Laudwirthe den russischen Roggen vom deutschen Markte fernzu halten, setzt er eine Häufte(Preistreiberei) in Rubelnotenins Werk, das heißt, er veranlaßt mittels einer feilen Presseund mit Hülfe einer Anzahl geriebener Mitsp— ekulanten dasdeutsche Publikum, dieselben russischen Papiere, die man ihmvor Jahresfrist als werthlos geschildert, wieder anzukaufen,das heißt, er betrügt das ihm vertrauende, daS ihm geradewegen seiner Verbindung mit Bismarck vertrauende deutschePublikum, und stärkt den Kredit der deutschfeind-lichen russischen Regierung, hilft ihr geradezu, mit deutschemGelde gegen Deutschland zu rüsten. Und zu welchem Zwecke?Um die Profite der großen Landbarone zu retten und demdeutschen Volk ein billiges Nahrungsmittel vorzu-enthalten. So wird das Volk iu doppelter Weise geschundendurch eine Manipulation, die den Beifall des Lenkers seinerGeschicke, und nicht durchführbar war ohne stille Mitarbeiter-schaft der deutschen Behörden. Das deutsche Volk wird doppeltdetrogen, und Herr Bleichröder ist dabei„sicherlich nicht schlechtgefahren".„Eingeweihte schätzen seinen Vermögenszuwachs auf25 bis 30 Millionen Mark". Schade, daß nicht auch gesagtwird, wie hoch diese Eingeweihten den Vermögensznwachs derstillen Theilnehmer des Herrn Blcichröder schätzen. Wie bis-her werden auch sie„sicherlich nicht schlecht gefahren sein".Ist aber eine größere Korniption, ist ein skandalöseresSpiel mit dem Wohl und den Interessen des Volkes denkbar,als sie das Wiener Börsenblatt da in aller Seelenruhe schil-dert— aus Reklame?! Aus Veitlame. Kommet her, ihrKapitaliften, theilzunehmen an den Profiten der künftige« Raubzüge, kauft Diskonto-Aktien, ihr sollt es nicht zn bereiten haben,Fürst Bismarck ist dabei und seine Verbindung hat einen„sehrreellen Werth"! Frecheres ist unter Louis Philipp, Scham-loseres unter dem Staatsstreichhelden Bonaparte auf dem Ge-biete der Geldmacherei nicht dagewesen als diese VergründerungdeS leitenden Staatsmannes in Deutschland. Sie geschiehtunter der Firma einer Bank, an deren Spitze der Sohn einesMannes steht, dessen Mund das berühmte Wort entstammt:In Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf!—Möge es eine Ermahnung sein für das deutsche Volk, denGründern und ihren Patronen auf die Finger zn sehen.Zum internationalen Gewerkschaftskongreß.ES geht uns folgendes Schriftstück zu:Zweites Zirkular der englischen sozialdemokratischen Federation betreffendden bevorstehenden internationalen Gewerkschaftskongreßzu London im November 1888.Indem wir Ihnen eine Kopie beifolgenden Beschlusses, der bei Ge-legenheit der jährlichen Zusammenkunit unserer sozialdemokratischen Fede-ration einstimmig angenommen wurde, behändigen(wir haben denselbenbereits in Nr. 36 abgedruckt), hegen wir den Wunsch, Jbre Aufmerksam-keit auf das erste bezüglich obiger Angelegenheit von uns versandte Zir-kular zu lenken. Es wurde in dem Züricher„Sozialdemokrat" vom14. Arril d. I. veröffentlicht, und serner noch in einer großen Anzahlsozialistischer Zeitungen Europas und Amerikas. Sie haben uns nochnicht mit Ihrer Antwort beehrt, noch irgendwie Ihren Wunsch kund-gegeben, uns in unserer sozialistischen Propaganda in England dadurchzu unterstützen, daß Sie die G werkschasts-Vereinigungen Ihres Lande«zu bestimmen suchen, Vertreter zu entlenden zur Theilnahme an demKongresse, den die Gewerkvereine Englands ins Leben zu rufen sichbestreben.In der obenerwähnten Nummer des Züricher„Sozialdemokrat" istder Furcht Auedruck gegeben, daß die Vertreter der auswärtigen Ver-einigung.n von drn englischen Delegirten überstimmt werden, und soBeschlüsse, die dem sozialistischen Prinzip entgegen stnd, durchgesetzt wer-den könnten. Wenn irgend solches in Auesicht stände, so hätten wirnatürlich die Sache nicht so ernst betrieben; doch wußten wir, daß dieStimmabgabe nationenweise eriolge» werde, und dies ist in dem zweiten,vom Parlamentarischen Committee der Gewerkschasten, das den Kongreßleitet, herausgegebenen Zirkular deutlich klargelegt.Die Abstimmung der englischen Theilnehmer wird daher nur als ein-Stimme berechnet, und es sreut uns, Ihnen mittheilen zu können, daßbereits ein Mitglied der sozialdemokratischen Federation von einer derauf dem Kongresse zu vertretenden englischen Gewerkschaften zum Dele-girten erwählt worden ist. Viele der englischen Delegirten werden unsererMeinung betreffs der Fragen, welche dem Kongresse vorgelegt werden,beipflichten, und was Frage 4 anbelangt, so werden sie zu Gunsten einesInternationalen Zlchtstunden-Gesetzes stimmen. Sogar wenn die altmodi-schen englischen Gewerkschaftler, die allen Einwirkungen des Staats insolchen Arbeitssragen entgegen sind, in der Majorität wären, so wirdaus jeden Fall ein- heftige, energische und sähige Minorität ihnen g�gen-über stehen. Die englische Stinime wird daher keine einstimmige sein.Wir rechnen sicher auf Ihren Beistand, uns eine einheitliche Zustimmungvon dem Kontinent zu geben. Wenn es unseren Freunden nicht gelingt,die Majorität der englischen Delegirten zu überreden, dann müßte dieenglische Stimme in einer Minorität von eins gegen alle übrigen Ge-werkvereive der Welt sein.Je strikter die ausländischen Delegirten den englischen Regeln bei-stimmen, so ungerechtfertigt diese auch immer sein mögen, desto gröberwird der Effekt des Sieges der Sozialisten Europas sein, den sie jetztsicher in Händen haben.Daß sozialistische Parlamentsmitglieder und wohlbekannte sozialistischeFührer als solche zu Gunsten der sozialistischen Maßregeln stimmen wür-den, ist ja ganz natürlich. Dies würde nichts Neues ergeben; es würdeleinen großen Einfluß auf die Regierungen Europas ausüben, noch aufjene Theile der arbeitenden Klaffen, die sich d.r sozialistischen Bewegungnoch nicht angeschloffen haben.Aber wenn die bona ticke Arbeiter-Fachvereine Europas zahlreich ge>nug, reich genug und ernst genug sind, unter ihren eigenen MitgliedernArbeiter zu erwählen, ihre Ausgaben zahlen und sie noch London zurStimmenabgabe senden, nicht als Sozialisten, sondern als Gewerkschast-ler zu Gunsten der sozialistischen Forderungen, dann würde der mora-tische Effekt sowohl aus die Regierungen, als auch ganz besonders aufdie Bevölkerungen ein um so viel größerer sein. Auf alle Fälle würdedies unbedingt in England der Fall lein; und der Kongreß wird, ob-wohl ein internationaler, da er in London, und durch die engl. schenGewerkschasten abgehalten wird, natürlich einen weit größeren Einflußin England als in anderen Ländern ausüben.Gerade dies ist einer jener Umstände, wo unsere Brüder im Auslandeuns große und materielle Hülle l-isten können, und wir zögern nicht,diesen Beistand zu erbitten. ES muß anerkannt werden, daß Englanddie Hauptstärke des Kapitalismus ist. Durch Beistand in der Propagandades Sozialismus in England werden unsere Kameraden auf dem Kon-tinent unseren allgemeinen Feind, den Kapitalismus, in seiner Zitadelle,gerade im Mittelpunkt seiner Macht, angreifen.Wir möchten daher unsere Kameraden in allen Ländern ernstlich auf-fordern, unsere Bemühungen hier zu unterstützen, da sie dadurch dazubeitragen werden, den Sozialismus in der ganzen Welt zu fördern.Hierüber ist jetzt keine Zeit mehr zu verlieren.Der Kongreß tagt am 6. November; er wird eine ganze Woche dauern,und da es ein Gewerkschafls Kongreß ist. so werden die Zeitungen esnicht umgehen können, ausführliche Berichte von den Vorgängen zu geben.Wir bitten unsere sozialistischen Kameraden aus dem Kontinent, sich mitden GewerkschastS.Organisationen ihrer betreffenden Länder sofort in»erbindung zu setzen, und dieselben zu bestimmen, Delegirte zu demLondoner Kongreß zu entsenden.Wir bitten auch unsere Kameraden, sich mit uns in Verbindung zufetz-n, uns die Adresse von Gewerk'chasten zu geben, an die Einladunzenzu der Theilnahme an dem Zunfwsrein-Kongreß zu senden stnd, und unsüberhaupt im Allgemeinen zu unterrichten, inwiefern sie uns in diesererache zu unterstützen geneigt sind, und wie wir am besten dazu bei-tragen könn-n. diese Sache erfolgreich zu gestalten.Da jede theilnehmende Nationalität das Recht auf eine Stimme habenwird, so klein auch die Zahl der Delegirten jenes Landes ist, so wünsch-ten wir» daß so viele Nationen als möglich die Einladung annehmen,so daß jene Gewerkschasten Englands, welche noch keine sozialistischenPrinzipien angenommen haben, rur Erkenntniß kommen, in welch' hoff-nungsloser Minorität sie sich befinden.Der Erfolg und das praktische Ergebniß einer solchen Feststellungwird von Ihren Anstrengungen abhängen, von der Zahl der vertretenenausländischen Nationen und von dem Charakter der ausländischen Dele-girten und ihrer Mandate. All' dieS inuß so ausgeführt werden, daßDenen, die noch gegen unsere sozialisiische Propaganda kämpfen, keinBeweisgrund gegeben wird, keine Entschuldigung, in Abrede zu stellen,daß in ganz Europa die organisirten Arbeiter Sozialisten sind, und daßunsere Gegner allein schimpflich in dem Hintergrunde nachfolgen. Wirhoffen darauf, daß diese günstige Gelegenheit nicht verloren gehen wird.Wir erinnern Sie daran, daß die Gewerkschaften Englands die stärk-sten, die ältesten, die bestorganifirten und die gesundesten Arbeiterorga-nisationen der Welt sind, und daß sie, so lange sie außerhalb der sozia-liftischen Bewegung stehen, eine Ursache großer Schwächung für uns,sowohl national als international, sein werden. Diese englischen Gewerk-schaften haben jetzt endlich die Nothwendigkeit internationaler Thätigkeitbegriffen; kommt und steht uns durch Eure Zahl und Zustimmung bei,ihnen zu beweisen, daß der Sozialismus das einzige Mittel ist, durchwelche? das Proletariat aller Länder zur Freiheit gelangen kann.H. W. Lee, Sekretär.Wir anerkennen durchaus die Absichten, welche die Urheber des vor-stehenden Rundschreibens beieelen, und verkennen auch nicht das Gewichtder für ihre Auffaffung in'S Feld geführten Gründe, müssen ihnen aberbemerken, daß die Handhabung der Vereinsgesetze seitens der deutschenGerichts- und Verwaltungsbehörden den überhaupt noch bestehenden UN-abhängigen Fachorganisationen in Deutschland eine Besch ckung des Kon-gresses faktisch zur Unmöglichkeit machen. Sie würde nach der Praxisder genannten Behörden ihre sofortige Auslösung zur Folge haben.Gerade die Rücksicht auf diesen Umstand war eS ja, der die Reichstags-fraktion der deutschen Sozialdemokratie zu der Forderung bestimmte, sürdie Länder, wo durch Ausnahmegesetze eine reguläre Vertretung derorganisirten Arbeiter nicht möglich ist, einen anderen Modus der Ver-tretung festzusetzen. Man ist darauf nicht eingegangen, und selbst wennwir jetzt dein Wunsch der Einsender nachkämen, und die deut'ch-n Arbeiter, soweit sie organisirt, aufforderten, den Kongreß doch noch zu be-schicken, so würde der Stand der Dinge dadurch in nichts geändertwerden, diejenigen deutschen Arbeiter, an deren Mitwirkung unfern eng-tischen Genossen, wie überhaupt den vorwärtsstrebenden englischen Ar-beitern, allein gelegen sein kann, würden in London unvertreten bleiben.Wenn der Kongreß infolge dessen das nicht sein wird, was er hättewerden können, so wird das eine gute Lektion sür das ParlamentarischeKomite sein und, wenn die Sozialisten auf dem Kongreß das Ihrigethun, auch die konservativen Elemente unter den englischen Arbeiternzum Nachdenken bringen.Im Uebrigen überlassen wir es den berufenen Vertretern der deutschenArbeiter, zum Vorstehenden Stellung zu nehmen.Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 4. Oktober 1888.— t JuliuS Krälter weilt nicht mehr unter den Lebenden. AlsOpfer der infamen Versolgungswuth ist Kräcker, der am 26. Juni 183»geboren ist, also noch im besten Mannesalter stand, einer tückischenKrankheit erlegen, die er sich während der Monate langen Untersuchungs-hast im vorigen Jahr und der Strafhast, die er seit Ostern dies JahreSin Breslau verbüßte, zuzog. Auf die Wirksamkeit deS seit Mitte dersechziger Jahre im Dienste der Arbeitersache gestandenen Genossen werdenwir in der nächsten Nummer genauer eingehen. Für heute sei nur ge-sagt, daß in Kräcker die Partei einen ihrer treuesten und hingebendstenVorkämpfer verloren hat. Jul. Kräcker vertrat seit 1881 den WahlkreisBreslau(West).— Die Anarchie im HauS Hohenzollern, wie ein französischesBlatt sich ausdrückt, hat in der That begonnen. Oder richtiger: die an-archistischen Symptome, welche vorigen Herbst durch die Versuche derAbgurgelung des Kronprinzen aller hoffähigen Welt offenbar wurden,die aber nach dem Tode„Unseres Fritz" gewaltsam unterdrückt schienen,sind wieder zu Tage getreten und zwar mit einer Heftigkeit, wie nochnie zuvor. Die Veröffentlichung der bekannten Bruchstücke aus dem Tage,buch des verstorbenen Kaisers haben das ganze Bismarck'sche Volk ausRand und Band gebracht. Es war, wie wenn die Polizei plötzlich ineine geheime Gesellschaft von Verbrechern eindringe: dieselbe Verblüfft-heit und Kopflosigkeit. IHR selbst duldete es nicht mehr in Friedrichs-ruhe,— er wußte nur zu gut, daß seine Behauptung, die veröffentlichtenAuszüge seien„apokryph", von keinem Menschen geglaubt würde, undin wilder Hast— er vergaß sogar, seine Spitzelgarde mitzunehmen,die er telegraphisch aus einer Zwischenstation nachbestellte— eilte ernach Berlin, um sich mit seinem LeidenSgenoffen zu berathen.Was thun?Da war guter Rath theuer. Der Schuß hatte ins Schwarze getroffen—ja es war ein„Stoß ins Herz"— und einen deutschenKaiser kann man doch nicht zum Lügner stempeln, noch weniger: ihmden Prozeß machen, namentlich, wenn erschontodt ist.Also was thun?Ja Polizei! Und Staatsanwalt! Weiter reichen die Ge-danken dieses Volkes nicht. Die Weiteroeröffentlichung ist verboten;gegen die Urheber der bisherigen Veröffentlichung soll ein Prozeßeingeleitet werden und zwar ein Prozeß ä la Arnim!Kurz, es soll eingeschüchtert werden.Aber das ist ja einfach lächerlich. Die Kugel ist auS dem Lauf, undsie hat getroffen. Was ist da noch zu ändern, oder zu beffern? Die„nationalen" Lorbeeren des Kanzlers Eisenstirn sind zerfetzt, die schöneglorreiche Legende von der Gründung des Reichs ist zerstört, die Götzen-bilder, vor denen seit 13 Jahren patriotischer Weihrauch scheffelweiseverbrannt wird, liegen in Scherben zerbrochen am Boden.Und gethan hat das der wirkliche Hauptgründer des deut-schen Reichs, der erste Kronprinz deS deutschen Reichs, derzweite deutscheKaifer aus dem Geschlecht der Hohenzollern!An dieser wundersamen Komödie der Weltgeschichte— können hundertProzesse nichts ändern und diese alberne Prozeßandrohung verräth nurdie namenlose Bestürztheit der ertappten Sünder.Und die Tragödie des Hauses der Hohenzollern, in der dashunderttägige Zwischenreich nur den letzten Akt bildete, entrollt sich jetztvollständig vor unS:Der erste Wilhelm war 1870/71 schon geistig eine Ruine; der Kronprinz hoffte bald an die Regierung zu kommen, durch Bismarck aber,der sich zw schen ihn und den Bater stellte und demagogisch die sämwt-lichen Reaktionselemente organisirt«, wurde er von jedem Antheilan der Regierung, der ihm wenigstens in Gestalt der Mit-regentfchaft hätte gewährt werden müssen, geflissentlich fern g e-halten.Der Kronprinz, ein« mehr passive als energische Rakur, nahm denKampf mit dem HauSmeier nicht auf— er frondirte bloß dann undwann. Als ihm endlich die langerwartete Krone auf's Haupt glitt— dawa: er ein sterbender Mann, der sich der Umarmung seiner mächtigenFeinde nicht mehr entreißen konnte.Er starb und hinterließ daS Neffushemd dei Tagebuchs, welchesden siegreichen Feinden wie höllisches Feuer auf dem Leibe brennt. KeinKaltwasserflrahl auS Friedrichsruhe kann dieses Feuer löschen.— Offiziell wird bei uns nicht gelogen— so erklärte bekanntlich eines Tages Bismarck im Reichstage, als man seiner diploma-tischen Wahrheitsliebe mit etwas Skepsis entgegentrat. Dieser Ausspruchfindet nun einen prächtigen Beleg in einer Stelle des Tagebuchsvon Kaiser Friedrich, die von der„Freisinnigen Zeitung" höher gehängtwird.Im Herbst 1870 veröffentlichte der„TimeS"-Korreipondent im deutschenHauptquartier, H. W. Rüssel, über die Unterredung zwischen Wilhelmund Napoleon nach der Schlacht bei Sedan folgenden Bericht:„König und Kaiser standen einander Angesicht in Angesicht gegenüber.Der König sprach zuerst. Gott, saqte er, habe in dem Krieg-, welchergegen ihn erklärt worden, feinen Waffen den Sieg gegeben. Der Kaisererwiderte, nicht er habe den Krieg geiucht, sondern die öffentliche Mei-vung von Frankreich habe ihü gezwungen, den Krieg zu beginnen. Da-von sei er überzeugt, antwortete der König, und fügte hinzu:„Ew.Majestät führte den Krieg, um der öffentlichen Meinung zu genügen,welche den Krieg begehrte. Aber Ihre Minister schufen jene öffentlicheMeinung, welche den Krieg erzwang." Nach einer Pause erkannte derKönig an, daß die französische Armee mit großer Tapferkeit gekämpfthabe.„Ja," sagte der Kaiser,„aber Ew. Majestät Truppen besaßen eineDisziplin, welche den meinigen in der letzten Zeit fehlte." Der Königbemerkte, daß die preußische Armee sich seit mehreren Jahren alle neuenIdeen zu Nutze gemacht und die Ersahrungen anderer Nationen vor undnach 1866 sorgfältig verfolgt chabe.„Ihre Artillerie. Sirc," sagte derKaiser,„gewann die Schlacht Di« preußische Briillerie ist die beste derWelt." Der König verbeugte sich und wiederholte, man hätte sich bemüht,aus den Erfahrungen anderer Nationen zu lernen.„Prinz FriedrichKarl," hob der Kaiser wieder an,„entschied dai Schicksal des Tages.Seine Armee nahm unsere Stellungen."—„Prinz Friedrich Karl! Ichverstehe Ew. Majestät nicht. Meines Sohne« Armee focht bei Sedan."�„Und wo ist denn Prinz Friedlich Karl?"—„Er st-ht mit siebenArmeekorps vor Metz." Bei diesen Worten fuhr der Kaiser zurück undschrack zusammen, als wenn ihn ein Schlag getroffen hätte. Aber erfaßte sich wieder, und die Unterhaltung wurde fortgesetzt. Der Königfragte, ob Sein- Majestät irgend welche Bedingungen zu machen odervorzuschlagen habe.„Nein. Ich Hab« keine Macht. Ich bin ein Ge-fangener."—„Und darf ich fragen, mit welcher Regierung in Frank-reich ich unterhandeln kann?"—„Die Kaiserin und die Minister inParis haben allein die Macht zu unterhandeln. Ich bin mochtlos. Ichkann weder Befehle geben, noch Bedingungen machen." Der König de-merkte dann, daß er Seiner Majestät, wenn es ihr gefalle, das SchloßWilhelmshöhe zum Wohnsitz anweisen werde, was der Kais r annahm.Weiter fiel bis auf das Asfchiebnehmen nichts von Bedeutung vor.Nachher drückte der Kai er dem Kronprinzen seine Rührung über desKönigs Güte und Höflichkeit aus; denn, fügt der„T>mes"-Korrespon-dent hinzu, ich glaube, der König ließ auch beim Anfang der Begegnungeinige Worte des Bedauerns über des Kaisers Lage fallen und bewahrteüberhaupt während der ganzen Unterredung eine stattlich wohlwollendeHaltung."Bei dieser Unterreduni ist kein Ohrenzeuge vorhanden gewesen. Undauch Moritz Busch weiß in seinem Biemarck- Buche über dieselbe nichtsw.iter mitzutheil-n, als daß sie zehn Minuten gedaueit habe. Gegenobige Darstellung des„Timss"-Korresponden»en erließ nun Bismarckdurch das Wolss'sche Telegraphenbureau am 2. Oktober 1 870mit seiner eigenen Namensunterschrift folgende Er-klärung:„Ferröres, 2. Oktober. Der Bericht, den der„Times"-KorrespondentRuffel über die Unterredung de» Königs Wilhelm mit dem Kaiser Napo-leon gebracht, beruht durchaus aufErsindun g." W. H. Ruffelhat alsdann 1874 bei Routledge ein Tagebuch erscheinen lassen, in wel-chem er ausdrücklich hervorhebt, daß feine Nachrichten über den Inhaltjener Unterredung auf Mittheilungen de« Kronprinzen beruhten, welch«ihm derselbe in Gegenwart des englischen Militärbevollmächtigten OberstWalker gemacht habe. Nunmehr wird durch die V»röffentlichung desTagebuchs des Kronprinzen festgestellt, daß der„Times"- Korrespondentdamals durchaus wahr derichtet hat. Unterm 2. September lesen wirin dem Tagebuch des Kaisers Friedrich in wesentlicher Uebereinstimmungmit dem damaligen Artikel der„Times" Folgendes:„Die Unterredung ging, wie mir der König spät.r mitthei.te, wie folgt.Der König begann, daß, nachdem das Schicksal des Krieges sich gegenden Kaiser gewandt und dieser ihm seinen Degen anbiete, er gekommensei, um ihn zu fragen, welches j-tzt seine Absichten seien? Napoleonstellte seine Zukunft lediglich Sr. Majestät anHeim. Dieser erwiderte,daß er mit ausrichtigem Mitgefühl seinen Gegner in solcher Lage sehe,zumal ihm nicht unbekannt sei, daß es dem Kaiser uicht leicht geworden,sich zum Kriege zu entschließen. Diese Aeußerung that Navoleon offenbarwohl, und er betheuerte mit Wärme, daß er nur der öffentlichen Mei-nung gewichen sei, als er sich zum Kriege entschlossen, worauf der Königerwiderte:„daß aber die öffentliche Meinung die Richtung genommen,das haben Diejenigen verschuldet, welche Sie zu Ihren Rathgebern be-rufen." Auf den unmittelbaren Zweck des Besuches eingehend, fragteder König, ob Napoleon jetzt irgend welche Unterhandlungen beabstch-tige? was der Kaiser mit dem Bemerken verneint«, daß ihm als Ge-fangenen keinerlei Einfluß auf die Regierung zustehe. Auf die weitereFrage, wo denn diese Regierung sei? antwortete er,„in Paris". DerKönig leitete darauf die Unterredung auf die nächste persönliche Lagedes Kaisers und bot ihm Wilhelmshöhe alS Aufenthalt an, waS er so-fort annahm: er schien besonders befriedigt, alS Se. Majestät bemerkte,er werde ihm zur Sicherheit eine Ehrenwache über die Grenze geben.Als Napoleon im weiteren Verlauf der Unterredung die Vermuthungaussprach, daß er die Armee von Friedrich Karl sich gegenüber gehabt,berichtigte ihn der König, daß ich und der Kronprinz von Sachsen esgewesen seien. Auf feine Frage, wo denn Prinz Friedrich Karl sei? ant-wartete der König scharf betonend:„Mit sieben»Armeekorps vor Metz."Mit allen Zeichen schmerzlicher Uederraschung trat der Kaiser einenSchritt zurück, ein schmerzliches Zucken fuhr über sein Gesicht, denn erstjetzt ward ihm klar, daß er nicht die ganz- deutsch- Armee gegen sichgehabt. Der König lobte die Tapferkeit der französischen Armee, wasNapoleon zwar gerne bestätigte, aber er bemerlte, eS fehle ihr die Disziplin, welche unsere Armee so sehr auszeichne. Die preußische Artilleriesei die erste der Welt und seine Truppen hätten unserem Feuer nichtwiderstehen können. Die Unterredung mochte eine gute Viertelstundegedauert haben, als sie wieder heraustraten."„Offiziell wird bei uns nicht geloge n."— DaS genügt.— Der Gipfel der Gefiunungslofigkeit. Für jeden, der dasTagebuch Friedrichs III. liest, ist es klar, daß das politische Pro-g r a m m desselben sich so ziemlich mit dem deckt, was die national«liberalen als das ihre— ausgeben. Und doch hetzt keine Pressewüthender gegen ihn, zieht keine hochtrabender über ihn los als gradedie nationalliberale. Wer die Gesinnungslumperei dieser Parteinicht schon kennte, der würde auS dieser Einen Thatsach« ersehen, wiehoch derselben die Grundsätze stehen, die sie zu vertreten vorgibt, undwie hoch der Wunsch— sich um jeden Preis der grade herrschendenMacht beliebt zu machen. Es wacht der Menschenkenntniß Friedrich III.alle Ehre, daß er nicht diese Partei, sondern die deutsch-freisinnige alSdie seine betrachtet«, deren Traditionen doch durchaus in Widerspruchmit dem stehen, waS er als König von Preußen und Kaiser von Deutsch-land hätte geltend machen müssen.Greifen wir auS dem Chor der Gesinnungslumpen Einen heraus,Als Friedrich III. noch als Kronprinz für die zukünftige Sonne galt.gab es Niemand, der serviler vor ihm katzbuckelte, sich unterwürfiger anihn herandrängelte als Herr Fritz Dernburg, Redakteur der Ber-liner„Nationalzeitung". Heute nimmt unter den Blättern, die das Tage-buch al« den reinen Reich«-Hochverrath verdächttgen möchten,eine der ersten Stellen die Berliner„Rationalzeitung" ein. O was istes doch für ein prächtiges Ding um diesen Männer st alz vorKönigs— gräbern.— Einer der„Edelste« und Besten Seine« BolkeS"— vonSeinem Adel nämlich— der Hauptmann von Ehrender g,illustrirt wieder einmal das famos« Kaiferworl nach seinem innerenWerthe. Das mit der Untersuchung gegen den Putty'schen„Gentleman"beauftragte Armeegericht in Karlsruh« erläßt im„Reichsanzeiger" fol-genden Steckbrief:„Der hier wegen Hoch- und LandeSverrath zur Untersuchunggezogene Hauptmann a. D. Alfred von Ehrenberg, zuletzt imj. Badischen Feldartillerie> Regiment Nr. 14, seit 1880 beabschiedet,