bot der Gerechtigkeit, indem Jhr parteiisch, als Parteimänner urtheilt, und Eure politische Parteianschauung auf die Nichterbank mit­bringt, wo Parteilichkeit das schwerste Verbrechen ist."

Allein nicht blos Tendenzprozesse der schlimmsten Sorte find die Sozialistenprozesse. Um Verurtheilungen zu erwirken und die An­wendung der einschlägigen Gesetzesparagraphen zu ermöglichen, werden Praktiken geübt, die einestheils allen Grundsätzen der Moral, anderntheils allen formellen Erfordernissen der Rechts­pflege frech in's Gesicht schlagen.

Würde der juristische Nachweis erbracht, daß der Angeklagte sich dieses oder jenes Verstoßes gegen das Strafgesetzbuch durch irgend eine künstlich und gewaltsam zu einem Vergehen gestempelte Handlung schul­dig gemacht hat, so würde das nicht ausschließen, daß der Prozeß ein schmach voller Tendenzprozeß ist, aber der äußere An­stand, die Form Rechten 3" wäre gewahrt.

Hieran wird jedoch bei den modernen Sozialistenprozessen nicht ge= dacht. Die erste Negel des Kriminalprozesses, daß die Zeugen nur aus eigener Kenntniß zu reden haben, und nur bezeugen dür­fen, was sie selbst wissen, ist bei den Sozialistenprozessen sch n öde in den Wind geschlagen worden. Die Hauptzeugen waren so ziemlich in allen diesen Prozessen Polizeibeamte, welche nicht aus eigener Kenntniß, sondern auf die ihnen gemachten Aus­sagen von Spizeln hin, deren Glaubwürdigkeit der Gerichtshof nicht prüfen founte, ihr Zeugniß ablegten.

Nun ist ein Spizel unter allen Umständen und wiederum nach dem consensus omnium, d. h. nach dem übereinstimmenden Urtheil aller anständigen Leute, ein Lump; er hat Diejenigen belogen, welche er verrathen wollte, und es ist hundert gegen 1 zu wetten, daß er auch die Polizei belügt. Und auf das völlig unkontrolirte ein Zeugniß, das and ungeprüfte Zeugniß solcher Subiekte obendrein vorher noch durch den trüben Dent- und Fühlkanal eines beliebigen Polizisten hindurchgegangen ist, sind bisher die mei= ften Verurtheilungen in Sozialistenprozessen ers folgt.

Das ist ein unauslöschlicher Schandfleck für die deutsche Just i z.

Wir werden uns gelegentlich noch weiter mit diesem Thema beschäf= tigen. Für heute fassen wir unsere Ansicht dahin zusammen:

Die mittelalterlichen Herenprozesse waren feine Schmach ihres Jahrhunderts, weil sie mit dessen Kultur nicht im Widerspruch standen.

Die modernen Sozialistenprozesse sind eine Schmach unseres Jahr­hunderts, weil sie mit dessen Kultur im schreiendsten Wider= spruch sind.

Die mittelalterlichen Herenrichter handelten im Einklang mit den herrschenden Volksanschauungen.

Die modernen Sozialistenrichter sind nicht unter dem Einfluß einer solchen allgemein herrschenden Volksanschauung.

Die mittelalterlichen Herenprozesse bewegten sich im Rahmen der damaligen Rechtspraris.

Die modernen Sozialistenprozesse treten die derzeitige Rechts­Praxis mit Füßen.

Die mittelalterlichen Herenprozesse waren Verbrechen am ge= sunden Menschenverstand, aber nicht an dem sittlichen Gefühl und an dem Gewissen.

Die modernen Sozialistenprozesse sind Verbrechen gegen den gefunden Menschenverstand, gegen das fittliche Gefühl und gegen das Gewissen. Die mittelalterlichen Herenrichter handelten in ehrlichem Glau­ben, und konnten persönlich anständige Menschen sein.

Die modernen Sozialistenrichter handeln nicht in gutem Glauben, sie urtheilen parteiisch, würdigen sich zu Werkzeugen des ge= meinsten Parteigeistes herab und tragen deshalb verdienter­maßen das Brandmal der Ehrlosigkeit.

Sozialpolitische Rundschau.

Z.

London , 21. November 1888.

-In Bezug auf unsern Artifel über den Internationalen Ge­werkschaftskongreß wird uns von befreundeter Seite der Vorwurf gemacht, daß wir mit Herrn Shipton in Beurtheilung seines Gebahrens als Vorsitzender des Stongresses viel zu glimpflich verfahren sind. Wir werfen ihm nur Ungeschicklichkeit vor, während er sich vielmehr direkt und systematisch einer Parteilichkeit beslissen habe, die schließlich selbst einem Theil seiner eigenen Leute zu arg geworden sei. Der Schreiber( ein englischer Genosse) führt dafür eine ganze Reihe bon Beispielen an. So habe Herr Shipton, sobald ein Redner der Opposition das Wort erhielt, stets sofort die Glocke in die Hand ge= nommen und, noch ehe die Frist ganz abgelaufen, das Zeichen zum Aufhören gegeben, während er Leute seiner eigenen Richtung ungehin­bert fortreden ließ, bis die Versammlung selbst oder sein Mitvorsitzender endlich intervenirten Ebenso habe er zwei Redner seiner Richtung je 15 Minuten gegen Frau Besant darüber sprechen lassen, was die Trades Unions schon für die ungelernten Arbeiter gethan, als aber Burns ihnen erwidern wollte, ihm das Wort entzogen unter dem Vorwand, das gehöre nicht zur Tagesordnung. Der brutale Schluß der Sigung vom 9. November sei eine Rücksichtslosigkeit sonder Gleichen gewesen sowohl gegen die Versammlung als gegen seinen Mit vor= sigenden, gegen den, weil Vertreter der Ausländer, doppelte Ur= Sache zur Berücksichtigung vorlag.

Da der Einsender die Personen und Verhältnisse gnauer kennt als wir, auch allen Sigungen regelmäßig beigewohnt hat, während uns das nicht durchgängig möglich war, so wollen wir gern zugeben, daß seine Auffassung mehr zutrifft, als die unsere. Soviel steht auf jeden Fall fest, daß Herr Shipton seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Das zu konstatiren erschien uns in unserem Artikel als das Wesentliche, kommt noch hinzu, daß er nicht einmal den guten Willen hatte, unparteiisch zu sein, um so schlimmer für ihn und die Sache, die er repräsentiren sollte.

Ein guter Nath. Der Internationale Gewerk­schafts- Stongreß schloß am vorigen Sonnabend seine Berathun­gen, und seine letzte Sigung war die interessanteste von allen. Es ist erfreulich, zu ersehen, daß der Kongreß einstimmig einer Resolution bei­pflichtete, welche die Kriege durch Schiedsgerichte ersetzt wissen will. Wenn die Arbeiter ganz Europa's diese Angelegenheit in die Hand nehmen und, an statt abstrakte Beschlüsse zu fassen, sich gegen die Aushebungen zum Militärdienst auflehnen oder die Steuerzahlung verweigern wollten, bis das Rüsten ein Ende nähme, so würden sie sehr bald zu ihrem Ziele gelangen und unberechenbaren Segen über die Menschheit verbreiten."

Was würde wohl in Deutschland einem Blatte geschehen, das sich erkühnte, einen solchen Saz zu schreiben? Das Messer des Sozialisten­gefeges würde gar nicht genügen zur Ahndung so umstürzlerischer Auf­hegung, mindestens ein Dußend Strafgesetzbuchparaphen wären bei der Hand, den Uebelthäter, der dergleichent publizirt, auf gehörige Zeit in Numero Sicher zu bringen. Und jeder gute Bürger würde das nur in Ordnung finden, denn so offene Aufforderung zum Widerstand gegen die Staatsgeseze kann ja nur ein Revolutions-, ein Anarchisten- Blatt fertig bringen.

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Falle in Ohnmacht, Philister des Reichs der Gottesfurcht und from= men Sitte, der Satz hat weder im Organ des schrecklichen Krapotkin, noch in dem irgend eines feiner Mitumistürzler gestanden, sondern er ist entnommen der sehr achtbaren, sehr wohlgesitteten Daily News", Organ der liberalen Partei Großbritaniens, zum wiederholten Male ministerielles Blatt und in der Hoffnung auf Gladstone's Sieg bei den nächsten Wahlen ministerielles Blatt der Zukunft. Gewesene Minister, Lords, Pairs von England, Beamte aller Art, gehören zu seinen Gönnern, und wenn ein solches Blatt wohlgemerkt in seinem redaktionellen Theil den Arbeitern zuruft: Begnügt Euch nicht mit abstrakten Resolutionen, rafft Euch auf zum thatsächlichen

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Widerstand, und je energischer ihr ihn übt, um so eher werdet ihr zu eurem Ziele gelangen- mun, so ist das von so erfahrener, in politischen Dingen so sorgfältig abwägen der Seite sicher ein Rath, ernster Berücksichtigung werth.

Er verliert auch dadurch nicht an Gewicht, daß England nach An­ficht Vieler ein größeres Interesse daran hat, daß die fortgesetzten stungen ein Ende nehmen, als irgend ein anderes Land. Erstens ist das nur scheinbar der Fall, thatsächlich haben die Völker des Festlands, insbesonders das deutsche und französische Volk, ein mindestens ebenso großes, ja ein viel größeres Interesse daran, und zweitens muß man die Daily News" nicht für so beschränkt halten, daß sie den Grund­satz nicht auch auf andere Fälle für berechtigt erachtet. Was in der Rüstungsfrage recht ist, kann in Bezug auf die Fragen der sozialen und politischen Uebelstände nicht unbillig sein.

izmus macht

doch wunder

So ein Bischer So ein Bischen Chauvinismus macht sich doch wunder­schön. Christian IX. von Dänemark feierte am 15. November sein 25jähriges Regierungsjubiläum. Während sich das ganze Speichelleckerthum rüstete, den Jubeltag eines Mannes, der seit Jahren die Verfassung seines Landes mit Füßen treten läßt, mit allem mög lichen Pomp zu begehen, erließ der Vorstand der Linken des dänischen Foltething eine Erklärung, in der er ausführt, daß für das Volk gar fein Grund vorliege, diesen Tag zu feiern. Es heißt dort:

Der Zeitraum hat für das dänische Volk sein Gepräge erhalten durch die traurige Ausscheidung eines Theiles des Volkes und das Hinleben der Ausgeschiedenen unter einer Fremdherrschaft, und es hat sich noch keine Aussicht auf Wiedervereinigung mit den Abge= trennten gezeigt. Der Zeitraum ist zum Abschluß gebracht unter Ver­fassungszuständen, die dadurch bezeichnend sind, daß von Seiten der Machthaber über die Mittel des Staates verfügt wird ohne die Be­willigung des Reichstages, daß das Volk mit Gefeßen regiert wird, zu denen die Zustimmung des Reichstages nicht erlangt ist, und daß un fassende Veranstaltungen, die vernichtend auf die Finanzen des Staates wirken werden und Gefahr für unsere Stellung nach Außen im Gefolge haben, ins Werk gesetzt werden, nachdem sie von den Vertretern des Volfes verworfen sind. Unter diesen Umständen kann die Erinnerung an die vergangenen 25 Jahre nicht zu einer festlichen Freude oder zu Beglückwünschungen zwischen König und Volk stimmen. Es würde keine Wahrheit in solchen Beglückwünschungen sein. Indem wir auf die vergangene Zeit zurückblicken, finden wir darin die Aufforderung, uns einander zu geloben, daß wir mit allem Eifer daran arbeiten werden, zu beseitigen, was da geschehen. Wir gehen der 3 u= funft mit der Hoffnung entgegen, daß alle Dänen wieder ver­einigt werden mögen, und daß das dänische Volk die Freiheit zurückgewinnen möge, die seiner Zeit durch eine glückliche Uebereinkunft zwischen König und Volk zu Stande gebracht wurde."

Dazu bemerkt die" Frankfurter 3tg.", der wir die Notiz entnehmen: Was versteht die Linke unter allen Dänen"? Diese Frage ist charakteristisch für den, der sie stellt."

Sollte der Frankfurter 3tg." wirklich nicht bekannt sein, daß ein großes Stück von Nordschleswig nicht Deutsch , sondern Dänisch ist, daß die Bevölkerung jenes Distrikts nicht nur der Abstammung nach Dänisch ist, Dänisch spricht, sondern auch Dänisch fühlt, und nur durch Ge= walt dem preußischen Staate angehört? Sollte ihr nichts von einem Prager Friedensvertrag bekannt sein, den die preußische Ne­gierung unterzeichnet, d. h. durchführen zu helfen sich verpflichtet hat, und daß Artikel 5 dieses Vertrages ausdrücklich den jetzigen Besitz­stand Preußens in Nordschleswig als ein Provisorium bezeichnet und Rückgabe desselben an Dänemark bedingt, wenn die Bevölkerung in freier Abstimmung den Wunsch danach ausspricht, daß der Artikel nur deshalb todter Buchstabe geblieben ist, weil Preußen diese Abstimmung nie hat vornehmen lassen?

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O ja, die Frankfurter 3tg." weiß das Alles sehr gut, sie weiß auch, daß die dänische Linke durchaus nicht deutschfeindlich ist, sondern zu allen deutschfeindlichen Machinationen der dänischen Hofpartei ihre Zustimmung versagt hat, aber so ein Bischen Chauvinismus macht fich ganz wunderschön, man muß doch zeigen, daß man auch national" ist, und darum die Frage, die nur dann einen Sinn hätte, wenn die Nordschleswiger ebenso begeisterte Deutsche geworden wären, wie fie es begreiflicher Weise nicht geworden sind.

Für uns, die wir den einzigen Rechtstitel der Staaten an streitigen Besitz im erklärten Willen der Bevölkerung sehen, für uns, für die Un­recht dadurch nicht Recht wird, daß es 20 Jahre lang durch Gewalt aufrecht erhalten wurde, noch dadurch, daß ein vom Zäsarenwahnsinn angefressener Gottesgnadenheld erklärt, eher 46 Millionen Deutsche auf die Strecke" legen zu lassen, che wir einen Stein von dem heraus­geben, was wir erobert", für uns hat die Erklärung der dänischen Lin­ken nichts, die Interessen des deutschen Volkes Bedrohendes. Wohl aber hat sie für jeden Deutschen etwas ungemein Beschämendes. Wie Christian IX. die dänische, so haben auch deutsche Regenten, hat namentlich Wilhelm I. die Verfassung mit Füßen getreten, zehnmal ärger als er die Volksvertretung mißhandelt, wann hätte je eine deutsche Volksvertretung den Muth gehabt, auf fortgesetzte Insulten so zu antworten, wie es hier die dänische Linke thut, die doch auch nur eine bürgerliche Partei ist?

Hier, Herr Stern, war es am Platz, eine Note zu machen, anstatt in erheucheltem Patriotismus sich um das deutsche Schleswig- Hol­ stein besorgt zu stellen, das anzugreifen kein vernünftiger Mensch in Dänemark denkt.

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Talmi Friedrich der Große in Breslau . Der neue Kaiser hat nun auch Breslau die Gnade seines Besuchs zu Theil werden lassen. Natürlich hat er die gute Gelegenheit nicht versäumt, sich als Startellkaiser" echten Kalibers aufzuspielen. Dem- deutsch­freifinnigen Oberbürgermeister Friedensburg, der mit Sen übrigen ,, Spigen der Behörden" ihn am Bahnhof begrüßte, wurde, im Gegensatz zu diesen, statt des freundlichen Händedrucks", ein kühler Gruß und die Versicherung zu Theil, daß Sch sehr erfreut bin über den Ausfall der Wahl in Breslau ", und der Stadtverordnetenvorsteher Freund, der nicht nur deutschfreisinnig, sondern auch Jude ist, wurde ganz geschnitten". Herrn Friedensburg war die Ohrfeige denn für ihn ist es eine übrigens zu gönnen, ist es doch sein Verdienst, daß Breslau - Ost jetzt durch einen Erzjunker im Reichstag vertreten ist. Es wird ein erhebender Aft sein, wenn Herr Friedensburg der Bürgerschaft im Auftrage des Kaisers offiziell mittheilt, mit wie großer Genugthing es diesen erfülle, daß seine des Oberbürgermeisters Partei, die doch seine des Kaisers allergetreueste Opposition ist, bei den Wahlen alle drei Mandate für Breslau verloren hat.

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Nachdem er so die Ungerechten bestraft, ließ Wilhelm der Nedselige mit um so größerer Huld auf den Gerechten die Sonne seiner Huld leuchten. Ein Beispiel dafür ist die Verleihung des Rothen Adler Ordens vierter Klasse an den Fabrikanten Seidel, dessen Verdienste um Staat und Gesellschaft darin bestehen, daß er vor etlichen Jahren einen fortschrittlichen Stadtverordneten für eine, im Privatgespräch ge­thane Aeußerung wegen Majestätsbeleidigung denunzirt und jezt einen, Fackelzug fönigstreuer Arbeiter"( fatholische Gesellenvereinler, evangelische, Jünglinge" und aller­hand Gönner" dieser Institute) zum Empfang Wilhelm II , in Szene gesezt hat. Die Deputation der Königstreuen" erhielten Mann für Mann das Ihring- Mahlow- und Napora- Zeichen und die Zusicherung, daß ihm, dem Kaiser, das Wohl der Kartellbrüder pardon, der Arbeiter am Herzen liege.

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Alsdann meinte Talmi- Friedrich noch, er hoffe und wünsche, daß das Beispiel der Arbeiter Schlesiens bei den Arbeitern in allen Theilen der Monarchie Nachahmung fände, d. h. die ganze Arbeiterschaft sich zur erbärmlichsten Statist enrolle hergäbe, und damit hatte die schöne Szene ein Ende.

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d. h. die

Für den Kommentar werden die Breslauer Arbeiter wirklichen, nicht die Talmi- Arbeiter am Tage der Nachwahl für Kräfer sorgen.

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Worte und Thaten. Wenn Wilhelm II. das Wohl der Arbeiter am Herzen liegt, wie er der Breslauer Deputation versicherte, so hat er nicht nur durch seinen Einfluß auf die Ge= sezgebung und Verwaltung in Staat und Reich die schönste Gelegenheit, davon durch Thaten Beweis abzulegen, sondern

auch in seiner Eigenschaft als Großgrundbesizer, d. h. Ar­beitsherr. Die Königlichen Domänen z. B. müssen zu wahren Musterinstituten der Arbeiterfürsorge, zu Stätten werden, wo eine gutbezahlte, gutbehandelte Arbeiterschaft sich nach gethaner Arbeit forglos ihres Lebens freut.

Wie es jetzt dort ausschaut, hat eine Gerichtsverhandlung offenbart, die sich ganz kürzlich vor dem Landgericht II. in Berlin abgespielt. 3wei, auf der Königlichen Domäne Dahlem( bei Berlin ) beschäftigte Arbeiter Grund und Gesche sowie deren junge Söhne waren nämlich des schweren Diebstahls angeklagt, weil sie mittelst Einbruchs aus der herrschaftlichen Scheune sich zwei Scheffel Korn gestohlen hatten. Sämmtliche Angeklagte waren geständig, die beiden Väter aber entschuldigten ihr Vergehen mit schlichten Worten in folgender Weise:" Wir, die Männer, friegen den Tag 60 Pfg. Lohn, die Frauen 40 Pfg. Wir sind jeder sieben Köpfe zu Tisch; davon müssen wir Alle leben und monatlich 50 Pfg. Klassensteuer und eine Mark Schulgeld bezahlen." Präsi= dent: Sie haben doch daneben freie Wohnung und Ackerland?" Angell: Wohnung ja! Ackerland friegen wir einen halben Scheffel Aussaat. In diesem Jahre haben wir zwei Zentner Roggen geerntet, Das wovon uns zuerst die Aussaat abgezogen wurde. Bischen Deputat Holz, was wir sonst friegten, ist uns fürzlich auch noch verkürzt worden, es heißt einfach, wir hätten nicht mehr zu verlangen. Weil wir nun in so großer Noth waren, da sind wir in der Nacht zum 27. Juni durch den herrschaftlichen Garten, deſſen Thüre offen stand, gegangen, haben

die Luftscharten in die eine Scheune einſteigen undre Jungen durch

fleinen

Sacke Korn herausreichen lassen, das wir draußen in bereit gehaltene größere Säcke schütteten. Wir waren halt durch die große Noth dazu gewungen!" Der Gerichtshof verurtheilte die Verbrecher" unter Rücksichtnahme auf die schon von der Anklagebehörde an= erkannten traurigen Verhältnisse der Angeklagten" . zum niedrigsten Strafmaß."

Traurige Verhältnisse", die selbst Staatsanwaltschaft und Nichter Jammerlöhne, bei denen die Leute gezwungen

zur Milde ſtimmen, auf der Königlichen Diebstahl ihre Zu­

zum

flucht zu nehmen, auf der königlichen Domäne! wenn das Wilhelm II. hört, da wird er sofort als Gutsherr mit fester Hand eingreifen und dafür sorgen, daß ein solcher Skandal nie wieder vor­kommt, weder auf dieser, noch auf sonst einer seiner Domänen und Besizungen. Solche Zustände kann ein Mann, dem das Wohl der Arbeiter am Herzen liegt, nun und nimmermehr dulden. Machen wir uns also darauf gefaßt, sehr bald von großartigen Lohn­erhöhungen von Seiten Wilhelms zu hören zu bekommen.

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Die Frechheit des reaktionären Junker- und Pfaffen­gesindels, schreibt man uns, wird immer größer. So schrieb dieser Tage z. B. die Leipziger Zeitung", das amtliche Organ der sächsischen Regierung, bei Beurtheilung eines von einem sächsischen Geistlichen Na­mens Naumann verfaßten Arbeiterkatechismus"*) mit dürren Worten:

Wir sind unbedingte Anhänger des Gottesgnaden= thums und meinen, daß dem Volke nichts anders gelehrt werden dürfe, als daß sein König das Schwert und das Recht habe, nicht durch seine Thaten, sondern aus Gottes Hand."

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Um diesen lästerlichen Blödsinn zu begreifen, muß der Leser wissen, daß der Anlaß durch eine Bemerkung des sächsischen Pfäffteins hervorgerufen ist, der König oder Landesherr habe auch Pflichten gegen sein Volk, das Recht unserer Könige und Kaiser, so hatte es gemeint, sind ihre Thaten für das Volk. Wäre ein schwaches, abfaulendes Geschlecht an unserer Spizze, ich wüßte nicht, ob ich ich ihm mit Freuden huldigte." Huldigen will ja das Pfäffchen auch einem schwachen, abfaulen den Geschlecht" nur nicht mit Freuden". Und diese mangelnde Freudigkeit hat den Grimm der Leipziger Zeitung" erregt, deren Redakteure vermuthlich durch den An­blick des jungen Alten Friz"( bei der Einweihung der neuen Just i z- Bastille in Leipzig) gerade in drastischster Weise darauf aufmerffam gemacht worden waren, daß es unter den hentigen Verhältnissen be­Senklich und anzüglich sei, von abfaulenden" Königs- und Kaiser- Geschlechtern zu reden. Auch der Würtemberger Standal hatte sich gerade damals ereignet. Und ferner hatten die Redakteure der Leipziger Zeitung" ohne Zweifel auch die sonderbaren Thaten für das Volf" im Auge, welche von der Hohenzollern'schen Dy= nastie und der Wittelsbacher Dynastie, und der Würtembergischen Dy­nastie in jüngster Zeit verübt worden sind. Diese Thaten sind aller­dings so eigenthümlicher Art, daß es selbst einem Gneist- Treitschfe oder sonstigen Sophisten der gröberen und feineren Sorte nicht gelingen würde, daraus ein Recht" der Herrschaft zu konstruiren. Hier hilft bloß die alte stupide Lehre vom Gottesgnadenthum, die eben­unter den Stuarts falls unter einem abfaulenden Geschlecht"

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in England erfunden worden ist. Nach dieser Lehre ist es für die Völker ganz einerlei, ob der Fürst ein Schuft ist, oder ein ehrlicher Mann, ob er das Volk schindet, oder ob er sich ihm nüglich zu machen sucht. Im Gegentheil wenn der Fürst ein Schuft ist, der das Volt peinigt und seine Unterthanen" auf die Strecke" bringt, wie Hasen und Nehe, so muß er erst recht verehrt und angebetet werden, denn er ist das strafende Werkzeug der göttlichen Gnade, die das Volk aus Liebe züchtet, um der erzieherischen Wirkungen" à la Buttkamer willen. Die juristischen und theologischen Jesuiten des 17. Jahrhun derts haben dies auf's Scharfsinnigste nachgewiesen und den Werth der Loyalität genau nach der Schlechtigteit der Fürsten tarirt. Je schlechter der Fürst, desto verdienstvoller die Loyalität, desto heiliger" die Pflicht des Volkes, in Hundedemuth vor dem Got­tesgnadenmann, dem Vollstrecker der göttlichen Gnade, zu ersterben.

Dieser lästerliche Blödsiun, den naive Leute durch die französische Ne­volution und die Bildung unseres Jahrhunderts für immer begraben glaubten, macht sich jest wieder frisch, fromm, fröhlich, frei an das Tageslicht und sogar ein Regierungsblatt wagt es, ihn auszu­sprechen. Wahrhaftig, es muß übel bestellt sein um das monarchi= sche Wesen in Deutschland, wenn die Vertheidiger und Stützen der Monarchie zu der Lehre vom Gottesgnadenthum, dieser Bankrott= Erklärung abfaulender Dynastien, zurückkehren müssen. In demselben Artikel erklärt die Leipziger Zeitung", das Wort" Naumann's, die arbeitenden Klassen hätten ein Recht auf ein men­schenwürdiges Dasein, sei wie vom Teufel gespro= chen". Und, wohlgemerkt, die Leipziger Zeitung" thut sich im All­gemeinen sehr viel zu Gute auf ihr praktisches Christenthum" und ihre sozialreformatorische" Arbeiterfreundlichkeit.

Die Berliner Volkszeitung" sagt zu den Auslassungen des amtlichen Organs der sächsischen Regierung:

" So weit wären wir denn also int Deutschen Reiche glücklich gefom= men, daß in dem amtlichen Blatt einer deutschen Regierung verfündet wird, die Fürsten seien von Gott, die Völker vom Teu­fel geschaffen. Da verstummt die Kritik oder sie wagt höchstens nur noch die schüchterne Bitte, daß man sich seinerzeit doch nicht des Todes wundern möge, wenn gegenüber der Ernte, welche aus dieser Saat hervorteimen muß, das Jahr 1793 als ein rosenfarbenes Jdyll erscheint."

So spricht ein Organ der bürgerlichen Demokratie, dem revo­lutionäre Bestrebungen ein Greuel sind. Die Volkszeitung" hat aber Recht. Die Nemesis richtet sich nach den Verbrechen. Und was die Monarchie heutzutage an den Völkern sündigt, das stellt die Zeitverhältnisse natürlich in Betracht gezogen, Alles in Schat= ten, was die Stuarts und die Bourbons geleistet haben, um die englische und französische Revolution heraufzu= beschwören.

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Ein Skandal, aber keineswegs ein ,, unerhörter". Eine Berliner Kokotte anrüchigsten Kalibers: die aus dem Prozeß des Ma­lers Gräf bekannte Bertha Rother hat sich aus dem, ihr von einem Wiener Millionär in den Schooß geworfenen Gelde ein meklen­burgisches Allodialgut gekauft und ist, nachdem sie durch ihren Vertreter den Homogial"-( Huldigungs) Eid geleistet hat, nicht nur Obrigkeit

*) Wir haben bereits in voriger Nummer von demselben Notiz gez nommen. Red.

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