15 Minuten ruft die ganze Menge:„Es lebe die Kommune!" Um 10 Uhr 45 Minuten setzt sich der Zug unter dem selben Ruf in Bewegung. Corbillard geht dem Zug voran. AuSständige Erdarbeiter eröffnen ihm den Weg und gehen vor ihm. Sie werden vielfach mtt dem Ruf:„Es lebe der Ausstand!" begrüßt." Le Corbillard heißt, wie jeder Tertianer wissen muß, der Leichen- wagen, der Berichterstatter des WeltblatteS aber weiß eS nicht, sonst hätte er unmöglich die obige Prachtleistung verüben können, die den berühmten General Staff weit in Schatten stellt. Daß die Franzosen bisher im Allgemeinen über Deutschland wenig orientirt waren, erklärt sich au» dem Rückgang Deutschlands nach dem dreißigjährigen Kriege, feinem späten Eintreten in die Reihe der modernen Völker. Dem Franzosen lag das Deutsche nicht näher alS dem Deutschen da« Russische , und die Ignoranz de« Letzteren in Bezug auf Alles, was den östlichen Nachbar betrifft, läßt in keiner Beziehung zu wünschen übrig. Man könnte es ihm verzeihen, wenn er eS sich nicht angewöhnt hätte, den anderen Nationen gegenüber den AllerweltSschulmeister zu spielen. Der Gelehrtendünkel ist dem von seiner großen„Bildung" überzeugten Deutschen in Fleisch und Blut übergegangen, und dieser BildungS- Chauvinismus wirkt um so abstoßender, weil in Wirklichkeit sehr wenig ächte Bildung dahinter steckt. Aechte Bildung ist bescheiden, der heutige Normaldeutsche ist ein anmaßender Patron, der nur von seinen Groß- thaten zu melden weiß. Und während die Franzosen daran find, die früheren Uuterlassungs- fünden wieder gut zu machen— erst kürzlich ging wieder eine Meldung durch die Presse, daß die französische Regierung Stipendien aussetze für Studirende ic., welche die deutsche Sprache in Deutschland selbst zu er- lernen wünschen, und der Lehrplan des Deutschen aus den französischen Gymnasien ic. eine immer größere Ausdehnung erfährt— geht man in Deutschland , wie es scheint, umgekehrt vor. Der Berichterstatter der Kölnerin hat sicher seinen„Einjährigen" gemacht, ist wahrscheinlich Reservelieutenant— sonst wäre er ja auch gar nicht repräsentations- fähig— aber er sttzt in Frankreich , schreibt über Frankreich , schulmeistert die Franzosen und— muß sich von den Franzosen wie ein Schulbub auslachen lassen. Aber freilich, was braucht ein rechter Deutscher sich mit dem Erlernen de, Sprache de« Erbfeindes zu plagen. Wenn er nur auf die Franzosen schimpfen und— schießen gelernt hat. — Ueber ein großartiges Kulturwerk, zu dessen Vorbereitung der Vereinigte Staaten -Kongreß in seiner letzten Session die Mittel bewilligt, lesen wir in dm amerikanischm Zettungen. ES handelt sich um nichts weniger als den Versuch, durch zweckmäßige Damm- und Kanalbauten die Fluthwasser des oberen Missouri -Flusses aufzustauen und zur Bewässerung ungeheurer Lande«» st r e ck e n zu verwenden, und zugleich den Ueberschwemmunzen im unteren Risfis.sippithal vorzubeugen. Um sich die Bedeutung de» geplanten Werkes klar zu machm, muß man sich vergegenwärtigen, daß sich zwischen den Abhängen der amerikanischen Felsengedirge und etwa dem hundertsten Meridian ein Ge- biet befindet, da« jetzt, Wassermangels halber, entweder gar nicht oder nur zu Viehzucht verwendet werden kann und von welchem, nach den Er- hebungm de« geologischm Bermessungs-Jnstituts der Ver. Staaten, ein Territorium, viermal so groß als der Staat New-Iork, für die Landwirthschaft durch Bewässerung nutzbar gemacht werden kann. Auf der andern Seite werden jährlich durch die Ueberschwemmungen des Mississippi unterhalb Kairo Rillionen Acker Land unter Wasser ge- setzt und oft auch verwüstet und unbrauchbar gemacht, ohne daß man bisher etwas Erhebliches ausrichten konnte. Man baut Dämme, aber der Mississippi und seine Nebenflüsse, namentlich der Missouri und der Red River, führen immer und hauptsächlich zur Fluthzeit, riefige Schlammmassen und Gerölle mit, welche« nur theilweise in dm Golf abgeführt wird. Da« andere bleibt auf dem Grund de« Flusse « liegen, erhöht denselben, so daß er schließlich, wie der Po oder der gelbe Fluß in China , auf einem Höhenzug dahinfließt. Man erhöht die Damme ent- sprechend, aber schließlich bricht die Fluth durch, und e« ereignet sich, was kürzlich aus China gemeldet wurde: ganze Provinzen werden vesi -
fandet oder in Sem verwandelt. Dort ist man schon Jahrtausende an dieser verfehlten Arbeit; hier erst einige Jahrzehnte. Würde man ebensolange in der chinefischen Manier fortfahren, so müßte dieselbe Katastrophe eintreten. Gegm diese beiden Uebelstände soll also auf emmal Abhilfe g e» schaffen werden. Die wissenschaftlichen Abihettungen der Regierung haben schon lange einen Plan fertig gehabt, aber erst der letzte Minister de« Innern, Lama r, war so vernünftig, ihn in den Vordergrund zu drücken. Er verlangte in seinem letzten Bericht an den Kongreß, daß die Regierung, wo e« immer nöthig sei, BewässerunzS-Ar- betten im großen Styl seblst unternehme und nicht Kapitalisten überlasse. Der Mann ist nämlich ein Lourbone und haßt die Geldschneider ungefähr ebenso wie ein preußischer Aristokrat des altm Schlage«. Die Frucht seiner Bemühungm ist das erwähnte Gesetz und da» Vermeffungs-Bureau hat in großen Zügm einen Plan bereits fertig. Er besteht darin» den Missouri an seinem oberen Lauf, sowie seine Nebenflüsse, ehe sie in die Ebene emtretm, aufzudämmm, damit kolossale Reservoirs zu schaffen, in welchen das Fluthwasser fest« gehalten wird, und von diesen Stiesenteichen aus ein Kanalsystem zur Bewässerung anzulegen, gegen welche» das egyptische und selbst das alte hindofianische an Größe zu einer Bagatelle verschwindet. DaS Gesetz ermächtigt jetzt die Vermeffer, den Plan im Detail auszuarbeitm und ihn dem Kongreß zu unterbretten. Binnen zwei Jahren hofft man, mtt den Vorarbeiten fertig zu sein. Der Plan ist aber nicht nur durch seine Großartigkeit der Anerkennung werth, sondern auch dadurch, daß seine prinzipielle Annahme einen Wendepunkt in der Wirthschafti-Politik des Kongresses bedeutet. Hier ist man endlich einmal davon abgewichen, Rillionen Acres Land, bloS weil sie der Bewässerung bedürfm, um nutzbar zu sein, an Kapttalisten zu ver- schleudern. Merdings folgt die Rtehrheit des Kongresses dabei, Wiedas „Philad. Tagebl." hervorhebt, nicht einem Prinzip, sondern dem Gebot der Roth. Einmal hätte es schwerer gehalten, ein kapitalistisches Kon« sortium zu finden, das fich an ein so wett ausschauendes und riesige« Unternehmen wagen würde, und dann braucht man auch bald Land für die Ansiedler, denn das jetzt noch ohne Rachhülse für Acker- bau-Zwecke brauchbare geht rasch seinem Ende entgegen. Und das„freie Land" ist, wie die Polttiker der alten Parteien wohl wissen, eine der hauptsächlichsten Stützen des jetzigen wirthschaftlichm Systems. Au» welchen Motiven das Werk immer unternommen werde: e« be- deutet ein stillschweigende« Fallenlassen der bürgerlichen Nachtwächter- Auffassung vom Staat, der angeblich nur ein Polizist sein soll.— Was man aber weiter zu fordern hätte, schreibt unser Bruderorgan, ist, daß das aus gemeinsamen Mttieln nutzbar zu machende Land hinterher nicht Einzelnen zur Beute fallen soll. Daß die Regierung e« nicht verkaufe, sondern blo« verpachte; daß sie es nur an wirkliche B e b a u e r verpachte, und da der Kleinbetrieb sich nicht lohnt, an Asso- ziationen von Farmern, denen fie auch ganz gut die Wittel»um An- fangen vorstrecken könnte. Bis das Werk vollendet ist, sollten die amerikanischen Arbeiter min- besten« so weit sein, daß fie sich auf eine solche Forderung vereinigen. Zwanzig Millionen M-nschen könnten damit vor dem Versinken in die kapttalistische Knechtschaft bewahrt werden." — Einen recht artigen Kommentar zu dem in vorstehend« Notiz Mitgetheilten, liefert folgender Stoßseufzer, den der hoch- reichstreue Graf Fr. Franienberg auS Anlaß der neuerdings eingetretenen Hochwassernoth in Schlesien in der hoch- reichstteuen Berliner„Post" ausstößt: „Ist dieses traurige Ereignitz ein ganz ungewohntes und unerhörtes? Rein! Im Gegeniheil, mit einer entsetzlichen Regelmäßig- keit tritt fast jedes Jahr in derselben Gegend m denselben Flußthälern Hochwasser ein und zerstört, was kaum neu hergestellt ist. Diese letzte Hochfluth traf auf denselben Tag, wie eine Ueber« schwemmung vor 30 Jahren, welche die bekannten„ältesten Leute" bis« her für die schlimmste gehalten hatten. Fragen wir nun: was ist in unserem Kultursiaate seit diesen 30 Jahren geschehen, um de« Verderben zu steuern, um Menschen und Eigenthum zu schützen? Sind die Flüsse nicht regulirt, die Wasserläufe nicht erweitert, die Quelle« gebiete nicht bewaldet und mit Sperren verseben, die Thäler nicht sül den unschädlichen Ablauf der G-wässer frei gemacht worden? Die And wort wird zu unserer Beschämung fast überall verneinend aus fallen. Keiner der genannten Nebenflüsse der Oder, welche vom Riesen- gebirge herkommen, ist einer einheitlichen und planmäßigen Regulirung unterworfen worden. Der Pläne sind allerdings so manche derathec aus den Landrathsämtern m die Regierungen, ja vielleicht bis in di< Ministerien gedrungen. Hand ist aber nicht angelegt wordev- Kleine Stückchen der Flußläufe sind wohl begradigt, erweitert und du brüchigen Ufer hergestellt, die weggetragenen Brücken um einen oder ei« paar Meter erweitert und erhöht, die durchriffenen Dämme vcrstärl! und auch erhöht worden. Es ist in neuester Zett ein telegraphische! Hochwasser-Meldedienst und ein Netz von Ztegenmesser. Stationen a» gelegt worden, damit ist aber auch das Register Alles dessen abgeschlossen, was Staat, Selbstverwaltung und Selbsthülfe geleistet haben, um z« verhüten, daß ein einziger Regentag für Millionen Schaden bringe.& gründlich stehen wir noch in den Kinderschuhen, in den Uranfängen alle» Dessen, wa« geschehen muß, um das Land vor dei« alljährlich wiederkehrenden Jammer der Ueb-rschws»imungen zu schützen.' Ja, dafür sind„wir" aber auch der erste Militärstaat der Well dem Keiner was kann, und der für sein herrliches Heer und seine tP fiaunliche Marine heidenmäßig viel Geld— nöthig— hat. Und ferner besitze»„wir" einen Verwaltungsapparat, um den di- Welt uns beneidet und zu beneiden allen Grund hat. Wer z. L. eta> meinen sollte, daß sich die zuständigen Behörden bisher nicht um db Sache gehörig gekümmert, der irrt sich bedeutend. Mtt peinlicher Pflicht- treue sind sie jedes Mal nach dem Eintreten einer WasserSnoth W Frage„näher getreten", wie in Zukunft derselben am wirksamste» gesteuert werden könne und haben ein sehr„werthvolles Material' darüber aufgespeichert, aber das ist eben das Wundervolle d«> Bureaukratie, daß sie zwar alljährlich der Sache„näher tritt", ade> trotzdem immer auf demselben Flecke stehm bleibt. Denn bei alle» Berathungen spielen die juristisch oder vielmehr kam era- listisch vorgebildeten Verwaltungsbeamten die Hauptrolle, di- technischen werden nur so nebenbei, aus Gnade, mit angehört. Was würde auch aus der Welt werden, wenn die geheiligten Tr» ditionen der Bureaukratie Schaden litten. Und so wird fich zwar aul diesmal, wie e« der OberprSsident von Schlesien angeordnet, d«> Meliorations -Bauinspektor der Provinz mit den Landräthen der inter essirten Kreise„in« Benehmen setzen", in welcher Weise„systematisch un nachhaltig den Ueberschwemmungsschäden AbHülse zu schaffen und Ü Zukunft vorzubeugen sei", aber wie Preußen-Deutschland , nach Wi> Helms II. Großsprecherei, keinen Stein von den Gebieten zurückgebe! wird, die eS ge— annektirt, so wird e» auch seine Ueberschwemmunge behalten— wenigstens die einen solange wie die anderen. Womit st die guten Patrioten zu getrösten haben. Die Arbeiten, um die eS sich in Schlesien handelt, sind kaum d» hundertste Theil dessen, wa« für die Missouri - und Mississippi Distrikte in» Werk gesetzt werden soll. Amerika , du hast es besser.. — Und was lein verstand der Berständigste» steht, da ,c. k. Dem neuen Kronprinzen Wilhelm, dem sechsjährige Sohn Wilhelms II., war e«, wie die Berliner„Post" schreibt, niä leicht gewesen, klar zu machen, daß er nach dem Tode seines„ho< seligen" Großvaters nun Kronprinz de« deutschen Reiches geworden s« Sein kindlicher Sinn vermochte wohl zu fassen, daß sein Vater Kais« geworden. Seiner Erhebung zum Kronprinzen aber begegnete er mit d« Frage:„Nun bin ich schon das, wa« mein Papa geworden ist, al« schon mein Papa gewesen ist?" Es ist eben etwas zu viel für das Hirn eine« sechsjährigen Jung» die Mysterien deS GotteSgnadenthum« zu begreisen. Desto leichter dieses später auszuüben. — Scheußlich. Unter der Ueberschrist„Eine Gederde i' I a h r e 1 3 8 s" schreibt das„Sächsische Wochenblatt": „Im benachbarten Brießnitz wurde vorige Woche ein unehelich ss zeugt-s Kind beerdigt. Dabei hielt der Herr Vikar der Trauerve sammlung folgende Rede: Gott hat e« gefallen, da« in Sünden? borene Kind wieder zu sich zu nehmen. Aus Sünden und Missethaü bist Du entstanden, in Sünden bisi Du erzeugt. Deine Mutter hat Di'
d dl b st « i I
? t fi
n t f I < S C