- Eine nette Vertheidigung. Die russische Presse, die, was das Ausland anbetrifft, um so radikaler ist, ie mehr sie über die Verhältnisse in der geliebten Heimath in's Horn der autokratischen Regierung bläst, hat sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Art, wie Herr Wißmann in Ostafrika zivilisirt", in bissiger Weise zu fritifiren. Das hat natürlich den Zorn der deutschen Kolonialfanatiker in hellen Flammen aufschlagen gemacht, und in einem der Hauptorgane derselben, der Kölnischen 3tg.", werden die Angriffe der Russen widerlegt? nein, die Thatsachen lassen sich leider nicht abstreiten, da Herr Wißmann sie in ruhmrediger Weise selbst in die Welt posaunt hat jedoch mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, daß der rusfische Volksheld" Skobelew noch ganz andere Heldenthaten verübt habe.
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,, Als Rußland 1881 mit den Teke- Turkmenen im regelrechten Kriege war", heißt es da,„ und Skobelem deren befestigte Hauptstadt GeokTepe nach langer Belagerung gestürmt hatte, überließ er die Stadt seinen Truppen für drei Tage zur Plünderung, wobet, beiläufig be= merkt, unermeßliche Schäße erbeutet wurden, und befahl seiner Reiterei, die fliehenden Turkmenen zu verfolgen und auch der Frauen und Kinder nicht zu schonen. Wirklich wurden deren auch viele Taufende von den Dragonern und Kosaken niedergemacht. Da kam, von russischen Soldaten geleitet, eine Abordnung der vornehmsten Turkmenen aus Geot- Tepe zu dem siegreichen General, um Erbarmen zu erflehen. Gebeugt standen die ehrwürdigen Gestalten der Greise vor dem Sieger. Da rief Skobelew mit seinem bekannten zynischen Lächeln den begleitenden Soldaten zu: Hebt die Keris auf euren Bajonetten in die Höhe!" und im Augenblick waren die Unglücklichen durchspießt in die Höhe gehoben, wurden dann wieder fallen gelassen und auf dem Boden liegend gänzlich niedergemacht. Mir ist( so versichert der Korrespondent) diese grauenhafte Thatsache aus ganz unanfechtbarer Quelle bekannt, und Skobelew erzählte sie auch selbst."
Die Thatsache ist allerdings grauenhaft, fie muß jeden anständigen Menschen empören. Aber wenn die Kölnische 3tg." mit ihr ihren geliebten Wißmann vertheidigen zu können glaubt, so ist sie damit sehr im Irrthum. Dieser Hinweis auf die Schandthaten der Russen ist genau so viel werth, wie die Gepflogenheit der Schulbuben, irgend einen schlechten Streich, den sie ausgeführt, damit zu entschuldigen, daß Andre noch viel schlechtere Streiche verübt hätten.„ Der Friß hat noch drei Scheiben mehr eingeworfen als ich" welcher Lehrer läßt sich durch solche Ausreden abhalten, dem nichtsmuzigen Buben die Strafe zu appliziren, die er verdient hat? ind
Eine nette Reinwaschung des Herrn Wißmann, es noch nicht ganz so barbarisch getrieben zu haben, wie ein Stobelew. Ein schöner Maßstab, diese russischen Bluthunde, für das, was einem Vertreter der europäischen Zivilisation erlaubt ist. Nächstens werden sich die Herren wohl zur Vertheidigung ihrer Gewaltthaten darauf berufen, daß sie doch durchaus nicht so grausam sind, wie Timur Tamerlan !
- Eine ,, Reichsfeindin" weniger. Die Kaiserin Augusta ist gestorben. Die Frau ist wenig an die Oeffentlichkeit getreten, und wo fie es that, hat sie von ihrer kaiserlichen und königlichen Würde" den denkbar geringsten Gebrauch gemacht. Sie hat der Stallatmosphäre am Hohenzollernhof nie Geschmack abgewinnen können, und noch weniger der Bismarck 'schen Stallpolitik. Dafür ist sie denn auch von den Bismarckichen Reptilien gehörig angefeindet und verdächtigt worden. In der Kulturkampfperiode wurde sie dem liberalen Spießer als die schwarze Seele" des preußischen Hofes dargestellt, deren Intriguen den Freiheitshelden Bismarck hinderten, sein geistiges Befreiungswert" mit voller Kraft durchzuführen, und später wurde sie vom Schüßenherzog von Roburg als eine jene unheilvollen Strickerinnen" denunzirt, die Bismards auswärtiger Politit überall Hindernisse bereiten. nämlich das furchtbare Verbrechen begangen, 1871 bei ihrem Mann und und Sohn ein Wort zu Gunsten des besiegten Frankreichs eingelegt zu haben, d. h. gegen die von Bismarck geplante rücksichtsloseste Demithigung deffelben.,
Nun ist jie todt, und die Lästerzungen werden sich nach einem Ersatz umsehen müssen. Deny was wäre der Ruhm und die Größe Bismarcks ohne die unsichtbaren Feinde", denen man alle Mißerfolge in die Schuhe schieben fann?
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Was für ,, Rechtssprüche" in Deutschland vorkommen, das übersteigt nachgerade alle Begriffe. Da lesen wir jest wieder in deut schen Zeitungen:
Als im August v. J. in Hamburg ein Töpferstreit ausgebrochen war, suchte der Mechaniker Karl Otto Mar Reimer in Hamburg zwei andere Arbeiter, die gerade auf einem Bau arbeiteten, zum Mitstreiken zu veranlassen. Als die Leute sich dessen weigerten, erwiderte er, sie möchten sich nur vorsehen, daß sie nicht vom Baue flizen". Der eine ließ sich durch diese Worte nicht irre machen, der andere aber legte die Arbeit nieder. Das Landgericht nahm versuchte und vollendete Nöthigung an und verurtheilte Reimer zu drei Monaten Gefäng: nik Das Herunterfligen" wurde als Hinunterstürzen( fligen bedeutet eine schnelle Bewegung überhaupt) ausgelegt und somit angenommen", daß der Angeklagte die beiden Arbeiter mit Hinunterstürzen, also mit einer perlegung bedroht habe. Nun braucht zwar ein Hinunterstürzen nicht immer eine Körperverlegung im Gefolge zu haben, aber das Reichsgericht„ nahm an", daß dies hier der Fall gewesen sein würde, da das betr. Gerüst sich in ziemlicher Höhe befand, und ver= warf deshalb die Revision des Angeklagten als unbe= gründet." O
Ein bloßer Zuruf, im höchsten Falle eine Drohung: versuchte und vollendete Nöthigung. Ein Jefuit fönnte über solche Rechtsdeduktion errröthen. Und das Reichsgericht, das die Schule Escobars längst in Schatten gestellt hat, kommt hinzu und deduzirt: das Gerüft war ziemlich hoch, folglich involvirt die Drohung eine Störperverlegung. Das Urtheil besteht zu Recht.
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Und der Arbeiter muß für ein Wort auf drei Monate ins Gefängniß. Dafür fönnte ein Gutsbesißer seinen Knecht to dtschlagen - im Rechtsstaat Preußen- Deutschland .
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In Berlin solls wieder einmal„ kri seln". Bismarck , heißt es, sei von der Praxis Herrfurths in der Handhabung des Ausnahmegesetzes gar nicht erbaut, und wolle. auch von einer Konzession im Sinne einer Milderung des Gesezes nichts wissen, während Herrfurth einem Kompromiß mit den Nationalliberalen, bez. deren Abänderungsvorschlägen geneigt sei. Falls das stimmt, und der Nachfolger Puttkamers Charaffer zeigt, dann wird es allerdings sehr bald heißen: Herr furt!
Vielleicht ist das Leztere überhaupt der eigentliche Zweck des ganzen Krakehls. Denn wir haben bereits gezeigt, wie wenig die vorgeschlagenen Milderungen zu bedeuten haben. Man braucht aber einen passenden Vorwand, um Plaz zu machen für den lieben Buttkamer.
Ueber einen siegreichen Ausstand chinesischer Bootsleute lesen wir in amerikanischen Blättern:
" Ihr Talent für Organisation beweisen die Chinesen auch in den dort zu Lande keineswegs ungewöhnlichen Arbeitsausst änden. In Kanton war vor einiger Zeit ein Streit unter den Dschunken- und Bootsleuten ausgebrochen. Die Provinzialbehörden hatten ein neues Zollhaus zur Einkassirung der Inland- Transitzölle in Shekmun eingerichtet. Die Zölle wurden nicht erhöht, aber sie sollten jezt sofort und nicht wie früher erst nach Beendigung der Reise entrichtet werden. Der Zweck der Erbauung des Zollhauses in Shekmun war, dem Schmuggel zu steuern. Dagegen ereiferten sich die Bootsleute und begannen, 60,000 Mann start, auf allen Wasserstraßen oberhalb Kantons einen Ausstand Dann vertrieben sie die Zollbeamten und demolirten das Zollhaus, und um einen Druck auf die Behörden hinderten sie allen Verkehr von und nach der Stadt, de azuen, dem Distrikte mußten geschlossen werden und Privatpersonen wurden gezwungen, Trauer anzulegen. Gewaltthaten wurden jedoch nicht ver= übt. Endlich gab der Vicekönig nach. Er versprach, das Zollhaus in Shekmun abzuschaffen und den Ausständigen zu vergeben."
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Es ist eine bekannte Thatsache, daß der Korperationsgeist kaum irgendwo stärker entwickelt ist als in China . Wohlgemerkt, der Korperationsgeist, der sehr zu unterscheiden ist von dem Klassenbewußtsein des modernen europäischen Proletariats, dessen politischer Ausdruck die Sozialdemokratie ist. Dieser ist einer revolutionärer, jener ein tonservativer, bezw. reaktionärer Faktor. Wenn er z. B. auch innerhalb gewisser Grenzen Arbeitern ermöglicht, als geschlossene Störper
schaft den Unternehmern gegenüberzutreten, so doch immer mur Arbeitern bestimmter Gewerbe, von einer gemeinsamen Aktion der Arbeiter als Klasse hört man nichts. Die Korperation kämpft für ihre Sonderinteressen, hat nur diese im Auge, für die Interessen der Allgemeinheit fehlt ihr Sinn und Verständniß. Daher ist sie allen Neuerungen, die ihr Storperationsinteresse schädigen könnten, feindlich, sie sucht sie mit allen Mitteln zu verhindern, und scheut dabei keineswegs, wie wir oben sehen, vor Gewaltthätigkeiten zurück. Solche reaktionäre Körperschaften unter den Arbeitern findet man nun auch in den modernen Industrieländern, aber sie beschränken sich auf solche Gewerbe oder Arbeitszweige, die noch handwerks- oder manufakturmäßig betrieben werden, oder aus der Manufakturperiode herrühren. Hierhin gehören z. B. an vielen Orten die Bauarbeiter, in Seestädten die organisirten Hafenarbeiter, dann wieder sog. Kunsthandwerker 2c. Aber auch ihre Stunde hat ge= schlagen, immer mehr legt die moderne Technik und die kapitalistische Betriebsweise Bresche in diese Zunftvesten, und öffnet dem Geist der Neuzeit die Pforten. Er treibt den Arbeitern den alten Zunftgeist aus, und unsre Aufgabe muß es sein, dafür zu sorgen, daß mit ihm nicht der Solidaritätsgedanke verloren geht, sondern vielmehr eine erweiterte Grundlage erhält.
Y. Kniehosen und Escarpins haben also richtig in Berlin thren Einzug gehalten. Selbstverständlich bei Hofe. Hoffentlich läßt auch der Zopf nicht mehr lange auf sich warten.isd
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Da wir grad vom Berliner Hof sprechen, wollen wir auch ein= mal ist feinmal zwei recht hübsche Aussprüche der kaiserlichen Prinzen mittheilen, die man sich bei Hofe" erzählt, die aber leider noch nicht den Weg in die Hofpresse gefunden haben.
,, Papa, was ist denn das?" fragte der fleine Eitel- Friß neulich, als er sich in Papa's Zimmer befand, und zeigte auf einen neuen Wandschmuck.
,, Mein Sohn, das ist ein Abreiß- Kalender."
Brauchst Du den, weil Du soviel auf Retfen gehst?" ,, Naseweiser Bengel, zwei Stunden nachererzieren!" war die Antwort. Ein andermal kommt Wilhelm, der Kronprinz, aus der Stunde. Er beschaut sich die Papiere auf dem Tisch. Gleich darauf fragt er: ,, Papa, warum schreibst Du immer I. R. neben Deinen Namen? Heißt das: Ich reise?" Er soll dafür drei Tage des Genusses be= raubt worden sein, die Wache in's Gewehr treten zu sehen. Weiter erzählt man sich immer bei Hofe- daß Wilhelm, als er die Nachricht von der Absehung Dom Pedro's erfuhr, ausgerufen habe:
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,, Schade, ich wollte ihn grade besuchen!" Und nachdenklich soll er hinzugefügt haben:
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,, Wie fomme ich nun eigentlich nach Süd- Amerika?"
Und schließlich wird behauptet, daß nach allerhöchster Anordnung bei dem nächsten großen Fest den Reichsinsignien, die dem Kaiser voran= getragen werden Reichsszepter, Reichstrone, Reichsschwerdt- auch das Reichskursbuch hinzugefügt werden wird.
Boshafte Kreaturen, diese Hofleute, nicht wahr? Aber, on n'est jamais trahi que par les siens man wird immer nur von seinen eigenen Leuten verrathen. Man kann's auch so übersetzen: In Nom find die Kezer am größten.
Eine recht interessante Rebellion in der alleinfeligmachenden Kirche wird aus Italien gemeldet. Der„ Frankfurter 3tg." wird darüber geschrieben:
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Die Frage des niederen Klerus ist wieder einmal und zwar gleichzeitig von verschiedenen Seiten auf die Tagesordnung gestellt worden. An demselben Tage, an welchem der liberale Deputirte Gallo wie telegraphisch mitgetheilt wurde, durch eine Interpellation das Augenmert der Regierung auf die Lage des niederen Klerus leukte, hat der Papst sich über denselben Gegenstand, natürlich in einem andern Sinne und zu einem andern Zweck, in einem Schreiben an den Kardinalvikar ge= äußert. Das Schreiben des Papstes ist von großem Interesse, indem es zum ersten Male offiziell eingesteht, daß ein Theil der unteren Geistlichkeit sich von sektirerischen Umtrieben zur Rebellion gegen ihre gefeßlichen Oberen verleiten läßt und seine Hülfe so verruchten Bestre= bungen leiht." Zur Strafe dafür soll der ganze Klerus von Rom sich einige Tage zu reuigem Gebet in ein Kloster zurückziehen. Von diesem Mittel erhofft der Papst eine wunderthätige Wirkung, aber sie wird ausbleiben, denn die Bewegung, welche die niedere Geistlichkeit ergriffen hat, ist zu stark und wurzelt zu tief, als daß sie auf diese Weise zum Schweigen gebracht werden könnte. Der Papst, der seit Jahren die soziale Frage mit Vorliebe zum Gegenstand seiner Allokutionen und Enzykliken macht und den weltlichen Regierungen gute Nathschläge gibt, wie die Noth der Armen und Bedrückten zu mildern sei, hat ganz übersehen, daß in seinem eigensten Reiche und in seiner lieben Stadt Nom die soziale Frage sich in ziemlich schroffer Weise geltend zu machen beginnt. Das will schon etwas sagen bei der eisernen Disziplin innerhalb der Hierarchie und den rigorosen Machtmitteln der übergeordneten Organe, sie aufrecht zu erhalten. Aber diese„ Nebellion", wie übertriebener Weise der Papst die Bewegung der armen Teufel zur Verbesserung ihrer höchst traurigen Lage nennt, ist wie die meisten revolutionären Bewegungen nicht fünstlich erzeugt, sondern ein natürliches Produkt wahrhaft himmelschreiender Zustände. In Nom gibt es ein nach Hunderten, vielleicht sogar nach Tausenden zählendes Heer von Geistlichen, die ohne sicheres Ginkommen und feste Stellung sich lediglich von dem Honorar ernähren, welches sie für gelegentliches Messelesen erhalten. Ein Theil von ihnen hat es verstanden, sich durch Beziehungen zu den Küstern ein erträgliches Einkommen zu verschaffen, die Mehrzahl aber führt ein Leben voll Entbehrungen und Noth, wohnt vielfach in verrufenen Herbergen mit allerlei bedenklichem Volk und tommt nicht selten wegen Vergehen gegen das Eigenthum in Konflikt mit dem Strafgesez. Seit einiger Zeit erhebt der Vatikan von diesen ,, scagnozzi", wie sie der Volkswiz despektirlich getauft hat, eine be= sondere Tare von 4 Lire, das sogenannte celebret. Das hat die Mißstimmung im Klerus natürlich nur gesteigert, und es ist eine jetzt fogar vom Papst indirekt zugestandene Thatsache, daß Unternehmer und Hauptmitarbeiter eines vor mehreren Monaten in Rom zum Schuß der Interessen des niederen Klerus und gegen den Vatikan begründeten Blattes dem geistlichen Stande selbst angehören. Das geht auch unzweideutig aus der sehr intimen Kenntniß der Verhältnisse und Personen hervor, mit der in dem Blatt die Dinge behandelt werden. Von dem Jammerleben der kleinen Geistlichkeit sticht der Prunk und das üppige Wohlleben der Kardinale und Domherren allerdings seltsam ab. Durch Kumulation von Sinefuren denn von Aemtern ist hier keine Nede wird in einzelnen Fällen ein Einkommen erzielt, das einem fleinen Fürsten als eine sehr wünschenswerthe Zivilliste erscheinen könnte, und der Nachlaß manchen Kardinals berechnet sich nach Millionen. Dabei ist natürlich persönliche Tüchtigkeit und Gelehrsamkeit nicht immer der Maßstab, welcher bei der Auswahl zu den hohen Stellungen in der Hierarchie zur Anwendung kommt. Aristokratische Herkunft und Konnexionen sind auch hier; wie in mancher anderen Hierarchie, die besten Empfehlungen zum Vorwärtskommen. Daß es unter diesen Umständen keiner besonderen Agitation bedurfte, um die„ scagnozzi" zur Nebellion zu bringen, ist ebenso natürlich, wie daß die vom Papste angeordneten Gegenmittel die beabsichtigte Wirkung nicht haben werden. Unter diesen Umständen erlangt aber auch die Interpellation eines liberalen Deputirten über die wirthschaftliche Lage der niederen Geistlichkeit ein erhöhtes Interesse. Es heißt, der Deputirte Gallo würde die Regierung auffordern, zu Gunsten derselben aus eigenen Mitteln zu thun, um sie dadurch inniger an das Königreich Italien zu fesseln und ihren Einfluß für die Regierung zu gewinnen. Liberale, d. h. national gesinnte Priester gibt es bereits eine große Bahl. Vielleicht wird dieſe fich vermehren, wenn ihnen vom Staate die Hülfe kommt, die sie vom Batikan vergeblich erhofft haben."
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Mit andern Worten, die italienische Regierung soll sich einen„ natio= nalen" Stlerus kaufen. Daß diefer besser sein wird, als der päpst= liche, ist einigermaßen zu bezweifeln.
Das beiläufig. An fich ist es sicher eine hübsche Ironie der Geschichte. daß der Papst, der die ganze Welt mit Rezepten gegen die soziale Frage versorgt, der über das Universalmittel gegen dieselbe zu verfügen behauptet, jetzt sie in sein eigenes Haus Einzug halten sieht. Und während dieses Stück sozialer Frage so kinderleicht zu lösen wäre, weiß er kein besseres Mittel gegen dasselbe als- Bannflüche.
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Fortschritt in der Maschinentechnik. C. D. White in Boston hat eine Adresfir- Maschine für Zeitungen erfunden, bei welcher die Adres= firung nicht durch Aufkleben von Zetteln, sondern durch unmittelbaren Abdruck von Typen erfolgt. Nach der in" The Paper World" enthal= tenen Abbildung und Beschreibung arbeitet die Maschine in folgender Weise: Auf einem schmalen, langen Tisch bewegt sich in Schienen ein Schlitten, der Aehnlichkeit mit einem Spaltenschiff hat und den in Abschnitten von genau gleicher Größe getheilten Saz enthält. In der Mitte des Tisches, an dessen Rückseite, ist ein beweglicher Arm angebracht, der mittelst eines Fußtritts zum Niedergang veranlaßt wird. Das abwärts gebogene Ende dieses Armes ist so eingerichtet, daß es beim Niedergang auf die zur Adresse gehörige Sazabtheilung, bezw. auf die da zwischen geschobene Zeitung trifft. Ein kleines Farbwerk schwärzt die Zeilen. Ein elastisches Rähmchen mit Ausschnitt läßt nur die zur Adresse gehörigen Schriftzeilen dem Arm gegenüber vortreten, und eine nicht näher beschriebene Vorrichtung reinigt die abgedruckten Typen von der Farbe. Nach jedem Druck rückt der Schlitten um eine Adresse weiter, und wenn alle Adressen abgedruckt sind, wird ein neuer Schlitten eingeschoben. Bei einiger Uebung der anlegenden Person sollen mit dieser Maschine 50 Adressen in der Minute abgedruckt werden können. („ Sozialiſt.")
Vom Proletariat der ,, Intelligenz". Wir lesen im Brünner Volksfreund":
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,, Glücklich sind Diejenigen, welche etwas gelernt haben, denn ihrer harret ein Leben voll Glanz und Herrlichkeit. Amen. Die Direktion der mährischen Hypothekenbank hat zwei Diurnistenstellen ausgeschrieben, und damit die Auslese ja eine recht große werden kann, wollen wir der Direktion unaufgefordert den Gefallen erweisen und es auch in unserem Blatte bekannt geben, wie wenig" von den Bewerbern verlangt wird und wie viel" man dagegen zu zahlen gewillt ist. Die Bewerber um diese zwei Diurnistenstellen müssen entweder eine Ober- Realschule oder ein Ober- Gymnasium absolvirt haben und der deutschen wie böhmischen Sprache in Wort und Schrift vollkommen mächtig sein, dagegen beziehen sie einen Gehalt Lohn kann man bei diesen Proletariern der Feder nicht gut sagen, denn das würde sich nicht schicken von täglich einem Gulden. Ist das nicht genug? Ein Hilfsarbeiter in der erstbesten Wäscherei dürfte auch einen Gulden täglich verdienen; bekunden die Herren damit nicht, daß sie Arbeitsleistung eines absolvirten Oberreal- oder Gymnasialschülers, der beider Landessprachen vollkommen mächtig ist, auf gleiche Stufe stellen mit der Arbeit eines Tagelöhners? Wo bleibt bei solchen Ausschreibungen die sonst so gebräuchliche Nebensart von dem höherem Werthe der qualifizirten Arbeit? Diese armen geistigen Tagelöhner find wirklich sehr zu bedauern, aber nicht deshalb, weil sie so wenig be= kommen, sondern weil sie mit fo wenig zufrieden sind." Sehr richtig. Erst wenn das ,, gebildete Proletariat" sich nicht mehr als besondere klasse gegenüber der großen Klasse der Proletarier fühlt, wird auch das anders werden.
Polemisches. Es geht uns die Nr. 5 des Cincinnatier ,, Volks anwalt zu, deren erster Artikel in einem offenen Brief des Herrn W. L. Rosenberg an den Herausgeber dieses Blattes besteht. Welchen Zweck immer dieser ,, offene Brief" sonst hatte, er ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man unter Sozialisten nicht polemisiren soll. In der That, in demselben Augenblick, da Herr Rosenberg sich darüber beklagt, daß man ihn und seine Freunde, troß aller ,, persönlichen Opfer", die sie gebracht, dem Verdacht ausseße, sie haben den grundlegenden Prinzipien des Sozialismus den Rücken gekehrt", scheut er sich nicht, uns, weil wir seine und seiner Freunde Tattit verurtheilt, der schmutzigsten Motive zu verdächtigen. Wir fönnten mit gutem Gewissen über diese Verdächtigungen stillschweigend hinweggehen, sie richten sich in den Augen fedes anständigen Menschen um so mehr von selbst, als jedem aufmerksamen Leser unseres Blattes und des ,, Sozialist" zur Zeit der Redaktion Rosenberg die sehr wesentlichen grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und jener Redaktion tein Geheimniß sein konnten. Am allerwenigsten waren sie es der Redaktion selbst, die viel mehr die erste Gelegenheit benußte, sich an uns zu reiben. Aber wir wollen doch darauf eingehen, weil die Art, wie Herr Rosenberg gegen uns vorgeht, typisch für seine Kampfesweise ist, und insofern es erklärt, wieso die gegenseitige Verbitterung drüben einen so hohen Grad erreichen konnte.
Gleich in der Einleitung werden wir belehrt, daß wir aus einem Brief Rosenbergs an die Expedition hätten lernen können ,,, jeden Schein der Parteilichkeit sorgsam zu vermeiden". Was wird unser Zenfor dazu sagen, wenn wir ihm gestehen, daß wir auf diesen, wie auf manchen andern ,, Schein" gar nichts geben? Soweit wir Partei nehmen, haben wir gar keinen Grund, es zu verheimlichen; wir halten es für richtiger, offen heraus unsern Standpunkt zu bekennen, als unter dem Schein der Unparteilichkeit hinterrücks zu schlagen.
Dann heißt es weiter:
,, Statt dessen lassen Sie uns klar durchblicken, daß, wie mir ein altbewährter Kämpe des Sozialismus aus Deutschland schreibt und der durchaus nicht uneingeweiht in dem Sanktum Ihres Blattes ist, in der That noch die alte Aveling- Affaire mitspielt"; daß es also die reine persönliche Ranfüne für Dummheiten und Nichtsnußigkeiten Anderer ist, welche Ihnen die Feder gegen uns, die wir in letter Linie nichts Anderes erstrebten und erstreben, als die hiesige Partei von Aben= teurern und Humbugern zu säubern, um den von der Majorität der hiesigen Sozialisten längst ausgedrückten Willen der politischen Unab= hängigkeit der S. A. P. zu realisiren, in die Hand gedrückt hat."
Wir wissen nicht, wer der ,, altbewährte Kämpe" ist, der die zitirten Worte geschrieben haben soll, und in welchem Sinn er sie geschrieben, und konstatiren nur soviel, daß wer es auch sei, er jedenfalls nur vermuthungsweise gesprochen haben kann. Dabei sind wir jedoch weit entfernt, zit bestreiten, daß diese Vermuthung in gewisser Beziehung zutrifft. Jawohl, wir gestehen offen ein, daß die alte Aveling- Affäre" bei unserer Beurtheilung des Konflikts in der amerikanischen Partet mitgespielt" hat. Denn diese Affäre, die nicht ohne Zuthun Rosenbergs und seiner Freunde eine öffentliche geworden, hat uns seinerzeit gezeigt, mit welch bodenloser Gewissenlosigkeit gerade W. L. Rosenberg bei der Hand ist, Jemand, der einen audern Standpunkt vertritt als er, die persönliche Ehre abzuschneiden. Wer, wie Rosenberg damals, nicht davor zurückschreckt, wichtige Briefe zu unterschlagen, die, wenn den Genossen rechtzeitig bekannt ge= geben, jenem Streit von vornherein die Spize abgebrochen hätten, wer sich nicht scheut, um persönlicher Ranküne willen einen Genossen, der sich ihm vertrauensvoll in die Hand gegeben, wider besseres Wissen vor aller Welt als einen Schwindler hinzustellen, der kann nicht erwarten, daß diejenigen, die diese alte Affäre" fennen, seinen jetzigen Anschuldigungen gegen andere Genoffen auch nur den geringsten Glauben schenken. Wem seine Berbohrtheit eine der= gelinde ausgedrückt artige Kampfesweise gestattet, der begibt sich des Rechtes, Glauben für seine Anklagen zu beanspruchen.
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Wer das Vorstehende zu scharf ausgedrückt findet, den verweisen wir auf das Zirkular W. Liebknechts vom 16. Mai 1887, worin es flipp und flar heißt, daß die Grefutive, wie ich ihr auch schon geschrieben, Aveling eine Ehrenerklärung schuldet".
Die Ehrenerklärung ist natürlich nicht erfolgt, da leider selbst solche Genossen in Amerika , die sich überzeugt hatten, daß die Erekutive im Unrecht war, diese im Parteiinteresse nicht desavouiren wollten. Dieses System, durch Unterschlagung der entscheidenden Thatsachen den Widersacher in ein falsches Licht zu stellen, ist auch im„ Sozialist" fortgesetzt worden und hat jene Verbitterung erzeugt, für die Rosenberg jetzt die„ New- Yorker Volkszeitung" und deren Redakteur Schewitsch ausschließlich verantwortlich machen möchte. Wir glauben nicht an Herenmeister, auch nicht an den Herenmeister Schewitsch, so wenig wir glauben, daß die Genossen in New- York , die zu neun Zehnteln gegen die alte Erefutive Stellung nahmen, sämmtlich Beamte oder Kreaturen der New- Yorker Volkszeitung" sind. Wir haben vielmehr alle Ursache anzunehmen, daß sehr viele darunter keineswegs mit der Volksztg." durch Dick und Dünn marschiren, sondern nur zur Ueberzeugung gefonimen waren, daß die von der alten Erefutive beobachtete Halting mit dem Partei- Jnteresse unverträglich sei.
Was uns speziell anbetrifft, denen Herr Rosenberg in seiner liebenswürdigen Manier vorwirft: