II. Regelung der Sonntagsarbeit.

1. Ist die Arbeit an Sonntagen der Regel nach, und Nothfälle vor= behalten, zu verbieten?

2. Welche Ausnahmen find im Falle des Erlasses eines solchen Ber­botes zu gestatten?

3. Sind diese Ausnahmen durch internationales Abkommen, durch Gesetz oder im Verwaltungswege zu bestimmen?

III. Regelung der Kinderarbeit.

1. Sollen Kinder bis zu einem gewissen Lebensalter von der indu­striellen Arbeit ausgeschlossen werden?

2. Wie ist das Lebensalter, bis zu welchem die Ausschließung statt­finden soll, zu bestimmǝn?

Gleich für alle Industriezweige oder verschieden?

3. Welche Beschränkungen der Arbeitszeit und der Beschäftigungsart find für die zur industriellen Arbeit zugelassenen Kinder vorzusehen? IV. Regelung der Arbeit junger Leute.

1. Soll die industrielle Arbeit jugendlicher Personen, welche das Kindesalter überschritten haben( I 2), Beschränkungen unterworfen werden?

2. Bis zu welchem Lebensalter sollen die Beschränkungen eintreten? 3. Welche Beschränkungen sind vorzuschreiben?

4. Sind für einzelne Industriezweige Abweichungen von den allge­meinen Bestimmungen vorzusehen?

V. Regelung der Arbeit weiblicher Personen. 1. Soll die Arbeit verheiratheter Frauen bei Tage oder bei Nacht eingeschränkt werden?

2. Soll die industrielle Arbeit aller weiblichen Personen( Frauen und Mädchen) gewissen Beschränkungen unterworfen werden?

3. Welche Beschränkungen empfehlen sich in dem Falle?

4. Sind für einzelne Industriezweige Abweichungen von den allge= meinen Bestimmungen vorzusehen und welche?

VI. Ausführung der vereinbarten Bestimmungen. 1. Sollen Bestimmungen über die Ausführung der zu vereinbaren den Vorschriften und deren Ueberwachung getroffen werden?

2. Sollen wiederholte Konferenzen von Vertretern der betheiligten Regierungen abgehalten werden und welche Aufgaben sollen ihnen ge­ftellt werden?

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,, Ebenso traurig wie interessant lesen wir in der Frant­furter Zeitung" ist der Ausgang der Stich wahl im Kreis Hanau Gelnhausen- Orb. Vor drei Jahren siegte der Deutsch­freifinnige. Diesmal wurden beim ersten Wahlgang abgegeben 8447 sozialistische Stimmen, 7549 für's Kartell und 5849 für die Deutsch­freifinnigen. Es fand Stichwahl zwischen dem Sozialisten und dem Kartelliten statt. Die Deutschfreifinnigen rächten sich dafür, daß sie nicht in die Stichwahl kamen, an den Sozialisten, indem sie für den Kartellbruder, ihren Erbfeind", stimmten, so daß dieser siegte. Nach dem Sieg melden nun sämmtliche Blätter den Sieger nicht als Kartell­bruder oder Nationalliberalen, sondern als Konservativen, was den wahrhaft freisinnigen Leuten allerdings einerlei ist."

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Das Interessante" an der Geschichte ist, daß der Sieg des Deutschfreisinnigen 1887 ausschließlich der Hilfe des So= zialdemokraten geschuldet war. Damals hatten erhalten in der: Hauptwahl Stichwahl 10,420 08 11,709 11,806 J

Konservative Freisinnige

Sozialdemokraten

5475

5203

Hätten die Sozialisten nicht Mann für Mann gegen den Konservativen gestimmt, der Freisinn hätte aus eigner Kraft nun und nimmer den Sieg errungen, sondern wäre elend unterlegen. Halte man jetzt dagegen die 1890er Zahlen:

Konservative

Freifinnige

Sozialdemokraten

Hauptwahli

75492

5849

8447

Stichwahl 11,128

10,632

Man sieht, schon im ersten Wahlgang waren wir dem Reaktionär über und hätten wir glänzend gefiegt, wenn die Herren Deutschfreisinnigen auch nur Stimmenthaltung geübt hätten. Aber sie gingen hin und wählten o der Helden den Bis märder.

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Die Frantf. 3tg." hat Recht, das ist eine traurige Geschichte die Herren Freifinnshelden.

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für

Der einzige, oder doch einer der ganz vereinzelten Wahlkreise, wo wir bei der diesmaligen Wahl weniger Stimmen erhielten als 1887, ist der 11. sächsische Wahlkreis( Grimma­Wurzen). Dort erhielten wir diesmal 1319 Stimmen weniger als 1887. Es ist sehr interessant, den Ursachen dieses Rückganges näher nachzu­forschen. Von den sächsischen sozialistischen Arbeiterblättern erklärt der Leipziger Wähler", der Mangel an agitatorischen Kräften habe dieses unerwünschte Resultat gezeitigt. Dort", schreibt er, wo wir Genossen haben, welche öffentlich auftreten können, und wo wir auch Säle zu Versammlungen bekamen, wie z. B. in Grimma , haben wir auch Fortschritte gemacht. In der Amtshauptmannschaft Grimma sind wir bon 350 Stimmen auf 704 gestiegen". Wo aber die Sozialisten nicht öffentlich eingreifen und die albernen Verläumdungen, welche die Ord­nungspresse aushedte, zurückweisen fonnten, sei ein Theil der früher fozialistischen Stimmen dem Freifinn zugefallen. Dieser", heißt es weiter, verfolgt eine ganz schlaue Tattit, er greift die Sozialisten gar nicht an und dadurch wird bei den politisch nicht geschulten Arbeitern der Glaube erweckt, als wären beide Parteien eine Partei. Ja selbst in der Mügel 'schen Gegend würde den Oschaker Genossen der Vorwurf gemacht, sie hätten einen großen Fehler gemacht, daß sie zwei Kandi­daten, Buchheim und Pinkau, aufgestellt hätten...

Das Sächsische Wochenblatt in Dresden mißt ebenfalls dem zweideutigen Verhalten der Freisinnigen, insbesondere der frei­finnigen Wurzener 8tg.", die wesentliche Schuld an dem unerfreulichen Resultat bei. Der Hauptgrund dieses Rückganges", schreibt es, liegt in den sentimentalen persönlichen Gefühlen des Mitleids 2c., mit welchen Gelehrer man dem gemaßregelten freifinnigen Lehrer Thiele, der in Wurzen ein freifinniges Blatt gründete, entgegenfam. Heuchlerisch- freundschaftlich gegen die Sozialdemokratie, dazu leider empfohlen und unterstüßt, so

wußte er die Genossen der hervorragenden erblätter zunehmen, daß

fie, statt stramm Propaganda für die zu treiben, sein Blatt, die Wurzener Zeitung" im ganzen Kreise einführten. Da fich dieselbe sehr radikal geberdete, wurde sie allgemein als ein versteckt sozialistisches Blatt, ihr Herausgeber als ein vertappter Sozialist an­gesehen. Das ging soweit, daß man zur Nachwahl 1889 in vielen Orten wohl den Namen des liberalen Kandidaten, nicht aber des so­ zialistischen fannte, zum Theil auch vermeinte, beide Parteien gingen zusammen. Daß die 6039 Stimmen, die der Freifinnige erhielt, nur ein Scheinerfolg find, da sie zum größten Theil dem Kontingent der Sozial­demokratie angehören, geht am Besten daraus hervor, daß die Frei­finnigen es in diesem Kreise 1884 auf 282, 1887 auf ganze 337 Stimmen brachten. Auch auf größeren Abfall des Bürgerthumis vom Kartell find die freisinuigen Stimmen nicht zurückzuführen, sonst müßte dasselbe einen größeren Rückgang aufweisen, als den thatsächlichen von 12,982 auf 10,505. Es wird der ganzen Energie und Opferfreudigkeit der Genossen dieses Kreises bedürfen, um den durch dieses höchst unpolitische Verhalten entstandenen Schaden wieder wett zu machen, denn seit Herr Thiele im Sattel figt, fämpft er mit allen Mitteln der Eugen Richter 'schen Schule, wie das, abgesehen von seinen Ungezogenheiten in der Wurz. 3tg." und im Volkswart", sein Verhalten gegen seinen ehemaligen Faftor, den Ausgewiesenen Schmidt( test gewählt in Mittweida ), gezeigt hat". Unter dies n Umständen ist der Rückgang allerdings sehr erklärlich. Aber wir zweifeln feinen Augenblick, daß die Genossen des betreffenden Wahlkreises in verhältnißmäßig furzer Zeit die Scharte auswegen werden. Haben sie doch immerhin, und mit dieser relativ erfreulichen Feststellung wollen wir diese Notiz schließen, gegen die, Ende vorigen Jahres stattgehabte Nachwahl bereits einen fleinen Aufschwung zu ver= zeichnen. Damals hatten sie 2354 Stimmen erhalten und diesmal 2556 Stimmen. Es geht also auch hier troß alledem vorwärts!

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Genosse Bebet veröffentlicht in deutschen Blättern folgende Erflärung:

Der großartige Ausfall der Wahlen zu Gunsten der Sozialdemo­fratie bringt das Reptiliengemüth der Norddeutschen Allgemeinen Zei­tung" und ihrer Affiliirten in begreifliche Erregung.

Ju ihrem Ingrimme verdächtigen fie die Partei als eine franzöfifche Partei, die voll und ganz Frankreich angehöre".

Zur Bekräftigung dieser Behauptung druckt die Nordd. Allgemeine| gearbeitet; er steht in der Stichwahl mit den Ieritalen. Breit, 3tg." eine Tendenzlüge der Münchener Neuesten Nachrichten" ab, wo­nach meine Kandidatur in Straßburg von Paris aus angeregt und auch durch Geld von dort unterstügt worden sei.

Darauf habe ich zu erklären, daß ich bereits bei mehreren früheren Reichstagswahlen Kandidat meiner Parteigenossen für Straßburg war und auch diesmal wieder auf deren ausdrückliches An= suchen dazu mich bereit erklärte.

Das Geld zur Wahlagitation ist theils durch meine Straßburger Parteigenossen, theils durch Bewilligungen des Zentral- Wahl­Komite's unserer Partei aufgebracht worden. Es ist eine Perfidie zu behaupten, Geldbeiträge für die Wahl seien aus Paris bez. aus Frankreich gekommen.

Bei der bekannten Niedertracht der Gesinnung der kartellistischen Preßtofaten werde ich nicht verlangen, daß sie diese Berichtigung in den Spalten ihrer Blätter aufnehmen. Es genügt mir, dieses Ver­leumdervolk hiermit gebührend angenagelt zu haben. Dresden - Plauen, den 2. März 1890.

A. Bebel."

Eine wohlverdiente Ohrfeige für das Lumpengesindel, das die Lüge ausgeheckt, und für die großen und kleinen Schufte, die sie weiter fol­portirt haben.

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Der hohe Senat der Universität Königsberg hat wieder einmal das Bedürfniß gefühlt, den Nachweis seiner Befähigung zum Haustnechtsinstitut zu erbringen. Er hat, wie die Blätter be= richten, laut rechtskräftigem Erkenntnißvom 7. März einen Studenten der Medizin unzulässiger Begünstigung der sozialdemokratischen Bestrebungen, und demgemäß dieses demgemäß ist eine wunder­volle Wendung wegen Verlegung der akademischen Sitte und Ordnung, mit der Relegation( Ausstoßung) be straft. Zugleich hat die hochweise Körperschaft eine Warnung an die Studentenschaft ergehen lassen, dieses Exemplum ad notam zu nehmen und sich von jeder Betheiligung an jenen Bestrebungen fern zu halten". Es gibt also nicht, wie harmlose Gemüther auf Grund des Wort­lauts des obigen Verdikts wähnen könnten, neben der unzulässigen" auch eine zulässige Begünstigung der sozialdemokratischen Bestrebungen, etwa innerhalb gewiffer formeller Schranken. Mit herzerfrischender Offenheit gesteht der Senat, daß es nicht die Art der Begünstigung, sondern die Tendenz, nichts als die Tendenz ist, die er hat treffen wollen. Vielleicht setzt uns einer unsrer Leser in der Stadt Immanuel Kant's und Johann Jacoby's in den Stand, die Umstände dieses fezzer­gerichtlichen Erfenntnisses näher zu beleuchten. Eine Probe, wie solche zu Stande gebracht werden, findet sich in der Denkschrift über die Wirkungen des Sozialistengesezes unter der Rubrik Die Universitäten und die Sozialdemokratie". Sie behandelt die Relegation des Studenten Joh. Weiß von der Königsberger Universität. Aus der ebenso kurzweiligen wie nicht ergöglichen- denn wen kann die Erbärmlichkeit ergötzen? Geschichte wollen wir heute nur die eine Thatsache hervorheben, daß zu den Urhebern des feßergerichtlichen Erkenntnisses u. A. auch Herr Professor Hans Pruz gehört, Sohn des großen Demokraten Robert Pruz. Ihn haben, wie es scheint, die Lorbeeren eines andern Hans nicht schlafen lassen, dessen Vater zufällig auch Robert hieß. Robert Blum wurde erschossen und sein Sohn stimmte für die Todesstrafe. Robert Bruzz dichtete:

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Und

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Nennt uns nicht Kezer, treibt nicht Spott, Auch hier, wo unsre Fahnen wehen, Der freie Geift ist auch ein Gott!"

Nun schwebt mit leisem Flügel

Die Freiheit durch die Welt

Sie weiht mit heißem Ruße Den Jüngling und den Mann

Daß im Palast, mit Zittern, Ein bleicher Mann erwacht".

Sein Sohn aber, geboren in der Zeit, da der Vater wegen seiner Tendenzen von der Universität vertrieben, heimatlos umherzog, verweist Studenten wegen ihrer Tendenzen von der Universität. Der Eine erschießt seinen Vater, der Andere verjagt ihn zum zweiten Male. Die Herren Söhne sind eben nationalliberal.

Die zartfühlenden Sachsen . Aus Dresden , 7. März, wird dem Berl. Volksblatt" geschrieben: Die sozialdemokratischen Mitglieder des Landtags brachten Anfangs der Woche folgenden Antrag ein:

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Die Stammer wolle beschließen, die königliche Staatsregierung aufzufordern, sie möge die nöthigen Maßregeln veranlassen, damit die Arbeiter in ihrem gerechten Vertheidigungskampf gegen den Boykott von oben fünftighin von den Behörden nicht gehemmit und gestört werden".

Dieser Antrag ist jedoch von dem Büreau des Landtags nicht zum Druck befördert und den Antragstellern zurückgegeben worden mit der Begründung, daß der Inhalt und Wortlaut für die Behörden beleidigend seien. Man sieht, wie nervös empfindlich man hier ist. Die sozialdemo­fratischen Abgeordneten werden den Antrag nun anders formuliren". Nach Lage der Sache blieb ihnen natürlich nichts Andres übrig. Denn die Hauptsache ist, die fächsische Regierung zu zwingen, Farbe zu bekennen, ihr beschworene verfassungsmäßige Gleichheit Aller vor dem Gesez" vor aller Welt festzustellen, daß dieselbe auch in diesem Punkt die von mit Füßen tritt.

aus Spremberg ausgewiesen, steht ebenfalls zur Stichwahl in einem Wahlkreis der Provinz Brandenburg . Diese erfolgreiche Minirarbeit der Ausgewiesenen" ist ein Beitrag zur Beurtheilung des vielum­strittenen Ausweisungsparagraphen."

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Wir können diese Liste, bemerkt dazu die Berl. Volksztg."," durch den aus Berlin ausgewiesenen Reißhans ergänzen, derselbe tommt in Erfurt und in Sonneberg ( Meiningen II) zur Stich= wahl."

Wieder ist eine neue Schandthat der russischen Henker gegen politische Gefangene, und obendrein gegen Franen, an das Tageslicht gezogen worden. Es handelt sich um die brutale Nieder­peitschung einer Gefangenen in der Kara in Ostsibirien, Frau Sigida. Dieselbe hatte, nachdem ihr und ihrer Mitgefangenen Vers such, durch freiwilliges Hungern ihrer schändlichen Behandlung eint Ende zu machen, fehlgeschlagen, um endlich eine amtliche Untersuchung ihrer Beschwerden herbeizuführen, einen Beamten, der sich brutal geg: n sie benommen, geohrfeigt, und war dafür zu 100 Peitschenhieben ver­urtheilt worden. In der ersten Meldung über diese schändlichste aller In­famien hieß es, Frau Sigida habe sich aus Erregung über die ihr an­gethane Schmach selbst das Leben genommen. Wie der russische Nevo­lutionär Stepniat aber auf Grund authentischer Berichte in einer Zuschrift an die Times" feststellt, ist das letztere nicht der Fall, Frant Sigida ist direkt den Wunden erlegen, die sie durch die Knuten der Gendarmen erhalten, das heißt deutsch ge= sprochen: sie ist zu Tode gepeitscht worden. Die Schergent des Baren hieben so lange auf die Unglückselige ein, bis sie unter den un= barmherzigen Streichen das Bewußtsein verlor und für todt gehalten wurde. Sie war es noch nicht, aber sie erholte sich von den Folgen der entsetzlichen förperlichen und seelischen Erschütterungen nicht mehr, bis der Tod ihren Leiden ein Ende machte.

Wahr dagegen ist, daß als die Nachricht von diesem brutalen Morde unter den anderen Gefangenen bekannt wurde, drei derselben, von Schmerz und Verzweiflung erfaßt, ihrem Leben freiwillig ein Ende machten. Es waren dies Marie Kaluznaja, Varie Paulowna Kowa­lefstaja und Nadeschda Smirnitskaja. Wie das Gift in ihren Besitz ge= langt, ist heute noch unaufgeflärt; wahrscheinlich hatten sie es schon früher als äußerstes Zufluchtsmittel gegen Mißhandlung und Entehrung heimlich mit sich geführt. Der Beamte, auf dessen Befehl die bar­barische Strafe an Frau Sigida vollzogen wurde, ist der General­gouverneur der Provinz Amur, Generallieutenant Baron v. Korff. Ewige Schmach über den Namen dieser Bestie in Menschengestalt. Eine zarte, hochgebildete Frau wegen eines bloßen Disziplinarfehlers zu zu Tode peitschen, ist eine Infamie, die ihren Urheber dem Haß und der Verachtung der ganzen zivilisirten Welt überliefert.

Kurz nach den Selbstmord der drei Frauen starb, gleichfalls plöẞ= lich und unter Anzeichen, welche auf einen Selbstmord schließen lassen, ein Bruder der Marie Kaluznaja, ebenfalls ein politischer Gefangener. Es ist nicht endgiltig festgestellt, daß er Hand an sich selbst gelegt; es mag auch sein, daß der Kummer über den Tod seiner zärtlich geliebten Schwester ihn getödtet hat. Ein anderer Verbannter, Bobokow, beging Selbstmord, um der Demüthigung und den Schmerzen einer über ihn verhängten Prügelstrafe zu entgehen. Er war Universitätslehrer ge= wesen und hatte sich den Behörden durch Betheiligung an einer studen= tischen Demonstration mißliebig gemacht.

Stepniak weist hinsichtlich der Angabe, daß der Zar habe eine Unter­suchung beantragt, darauf hin, daß die Auspeitschung, wie auch alle sonstigen Brutalitäten, auf direkte Ordre von Seiten der Zentralregierung in St. Petersburg zurückzuführen sind, nämlich auf das Edift vont März 1888. Das Ministerium des Innern ist demnach für die Wieder-= einführung der förperlichen Züchtigung politischer Gefangener, welche 1877 aufgegeben worden war( nachdem Trepoff die Prügelstrafe über Bogoluboff verhängt hatte) direkt verantwortlich.

Zugleich kommt die Nachricht, daß der Gouverneur von Ostsibirien, Ostaschin, in dessen Gebiet und mit deffen Zustimmung die Greuel in Yakutsk verübt wurden, der insbesondere die Todesurtheile gegen die von einem scheinbaren Kriegsgericht Verurtheilten vollstrecken ließ, nicht bestraft, sondern im Gegentheil befördert worden ist.

Das ist das Rußland, das in Europa die Befreterrolle gu spielen die Frechheit hat!

spot orig

Korrespondenzen.

Bremen . Das war auch für uns ein Ehrentag, der 20. Februar ein gewaltiger Einbruch in die bürgerliche Gesellschaft, in das Bollwerk der Bremer Geldfürsten.

Als das Stichwahl- Resultat bekannt gemacht wurde, da hatte man es so fein eingefädelt, daß unser Kandidat immer zurück war, es fehlten nur noch zwei Bezirke( vielleicht war es berechnet, um noch im letzten Augenblick Erbitterung, womöglich Exzesse unter den Arbeitern hervor= zurufen, das gehört ja auch mit zur Berzweiflung), schon lösten sich die Gruppen enttäuscht auf da, ein neuer Schub, Bruhns ist vor, und jezt der lezte: Bruhns 16,404, Papendick 15,895. Die Hurrahrufe brausten von einem Ende der Stadt zum andern, die Gegner zogen sich zerfnirscht zurück und feierten ihre Niederlage in stiller Resignation. Es gab keine Illumination, auch feinen Fackelzug, aber ein einfacher Leier­kasten zog durch die Stadt und verkündete den Sieg des Arbeiterkan didaten Bruhns. Ein Droschkenkutscher hatte den Leierkasten neben sich auf den Bock gestellt und jagte, in einer Hand die Zügel, mit der andern den Leierkasten drehend, mit Windeseile durch die Straßen;

hinter ihm her die Polizei. Ob sie ihn erwischt, und wo sie ihn erwiſcht quad that, wissen wir nicht.( Er wollte ja nur die Niederlage seines Kollegen Papendick verkünden; derselbe hat nämlich eine Aktiengesellschaft für Droschfen gegründet, daher die Freundschaft.) ont

der

Aber, wie jämmerlich die Ausrede des sächsischen Kammerpräsidiums! digend". Von einem beleidigenden Wortlaut tann überhaupt Inhalt und Wortlaut des Antrages seien für die Behörden belei gar nicht die Rede sein, und wenn der Inhalt des Antrags Zweifel an der Unfehlbarkeit der ausführenden Behörden- beleidigend" ist, nun, so ist es das Recht und je nachdem die Pflicht der Volks vertreter, in folcher Weise zu beleidigen. Das wissen natürlich die hochweisen Leiter der sächsischen Kammer sehr gut. Wo ein bürger­liches Interesse in Frage kant, ist es schon hundertmal geschehen, aber wenn das schlechte Gewissen sich nicht anders helfen fann, so wird es plötzlich empfindsamingoll

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g00] ililoq sid sam diodd til deeds Im Großen und Ganzen schreibt man uns haben dien Behörden in dem soeben beendigten Wahlkampf sich weniger unanständig benommen als bei früheren Gelegenheiten die Reptilien presse hatte stritten Befehl, sich zu mäßigen dafür haben die Kartellparteien es privatim" um so toller ge­trieben. Aus allen Theilen Deutschlands laufen Nachrichten über uns glaublich brutale Exzesse ein, die von den sogenannten Ordnungs­parteien gegen die Oppositionsparteien, namentlich gegen die Sozialdemokraten, verübt worden sind. Bei Berlin , bei Stade , bei Leipzig , in Altona , in Duisburg und an zahlreichen anderen Orten, haben die sogenannten Ordnungsparteiler die ihnen eigene Bestialität zur Schau getragen, und uns auf diese Weise handgreiflich ad oculos demonstrirt, weffen wir uns zu versehen gehabt hätten, falls es diesen rohen Stulturfeinden gelungen wäre, fich der Klinke der Gesetzgebung nochmals zu bemächtigen. Wohlan sie sind geschlagen, und das deutsche Volt wird hoffentlich dafür sorgen, daß fie nicht wieder auf die Beine und in den Sattel kommen. lad volurdun on -In der Wahlbewegung, schreibt eine liberale Sorrespondenz, haben die aus Berlin , Hamburg und Leipzig Ausgewiesenen die größte Rolle gespielt. Wir wollen nicht hervorheben, daß Bebel und Liebknecht aus Leipzig , Singer aus Berlin ausgewiesen ist. Die verschiedenen, aus Berlin ausgewiesenen Sozialisten haben namentlich in der Provinz Brandenburg eine vom unerhörtesten Erfolge begleitete Agitation für die Partei entwickelt. Der Vergolder Ewald nahm seinen Aufenthalt in Brandenburg ; er fommt in dem Wahlkreis in Stich wahl. Drechsler Tabbert, viel genannt in dem Prozesse Ihring- Mahlow und dann aus Berlin ausgewiesen, setzte sich in Luckenwalde fest; es wurden in dem Wahlkreis für Tabbert 7,845 Stimmen abgegeben, für Kropatscheck( fons.) 7,373, für Langen­bucher( freif.) 5,063; bis dahin war in dem Wahlkreis von der Sozial­demokratie wenig zu spüren. Klempner Lücke, aus Berlin ausge= wiesen, hat in st öln mächtig für die sozialdemokratische Propaganda

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Unsere Gegner waren vor der ersten Wahl ihres Sieges sicher, d. h. die Kartellbrüder. Der Freisinn schlich, den Keim des Todes in sich tragend, nur noch als Jammerbild einher. Ein panischer Schrecken er­griff beide. Parteien, als das Resultat bekannt wurde, und der Kaut­schulmann, Dr. Bulle, sezte alle Hebel in Bewegung, um die tapferen Mannen des Freisinns vor den Karren der ihm von Natur aus so verwandten Partei, der Nationalliberalen, zu spannen, und sie haben denn auch geschlossen für Papendick gestimmt.")

Aber alles umsonst, unsere Wähler sind uns nicht nur treu geblieben, sondern wir sind mit noch einer Reserve von 1640 Stimmen zur lrne geschrittent.indin

Unsere( Segner haben zur Stichwahl ganz verzweifelt und mit schmugi­gen Waffen gefämpft, der alte Stohl, wie Umistürzler", die Sozialistent wollen die he abschaffen", das Eigenthum zerstören"," Theilen" mit einem Wort, den" Sklavenstaat" einführen", wurde wieder auf­gewärmt. Es existiren hier drei große Blätter, aber keines davon hat auch nur eine einzige Entgegnung von uns aufgenommen, wir waren ausschließlich auf Versammlungen und Flugblätter angewiesen. Noch im legten Augenblick, am Tage vor der Stichwahl, erließen die Gegner ein Flugblatt, worin ihnen der Angstschrei entschlüpfte, Bremische Wähler, vereinigt Euch gegen den Eindringling, den fremden Hand­werksgefellen!" 14,764 fremde Handwerksgesellen, das hat denn auch böses Blut gemacht, und unserseits wurde darauf mit einem Flug­blatt prompt geantwortet. Unser Kandidat, Julius Bruhns , hat mit ehrlicher Waffe gekämpft, mit der Waffe des Wissens, er hat sein Debüt als Reichstagskandidat gut bestanden.

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Vor allen Dingen aber verdient die Opferfreudigkeit und Energie unserer Genossen lobend hervorgehoben zu werden, sie haben fast leber­menschliches geleistet. Hier in Bremen haben wir die Bahn freigemacht, wir haben es in Zukunft nur mit einer Partei zu thun und das ist unser Wunsch gewesen. Nur noch einige vergleichende Zahlen: 1885 Lieb= fnecht 7743 Stimmen; 1890 Bruhns, Hauptwahl, 14,764, Stichwahl 16,404 Stimmen.

Stettin , 7. März. Wir haben hier in Pommern auf unsere Kan­didaten insgesammt 18,000 Stimmen vereinigt, gewiß ein Erfolg, mit dem wir zufrieden sein können. Was hier an Verläumdungen und Gehässigkeiten gegen unsere Partet geleistet worden ist, übersteigt alle Begriffe. Hier in Stettin hat ein freisinniger Fabrikdirektor unsere Stimmzettel in die Tasche, statt in die Urne gesteckt. Daß er fein

*) Dieser Beschluß ist übrigens für uns von Vortheil gewesen, unsere Parteigenossen wurden hierdurch zur äußersten Thätigkeit angesport.