Existenz in Frage gestellt wäre. Denn, sobald die Macht der Bour- 100 Millionen in Produktivgenossenschaften untergebracht und gesellgeoisie gebrochen, würde die neue Gesellschaft der Hülfe des König- schaftlich„ befreit" wird! thums nicht mehr bedürfen und letzteres würde von mun an ihrer ausschließlichen Herrschaft hindernd in Wege stehen. Dies gilt überhaupt von dem Königthum der sozialen Reform. Um seiner selbst willen kann das Königthum nicht ehrlich und voll die Interessen einer unterdrückten Gesellschaftsklasse vertreten.
Die Arbeiterklasse wird ihre Emanzipation nur threr eigenen Kraft und Einsicht verdanken. Nie= manden son st."
Und:
" Wann, wo also find die politischen Bedingungen, unter welchen an eine Verwirklichung des Lassalle 'schen Vorschlages gedacht werden fann?
Soll die Arbeiterklasse so lange warten, bis sie die politische Herrschaft erobert hat?
Ich vermuthe, dann wird sie andere Dinge zu thun, dann wird sie Besseres zu verrichten haben!
Was, das lese man in den folgenden Abschnitten nach!"
Und nun geht Bracke dazu über, die ökonomische Bedeutung des Lassalle 'schen Vorschlages zu analyfiren.
Will man nun aber selbst auch", schreibt er,„ den fast unmöglichen Fall setzen, daß die politischen Konstellationen der Verwirklichung des Lassalle 'schen Vorschlages einmal günstig werden könnten, so erscheint derselbe dennoch nicht als ein Mittel, die Emanzipation der ArbeiterKlasse herbeizuführen.
Lassalle spricht freilich aus, daß sich alles Andere von selbst und mit Nothwendigkeit aus dem Anfange entwickeln werde, wenn nur der Anfang nicht im Kleinen, sondern im Großen ausgeführt würde. Wie sich das Lassalle eigentlich gedacht hat, ist nirgend ausgesprochen. Den allgemeinen Gedanken nur hat er entwickelt: Die am meisten zur Assoziation geneigten Arbeiterkreise beginnen zunächst mit der Gründung der Produktiv- Assoziationen, und zwar wahrscheinlich jedesmal die sämmt= lichen Arbeiter eines Gewerks in der betreffenden Stadt. Das nöthige Kapital dazu bekommen sie durch eine Staatsbank. So entsteht eine Reihe großer Assoziationen. Diese treten mit einander in Verbindung, gründen Kredit- und Assekuranzverbände, zentralisiren sich mehr und mehr. Immer neue Assoziationen entstehen. Der Ackerbau wird in die Bewegung hineingezogen. Die Organisation gliedert und vollendet sich, bis sie schließlich im Stande ist, die ganze Gesellschaft zu umfassen. Dann ist die Gesellschaft nichts weiter, als eine einzige große, orga= nifirte Assoziation und der Gegensatz von Kapital und Arbeit, Unternehmergewinn und Lohnarbeit sind aufgehoben.
Es ist schade, daß sich die ökonomische Entwicklung nicht in dieser Weise am Faden zupfen läßt.
Gleich beim ersten Schritt stoßen wir auf unüberwindliche Hindernisse.
Da sind die sämmtlichen Maschinenbauer von Berlin . Dieselben wollen eine einzige große Assoziation bilden. Den Befizern der Maschinenfabriken paßt das aber nicht. Sie wollen ihre Fabriken entweder gar nicht, oder nur zu einem enormen Preise verkaufen. Dieser Preis ist für die Assoziation unerschwinglich; die Assoziation muß mit den Maschinenfabriken anderer Städte konkurriren können, sonst kann sie nicht bestehen und die betreffende Kommission würde den Staatskredit nicht bewilligen. Es bleibt nichts übrig, als daß die neue Assozlation eine neue große Fabrik baut. Dann ist einfach eine Fabrik desselben Genres mehr als früher da, und zwvar innerhalb der tapitalistischen Produktion und ganz auf demselben Boden stehend, den jede andere Maschinenfabrik auch einnimmt, und ganz von derselben Bedeutung.
Man fann einwenden: In solchem Falle werden die Besitzer der Berliner Maschinenfabriken er propriirt. Ganz gut, ich hätte Nichts dagegen. Aber es ist zehn gegen eins zu wetten, daß weder die besitzenden Klassen, noch das Königthum jemals gutwillig folche Erpropriationen gestatten würden. Der Bourgeoisie ginge es damit direkt an ihr Leben und das Königthum würde sich sagen, daß diese Expropriationen schließlich auch vor dem Throne nicht stehen bleiben dürften. Die Arbeiter müßten damit also doch hübsch so lange warten, bis sie die Macht der besitzenden Klassen und des Königthums über den Haufen gerannt!
Das aber liegt auch nicht in dem Lassalle'schen Vorschlag. Laffalle will durch Finanzoperationen das nöthige Geld beschaffen für ble großen Assoziationen der Arbeiter, aus denen sich alles Andere nachher mit Nothwendigkeit entwickeln soll."
Wüßte ich nur, auf welche Weise das möglich wäre!
Es bilden sich also Assoziationen, hier eine und da eine. Hier wird eine Fabrit gekauft, dort eine gebaut u. s. w. Eine Reihe solcher Assoztationen existirt. Gut. Diese Assoziationen haben aber gar keinen revo= Intionären, umwälzenden Charakter, sondern genau denselben Charakter, wie jedes andere derartige Geschäft. Nur mit dem Unterschied, daß innerhalb dieser Assoziationen eine gerechtere Vertheilung des Arbeitsertrages stattfindet. Sonst ist Alles beim Alten; die Assoziationen stehen mitten in der kapitalistischen Produktion.
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Angenommen, die Arbeiter sind fleißig, wie das sicher zu erwarten steht; die Assoziationen werden gut geleitet; ihre Produkte sind gesucht. Das Geschäft geht also gut und wirft etwas ab. Die Mitglieder der Assoziation, die ja noch ganz und gar in den heutigen Eigenthumsverhältnissen stecken, werden zu kleinen Kapitalisten. Vielleicht legen fie thre Ersparnisse wirklichen Entbehrungslohn, Ersparnisse von der eigenen Arbeit in Eisenbahn -, in Bank- oder in Bergwerksaktien an. Recht angenehm für dieselben. Aber wie das nun der Anfang fein soll zu einer Umwälzung der Gesellschaft, das mag ein Anderer verstehen! Selbst angenommen, die Mitglieder dieser Assoziationen fämen nicht auf den Gedanken, ihrerseits wieder Lohnarbeiter anzunehmen, so würde bei ihnen doch eine gewisse Befriedigung über ihre bevorzugte Stellung und das Streben Plaz greifen, dieselbe zu erhalten.
Statt die Träger eines revolutionärun Prinzips zu sein, würden diese Assoziationen der revolutionären Weiterentwicklung sich reaktionär gegenüberstellen. Indem eine Anzahl von Arbeitern aus ihrer Klasse e mporgehoben würde, würde diese Anzahl auf= hören, mit ihrer Klasse zu denken, zu fühlen; ihre eigenen Intereffen würden sich unabweisbar geltend machen.
Aber die Zahl der Assoziationen vermehrt sich.
Diese treten dann sämmtlich mit einander in Verbindung, gründen Kredit- und Assekuranzverbände.
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Das wäre ihrem Charakter ganz angemessen. Ganz innerhalb der mit der Eigenthumlichkeit, tapitalistischen Produktionsweise stehend, daß sie in sich Kapital und Arbeit mit einander versöhnten würden sie das Streben fühlen, sich aneinander an- und von der übrigen Gesellschaft abzuschließen. Sie würden eine Sette bilden innerhalb der kapitalistischen Produktion. Und mit ihren Verbänden für Kapitalkredit und ihren Assekuranzen gegen Kapitalverluste würden Kapital. fte nur noch mehr festgenagelt werden an ihr Wo bleibt da ihr revolutionärer Charakter, wo bleibt die Emanzipation der Arbeiter klasse, auf die es doch ankommt? Während dieser Entwicklung mun produziren die Privatunternehmer ihrerseits frisch darauf los.
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Es ist aber glücklich gelungen, eingerechnet die ersten 100 Millionen Staatshülfe, ein Stapital von 500 Millionen in die Hände der Probuttivgenossenschaften hinüberzuleiten.
Während derselben Zeit hat sich das nach Milliarden zählende Privatkapital vielleicht verdoppelt oder doch um Milliarden vermehrt. Man ist also eigentlich wieder nicht vom Fleck gekommen. Die Assoziationen müssen also neuerdings bedeutend vermehrt werden!
Aber die Privatunternehmer befinden sich sehr wohl in dieser besten aller Welten und sind lieber bereit, noch einmal so eine Maiwoche zu veranstalten, wie die von 1871 zu Paris ,- als daß sie ihren Privatbesiz gutwillig opferten.
Sie müssen also expropriirt werden, die Eigenthümer der Bergwerke, der Eisenbahnen, der Fabriken, des Grund und Bodens!
Das aber liegt nicht in dem Lassalle'schen Vorschlage; der Lassalleneuen Finanzoperation! sche Vorschlag macht das mit einer
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Und nun betrachte man doch diese Finanzoperation selbst, wie sie Lassalle vorgeschlagen und mit ihren Folgen entwickelt hat! die obendrein nicht einmal auf Aus den ersten 100 Millionen, ben Tisch gelegt", sondern nur auf dem Kreditwege beschafft zu werden branchen, werden nach 14 Jahren mit Zinseszinsen 200 Millionen, nach 28 Jahren 400 Millionen u. s. f., und es dauert gar nicht lange, bis der ganze Arbeiterstand durch die auf Kredit gepumpten
Mit andern Worten: durch Zins und Zinseszins vermehren sich die 100 Millionen so sehr, daß sie bald das ganze vorhandene Stapital aufgesogen haben; wenn das geschehen ist, find alle Produktionsmittel in den Händen der Assoziationen: die soziale Frage ist gelöst!
Ich sehe dabei noch davon ab, daß jenes erste Kapital auf dem Kreditwege zinsfrei zu haben sein müßte!
Die Rechnung ist dennoch so absurd, daß sie bei Lassalle geradezu befremdet.
Wenn sich auf solche Weise das ganze vorhandene Kapital in furzer Zeit in die Hände Desjenigen bringen läßt, welcher sich auf dem Streditwege 100 Millionen zu beschaffen weiß, dann hat Mancher allein im Deutschen Neiche die Anwartschaft darauf. Der preußische Staatsfäckel aber, der von den 5 Milliarden Franken leicht 500 Millionen zu diesem Zwecke disponibel machen kann, wird bald das Kapital der ganzen Welt, fraft des Zinses und Zinseszinses, übergeschluckt haben! Es erinnert das an die Geschichte von dem vor 1000 Jahren verzinslich angelegten Papitale, aus dem jetzt mit Zins und Zinjeszinsen ein Klumpen Gold geworden ist, größer als die ganze Erde!
Lassalle wußte doch, daß jedes einzelne Kapital von 100 Millionen dieselbe Attraktionskraft besitzt, wie jenes den Assoziationen zugewandte. Lassalle wußte auch, daß neben diesem Kapital das ganze, im Privatbesize befindliche Kapital bestehen blieb! Er wußte auch, woher die Stapital rente stammt; und doch diese Rechnung!"
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Bis hierher Bracke. Um auch Lassalle gerecht zu werden, wollen wir zunächst die Aufstellungen desselben, gegen die Bracke hier polemifirt, im Wortlaute( den Bracke an anderer Stelle seiner Schrift gibt) folgen lassen. Sie ist dem„ Arbeiterlesebuch" entnommen und lautet:
Aber Herr Schulze hat ausgerufen: Woher sollen wir die Tau= sende von Millionen nehmen, die dazu erforderlich wären? Sie sehen, man will Ihre Phantasie erschrecken! Es sind keine Tausende Millionen dazu erforderlich. Nehmen Sie einmal einen Moment an, wir hätten nur hundert Millionen Thaler zu unserm Zweck. Wir hätten dann für die erste Zeit noch viel zu viel! Weit mehr, als wir im Anfang wirklich für Assoziationen verwenden fönnten! Der Kapitalzins steht zu 5 Prozent im Allgemeinen. Dieser Kapitalzins ist nicht zu verwechseln mit dem Unternehmergewinn. Der Kapitalzins wird von dem Unternehmer selbst dem Kapitalisten bezahlt. Diese 5 Prozent geben jährlich 5 Millionen Thaler, die man gleichfalls von Neuem, wenn wir jene 100 Millionen hätten, zu demselben Zwecke, zur Gründung von Arbeiter- Assoziationen, austhun könnte. Durch die Kraft des Zinseszins würden binnen 14 Jahren diese jährlichen 5 Millionen das Kapital verdoppelt haben, und wir würden von da ab 200 Millionen haben, so daß wir von nun ab 10 Millionen jährliche Zinsen hätten, welche wir für Arbeiter- Assoziationen verwenden könnten. Nehmen Sie nun an, daß im Durchschnitt aller Gewerbe auf ein Kapital von einer Million Thaler ungefähr 4000 Arbeiter arbeiten können; dies ist eine ganz beispielsweise von mir gemachte Annahme, die wahrscheinlich eher eine viel zu geringe ist, als eine zu hohe. Die Zahl ist übrigens gleichgiltig, fie dient hier nur als Beispiel. Auf Grund der 100 Millionnn Thaler also könnten sich 40,000 Arbeiter assoziiren; das wäre mit ihren Familien, wenn wir sie durchschnittlich auf 5 Personen veranschlagen, eine Bevölkerung von 2 Millionen; mit 10 Millionen jährlichen Zinsen könnte neuen 40,000 Arbeitern jährlich die Möglichkeit der Freiheit und des Wohlstandes erblühen und somit neuen 200,000 Menschen, oder während der er sten 14 Jahre, so lange wir nur 5 Millionen jährlich annehmen, mindestens wiederum neuen 20,000 Arbeitern mit ihren Familien jährlich, und so wäre ein Weg gegeben, der in einer bestimmten Zeit Euch Alle aus der Wüste führt, alle arbeitenden Klassen der Gesellschaft ohne Ausnahme. Aber das ist noch nichts! So viel seht Ihr doch ein, daß ein industrieller Gewerbszweig dem andern in die Hände arbeitet; was für den Einen sein Industrieprodukt ist, ist für den Andern der Rohstoff, auf und an welchem er seine Arbeit anfängt. Der Gerber arbeitet dem Schuhmacher in die Hand, der Tuchfabrikarbeiter dem Schneider, die Eisen- und Stahlarbeiter arbeiten dem Maschinenbauer, dieser wieder hundert andern Gewerken in die Hand n. f. f. Wenn also z. B. erst 70 oder 80 Ge werke im Großen assoziirt wären, so brauchte das 71ste gar kein neues Geld, sondern es brauchte nur den Kredit der 70 früheren und hätte es an diesem Kredit die hinreichende Bedingung seiner Eristenz, denn es bezieht von diesen bereits bestehenden Gesellschaften seinen Rohstoff und seine Maschinen. Und wenn nun 71 folcher Assoziationen bestehen, so kann eine 72ste sich ohne nenes Geld bilden, und wenn erst 150 bestehen, fönnen nene 20 ohne neues Geld sich bilden und in jenem Kredit die Bedingung ihrer Arbeit haben. So sehen Sie, daß meine frühere Rechnung, es würden jedes Jahr auf Grund der neuen 5 oder 10 Millionen neue 20,000 oder 40,000 Arbeiter befreit werden können, noch eine viel zu geringe ist, und daß, wenn die Affozi irung erst fortgeschritten wäre und sich entwickelt hätte, weit größere Massen sich jährlich assoziiren und zum Licht der Freiheit und des Wohlstandes hindurch dringen könnten, weit größere Massen und in weit schnellerer Zeit, als durch mein früheres Rechenegempel gegeben ist. Darum habe ich Ihnen schon in meinem Antwortschreiben gesagt, daß alle diese Arbeiter- Assoziationen in einem Kreditverband unter einander zu stehen haben."
Sozialpolitische Rundschau.
don London , 16. April 1890. Es gibt Dinge, die unerwähnt vorübergehen zu lassen, geradezu unmöglich ist. Deutsche Arbeiterblätter, und nicht nur diese, haben mit Recht die zelotischen Beschimpfungen und Verdächtigungen der Bergarbeiterbewegung gegeißelt, zu denen neuerdings die ölnische Zeitung" sich und das will bei diesem Blatt etwas heißen erniedrigt. Jm vorigen Jahre hatte das Hauptorgan der rheinischen Bourgeoisie einen, soweit man überhaupt von einem Kapitalistenblatt erwarten kann, leidlich sachlichen Standpunkt eingenommen, jetzt überbietet es in wüsten Schimpfereien die erbärmlichsten aller literarischen Hausknechte des Ausbeuterthums. Woher dieser Wechsel? Nun, die Herren Grubenbarone haben die relativ objektive Haltung damals höchst ungnädig vermerkt und mit Entziehung ihrer Freundschaft, im Nothfalle sogar Verhängung von Acht und Bann gedroht, und das zog. Das Weltblatt schaffte sich einen neuen Berichterstatter an oder wurde er ihm angeschafft? und zwar keinen andern als den bezahlten Agenten der Grubenbarone, Generalsekretär Dr. Beumer. Die Leser des„ Sozialdemokrat" haben diesen Herrn bereits in seinen Leistungen als unparteiischer Berichterstatter" aus den famosen Deutschriften der Unternehmerdeputation fennen gelernt, die Ende vorigen Jahres mit Kourierzugsgeschwindigkeit die sozialen Zustände Englands „ Studirte". Nun, die damaligen Leistungen des Herrn sind nichts im Verhältniß zu seinen Studien" im rheinischen Bergarbeiterdistrikt. Wir können nicht alle seine Auslassungen, welche die Arbeiterpresse und die dem Fabrikantenthum noch nicht ganz verpfändete Presse gebührend. tiefer gehängt haben, hier zum Abdruck bringen, aber eine derselben, die ganz besonders kennzeichnend ist, foll auch unsern Lesern nicht vorenthalten bleiben.
In einem seiner Berichte, in dem der Herr„ Doftor" unter Anderm auf die Autorität einiger mißvergnügter Frauen hin verschiedene Führer der bösen Ausständischen schwarz in schwarz geschildert, heißt es am Schluß:
" Das bedeutendste Nadau- Element stellen die Polacken, deren Sachfengängerei hier nicht weniger als Landesunglück empfunden wird wie im Osten; an sie schließt sich alles, was an unreifen jungen Lüm= meln vorhanden ist, und diese beiden Kategorien, welche bei den Reichstagswahlen ihre schätzbaren Stimmen wuchtig in die Wagschale werfen, terrorisiren die dritte Gruppe, die älteren Hauer, welche fich der guten Löhne erfreuen und gern in diesen fetten Jahren für die zweifellos kommenden schlechtern Zeiten etwas zurücklegen möch= fen. Diese zu beschüßen, ist die Pflicht der öffent= lichen Gewalt, und wenn dieser Pflicht nachgekommen wird, wird fith zeigen, auf weffen Seite sich die öffentliche Meinung befindet. Wann
man den neuesten Aftenband Bergarbeiterausstand" schließen kann, ist noch nicht mit Bestimmtheit vorherzusagen. Gründlich aufräumen mit der ewigen Unruhe und die Gewaltherrschaft der jüngeren Zehntausend wegfegen wird jede Krise, welche über den Bergbau fällt und zur massenhaften Entlassung der Arbeiter führt; wir wollen sie im Interesse der Arbeiter, des Bergbaues und der deutschen Industrie nicht wünschen. Es ist nur die höchste Zeit, daß dieser herr= liche Frühling wieder verschwinde, welcher das Faullenzen zu angenehm macht, daß unser Herrgott in seinem Zorne furchtbaren Regensturm niederströmen läßt, der die Menschheit ernüchtert und die Leute herabsteigen läßt, indem er sie von der Erdoberfläche vertreibt, welche jett viel zu schön ist, als daß man sie verlassen möchte." Kann man roher, kann man zynischer nein, drücken wir uns deutsch aus kann man hündischer schreiben, als im Vorstehenden der Fall? Es wird unmöglich sein, etwas Niederträchtigeres in der an Niederträchtigkeiten gewiß nicht armen Soldpresse des Kapitalistenthums aller Länder ausfindig zu machen. Die Verlogenheit des ehrenwerthen Generalsekretärs springt in die Augen. Man braucht nur den Satz von den„ unreifen jungen Lümmeln" zu lesen, die ihre Stimmen bei der Neichstagswahl in die Urne werfen, der Herr thut, als wüßte er oder sein Publikum nicht, daß die Ausübung des Wahlrechts an die Ueberschreitung des vollendeten 25. Lebens= jahres gefnüpft ist. Oder sind die Arbeiter dann auch noch unreife junge Lümmel", sind sie es vielleicht ihr ganzes Leben hindurch? Die ganze Wuth des Patrons und der Patrone, in deren Namen er schreibt, gegen das allgemeine Wahlrecht liegt in diesem Satz von den schäßbaren Stimmen". Ja, die jungen Arbeiter, die man nicht so leicht einschüchtern kann, wie die abhängigen Familienväter sie sind eine wahre Landplage. Darum laß Pech und Schwefel auf fie regnen, Gott im Himmel da droben, dessen höchste Mission es ja ist, den Profit zu schützen, auf daß sie froh find, wenn man ihnen überhaupt noch gestattet, in die stickigen Gruben hinabzusteigen Der herrliche Frühling" ist ja doch nur für uns, Deine guten Kinder, da". Noch einmal, der Bube, der das Obige geschrieben, heißt Beumer und ist Generalsekretär des rheinisch- westphälischen Fabrikantenvereins!
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Die Osterwoche hat, wie alljährlich, so auch dieses Jahr eine Reihe wichtiger Arbeiterkongreffe versammelt gesehen.
In Löwen, der Hauptburg des belgischen Ultramontanismus, tagte am 6. und 7. April der Jahreskongreß der belgischen Arbeiter: Partei. Derselbe war sehr zahlreich besucht; 169 Delegirte, die gegen 150 Organisationen vertraten, gaben von dem erfreulichen Wachsthum der Partei Zeugniß. Der Kongreß besiegelte die Bereinigung der ArbeiterPartei mit der seinerzeit unter Führung von Defuiffaug ausgetretenen Opposition, die sich damals sozialistisch- republikanische Partei " nannte ( daher die von vielen Blättern gebrachte, leicht zu Irrthümern Anlaß gebende Nachricht, die Arbeiterpartei habe in Löwen ein Bündniß mit Sen Republikanern" geschlossen). Weiter faßte der Kongreß eine Reihe wichtiger, auf den inneren Ausbau und die Agitation bezüglichen Beschlüsse, von denen wir folgende hier erwähnen:
Um die in Paris gefaßte Refolution, betreffs der Achtstundendemonstration zur Ausführung zu bringen, sollen nach einstimmigem Beschluß
,, alle Arbeitergruppen und Reformverbände den 1. Mai feiern, wobei die Organisirung der Feier, ob durch Arbeitsruhe, ob durch Umzüge oder durch Versammlungen ihrer freien Entscheidung überlassen bleibt".
Die für den 25. Mai geplante Manifestation zu Gunsten des Allgemeinen Stimmrechts wird, mit Rücksicht auf die Nähe der vorerwähnten Manifestation einerseits und der Provinzialwahlen, auf den 10. August festgesetzt.
Die Streittasse der Partei wird aus einer obligatorischen in eine fakultative verwandelt, da die großen Verbände sich über Doppelbesteuerung beschweren.
Zu den bevorstehenden allgemeinen Wahlen sollen die der Partei angehörenden Gruppen soviel als möglich selbstständig in den Kampf gehen, doch bleibt es ihnen freigestellt, unter der Bedingung der vollen Aufrechterhaltung ihres Programms, zeitweilige Wahlbündnisse einzugehen. Es soll eine von allen Kandidaten der Partei gemeinsam zu erlassende Erklärung ausgearbeitet werden.
Der Generalrath der Partei wird aus den Genossen J. Volders, A. Delporte, L. Verryken, G. Defuet, L. Bertrand und D. Vandendorpe zusammengefeßt.
Am 15. August soll ein Kongreß derkorporativgenossenschaften stattfinden zur Herstellung eines Verbandes derselben. Alle zur Partei zählenden Bergarbeitergruppen werden dringend aufgefordert, ben Internationalen Bergarbetter- Kongreß von Jolimont zu beschicken. Der nächste öffentliche Jahres- Kongreß der Partei soll in Verviers stattfinden. Gegen das von der Negierung eingebrachte Unfallversicherungsgesetz wird in ausführlicher Resolution einmüthig Protest eingelegt, weil es ein Geschent an die Unternehmer auf Kosten der Steuerzahler, in letter Linie der Arbeiter, bedeutet, und ein Gesetz verlangt, das die Kosten den Unternehmern auferlegt.
Einstimmig wird ferner folgende Resolution angenommen:
„ Die auf ihrem Nationalfongreß in Löwen versammelte bel= gische Arbeiterpartei sendet der deutschen Sozialdemokratie ihren Glückwunsch zu ihrem jüngsten Wahlerfolg, und zu der von ihr im Namen der internationalen Solidarität der Arbeiter ener= gisch betriebenen Propaganda."
Der Bericht des Parteitomites weis sehr interessante Zahlen über das Wachsthum der belgischen Bewegung in ihren verschiedenen Organisationen auf, die wiederzugeben uns leider der Raum fehlt. Dagegen entnehmen wir dem Bericht mit Genugthuung die Mittheilung, daß die Partei nach Kräften dazu beiträgt, ihrem verdienten Witgliede C. de Paepe den ihm so nöthigen Aufenthalt im Süden zu ermöglichen. Wir freuen uns, daß der Stand der belgischen Partei, wenn er auch nicht alle Erwartungen erfüllt hat, doch ein so hoffnungsvoller ist, und fenden der Partei zu dem so günstig verlaufenen Kongreß unsern besten Glückwunsch.
- Das schweizerische Städtchen Olten im Kanton Solothurn sah nicht weniger als 247 Vertreter aus allen Theilen der Schweiz versammelt, die der Einladung zum zweiten großen Arbeitertag der Schweiz Folge geleistet. Sie vertraten 37 größere Verbände und 90 fleinere Vereine mit zusammen 114,449 Mitgliedern. Alle religiösen und politischen Richtungen innerhalb der schweizerischen Arbeiterschaft waren darunter vertreten, doch überwog, wie die Zusammensetzung des Büreaus und die gefaßten Beschlüsse ergaben, das vorgeschrittene sozialistische Element. Das Bürcan bestand aus Scherrer ( St. Gallen) und Lang( Zürich ) Präsidium; Ho u st( Chauxdefonds) und Vogelsanger( Chur ) Schriftführer; Brandt( St. Gallen) und Perrenoud( Chauxdefonds) Uebersetzer , sowie 4 Stimmen zählern.
Hauptgegenstand der Verhandlungen waren die Frage derkran ten und Unfallversicherung, die Frage der obliga: torischen Berufsverbände und Gewerkschaften und die Erweiterung des Fabritgefeges. Sorgfältig ausge arbeitete Referate wurden dazu gehalten von Th. Curti, H. Greu= lich, W. Cornaz, Dr. Decurtins und H. Scherrer. Der Grundton derselben, sowie der sich an sie schließenden Debatte war nach dem„ Grütlianer" folgender:" Energische Straftentfaltung für eine Reform, die teine bloße Schein, sondern eine wirkliche Sozialreform ist." Dasselbe Blatt faßt die in Bezug auf die vorerwähnten Materien gefaßten Beschlüsse wie folgt zusammen:
„ Der Arbeitertag erklärt sich für die Befugniß des Bundes zur Or ganisation des Versicherungswesens. Er fordert zunächst und als dringend die staatliche und für Lohnarbeiter obligatorische Unfall und Strankenversicherung auf Grundlage der von Arbeiterjekretär Greulich vorgelegten Thesen und der gefaßten Beschlüsse( Antrag Seidel): Streichung der Karrenzzeit, d. h. die Krankenkassen sollen feine Unfälle, die mit dem Betrieb zusammenhängen, unterstügen müssen; Letztere fallen ganz zu Lasten der Unfallversicherung u. s. w. Damit die Arbeiter nicht zu schwer belastet werden, sind zuschüsse aus dem Ertrage von Bundesmonopolen in Aussicht zu nehmen." Bezüglich Berufsverbänden, Arbeiter Gewerkschaften und Fabrikgesetz- Erweiterung: 1. Es sei eine Partialrevision der Bundesverfassung zu verlangen, welche dem Bunde die Kompetenz gibt, das