geklagt, durch ein Flugblatt, was aber nicht verbreitet wurde, den Bundesrath beleidigt zu haben. Das Blatt wurde noch vor seiner Verbreitung festgehalten und gefaßt, und zwar ohne daß ein einziges Exemplar zur Veröffentlichung gelangte. Es war im Auslande gedruckt, in geschlossenen Packeten über die Grenze geschafft, in diesen nach Dres­ den gebracht und dort beschlagnahmt worden. In diesem Flugblatt hatte ich das Sozialistengesetz ein infames Gefeß genannt, und darüber fühlten die Herren im Bundesrath sich beleidigt; denn, wenn das Gesetz infam genannt werde, so würden die gewissermaßen auch infam ge­heißen, die dem Gesetz ihre Zustimmung gegeben. Den Reichstag hat man nicht um seine Zustimmung zur Verfolgung angegangen; dessen hütete man sich. Ich hatte, da ich im Sommer zuvor in Leipzig aus­gewiesen worden war, den ganzen Winter über während des Landtags in Dresden gewohnt. Gegen Schluß des Landtags reiste ich ab, ohne anderweit ein Logis zu nehmen, weil ich auf eine längere Geschäfts­reise ging... Da, den ersten Pfingstfeiertag Mittags zwischen 12 und 1 Uhr, als ich mit meiner Familie auf der Brühl 'schen Terrasse spa­zieren gehe, kommt ein Polizeikommissar, flopft mir auf die Schulter und sagt: Herr Bebel, es thut mir leid, Sie sind verhaftet.

( Hört, hört! links.)

Ich frage: Verhaftet? warum? Er entgegnet: Ich kann Ihnen das hier nicht weiter fagen, es fällt hier auf, gehen Sie mit! Ich ging mit, und da lautete der Verhaftsbefehl: 3u verhaften auf Grund 10 des§ 112 der Strafprozeßordnung", weil ich unterstandslos" sei. ( Rufe links: Warum?)

Weil ich keine feste Wohnung hätte; ich sei unterstandslos. Daß meine Familie in Leipzig wohnte, und ich dort mein Geschaft hatte, daß ich sächsischer Landtagsabgeordneter war, daß ich in Geschäften reiste, daß ich dem Landgericht anzeigte, ich werde zu Pfingsten nach Dresden kommen, das genügte alles nicht; man fand dennoch ich sei unterstandslos, und beschloß meine Verhaftung. Meine Herren, am 13. Mai war der Verhaftsbefehl ausgestellt; am 18. Mai war ich in Leipzig , am 18., 19. und 20. Mai in Dresden , die Polizei wußte es; ich war wiederum bom. 25. Mai an in Dresden , die Polizei wußte 1 es ebenfalls; aber man wartete ruhig den ersten Pfingitfeiertag, den 27. Mai ab, wo feine Gerichte fizen, wo ich mich nicht beschweren fonnte, feine Stage anbringen konnte, um mich die Pfingstfeiertage von der Seife meiner Familie zu reißen und 3 Tage lang in Haft zu nehmen, bis ich gegen Staution frei fam.itur ills

( Große Erregung links.)

Der Prozeß hat schließlich damit geendigt, daß ich 2 Monate Gefängniß bekam.

Wenn solch unerhörte Dinge bei einem deutschen Gericht unter Zu­stimmung einer ganzen Straffammer möglich sind, dann können Sie wohl glauben, wie wir in Bezug auf die Handhabung des Rechts durch die Gerichte denken. Und der Vorsitzende dieser Strafkammer, der mich in fotch ungefeßlicher Weffe verhaften ließ und später verurtheilte, der ist zur Belohnung für eine Dienste, wie ich vermuthe, Land­gerichtspräsident in Zwickau geworden.

( Bewegung.)

Es ist ferner( im Laufe der Debatte auch das sogenannte Lockspielwesen Gegenstand der Erörterung geworden. Verschiedene der Herren Redner, sowohl mein Freund Liebknecht wie gestern der Herr Abgeordnete Munckel, haben bereits hervorgehoben, daß das Gesetz auch wider den Willen des Ministers Lockspiel erzeuge. Der Herr Minister hat das allerdings verneint. Ich möchte ihm den Rath geben, einen Brief zu lesen, den sein Stollege, der Herr Reichskanzler Fürst Bismarck als Bundesgesandter, in Frankfurt am Main im Jahre 1853 an Familienglieder geschrieben hat, worin er in der drastischsten Weise ausführte, wie, wenn einmal überhaupt erst Geheimpolizisten 19 da wären, sie mit Nothwendigkeit dahin geführt würden, nicht blos Erdichtungen zu machen, sondern sich selbst in allerlei Unternehmungen einzulassen und sie hervorzurufen, um doch zu zeigen, daß sie Personen sind, die etwas leisteten, und die dem in sie gesezten Vertrauen ent­sprächen. Ein Geschäft, das, man, hat, dafür will man auch zu thun haben.

Ich bin überzeugt, daß der Herr Minister des Innern nie seine Hand zum Lockipigelwesen bieten wird; aber, meine Herren, das Spigelwesen ist untengbar gerade durch das Sozialistengesetz in Deutsch­ land in höchstem Maße hervorgerufen worden. Der Stab der Leute, die heute als Mitarbeiter auf dem Berliner Polizeipräsidium in der politischen Abtheilung beschäftigt werden, ist kolossal, und die Zahl der Leute, die, davon wieder abhängend, in Deutschland , in Europa , in Amerita in geheimer politischer Thätigkeit beschäftigt und verbreitef sind, ist noch viel folosialer. Wir in Sachsen haben früher nie von Geheimpolizei etwas gewußt; jeit vier Jahren ist auch Sachsen mit diefer Institution beglückt. Der Minister des Innern hat dort dem Landtage eine Vorlage im Etat gemacht und eine bestimmtes Summe für Unterhaltung der Geheimpolizei gefordert. Num, ich werde im nächsten sächsischen Landtage Gelegenheit haben, nachzuweisen, daß einer dieser Polizeiagenten, ein Mensch, der nach unserer leberzeugung Spigel war, der Anstifter einer Handlung ist, die wir selbst auf das allerentschiedenste verurtheilen, und in Leipzig seiner Zeit die größte Erbitterung hervorgerufen hat, nämlich, daß vor 3 Jahren die soge nannte Friedenseiche im Rosenthal am Tage vor dem Sedanfeste ab­gesägt wurde. Der Mann, der den Rath dazu gab, stand im Dienste der Polizei.

( Bewegung.) is dau 100 Souis 9985190 Er ist jetzt gestorben. Ich will nur eins hier hervorheben, der Herr Minister des Innern weiß nicht alles, was in der politischen P p=

suiderhist

Feuilleton.

Ein heiterer Sozialistentödter.

lizei vorgeht. Gerade derjenige Mann, der das eigentliche Hampt| der politischen Polizei ist, der Polizeirath Strüger, ist dem Herrn Mi­nister des Innern nicht unterstellt, der untersteht dem Reichsamt des Aeußern, dem Reichskanzler. Und Polizeirath Krüger ist es, der überall das Heft in der Hand hat, dieser ist es, der bei Schröder­Haupt betheiligt war, der mit seinem Freunde von Hacke, der jetzt abgesetzt ist, bei der Ehrenberg- Affäre betheiligt war und alles leitet; Polizeirath Krüger war es auch, der voriges Jahr, als der Kaiser die Reifen nach Süddeutschland , nach Stuttgart , München und dann nach Nom unternahm, immer 8 Tage vor der Ankunft des Kaisers allüberall die Polizei alarmirte, damit sie die größten Vorsichtsmaß­regeln treffe, weil sie in Berlin wüßten, daß Attentate auf das Leben des Kaisers geplant würden das meldete Herr Krüger zum größten Erstaunen der Polizei in München , Stuttgart , Wien und Nom. Darauf wurden ganze Armeen Soldaten, um das in Gefahr stehende Haupt des Kaisers zu schüßen, aufgestellt. In der Presse aber wurde aus­gesprengt, daß von der schweizer Polizei gemeldet worden sei, es feien 10 Anarchisten aus der Schweiz abgereist, um den Kaiser womöglich zu tödten. Als dann dies von Seiten der schweizer Polizei auf das Energischste dementirt wurde, daß fie Anzeige gemacht hätte, weil kein Grund dazu vorliege, so antwortete die offiziöse Presse, nun, Preußen habe genug Geheimpolizisten in der Schweiz , es föune auch von dieser Seite über die dem Kaiser drohende Gefahr berichtet worden sein. Meine Herren, daß alle diese Attentatsgeschichten von A bis Z er­funden waren, ist meine Ueberzeugung. Ich bin auch darüber nicht im Zweifel, daß damit ein politischer 3wed beabsichtigt und herbei­und geführt

im wurde. Es ist in der Geschichte nicht das erste Mal, daß

tischen Führer, so 3. B. unfern früheren Reichstagskollegen Auer, zul denunziren, er habe Geld unterschlagen u. i. w. Thatsachen ähnlicher Art liegen in größter Fülle vor.

1157110

21

fc

In München hat sich im vorigen Jahre ein Geheimbundsprozeß ab gespielt, und der Stronzeuge war ein niederträchtiger Lump, ein Kerl, den die Polizei, wissend, daß er ein Lump war, in ihre Dienste ge­nommen, und der in dem Augenblick, wo man ihn vor die Schrankent des Gerichts als Zeuge zitirte, aus dem Gefängniß herbeigeführt wurde, weil er Mißbrauch mit einem unter 14 Sahre alten Rinde getrieben hatte.

( Hört! hört!)

Das, meine Herren, find die moralischen Stüßen des heutigen Staats! Damit wird heute das deutsche Reich aufrecht erhalten gegen 800,000 sozialistische Wähler und die Sozialdemokratie überhaupt!

-

Mein Herr Vorredner, Herr Kulemann, hat vorhin anerkannt, daß unsere Partei eine Stulturbewegung repräsentire, dasselbe hat sogar Herr von Puttkamer anerkannt und doch wollen Sie gegen eine Stulturbewegung wie die sozialdemokratische Bewegung mit Ausnahme­gesezen vorgehen. Gegenüber dieser Kulturbewegung werden die schärfsten Waffen, welche Sie auf Grund dieses Gesetzes anwenden, wie Glas am Granit zersplittern. Fahren Sie nur fort, wie Sie begonnen haben! Wenn irgend etwas dazu beiträgt, unsere Zustände zu unter­graben und die Sozialdemokratie zu nöthigen, auf den Umsturz der be= stehenden Staatsmd Gesellschaftsordnung hinzuarbeiten, dann, meine Herren, ist es dieses Gesetz.

10 med de du( Bravo ! bei den Sozialdemokraten.)" sddeptus duiw

man gefrönte Häupter mit gewissen Dingen ent­weder für sich einzufangen oder zu fch recensucht, poustic bin? um te gewissen politischen 3weden jich dienstbar zu machen. Jedenfalls begreift es sich leicht, daß man die Sozial­

bentokratie auch an höchſter Stelle als Staatsfeind, wenn nicht gar nichtSozialpolitische Rundschau.

pour 29

Criar ploted

als persönlichen Feind betrachtet. Maßregeln gegen angeblich geschi mblid#elin id arodnated mop on bod plante Attentate sind ganz dazu geeignet, folche Stimmungen zu er­seugen. Auch Herr Wohlgemuth, der jo luftig darauf los wühlen ließ, stand nicht im Dienst des Herrn Ministers des Innern, der hat für Herrn Strüger gearbeitet.

ballsburg dulu London , 26. November 1889. Das bedeutungsvollste Ereigniß der abgelaufenen Woche ist unzweifelhaft der glänzende Sieg unserer Berliner Genossen, bei den Wahlen zum Stadtverordnetentotle= gium. Unter einem höchst ungünstigen Wahlsystem haben sie den Gegnern zu den zwei Sigen, die sie in diesem Wahlkampfes fand nur eine partielle Wahl statt zu vertheidigen hatten, im ersten Wahlgang vier Size abgenommen, zu denen sie bei der Stichwahl un­zweifelhaft noch mehrere zuerobern werden. Und was dabei noch ganz besonders hervorgehoben zu werden verdient, die Siege sind über Fort­ſchrittler, wie Antifortschrittler ervungen worden, der kleinbürgerliche der Sozialdemokratie Terrain abgeben müssen, und zwar in einem Maße, wie wir selbst kaum zu hoffen gewagt. Ueberall, wo die Sozial­demokraten in die Attion traten, haben ihre Stimmten zugenommen, in einigen Bezirken bis zu 100 Prozent.

Folgendes find die Stimmen der gewählten Sozialisten: 13. Wahlbezirk( äußere Luisenstadt): Bigarrenhändler Klein 793 Stimmen. Der Gegner( Liberal ) 365 St.

14 Wahlbezirk( desgl.): Nechtsanwalt Stadthagen 850 St. Der Gegner( Lib.) 305 St. lift trad He sht

Gegner( Lib.) 385 St.

24. Wahlbezirk( Stralauer Viertel) Gastwirth Tempel 625 St. Die Gegner: Reaktionär 404, 2 b. 109 St.

41. Wahlbezirk( Wedding ): Kaufmann Vogtherr 900 St. Der Gegner( Lib.) 865 Stdim

Da auch wieder von der berühmten Dynamiffiste die Rede war, so will ich eine interessante Korrespondenz mittheilen, die zwischen dem in der Schweiz lebenden, Algentprovokateur Schröder, und dem Königlichen Polizeirath Strüger gejahrt worden ist. Wir haben Ihnen vor zwei Jahren mitgetheilt, daß Schröder eine Dynamittiste im Hause gehabt hat, und daß ein Theil dieses Dynamites , ats die Kiste auf Betreiben unferer Parteigenossen beschlagnahmt wurde, fehlte. Wir haben damals eine Hülfe, worin ein Theil des Dynamites perpackt war, hier auf den Tisch des Hauses, niedergelegt. Nun, meine Herren, in Auguſt des Jahres 1885 das ist nicht, wie ich hinzufeze, durch den Po- Liberalismus wie das fleinbürgerliche fervile Rückschrittlerthum haben lizeihauptmann Fischer, sondern von dem Statthalteramt Zürich , das dort die Stelle des Untersuchungsrichters versieht, festgestellt worden schrieb Schröder an den Polizeirath Strüger, daß der Schreiner Etter von der revolutionären Propaganda ihm eine Stifte mit Dynamit zur Aufbewahrung angeboten habe, und bat um Befcheid, ob er diese Stifte annehmen solle. Darauf scheint keine Antwort gefommen zu sein. Einige Tage später schrieb er, daß die im vorigen Briefe genannte Sister mit Dynamit von der revolutionären Propaganda zur Propaganda der That bestimmt sei, und daß Jemand, der doch nicht mehr lange zu Teben habe, ein Schwindfilchtiger, vor seinem Tode mit der Dynamit- 15 Wahlbezirk( desgl.): Möbelhändler Tugauer 604 St. Der maffe noch einen Großen minnehmen solle, Kaiser Wilhelmi oder den Stronprinzen. Am 12. August also, wieder einige Tage später, schrieb Schröder abermals an den Polizeirath Strüger, worin er bemerkte: die zu erwartende Ankunft einer stifte mit der braunen Waare( Dynamit) meldete ich Ihnen schon; dieselbe ist nunmehr bei mir eingetroffen, und ich habe die Stifte in meinem Garten vergraben; der Inhalt ist zur Verwendung in Deutschland bestimmt; ich werde die Kiste in Ber­wahrung halten, und werde Ihnen sofort Nachricht geben, wenn die­selbe aus meinen Händen geht, und zwar so zeitig, daß Sie die nöthigen Schritte vornehmen können, um Unglück zu verhüten. Im März 1886 meldet Schröder dann abermals, daß die Stifte mit der braunen Waare noch nicht wieder abgeholt und noch bei ihm vergraben sei, welch lez­teres, beiläufig gefagt, gelogen war. Der Polizeirath Strüger wußte also ein volles halbes Jahr und länger, sogar 9 Monate zuvor, daß Schröder, sein Agent, im Besize einer Stifte Dynamit sich befand, die zu Attentaten in Deutschland bestimmt war. Er fannte die Person, die Schröder diese Kiste gebracht hatte. Schröder war mit dieser Person befreundet, Schröder hat ja alle die bekannten Anarchisten bei fich be­herbergt und mit preußischem Gelde logirt und bewirthet. Und statt daß nunmehr sofort die Ordre von Berlin gekommen wäre, die Kiste sofort. dent. Gerichte zu überliefern. und diejenigen, die solche Pläne hatten, zu verhaften feine Spur von alledem, man wartet ruhig ab. Etter denn dieser ist es, der das Dynamit. Schröder brachte ist später nach Deutschland gekommen und im vorigen Jahre auf Grund des Dynamitgefeßes in Stuttgart hinter verschlossenen Thüren zu 18 Monaten Gefängniß verurtheilt worden. Meine Herren, die Thatsachen find von mir richtig dargestellt, und so sehen Sie also, in welcher Art und Weise die politische Polizei mit diefen Dingen spielt.

-

Außerdem haben wir den Prozeß Wichmann in Hamburg gehabt. Wichmann ist von dem Altonaer Polizeirath Engel direkt instruirt worden, nach Berlin fortgesetzt zu melden, daß die Hamburger Behör den viel zu große Nachsicht mit den Sozialdemokraten hätten, und daß eine andere Wendung der Dinge eintreten müßte. Er hat ihn ferner veranlaßt, in der Freiheit" im Auftrage Engels die sozialdemokra=

Romit. Reichstag , Weltübersicht 2c. werden in anerkennenswerther Kürze in anderthalb Spalten abgefertigt, um Raum zu gewinnen für eine wahre Perle des Humors, betiteltijd 11404

Vortrag

42. Wahlbezirk( Gesundbrunnen ): Gastwirth Gündel 809 St. Der Gegner( Lib.) 790 St.

Die Stimmen der in Stich waht kommenden Sozialisten find: 11. Wahlbezirk( Tempelhofer Vorstadt): Tischler zu beit 1033 St. Gegner: Dr. Jrmer( Reaft.) 687 St., Nentier Gursch( Lib:) 607 St. 17. Wahlbezirk( Juuere Luisenstadt): Bigarrenhändler Börner 482 St. Gegner: St. Richter( Lib.) 634 St., Dr. Häberlin ( Reaft.) 269 St.

27. Wahlbezirk( Stralauer Viertel): Gastwirth Otto Heindorf da473 St. Gegner: Torner( Lib.) 420 St., Hildebrandt( Neakt.) 261 St.

35. Wahlbezirk( Nosenthaler Vorstadt: Expedient Herzfeldt 814 St. Gegner: Dr. Bachler( Realt.) 498 St., Staufmann Thies( Lib.) 361 St.

Im ersten Wahlgange unterlegen sind unsere Genossen nur im: 33. Wahlbezirk( Rosenthaler Vorstadt) Gastwirth Böhl 271 St. Gewählt: Langenbucher( Lib.; bisheriger Vertreter) 745 St., Heinrich ( Reaft.) 147 St.

Der 14 und der 15. Wahlbezirk hatten bereits in der letzten Wahl sozialistisch gewählt. Der 13, 41. und 42. find den Liberalen, der 24. ist der Reaktion abgenommen. Der 11. und 35, waren bisher durch Neaktionäre, der 17. und 27. durch Liberale vertreten.

In den andern, zur Wahl stehenden Streisen haben überall die Libe­ralen über die Neattionäre gefiegt! Dieſe find, troß Aufgebots: aller Sträfte, tros des startells von den Nationalliberalen bis zu den Antisemiten, gründlich aufs Haupt gefchlagen. Gin glänzendes Omen für die kommende Reichstagswahl, das sich die herrschenden Machthaber schwerlich haben tränment laffen. Aber die Schustereien, die sie mit Hülfe des Kartellreichstags ausgeführt, find so zahlreich und so infam,

gefcheibtesten Männer". Fast tönnte man zu der schauerlichen Ver­muthung tommen, der hochbegabte Laffalle habe die gefcheidtesten Männer" in der Arbeiterclasse gesucht. Aber so war's nicht gemeint. Unser Stomiter versteht sich auf den Kontrast. Lassalle " beruhigt er

des Vorsitzenden des Bürgerbundes, Herrn Dr. Heiner, über Sozial­demokratie, gehalten u vor den Mitgliedern des Bürgerbundes und voru, prach stets mit gebührender Achtung von der Monarchie" unb eingeladenen Mitgliedern der Arbeiterpartet zu Gßtingen im Trauben­and mind faal am Samstag den 9. November 1889. Ein etwas langathmiger Titel, aber desto furzweiliger der Juhalt. Zu unsrer Schande müssen wir gestehen, daß wir von einem Stomifer, Dr. Heiner, bis dahin noch nichts gehört haften, obwohl wir eine gewisse

mehr, von v. Bismarck " fagte er: Und wenn wir auch Flinten­schüsse mit Herrn von Bismarck wechseln würden, so müßten wir doch dreingestehen: Er ist ein Mann, ein echter deutscher Mann!" Dieser echte deutsche Mann" ist ein famoser Wis, Herr Dr. Heiner. Natürlich war Lassalle weit entfernt von blinden Umsturzgelüften und Vaterlandslosigkeit, erftrebte vielmehr Besserung des Looses eines

"

Was sollte wohl aus der Welt werden, wenn einmal die Komiter aussterben? Der Gedaute ist so fürchterlich, daß wir ihn gar nicht auszudenken vermögen. Wir fönnen uns die Welt ohne Priester und Soldaten, ohne alte Diplomaten und junge Balletmädchen, ohne Garde Lieutenants und Geheimerathstöchter, ohne Reichsgerichtsräthe und Bett- Schwäche für dieses Genre haben und in Musestunden auch der Theater - jeden deutschen Mannes auf dem Boden des Gesetzes au, i ws bress on= wanzen, ohne Staatsanwälte und ohne Flöhe, wir können sie uns selbst rubrit einen Blick zu weihen pflegen. Und doch muß es ein sehr bedere des Lohnarbeiters." Mit anderen Worten, Lassalle wollte, nicht ohne gottgejalbte Fürsten , ja, mit antiter Selbstverleugnung erflären wir, daß wir sie uns auch ohne Zeitungsschreiber vorstellen können, aber ohne Komiker? Nimmermehr. Der Tag, an welchem der lezte Komiker ftürbe, würde der verhängnißvollste im Leben des Menschengeschlechts fein fein moralischer Todestag. Die Uhr mag stehen, der Beiger fallen das Leben ist dann wirklich nicht mehr werth, gelebt zu werden. Die Menschheit kann sich mit dem Todten begraben lassen.

in den

Zum Glück liegt dieser Moment noch in weiter Ferne. Noch gibt es Komiker, nicht nur bei den lustigen Eskimos, sondern auch in unserm geliebten Vaterland. Ja, Deutschland ist noch reich an Komikern, wie es ja auch noch reich, das reichste Land der Welt ist an Landesvätern. Man findet sie überall wir sprechen von den Komikern Barlamenten und auf den Kanzeln, vor der Armeefront und hinter dem grünen Tisch, auf dem Ratheder und manchmal sogar auf dem Theater. Sie gedeihen in Sachsen und in Breußen, in Bayern und in Mecklen burg, in Reuß ältere und in Reuß jüngere Linie, fie gedeihen in Lippe- Schaumburg und sie gedeihen auch in Schwaben .

Auch in Schwaben gibt cs Romiter. Wahrhafte, gottbegnadete Apostel der Heiterkeit. Sie sind eine um so größere Wohlthat, als das Jahr 1870 eine große Wandlung in dem einst so luftigen Völkchen hervorgebracht hat. Ghedem mußte man einen langweiligen Schwaben mit der Laterne suchen, heute findet man im schönen Württemberg auf Schritt und Tritt Nationalliberale. Gemäßigt" ward die Parole, auch der Narrethei, man hörte nur noch von gemäßigten Schwabenstreichen. Schon gaben wir das früher so ergiebige Ländchen verloren, de zeigt ums plöglich ein Zeitungsblatt, von Freundeshand gesendet, daß unser Bessimismus übertrieben gewesen, daß es nicht nur noch lustige Schwaben, sondern sogar noch lustige nationalliberale Schwaben gibt.

-

"

Das Blatt ist doppelt erfreulich ein Amtsblatt: das Eßlinger Tageblatt"," Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Eßlingen" es trägt das Datum vom 15. November 1889 und die Nummer 267. Fast sein ganzer Juhalt ist der Komit gewidmet, der echten, zwerchfellerschütternden

rühmter Komiter sein, denn in der Einleitung zum Referat über seinen glanzvollen Vortrag lesen wir:

blos das Loos der Proletarier verbessern, sondern auch das der armen Kommerzienräthe und Rittergutsbesiver. Das ist der höchste Selein­bürgerstandpimft, unterbricht hier der Leser. Fehlgeschossen. Das ist nationaler Sozialismus" belehrt ims Dr. Heiner. Und mit unbe sid og.nepalibingsu Sozialismus, meine Herren, bedeutet, in den gesellschaftlichen Ver­hältnissen eine Aenderung, eine Besserung herbeizuführen."

Herr Fabrikant Stiefelmayer eröffnet die Versammlung und heißt die Grschienenen, willkommen und sagt, daß Herr Dr. Heiner sich dazu herbeigelassen habe, bas so schwierige Thema" Sozialdemokratie" zu befchreiblicher Würde führt er fort: handeln und ertheilt dem Redner das Wort."

Sich bazu herbeigelaffen von einem Politiker kann man es allenfalls selbstverständlich finden, daß er auch einmal über Sozial­demokratie spricht, von einem Komiker ist das auf jeden Fall etwas Außergewöhnliches. Erkennen auch wir das an, und schenken wir dar aufhin dem herablafsenden" Komiter fein gemüthvolles Einleitungs­couplet: Wir- vom Bürgerbund"-sein ja die ordentlichsten Leut". Der eigentliche Sermon beginnt, wie folgt:

Die Sozialdemokratie entstand in Deutschland im Jahre 1863 durch Lassalle. Vor dieser Zeit gab es in Deutschland noch keine Sozial­demokratie. Lassalle, ein geborener Jude, war ein.nationalgefiniter Demokrat, er ging mit der damals in Preußen sehr starken Fortschritts= partei, fand bei derselben aber feinen Antlang und wandte sich darum von derselben ab und gegen diefelbe und suchte seine Idee zur Besserung der damaligen sozialen Zustände mit Hilfe der Arbeiterklassen zur Bere wirklichung zu bringen."

Das fängt hübsch an, nicht wahr? Aber hören wir gleich weiter:

#...

Glaubt man nicht Kasperle zu hören, wie er dem flugen Michel aus­einanderseßt, der Mond set eine große. Stall- Laterne? onid Leider sollte der friedlich gemüthliche Lassalle'sche Sozialismus" bald ein Ende nehmen. Lassalle starb staune Welt ichon 1864 an einer Lungenschwindsucht und sein Tod wurde beschleunigt durch eine Verwundung, die er in einem Duell davongetragen."

-

Stünde nicht ausdrücklich da stenographischer Bericht", wir würden geneigt sein, diese Prachtleistung auf Konto eines repor­ternden Stanzleischreibers zu feßen. Aber es ist in der That Herr Heiner wie selbst, der seine Hörer mit dieser Entdeckung erfreut, die er Stobes von Köln seine Ignorantz durchaus sich selbst erworben. Aller­dings, fie ist in gewiffer Hinsicht geradezu genial. Warum soll der Mann, der solchen Sozialismus ausgeheckt, eigentlich nicht schwind­süchtig sein? Wie das Kind, so der Vater. Daß beide in Wirklichkeit etwas anders aussehen, als Herr Heiner sie hinstellt ja nun, dafür Stomifer.

ist er eben Lassalle, der nebenbei gesagt ein hochbegabter und gebildeter Mann war, hatte die Idee, es sollten sich die gescheitesten Männer daran machen, alle bestehenden Uebel und Schäden zum Segen des Vaterlandes und zum Wohle der Menschheit aus der Welt zu schaffen."

#...

In diesem Briefe feßte er auseinander, daß das Bestehen eherner Lohngefeße" wie er es nannte, zu viel zum sterben und zu wenig zum leben biete. Mit diesem Schreiben war 1863 der erste Anfang zur Sozialdemokratie gegeben."

Ein merkwürdiger Mensch, dieser Lassalle. Erst wendet er sich an die Fortschrittler, dann an die Arbeiterklassen, und dann wieder an die

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Machdem der gutte, nur leider etwas schwachbrüftige Lassalle gestorben, tam der böse Ahriman Karl Mary, drehte dem armen Wurm von nationalen, gefeßlichen, alle beglückenden Sozialismus den Hals um und legte statt deffen dem deutschen Vaterland den Wechselbalg Inter­nationaler Kommunismits" in die Wiege.

Nach Lassalles Tode gründete se ar I Marg, feiner Abstam mung nach ebenfalls ein Jude, in London , wo er des Landes verwiesen lebte, die internationale Arbeiter- Assoziation. Marg will Kommunisntus und 1847 hat er sich dahin ausgesprochen, daß

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