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Der Sozialdemokrat

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Organ der Sozialdemok: afie deutscher   Zunge.

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Briefe an die Redaktion und Erpedition des in Deutschland   und Oesterreich verbotem Sozialdemokrat wolle man unter Beobachtung äußerster Vorsicht abgehen lassen. In der Regel schide man uns die Briefe nicht direkt, sonderian die bekannten Decadreffen. In zweifelhaften Fällen eingeschrieben.

Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten

und Gemaßregelten nicht!

Zum internationalen Arbeiterkongrek. Der Internationale Arbeiterkongreß wird aus Deutsch  Tand sehr zahlreich besucht werden. Die deutschen   Arbeiter, welche in dem furchtbaren Kriegssturme des Jahres 1870 den Ernst ihres internationalen Solidaritätsgefühls bewiesen und sich durch keine Verlockung, keine Drohung eines heuch lerischen oder mißverstandenen Patriotismus" von dem Wege der Pflicht und der richtigen Erkenntniß abdrängen ließen, haben auch jetzt die eminente Kulturbedeutung des internatio­nalen Arbeiterkongresses begriffen.

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Es gilt einen Protest gegen die internationale Reaktion, gegen das internationale Ausbeuterthum, das heute frecher als je, weil zum Aeußersten getrieben, sein Haupt erhebt und sich zum entscheidenden, zum letzten Kampf rüstet.

Die Revolution, deren Feier in Frankreich   begonnen hat, und die heute freilich eine andere Gestalt und ein anderes Gesicht hat als im Jahr 1789 läßt der Reaktion keine Ruhe, ist für sie eine fortwährende Herausforderung und Ge­fahr. Wenn wir die auswärtige Politik des Fürsten Bis­marck, der als das Haupt der europäischen   Reaktion gelten kann, bis in die Mitte der 70er Jahre zurückverfolgen, so finden wir als rothen Faden den Haß gegen das revolu­tionäre Frankreich  , das Bestreben, es zu diskreditiren, zu iso­liren und wenn irgendmöglich zu vernichten.

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In den ersten Jahren nach dem deutsch  - französischen Krieg hatte der große Staatsmann freilich die Tragweite der deut­ schen   Siege überschäßt und dem Glauben sich hingegeben, Frankreich   könne nie die Schläge verwinden, mit denen es im heiligen Krieg" zu Boden geschmettert worden. Vom Hugenblid an, wo Bismard seinen Frrthum erkannte, fing er auch an, gegen Frankreich   zu konspiriren. Daß Mitte der 70er Jahre der Plan feststand, das erst unvollkommen ge­rüstete Frankreich   zu überfallen, ihm einen neuen und größeren Aderlaß an Blut und Geld aufzuerlegen und es gründlicher als 1871 zu zerstückeln und daß dieser infame Plan nur durch die Eifersucht Rußlands  , welches das Bismarc'sche Reich" nicht aus der Daumschraube des französisch- russischen Bündnisses herauslassen wollte, vereitelt worden ist, das haben wir von russisch  - französischen Diplomaten erfahren, und das hat den Grund zu dem grimmigen Haß gelegt, mit dem Bis­ marck   seinen lieben Kollegen Gortschakoff bis zu dessen Tode, ja noch über das Grab hinaus beehrt hat. Eine neue hei lige Allianz ins Leben zu rufen, wurde das Jdeal und die fire Idee des modernsten aller Staatsmänner". Zu diesem Zweck begann er, trotz des schlimmen Streichs, den die rus­fische Diplomatie ihm gespielt, das ehrlose Wettkriechen" vor dem russischen Zaren, schloß er das Bündniß mit Dester­reich, erweiterte er dieses Bündniß zum Dreibund", und gab. er sich die erdenklichste Mühe, auch England in feindlichen Gegensatz zu Frankreich   zu bringen.

Der Erfolg hat jedoch den Anstrengungen keineswegs ent­sprochen. Weder Rußland   noch England sind auf den Bis­marc'schen Leim gegangen, und der Dreibund" ist ein ebenso problematisches Ding, wie seiner Zeit das ,, Dreikaiser­fink: bündniß" dessen einzige Frucht die war, daß es durch die erh. in Skierniwize beschlossenen Massenausweisungen der Polen   und Russen aus Deutschland   die ganze Barbarei der Bismard'schen Politik aller Welt enthüllte.

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Glücklicher war Fürst Bismarck   in Frankreich   selbst. Die Angst der französischen   Bourgeoisie vor dem rothen Ge­a zu spenst wurde systematisch genährt, um eine vernünftige Ar­D." beitergesetzgebung zu hintertreiben; der Wahnsinn der Ko­Sie Rest lonialpolitik wurde gehegt und gepflegt, und als Boulanger wider die Republik   zu konspiriren begann, wurde er sofort chen, Gegenstand der zärtlichsten Fürsorge Seitens der deutschen  Reichsregierung. Und in Paris   weiß man heute sehr wohl, Tthl. daß unter den Millionen, die dem brav' général" von 23. seinen Bewunderern" zugehen, der preußische Reptil= thaler eine sehr man verzeihe den Ausdruck

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table Rolle einnimmt gerade wie man weiß, daß der ,, Anarchismus  " in Frankreich   und das tolle Tonking­Abenteuer in Berlin   und Friedrichsruhe seine besten für Freunde gehabt hat und noch hat.

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Wer in dieser Beziehung noch Zweifel hegt, braucht nur die deutsche Reptilpresse zu lesen, und seine Zweifel werden verschwinden.

Die Jahrhundertfeier der französischen   Revolution hat das ganze reaktionäre Europa   in Aufruhr gebracht, und auch das 1a despotische Rußland   vergaß sein demagogisches Kokettiren mit dem republikanischen Frankreich.go

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klub.

Die Revolution, deren Andenken dort in Paris   ge­feiert werden sollte, das war der gemeinsame Feind. Es kam die Verschwörung der Monarchen gegen die Pariser Weltausstellung. Sie sollte das Gelingen der Ausstellung

verhindern, und trug nur zu derei größerem Glanz bei. Der Haß der Monarchen, der sich in dem kindischen Wegbleiben der Gesandten von der Eröffnungsfeier äußerte, erregte das Gelächter der Völker, und machte ihnen die Bedeutung der Revolutions- Feier erst recht klar.

In Berlin   verfiel man auf die unglückliche Jdee, der Pariser   Industrieausstellung en Konkurrenz Unter­nehmen entgegenzusetzen. Ein paar spekulative Bier­wirthe hatten den Platz einer früheren Ausstellung( der sog. Hygiene- Ausstellung) gemiehet, um eine Massen­Kneiperei mit Musik und alle hand sonstigen Allotrien zu organisiren; und irgend ein findiger Kopf kam auf den Ge­danken, eine kleine Ausstellung mit der Kneiperei zu verbin­den. Reklame wurde gemacht, und einer der Reklameschmiede den. Reklame wurde gemacht, und einer der Reklameschmiede nannte die Bierspekulation: Un fillverhütungs- Aus­stellung. Der Name zog, die ,, Sozialreform" ist in der Mode,

Erscheint wöchentlich einmal

in

London  .

Verlag

der

German Cooperative Publishing Co. E. Bernstein& Co., London   N. W. 114 Kentish Town Road,

Poßfendungen franto gegen franto. Gewöhnliche Briefe

nach England tosten Doppelporto.

15. Juni 1889.

geißelt. Ganz anders erscheint es jedoch, wenn Spielhagen mit deutlich hervorgehobener Absicht das höhere Beamtenthum als eine Gesellschaft überzeugungsloser lleberläufer, gewissenloser Selbstlinge, darstellt, welche mit zynischer Frechheit ihre korrumpirte Moral zur Schau stellen, Spiel­hagen sezt kein freundlicheres Gegenstück gegenüber, denn wortklar tritt seine Absicht zu Tage, die angebliche, durch Bismarck  , der nur solche, tief unmoralische Kreaturen als Werkzeuge seiner Geistesart brauchen fann, herbeigeführte materialistische Demoralisirung Deutschlands   zu fennzeichnen. Hier muß man an der bona fides  , an der Ehrlichkeit, die ein vornehmer Künstler niemals verleugnet, ernstlich zweifeln; denn der wohlfituirte, in Berlin   W. wohnhafte Herr Schriftsteller Friedrich Spielhagen   ist kein in der Vorstadt und in Bierkneipen sich umber= treibender armer Teufel, der in seinem verbitterten Radikalismus ernst= haft sich das Gesindel da oben" in solcher Weise vorstellt. Spielhagen muß, seiner sozialen Stellung nach, Kenntniß von der Artung unserer höheren Beamtenschaft haben, er muß wissen, wie der Durchschnitt dieser Streise trotz allerlei Schwächen in seinem moralischen Sterne beschaffen ist. Er aber, der große(?) Idealist", schlägt den Weg der schlimmsten Naturalisten ein und stellt das Zerrbild, die gelegentliche Entartung, als die Norm, das Zufällige als das Maßgebende hin. Wer von den Gesinnungsgenossen des Herrn Spielhagen hat den Muth, zu sagen: " Ja, diese Julicius und Sohn, diese jeden Ehrlichen empörenden ge= meinen Seelen, sind der Typus der höhern preußischen Beamten der heutigen Tage?" Von den Anständigen, von den Ehrlichen, und jeien fie die Radikalsten der Nadikalen, keiner. Und der Gebieter dieser schuftigen Knechte ist der neue Pharao" Bismarck  . Was ist der Bismarck des Herrn Spielhagen? Ein preußischer Junker, der 1864, 66 und 70 Glück gehabt hat und auf Grund dieses, statt mit demo= kratischen Redensarten, mit demt Blut unserer Väter und Brüder er=

-

- der höhere Schwiniel bemächtigte sich des nie­deren Schwindels. Einige größere Industrielle wurden heran­gezogen und eines schönen Tages hieß es: Seine Majestät der deutsche   Kaiser, und soziale König" wird die Unfall= Ausstellung in Person einwähen, und den deutschen   Ar­beitern auf diese Art den bündigsten Beweis liefern, daß das Wohl der Arbeiter Seiner Majestät höchste Sorge ist. Und der Kaiser König gab ich wirklich zur Eröffnungszeugten Glückes, das durch rohe Gewaltthat herbeigeführt ist, mit talter Feier der Bierspekulation, genarnt Unfallausstellung, her.

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Es hat aber nichts genügt. Die Riesenhaftigkeit der Re­klame ließ die Zwerghaftigkeit des Unternehmens blos um so augenfälliger hervortreten.

Der Streich war mißglückt.

Und trotz des Geschimpfes der Pindter und Genossen über das wilde" Frankreich   wurde das wunderbare Gelingen der Pariser Weltausstellung aller Welt offenbar, und je mehr die Pindter und Genossen schimpften, desto mächtiger wurde der

Drang nach Paris  .

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Die deutschen   Arbeiter treibt aber nicht die Neugierde. Die Wunder der Industrieausstellung interessiren sie wohl, jedoch erst in zweiter Linie. Was sie vor Allem beweat und treibt, das ist das Gefühl, das ist die Erkenntniß: Der hundertste Geburtstag der französischen   Revo­lution muß von der Arbeiterklasse zu einem gewaltigen, im­posanten Protest gegen die herrschende Reaktion mit ihrer Völker- und Rassenverheßung benutzt werden die Ar­beiter Deutschlands   müssen den Arbeitern Frankreichs   die Bruder­hand reichen, damit offenbar werde, daß das arbeitende Volk der beiden ersten Kulturländer Europas  , die eine niederträch­tige Diplomatie im Interesse der internationalen Reaktion auseinander zu halten und gegenseitig zu verfeinden sucht, sich als eins betrachten, und in dem Chauvinismus, Militarismus und Kapitalismus   den gemein­famen Feind erblicken, wie alle Monarchen den ge­meinsamen Feind in der Revolution erblicken.

Die deutschen   Arbeiter werden zahlreich auf dem inter­nationalen Kongresse vertreten sein. Berlin   allein entsendet acht Delegirte, Leipzig   drei, und von allen Seiten erfahren wir, daß zu Wahlen für den Kongreß geschritten werden soll.

Die deutschen   Arbeiter, welche am hundertsten Jahrestag des Bastilleſturmes in Paris   einziehen werden, bringen mit sich das Herz des arbeitenden Volkes von Deutschland  ; und der Brudergruß, den sie mit den französischen   Arbeitern aus­tauschen werden, ist eine mächtige Friedensbürgschaft, zu mächtig, wollen wir hoffen, für die verbrecherischen Bemühungen der europäischen   Friedensstörer und Freiheitsmörder.

Der Ruf der deutschen   Arbeiter: nach Paris  ! nach Paris  ! ist die beste Antwort auf das wüste Geschrei der französischen   Chauvinisten: à Berlin  ! à Berlin  !( nach Ber­ lin  -!)

er ist der kräftigste Protest gegen das wüste Trei­ben des Chauvinismus hüben und drüben und das ist die schönste Revanche für das republikanische, dem Sozialismus zumarschirende Frankreich  .

Jedenfalls ist der Zug der deutschen   Arbeiter nach Paris  ein tausendmal wichtigeres Ereigniß, als die Besuche der Monarchen in Berlin  , der Hauptstadt der euro­ päischen   Reaktion und des internationalen Sozialismus.

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Einen Griff in's Wespennest

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scheint der bekannte Nomandichter Friedrich Spielhagen  wie unsere Leser wissen, sonst nicht gerade unser Freund seinem neuesten Roman Der neue Pharao" gethan zu haben. Der Unglückselige hat es sich beikommen lassen, die durch Bismarck  in Deutschland   gefäete Storrruption zu schildern, und dafür schwirrt und summt es jetzt um ihn herum, daß es nur eine Art hat. Den Ton der Attaken gegen den neuesten Reichsfeind"- denn da im Lande des Reptilienfonds die Korruption eine staatserhaltende" Ein­richtung ist, so ist natürlich jeder, der an ihr rüttelt, ein Reichsfeind, der Reichsfeiud, die Verkörperung des Begriffs der Reichsfeindschaft wird in der Riesenkloake Kölnische Zeitung  " angegeben, wahrscheinlich von dem famosen Paul Lindau, in der forrupten Literatenwelt der Hauptstadt die korrupteste Erscheinung. Hören wir, wie diese Schmaroßer wespe ihrer Wuth über den genannten Roman Luft zu machen sucht:

,, Wie in jeder stark bewegten, mächtig am Neuen schaffenden, Altes verlassenden Zeit, blüht auch in unseren Tagen das Unkraut des Streber­thums, und wir verargen es keinem Dichter, wenn er dieses Zeitübel

Selugheit einer ideallosen Zweckmäßigkeit huldigt. Diese Zweckmäßigkeit zielte nach Spielhagen's politischer Weisheit im Jahre 1878 darauf hin, durch den Schutzzoll die Mittel für das Heer zu gewinnen und dadurch den Sozialdemokraten das Maul stopfen" zu können. Wird den Gesinnungsgenossen Spielhagen's nicht bange vor dieser politischen Weisheit? Aber es kommt noch besser. Im Jahre 1878, also eben nach Ablauf jener Jahre, in welchen Bismarck   sich vorzugsweise auf den Liberalismus stützte, beklagt einer der Helden Spielhagen's die er­drückende Macht des Adels, welche das Bürgerthum völlig bei Seite drängt. Dafür ist ja Herr Spielhagen Idealist", daß er es mit der historischen Wahrheit nicht genau nimmt, und deshalb kann er sich auch

den Anachronismus leisten, im Jahre 1878 von der literarischen Herr= schaft Ibsens   und Dostojewskis, von deutschen   Naturalisten zu reden. Pharao  - Bismarck, der gewaltthätig ideallose Glücksjunker, ist der Vater, der Demiurg des Materialismus, der sich brüstet, die neue Welt aus Nichts geschaffen zu haben, während er doch nach Spielhagen nur die Saat der 48er Demotraten geerntet hat. Das wird uns in idealem" Pathos vorgetragen."

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Weiter heißt es in der Kritik des rheinischen Blattes:" Die ernst= haften Gesinnungsgenossen Spielhagens, die sich schon untWas will das werden" vorsichtig herumgedrückt haben, werden, wenn sie aufrichtig sind, doch wahrlich nicht einen Roman als große That lobpreisen können, in welchem unsere gewaltig bewegte rührsame Zeit unter findischen politischen Gesichtspunkten als eine solche dargestellt wird, in welcher ein gewaltthätiger, gesinnungsroher Junker mit etlichen Schuften von Beamten das Deutsche Reich forrumpirt und dem Ausland einen höchst überflüssigen Respett einflößt. Dagegen kennen wir die Stunden, die handwerksmäßig jeder Berühmtheit ihr Bravo  " zurufen und von Recht der freien Ueberzeugung"," Freiheit der Kunst" u. s. w. schreien, wenn eine andere Stimme sich geltend macht. Wir lieben feinen Byzantinis­mus; der in gewissen Seliquen übliche Kunstbyzantinismus ist uns aber erst recht widerlich. Es steht kein Künstler so hoch, daß er nicht Pflichten gegen die Nation hätte, und kein Künstler darf auf erworbene Lorbern fündigen. Es gibt allerlei Vögel im Deutschen Reich, aber es haben sich im Zeitalter der angeblichen Korruption auch die Leute ge= mehrt, welchen jene Sorte von Deutschen   abgeschmackt wird, die immer mit der Miene des klagenden Patriotismus das eigene Nest beschmutzt, weil die Launen des selbstgefälligen Gehirns nicht in Erfüllung gehen; es ist dies grade die Sorte sog. hochgebildeter Geister, die in ihrent ungemessenen Dünkel erst die auftauchende Größe achsetzuckend bespötteln, dann sie begeifern und, wenn sie darüber noch nicht todt ist, sich an sie herandrängen, ihr am Mantel zupfen und alles vorher gewußt haben, sie von der Bühne zerren wollen, um selber ihr altes Lied deklamiren zu können. Ehre den braven Männern, die heute der Nasen deckt und die, wenn auch irrend, einen heiligen Glauben im Herzen, thaten, was sie nicht lassen konnten: An dieser Ehre hat aber der nicht Theil, der, ohne sich nur die Mühe zu geben, die Dinge in der Nähe zu betrachten, die Kunst an den Parteigeist verfuppelt und aus unserm Vaterland, auf das wir stolz sind, ein ekles, mit leichtfertiger Unwissenheit aufge= bautes Zerrbild schafft."

So die Kölnische Zeitung  , und das reptilisirende Zeitungsgeschwister druckt es ihr pflichteifrigst nach.

Wie gesagt, wir fennen den Spielhagen'schen Roman nicht, aber wenn das, was da mit Bezug auf ihn gesagt wird, zutrifft, so muß er wirklich nicht übel sein. Jedenfalls ist er ein charakteristisches Zeichent der Zeit. Vor zehn, fünf, vor zwei Jahren, hätte ein Mann wie Spiel­hagen, der doch für die gute Gesellschaft" schreibt, auch wenn er genait das empfunden hätte, was er in seinem neuen Roman dargestellt, es nun und nimmer öffentlich zum Ausdruck gebracht. Damals flüsterte man sich in dieser Gesellschaft höchstens unter vier Augen zu, was man von des neuen Reiches Herrlichkeit" dachte. Daß das jetzt anders ge= worden, daß ein Spielhagen offen den neuen Pharao" als das hin­zustellen wagt, was er ist, als einen brutalen, ideallosen Glücksritter, Das zeigt, wie tief die Gährung selbst diese Kreise ergriffen hat. Es kann uns natürlich nicht beikommen, über einen Noman, den wir nicht gelesen, ein Urtheil abzugeben. Aber was die Kölnerin" an ihm tabelt, das gereicht ihm in den Augen aller Nicht- Rostgänger des Rep­tilienfonds zum höchsten Lobe: die Wahrheit gesagt zu haben, ist unter allen Umständen ein Verdienst. Und als wie erbärmlich immer Spielhagen das höhere Beamtenthum Neu- Deutschlands   hingestellt haben mag, die Buttkamer, die Tessendorf, die Richthofen, die Drenkmann, die Mittelstädt, die Martin und wie die Vertreter des Streberthums in Deutschland   sonst noch heißen, strafen ihn sicher nicht Lügen. Alles in Allem dürfte Spielhagen kaum den Deckel ein wenig ge= lüftet haben, der die in Deutschland   systematisch gezüchtete Storruption bedeckt. Und troßdem die wüthenden Angriffe, trotzdem der Vorwurf, er habe seine Pflicht gegen die Nation" verletzt( die demnach darin besteht, das eigene Volk anzufügen) troßdem die Verkeßerung als halber Baterlandsverräther! Was wird dieses Infeftengewürm erst anstellen, wenn einmal der Deckel ganz vom Topf abgezogen, dieser zer­schlagen und vor dem ganzen Volfe die Streberwirthschaft in ihrer ab­stoßenden Häßlichkeit blosgestellt wird?