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turze Pausen die Arbeit unterbrechen, daß Nachtarbeit gar nicht geduldet und daß den Näherinnen, wenn irgend möglich, zeitweise eine andere Arbeit zugewiesen werde."
Schade, daß kein Polizist da war, die Versammlung, in der so staatsgefährliche Forderungen erhoben wurden, auf Grund des famosen§ 9 aufzuheben. Denn im Staate der Sozialreform für Millionäre bedeuten die Reformen, die Dr. Hensgen vorschlägt, so bescheiden sie an sich find, den leibhaftigen Umsturz.
Aber sie sind nothwendig, sie müssen und werden durchgeführt werden, trop Bismarck- Bleichröder und seiner staatsrettenden Polizei.
Friedrich Engels , der während der Monate August und September auf ärztliche Verordnung einen Ausflug nach Amerika gemacht, ist von der Redaktion der„ New- Yorker Volksztg." um seine Ansicht über einige Fragen der europäischen Politik befragt worden. Da seine Antworten auch für unsere Leser von Interesse sind, so lassen wir sie hiermit folgen, indem wir namentlich auf die Ausführungen Engels, über die irische Bewegung aufmerksam machen, die manchen bisher hartnäckig festge= haltenen Unter- wie Ueberschäzungen derselben ein Ende machen dürften: Frage: Ist der Sozialismus in England im Fortschreiten begriffen, d. h. afzeptiren die englischen Arbeiter- Organisationen mehr als früher die sozialistische Kritik der wirthschaftlichen Entwicklung und streben sie in nennenswerthem Umfange die sozialistischen„ Endziele" an?
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Engels : Ich bin mit den Fortschritten des Sozialismus und der Arbeiterbewegung in England ganz zufrieden; diese Fortschritte bestehen aber hauptsächlich in der Entwickelung des proletarischen Bewußtseins der Massen. Die offiziellen Arbeiter- Organisationen, Trades- Unions, die stellenweise reaktionär zu werden drohten, müssen nachhinken wie der österreichische Landsturm.
Frage: Wie steht es in dieser Beziehung in Irland ? Gibt es bort außer der nationalen Frage irgend etwas, was im soziali stischen Sinne Hoffnungen erwecken könnte?
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Engels : Von Jrland ist eine reinesozialistische Be= wegung auf längere Zeit nicht zu erwarten. Die Leute wollen erst kleine grundbesigende Bauern werden und wenn sie das sind, kommt erst die Hypothek und ruinirt sie nochmals. Inzwischen ist das kein Grund, daß wir ihnen nicht helfen sollten, sich von den Landlords zu befreien, d. h. aus einem halbfeudalen in einen kapitalistischen Zustand überzugehen.
Frage: Wie stellen sich die englischen Arbeiter zur irischen Bewegung?
Engels : Die Massen für die Irländer. Die Organisationen, wie die Aristokratie der Arbeiter überhaupt, gehen mit Gladstone und den liberalen Bourgeois und gehen nicht weiter als diese.
Frage: Wie denken Sie über Rußland ? Das heißt: inwiefern haben Sie Ihre Ansicht modifizirt, die Sie und Mary vor etwa sechs Jahren bei meiner damaligen Anwesenheit in London äußerten wonach infolge der nihilistisch- terroristischen Erfolge jener Zeit der Anstoß zu einer europäisch= reoolutionären Bewegung wahrscheinlich von Rußland ausgehen würde?
Engels: Bin im Ganzen noch der Ansicht, daß eine Revolution oder selbst nur die Berufung irgend welcher Nationalversammlung in Rußland die ganze Gestalt der europäischen politischen Lage umwälzen würde. Aber dies ist heute nicht mehr die nächstliegende Möglichkeit. Dafür haben wir einen anderen Wilhelm.
Auf die Frage, wie er wohl die heutige europäische Lage charakteri= firen würde, entgegnete Engels: Ich habe seit sieben Wochen keine euro päische Zeitung in der Hand gehabt, bin also nicht im Stande, irgend Etwas, was da drüben vorgeht, zu charakterisiren.
Damit, heißt es, schloß die Unterredung.
Des Wunderkaisers erste That. Folgende Notiz entnehmen wir der Arbeiterſtimme":
„ Nachdem Wilhelm II. sich zuerst durch seine schönen Reden berühmt gemacht hat, hätte er fürzlich beinahe seine erste, That" begangen. Das Berliner Tageblatt" brachte über das denkwürdige Ereigniß folgenden Bericht, den wir, um ihn zu brandmarken, unverändert wiedergeben:
Bei der Pürschjagd auf Hirsche, welche der Kaiser in Gemeinschaft mit dem König von Schweden am Freitag Vormittag im Wildpark abhielt, ereignete sich, wie ein Potsdamer Korrespondent berichtet, folgendes Vorkommniß: Der Wildpark war in seiner ganzen Ausdehnung abgesperrt, so daß Diejenigen, die sonst den Weg nach Werder durch den Bark zu nehmen pflegten, außerhalb desselben entlang gehen mußten. Auch der Böttchermeister Seidel sen. aus Potsdam hatte diesen Weg eingeschlagen und war bis in die Höhe des Etablissements Stuhfort ge= kommen, als er plöglich auf ein Rudel Hirsche aufmerksam wurde, das innerhalb des Parkes, dicht am Gitter desselben in wilder Flächt da= hinjagte. In demselben Augenblick ertönte ein Schuß und eine Kugel sauste dem alten Herrn dicht am Halse vorüber und schlug in einen in der Nähe stehenden Baum ein. Erschreckt blickte Seidel um sich und sah im Wildpark den Kaiser mit seiner Jagdgesellschaft. Ein im Graben liegender Förster rief Seidel zu:„ Werfen Sie sich nieder, der Kaiser jagt!" Kaum war dies von Seidel aus= geführt, so sauste eine zweite Stugel vorüber. Auf dem Potsdamer Wochenmarkt wurde heute der vom König von Schwe den geschossene Hirsch verkauft."
Stann ein fanatischer Anarchist die Zustände in Deutschland wohl grauenhafter und schwärzer schildern, als obiger Bericht es thut?
Man bedenke: Der deutsche Kaiser fröhnt seinen brutalen Vergnügungen in einer so sehr allem Anstandsgefühl und jeder Rücksicht auf das Leben Anderer Hohn sprechender Weise, daß friedliche Bürger, welche auf öffentlicher Landstraße ihrem Geschäft nachgehen, in unmittelbare Lebensgefahr gerathen und ein Mord nur durch Zufall verhütet wird. Und eine der verbreitetsten deutschen Zeitungen berichtet über diesen grauenhaften Hergang, wie über etwas ganz Natürliches und Al-tägliches, ohne ein Wort der Entrüstung oder auch nur Mißbilligung, fügt vielmehr zum Schluß den klassischen Saz hinzu:
Auf dem Potsdamer Wochenmarkt aber wurde heute der vom König von Schweden geschossene Hirsch verkauft!"
Es wäre in der That unmöglich, den Charakter des redseligen Kaisers und die tiefe Verkommenheit und Ehrlosigkeit der deutschen Jour nalistik treffender zu zeichnen; der fünftige Kulturhistoriker der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts kann obigen Bericht als typisch für unsere Periode seinem Werke vorandrucken. Wilhelm scheint übrigens schon zu ahnen, wohin er treibt: Es sieht fast aus, wie Instinkt, daß er sich so fleißig im Reisen in's Ausland" übt.
Den Gipfel der Gesinnungslosigkeit hat bei der Tagebuch Heze wiederum das Blatt erreicht, welchem die ehrende Mission obliegt, die ehrsamen Bürger der Stadt Dresden politisch zu versimpeln. Die Dresdener Nachrichten", die seinerzeit den famosen Artikel Fort mit der Frauenzimmerpolitit" fertig brachten, jest halten würden sie sich schönstens hüten, einen solchen Ruf auszustoßenfich für ſchofel genug, den Unrath, den Bismarck über das Grab des verstorbenen Gegners gegossen, noch recht behaglich nach allen Richtungen hin auszupatschen.
Man höre nur:
In der Person Dr. Geffckens- Hamburg macht die Welt die Be= tanntschaft eines Mitgliedes der vornehmen Klique, in welcher Bismarck jeine gefährlichsten Gegner befigt. Ihren gegebenen Mittelpunkt hatte diese bunt zusammengewürfelte Widersacher- Schaar in der Hofhaltung der damaligen Kronprinzen. Wir wissen jezt, daß und warum der Kronprinz von seinem Vater fern von den Staatsgeschäften gehalten wurde und sich im thatenlosen Hindämmern mit Das war so der richtige Luftschlösserbauten beschäftigte.
Boden für die gelehrten lugtoser, die Bismarck „ Rathgeber von zweifelhafter Befähigung" genannt hat. Zu ihnen gehörte Dr. Geffcken, und er empfahl sich durch seine englischen Beziehungen ganz vorzugs= weise der Engländerei(!), die den Kronprinzen umgarnt hielt.... Zu Geffckens Entschuldigung dient es einigermaßen, daß der nachmalige Staiser Friedrich es als statthaft gefunden hat, einer größeren Anzahl bon Personen, sogenannten„ Vertrauten", Ab- und Umdrücke seines Tagebuches zur Verfügung zu stellen, als, wären es die Aufzeichnungen eines x- beliebigen Privatmannes. Bei aller schuldigen Ehrerbietung ( schuldigen Ehrerbietung!-) gegen den unglücklichen Fürsten
müssen wir da aber doch sagen: Ungebräuchlich ist es denn doch, ein solches Verfahren seitens eines Thronerben und Kaisers. Würde er längere Zeit nach solchen Grundsägen regiert haben, er selbst und das deutsche Neich hätten da ganz eigenthümliche Folgen erlebt. Ein Tagebuch mit solchem Inhalt birgt in der That Staatsgeheimnisse, deren Bekanntgabe das Wohl des Reiches und seiner Bundesmitglieder ge= fährden mußte."
Da haben wir's, der einst als„ Unser Friß" hundedemüthig ange= winselte Kronprinz ein gefährlicher Reichsfeind. Engländerei ist natürlich nur eine, für den Staatsanwalt bestimmte Umschreibung für Engländerin. Den Muth der Niedertracht hat das Gesindel, aber nach dem Muth der ehrlichen Ueberzeugung wird man vergebens bei ihm suchen. So wird denn eine Weile gegen die Engländerin gedonnert, bis es schließlich heißt:
Diese Engländerei aber hat dem Andenken Kaiser Friedrichs durch Abdruck seines Tagebuchs( wir wiederholen es) den schlimmsten Dienst geleistet. Das Tagebuch mußte den Fürsten Bismarck in die Schranken rufen. Dieser hat nicht gezögert, den früheren Kronprinzen der Nation als das vorzustellen, was er wirklich war. Er that es nothgedrungen. Er hat dazu die Ermächtigung des jezigen Kaisers eingeholt. Wir danken es ihm, daß er, der Sohn des unglücklichen Kaisers Friedrich, dem Kanzler erlaubte, die dürftige Rolle zu schildern, welche Kaiser Wilhelm I. im Staatsinteresse seinen Sohn spielen lassen mußte."
Was hatte das Byzantinereich, was das Frankreich Bonaparte's Eckelerregenderes auf dem Gebiete hündischer Kriecherei aufzuweisen als dieses wir danken es ihm"?
Und um so eckelhafter als gerade von den Dresdener Nachrichten" ausgehend. Dieses Blatt hat jahrelang in sächsischem Partikula= rismus gemacht, und spielt auch noch heute gern sein Sachſenthum aus, soweit die Mode es mit sich bringt, die ja, seit Bismarck's Kornzölle und Schnapssteuerreform das Landjunkerthum, und seine Schutzzölle und Sozialreform" die Schlot- Aristokraten bezaubert hat, im Allgemeinen jezt mehr auf„ reichstreu" lautet. Nun weiß man, und durch die Mittheilungen des freifonservativen Professor Delbrück ist es bestätigt worden, daß wenn Sachsen 1866 nicht an Preußen anneftirt wurde, dies mit ein Verdienst des damaligen Kronprinzen von Preußen war, der in dem darüber zwischen Bismarck und dem alten Wilhelm, der die Annertion wollte, ausgebrochenen Streit gegen legteren eintrat. So mußte, wenn es einen Funken von Gesinnung hätte, schon die Dankbarkeit das Dresdener Blatt verhindern, eine solche Gemeinheit zum Besten zu geben. Aber suche jemand Gesinnung bei einent Bieren. Sein Sachſenthum war Mache, wie seine Reichstreue Mache ist. Geldschneiderei, Bauchrutscherei vor dem Gößen des Tages, das ist die Marime, an die er sich hält, und die den obigen Artikel diktirte. Die deutsche Journalistik weist keinen verächtlicheren Typus auf.
Kaiser Wilhelm ist kein Antisemit, so verkündet seit Wochen triumphirend das antisemitelnde nationalliberale Zeitungsgeschwister. Anfangs wurde diese Nachricht mit verdienfem Mißtrauen aufgenommen, jetzt aber hat sich herausgestellt, daß sie durchaus auf Wahrheit beruht. Der als Freund des Stöcker schmählich verkannte Hohenzoller hat den Berliner Finanzjuden vielmehr einen Beweis seines höchsten Wohlwollens zu Theil werden lassen, er hat sie, wie die„ Voffische Zeitung" zu melden weiß, durch den Bankpräsident Tachow freundlich einladen" Lassen, sich an einem humanitären Fonds", der der Kaiserin zur Verfügung gestellt werden soll, durch Beitragzeichnung zu betheiligen, sintemalen aus den Schnaps- und Wolljunkern nichts herauszukriegen ist. Die Art, wie diese ,, Einladung" erfolgte, würde zwar unter andern Verhältnissen als Erpressung unter das Strafgefes fallen, im vorliegenden Falle wäre jedoch eine solche Bezeichnung durchaus unangemessen, die Herren Meyer, Gohn u. s. w. waren vielmehr von der ihnen zu Theil gewordenen Ehre ganz entzückt und zeichneten„ nicht unerhebliche Beiträge" für die innere Mission. Die Juden dem protestantischen Muckerthum tributpflichtig gemacht, wer darin nicht die schärfste Desavouirung des Stöcker'schen Antisemitismus erblickt, der ist wirklich sehr unbescheiden.
Uebrigens sind die Cohn, Meyer 2c. von der Berliner Börse der ihnen zu Theil gewordenen Behandlung durchaus würdig. Um ihnen die Pille zu versüßen, war nach der„ Vossischen Zeitung" bei der freundschaftlichen Erpr nicht doch, Einladung, ausdrücklich betont worden, daß„ die Beseitigung des Stöcker aus der Stadtmission auf alle Fälle erfolgen solle." An dem Wesen der Stadtmission hätte das natürlich nichts geändert, aber es wäre doch ein Zugeständniß, ein Pflaster auf die Wunde gewesen.
Was geschieht statt dessen?
Auf die Nachricht hin, daß das für die preußischen Landtags= wahlen in Aussicht genommene Kartell zwischen Konservativen und Nationalliberalen in Berlin an der Weigerung der Leiteren gescheitert sei, den Stöcker als Kandidaten zu akzeptiren, erklärt das Organ der Herren von der Börse, die„ Berliner Börsen- Zeitung", daß sie die Hoff= nung hege, das Kartell werde doch noch zustande kommen, und zwar dadurch, daß die Nationalliberalen und Freikonser= vativen nachgeben, d. h. sich dem Stöderunterwerfen. Die Börse für den Stöcker, was soll da die Entfernung des Mannes für einen Zweck haben? Es wäre eine unverdiente e r änkung der Herren Meyer, Cohn und Compagnie.
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Die Börse für den Stöcker das ist beiläufig das rechte Verhältniß für beide Theile. Der christlich soziale Gidesheiliger war der Börse ernsthaft nie gefährlich. Was sich liebt, das neckt sich, schimpft sich auch zuweilen, aber schließlich findet es sich doch wieder zusammen. Die Börse, das ist der Profit, und dem Profit ist der Stöcker nie zu Leibe gegangen. Seine Mission war, aus der Börse den„ ,, liberalen Geist" auszutreiben, und das ist gelungen, die Meyer, Cohn und Konsorten haben haben schon bei der letzten Wahl kartellbrüderlich gewählt, und werden es auch diesmal thun. Sie sind zu Kreuze gekrochen, und wenn die Kartellbrüder jetzt den Mann, der ihnen so wacker in die Hände geLaß' Dich arbeitet, fallen lassen, dann erweisen sie sich sehr undankbar. beschneiden, Adolfleben, nur auf der Börse weiß man Dich zu schäzen!
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Schändlich verläumdet. Das Berliner„ Tageblatt" hatte, angeblich von hochgeschäzter Seite herrührend, die Meldung gebracht, daß der deutsche Kaiser gegen die Einleitung de Strafverfahrens in Sachen der Veröffentlichung des Tagebuchs Friedrich III. gewesen sei, und daß Bismarck seinen ganzen Einfluß habe aufbieten müssen, um diese Einleitung durchzusetzen. Ebenso habe von Beschimpfungen der Eltern Bismarck die Veröffentlichung seines,
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des Kaisers wimmelnden Immediatsberichts nur dadurch durchsetzen fönnen, daß er von derselben sein ferneres Verbleiben im Amte ab= hängig machte.
Diese Angaben werden in einem offiziösen( halbamtlichen) Artikel der Norddeutschen Allgemeinen" als„ dreiste und lügnerische Erfindung" erklärt.
Schade, daß die biedere„ Norddeutsche" nicht auch hinzufügte: verläumderische, denn es ist sicher eine schwere Verläumdung des Kaisers, von ihm vorauszuseßen, daß er auch nur einen Augenblick daran gedacht hat, so zu handeln, wie jeder anständige Mensch an seiner Stelle unbedingt gehandelt hätte.
Immerhin find wir dem Pindterblatt sehr dankbar, daß es der Ente des Berliner„ Tageblatt" so schnell das Dementi hat folgen lassen. Dem Bestreben dieser und anderer Klatschbasen, dem jeweiligen Herrscher Eigenschaften anzudichten, die er nicht hat, und ihn von der Verantwor tung für Dinge zu reinigen, die das Gegentheil jener Eigenschaften beweisen, dieſem byzantinischen Lügensystem kann nicht energisch genug entgegen gewirkt werden.
Die französische Regierung hat ein Defret erlassen, durch welches alle Ausländer, die sich länger als acht Tage in Frankreich aufhalten, verpflichtet werden, sich bei der Polizei anzumelden und unter Vorlegung von genügenden Ausweisschriften derselben genaue Angabe über ihre Herkunft, Mittel, Beruf, Zweck ihres Aufenthaltes 2c. zu machen. Wir stimmen mit der Wiener „ Gleichheit" durchaus überein, welche mit Bezug auf dieses Dekret schreibt:
Das Gesetz ist ein reaktionäres, wenn es auch, wie es scheint, zum Theil auf die Sympathie der indifferenten französischen Arbeiter rechnet, welche der Hungerkonkurrenz der Italiener sich auf diese Weise erwehren wollen. Unsere Parteigenoñen in Frankreich haben wiederholt erklärt,
daß sie gegen jede Beschränkung der Einwanderung sind und daß ein vnständiger Minimallohn, unter welchem zu arbeiten verboten wäre, zum Schuße der französischen Arbeiter ausreichen wurde. Freilich da= von will die ,, radikale" Regierung Nichts wissen, denn dieser Schutz würde aus den Taschen ihrer Auftraggeber, der Unternehmer, gezahlt werden müssen.
Wir sagen nochmal: eine erzreaktionäre Maßregel! Und wir dürfen das sagen. Wenn aber die Ordnungspreßmeute über ,, Reaktion" zettert und sich pharisäisch in die freiheitsliebedurchglühte Bruſt wirft, dann gebührt ihr wieder jener verächtliche Fußtritt, der ihr tägliches Menü bilden sollte. In Ländern wie in Desterreich und Deutschland , wo nicht der Fremde, nein der Einheimische, das treue ,, Landeskind", wenn es mittellos ist, von Ort zu Ort ,, schubirt" wird, wo ,, Subsistenzlosigkeit" ein Verbrechen und zwar das ärgste ist, im Lande der Vaga= bundengeseze sollte man füglich, notabene wenn man eine Stütze dieser schönen Ordnung ist, das Maul halten über Schifanirung der Fremden in Frankreich ."
Wie berechtigt der Schlußsaz, zeigt ganz besonders der gotteste SchimpfArtikel, den Bismarcks ,, Norddeutsche" dem Defret widmet, das übrigens in Frankreich durchaus nicht den Beifall findet, den Herr Floquet vielleicht einzuheimſen gehofft hat. Gerade im Lande der Polenausweisungen, der fortgesezten Maßregeln gegen Dänen in Nordschleswig und Franzosen im Elsaß , hatte man Ursache, fein still zu schweigen, zumal erst vor ganz kurzer Zeit, gelegentlich der Verhängung der Paßmaßregel über Elsaß- Lothringen die ,, Norddeutsche" offiziös geschrieben hatte:
Wir wünschen entferntere Beziehungen zu Frankreich , und fran zösische Gegenmaßregeln würden der deutschen Staatsleitung lediglich willkommen sein." Troßdem nimmt das Bismarck 'sche Hauptreptil keinen Anstand woher sollte ihm der freilich kommen u. A. folgenden Satz zu leisten:
,, Für Deutsche ist die Moral der Geschichte wohl nicht schwierig zu erfassen. Ein Staat, welcher an der Bürde des von früher überkommenen Rufes der Gastlichkeit so schwer trägt wie Frankreich , kann für unsere Landsleute unmöglich viel Anziehungskraft befizen. Mehr als bisher noch wird daher in Zukunft jeder Deutsche, der seinen Fuß über die westliche Grenze ſetzt, sich darüber klar werden müssen, daß er damit aus der Kultur in die Barbarei übersiedelt und durchaus kein Recht hat, sich zu beklagen, wenn er mit den landes= üblichen wilden Bräuchen und Instinkten in für ihn unangenehme Berührung geräth."
Hier ist die Unverschämtheit wirklich so weit getrieben, daß sie nur noch Lachen erregen kann. ,, Wilde Bräuche" und aus der Kultur in die Barbarei!" Als ob die Vorschriften des Defrets auch nur entfernt an das heranreiche, was in Deutschland die Polizei den Fremden was, den Fremden? den eigenen Landesangehörigen auferlegt. Aber wozu darüber mit einem Pindter und dessen Herrn und Gebieter streiten. Daß sie lügen, wissen sie, aber daß sie sich einbilder, daß jemand ihre verlogenen Darstellungen glaubt oder ernst nimmt, das zeigt recht deutlich, wie altersschwach der Reichs- TelegraphenStangen- Fabrikant zu werden beginnt.
die
Uebrigens an sich lassen wir den Vergleichsmaßstab gelten. Je größer Polizeiplackereien, desto barbarischer die Verwaltung des betreffenden Landes. Ein vortreffliches Motto für die nächste Ver= längerung des Schandgesetzes.
Zur Naturgeschichte der Drohbriefe. Wie die Münchener Post" von einem unbedingt zuverlässigen Gewährsmann erfährt, hat der neulich als Spigel entlarvte Parquetbodenleger Waiblinger in den Jahren 1882 und 1883 systematisch die Fabrikation von Drohbriefen betrieben. Ein Schreiner, der damals mit Waiblinger bei Hockenstabler in Frauenfeld arbeitete, wurde von W. durch die Vorspiegelung, daß der Sozialdemokratie ein guter Dienst geleistet würde, dazu verleitet, anonyme Drohbriefe auf sein Diktat aufzusetzen. Dieselben enthielten namentlich die Drohungen, daß man das Gebäude der Frankfurter Polizei, sowie das Reichsgericht mitsammt den Reichs-" in die Luft sprengen werde! Diese Briefe diftirte von Anfang bis zu Ende Waiblinger seinem jugendlichen Arbeitskollegen und sandte sie dann an die Polizeidirektion Frankfurt ein, für die dann dieses Material" eine große Rolle spielte. Um sich selbst aber gegen allen Verdacht zu sichern, betheiligte er sich selbst an der Entlarvung eines anderen SpiBels, den er gehörig durchbläute."
Das Letztere ist nicht ganz richtig. Waiblinger behauptete nur, einen Spizel entlarvt und durchgeprügelt zu haben. Ursprünglich schenkte man seiner Erklärung auch Glauben, später aber äußerten viele, die Waiblinger genauer kennen lernten, den Verdacht, daß die Geschichte von A bis Z erfunden sei. Das dürfte wohl auch stimmen.
Was nun die Drohbrief- Fabrikation anbetrifft, so kommt die Fest= stellung, daß ein Spizel sich derselben gewidmet, gerade jezt sehr zeitgemäß, wo von allerhand lächerlichen Drohbriefen geschwefelt wird. Es sollte sich eigentlich jeder vernünftige Mensch sagen, daß ein Drohbrief unmöglich von Leuten herrühren kann, die im Ernst Attentate oder dergleichen planen, denn dann haben sie alle Gründe, keinen Verdacht zu wecken. Aber trotzdem finden sich immer noch Leute, die auf den Unfug dieser Drohbriefe hineinfallen, dieselben für baare Münze nehmen. Diese mögen es sich ad notam nehmen, was für eine Menschenflasse es ist, die mit Vorliebe Drohbriefe schreibt. Außer den Spizeln thun das eigentlich nur noch harmlose Wirrköpfe, Backfische und dergleichen.
Ein Beispiel trefflicher Disziplin. Wie wir vereits in der vorigen Nummer in der Lage waren, mitzutheilen, hat sich die Redaktion der " Tapezierer- 3tg." endlich veranlaßt gesehen, ihre Beziehungen zu dem Polizeispizel Röwer abzubrechen. Insofern kommt der nachfolgende Bericht aus New York , der uns mit der Bitte um Veröffentlichung zugeht, sozusagen post festum, wir halten uns aber doch verpflichtet, ihn abzudrucken, schon wegen des vortrefflichen Geistes, der aus ihm spricht. Er lautet:
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Die Abonnenten der deutschen „ Tapezierer- Zeitung" hielten am 20. September 1888 in Herzogs Halle zu New York eine gemeinschaftliche Sigung ab. Zweck der Sigung war, Stellungnahme zur TapeziererZeitung" und gegenüber den Warnungen des„ Sozialdemokrat" gegen den Drucker des genannten Blattes W. Röwer. W. Röwer wurde Anfangs dieses Jahres vom Sozialdemokrat als Polizeifpion öffentlich gebrandmarkt, trozdem hat der Herausgeber bisher keinen Wechsel des Druckers vorgenommen, weil ihm die Beweise des„ Sozialdemokrat" nicht genügend seien. Die Versammlung sieht sich veranlaßt, einem Blatte wie dem„ Sozialdemokrat" vollständig Glauben zu schenken und beschließt, folgenden Beschluß der Tapezierer Zeitung" und anderen Blättern zur Veröffentlichung zuzusenden:
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Die heute, am 20. September 1888, tagende Versammlung der Abonnenten der Tapezierer- Zeitung" beschließen, die Zeitung aufzufordern, ihren gegenwärtigen Drucker W. Röwer, welcher vom„ Sozialdemokrat" als Polizeispißel entlarvt und als solcher öffentlich bekannt gemacht wor= den, abzuschaffen, andernfalls sämmtliche Abonnenten in New- York ihr Abonnement aufgeben, da sie es unter ihrer Würde halten, einem ge= meinen Polizeispion in seiner Eristenz fortzuhelfen. Doch sind wir jeder= zeit einverstanden, falls ein Wechsel stattgefunden, das Abonnement wieder aufzunehmen und für stetige Verbreitung Sorge zu tragen. Mit brüderlichem Gruß
Das Komite.
Eugen Grünberg. Karl Dorsch. Ernst Prill.
Im Anschluß an dieses hoch anerkennenswerthe Beispiel ächter ParteiDisziplin fühlen wir uns veranlaßt, noch einmal zu betonen, daß wir uns der Pflichten, welche aus diesem Vertrauen der Genossen sich für uns ergeben, durchaus bewußt sind und mehr als je darauf achten werden, keine Warnung ergehen zu lassen, für die nicht vollgewichtige Gründe vor= liegen.
Wie schlecht die Könige doch bedient werden. Nachdem das Wunderkind, das augenblicklich den Thron von Preußen ziert und Deutsch land als Kaiser beglückt, sich durch seine Redewuth so merkwürdige Lorbeern zugezogen, ist ihm bekanntlich jetzt von Amtswegen ein Stenograph" an die Seite befohlen worden, der alle für die Oeffentlichkeit bestimmten Reden der Majestät sofort stenographisch in's Neine bringt,