denkenden Menschen in Deutschland muß gezeigt werden, welcher Nieder­tracht deutsche Kapitalisten und ihre Sykophanten fähig sind, und barum, mit Verlaub, edle Herren vom Verein mit dem langen Namen:

Tiefer hängen!

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Vor Allem die eigenen Brüder die Arbeiter. In den westeuro­päischen Ländern gibt es bereits in den gefeßgebenden Versammlungen solche Erwählte der Arbeiterklasse, die den dort sizenden Herren" nicht zurückstehen. Mit der Zeit wird es auch bei uns solche Arbeiter geben. Außer den Arbeitern können auch solche Leute nüßlich sein, die zwar ihrer Herkunft nach den höheren Klassen angehören, die aber mit den Arbeitern so stark sympathisiren, daß man ihnen ohne Furcht vertrauen

litischen Flüchtlingen, die der alten Bewegung angehören, und aus hier legal studirenden Russen, die nach Verlauf der Studienzeit nach Ruß­ land zurückkehren. Ein Theil der Studirenden verhält sich den ver­schiedenen revolutionären Theorien gegenüber indifferent, während der an­dere meistens Revolutionäre sozialdemokratischer Färbung abgibt, dank dem Umstande, daß die frisch ankommenden jungen Leute, die noch von politischen Vorurtheilen frei sind, im Auslande Gelegenheit haben, die

Ueber die Propaganda unter den russischen kann. Peter Alexejew spricht mit Begeisterung von der intelligenten westeuropäische Arbeiterbewegung kennen zu lernen. Gerade diese find

Arbeitern.

Auf die, in Nummer 14 unseres Blattes unter Polemit" veröffent­lichte Einsendung geht uns eine längere Replik zu, deren wesentlicher Theil in einer wörtlichen Uebersetzung der angefochtenen Plechanow­schen Vorrede besteht. Da wir der Ansicht sind, daß durch Abdruck dieser die Debatte wesentlich vereinfacht wird, so lassen wir sie hiermit vollinhaltlich folgen. Dagegen waren wir aus technischen Gründen ge= zivungen, an den Ausführungen des Einsenders verschiedene Kürzungen borzunehmen, wobei wir uns jedoch bemüht haben, kein wesentliches Argument desselben zu unterdrücken. Ned. d. S.-D."

Geehrte Redaktion!

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Da Herr G. Beck in seiner Einsendung in Nr. 14 des Sozialdemo= trat" behauptet, hier in Paris in öffentlicher Versammlung russischer Sozialisten feinem Widerspruch auf seine Kritik gegen die Plechanow '= sche Vorrede begegnet zu sein, so gestatten Sie wohl, daß ihm von Parts aus auf dieselbe geantwortet wird. Sonst niöchte der deutsche Leser, der die russischen Verhältnisse wenig kennt, den Eindruck erhalten, es sei in der That, wie es nach Beck scheinen sollte, von Plechanow ein Attentat auf die Unschuld der russischen Intelligenz begangen worden.

Bevor ich jedoch Herrn Beck antworte, lasse ich die bemängelte Vor­rede selbst folgen, um dem Leser die Möglichkeit eines selbstständigen Urtheils zu bieten. Sie lautet:

Im Jahre 1877 hat in einem Zeitraum von 22 Tagen, vom 20. Februar bis zum 14. März, in außerordentlicher Sigung des regie­renden Senats eine Verhandlung über 80 Personen stattgefunden, die der sozialistischen und der revolutionären Propaganda, d. h. der Ver­breitung sozialistischer und revolutionärer Lehren unter den Arbeitern verfchiedener Fabriken angeklagt waren. Unter den Angeklagten be­fanden sich einige Arbeiter, und unter denselben Alexejewitsch Alexejew, ein Bauer des Dorfes Novinskaja aus dem Distrikt Ssytschewsky des Gouvernements Smolensk . Als ihm seitens der Richter der Vorschlag gemacht wurde, sich einen Vertheidiger zu wählen, antwortete er: Wozu das?! Welchen Sinn hat die Vertheidigung, da Jedermann bekannt ist, daß in solchen Prozessen das Urtheil schon im Voraus ge­fällt wird, so daß das ganze Gericht eine bloße Komödie ist? Ob man fich vertheidigt oder nicht, bleibt sich gleich. Ich verzichte auf die Ver­theidigung."

Am 10. März hat er seine Rede gehalten, in der er sich nicht ver= theidigte oder rechtfertigte, sondern umgekehrt die Regierung und die Kapitalisten anti agte. Wir geben diese Nede für die russi­schen Arbeiter heraus. Sie gehört ihnen mit vollem Rechte. Sie ist nicht lang, aber die Arbeiter mögen sie lesen, und sie werden sehen, daß in ihr in furzen Worten sehr Vieles gesagt ist, worüber es nöthig ist, ernstlich nachzudenken. Es ist wahr, daß sie nicht sehr kunstvoll zu­sammengestellt ist. Wenn sie in die Hände eines wahren"," echten" Schriftstellers fällt, wird er an ihr viele Fehler auszuseßen finden. So sollte man sie anfangen," würde er fagen, in der Mitte Dieses einschalten, und zum Schluß Jenes beifügen." Aber es handelt sich nicht darum, w te Peter Alerejem gesprochen hat, sondern was er ge= sprochen hat. Und was er gesagt hat, ist nicht nur sehr richtig, sondern von ihm auch tief durchempfunden. Als er die elende Lage der russt= schen Arbeiter beschrieb, hatte sich seiner im Gerichtssaal von Neuem eine Entrüstung, fener Haß gegen die Feinde der Arbeiterklasse bemäch­tigt, die ihn zum Revolutionär gemacht hatten. Eben darum kann man feine Rede, ungeachtet ihrer unbestreitbar äußeren Fehler, nicht lesen, ohne hingeriffen zu werden.

" Peter Alerejew spricht hauptsächlich von der bedrückenden Lage seiner Kameraden, der russischen Arbeiter. Vorübergehend berührt er auch die Die Frage, wie sich die Arbeiter aus dieser Lage befreien, können. russischen Arbeiter können nur auf sich selbst rechnen", sagt er. Dies ist ebenso richtig, wie alles Andere, was er in seiner Rede gesagt hat. Millionen von Arbeitern der westeuropäischen Länder sind schon längst zu dieser Einsicht gekommen. Als im Jahre 1864 die Internationale arbeiter- Assoziation gegründet wurde, wurde in deren Statuten bestimmt: Stole Befreiung der Arbeiter muß die Sache der rbeiter selbst sein!" Das heißt, daß die Arbeiterklasse weder auf die Regierung, noch auf die höheren Klassen( Adel, Kaufmann­schaft 2c.) rechnen darf, weil weder die Regierung, noch die höheren Klassen, die auf Kosten dessen leben, was die Arbeiter schaffen, ie für sie etwas thun werden. Die Arbeiter müssen also selbst für sich sorgen. Im Westen betrachten die vorgeschrittenen Arbeiter die Sache so, daß, nach ihrer Meinung die Arbeiter eine Revolution in's Werk setzen müssen, d. h. die bestehende Regierung stürzen, sich der Staatsgewalt beniächtigen und ihre Unterdrücker nach eigenem Gutdünken abfertigen. So etwas kann freilich nicht plötzlich gemacht werden, dazu gehört eine Macht und zwar eine große Macht. Bis jetzt verstehen noch viele Ar­beiter ihre eigenen Interessen nicht und unterstügen bei jeder Gelegen heit die bestehende Ordnung. Die revolutionäre Arbeiterpartei ninß fie überzeugen, aufflären, ihnen ihre Ziele auseinanderseßen und für ihre Sache gewinnen. Dies thut fie auch in allen westeuropäischen Ländern. Dies müssen auch bei uns in Rußland die entwickelten Arbeiter thun. Je schneller sie sich dieser Aufgabe hingeben, desto schneller wird die Beit des Sieges fommen. Bis dahin suchen bie Arbeiter ihren Regie­rungen verschiedene Stonzeffionen abzuzwingen: hier ist man für Ber­kürzung des Arbeitstages, dort für die Einführung guter Volksschulen oder für die Herabsetzung der Steuern u. s. to. Wonach jedoch die Arbeiter am meisten streben, das sind die politischen Rechte für ihre Klasse:

1) Versammlungsfreiheit, um ihre Interessen zu besprechen und Alles sagen zu können, ohne dem Gericht oder der Polizei verantwortlich zu fein; 2) Freiheit, verschiedene Vereine zu gründen zur gegenseitigen Hilfe und Unterstützung in Kampfe mit den Arbeitsherren und mit den Ne­glerungen felbft; banu du 3) Preßfreiheit.( Im Westen werden Zeitungen und Zeitschriften nicht nur gelesen, sondern auch gedruckt, in denen die Arbeiter ihre Inter­essen und Forderungen besprechen.)

Die Preß-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit ist für die west­europäischen Arbeiter das Wichtigste. Nicht von geringerem Werthe ist für sie das Wahlrecht. Bekanntlich unterliegt in den westeuropät schen Ländern die Staatsverwaltung nicht nur den Königen allein, wie bei uns dem Baren. Es gibt Länder( Nepubliken, wie Frankreich und die Schweiz ), wo es gar teine Könige gibt. In allen westeuropäischen Ländern hängen die Verhältnisse von Gewählten( Deputirten) ab, die in den Hauptstädten zusammenkommen und gefeßgebende Versammlungen bilden. Hier besteht für die westlichen Arbeiter die wichtige Frage, ob das ganze Volt, also auch die Arbeiter, das Recht hat, zu wählen, oder bloß die Reichen, b. h. Landbefizer, Kaufleute, Fabrikanten u. 1. 1. Die Arbeiter find überall dafür, daß das ganze Wolf wählt, d. h. für das allgemeine Wahlrecht.

Jugend", oder wie sich oft die Arbeiter ausdrücken von den Studen­ten". Sie allein", sagt er, hat uns brüderlich die Hand gereicht. Sie allein hat auf das Stöhnen der Bauern des Russischen Reiches geantwortet. Sie allein hat bis in das Tiefste der Seele empfunden, was dieses Stöhnen heißt und woher es kommt. Sie allein hat es nicht über sich gebracht, faltblütig auf den abgehungerten, unter dem Joch des Despotismus stöhnenden und unterdrückten Bauer zu blicken. Sie allein hat uns wie ein guter Freund die Hand gereicht und uns mit aufrichtigem Herzen dem Abgrund zu entreißen gesucht, um uns auf einen besseren Weg zu führen. Sie allein führt uns, ohne die Hände zu senken, indem sie uns alle Auswege zeigt, der listig gestellten Falle zu entgehen, bis sie uns zu selbstständigen Durchführern des all­gemeinen Wohles gemacht. Und sie allein wird mit uns unzertrennlich Hand in Hand geheit, bis sich die muskulöse Hand von Millionen arbeitenden Volkes erhebt und das Joch des Despotismus, umringt von Bajonnetten, in den Staub finkt!" Darin ist viel Wahrheit. Die Revolutionäre aus den Studenten" haben viel dazu beigetragen, das Bewußtsein der Arbeiter zu heben. Aber unglücklicherweise fängt fett die intelligente Jugend" an, das Volk" zu vergessen, von dem sie vor fünfzehn Jahren so viel geschrieben hat. Jezt gibt es unter den Revolutionären aus der intelligenten Jugend" sogar viele solche, die geradeaus gegen die Arbeiterklasse sprechen. Die einen behaupten, es gäbe in Rußland keine Arbeiterklasse, die andern geben es zu, fügen aber hinzu, daß alle Arbeiter dumm und unwissend seien, daß es daher nicht werth sei, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Und unlängst schrieb ein Herrchen auch in einer intelligenten" Zeitung( die im Ausland er­schien), daß es garnicht werth sei, mit den Arbeitern anzufangen, da dieselben Alles verrathen, sobald sie von der Polizei eingesperrt werden. Auf solche intelligente"( oder besser gesagt, gar nicht intelligente und gar nicht fluge) Herren kann die Arbeiterklasse freilich nicht rechnen. Man muß dieselben sogar meiden. Jetzt schreien sie: Wir brauchen feine Arbeiter! Es wird aber eine Zeit kommen, wo sie ein anderes Lied anschlagen, und sich als die besten Freunde der Arbeiterklasse auf= spielen werden( eben wenn sie sehen, daß die Arbeiter im Kampf gegen den Zaren nüßlich sein können). Die russischen Arbeiter dürfen aber die jezige Stellung solcher Herren Intelligenten" ihnen gegenüber nicht vergessen. Sie müssen denselben Gleichmuth mit Gleichmuth, Beracht ung mit Verachtung vergelten. Sie mögen denselben sagen: Früher habt ihr uns nicht gebraucht, feßt brauchen wir euch nicht. Mit dem Zaren werden wir ohne euch fertig, ohne euch werden wir politische Freiheit und politische Rechte erstreben, und wir werden dieselben frei­lich nicht dazu benutzen, um euch in die gesetzgebende Versammlung zu erwählen. Wer nicht für uns, der ist gegen uns, und wer gegen uns ist, den wäre es unsererseits thöricht, zu unterstügen!!

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Judem aber die Arbeiter den" Intelligenten " gegenüber, die die Arbeiter entbehren" wollen, eine solche Stellung einnehmen, müssen fie um so höher die Unterstüßung derjenigen Revolutionäre aus der in­telligenten Jugend" schäßen, die ganz und gar auf die Seite der Ar­beiter übergegangen sind und schon jetzt, ungeachtet der Gefahren, unter den Arbeitern richtige Auffassung der Dinge zu verbreiten suchen. Solche Leute sind die wahren Freunde der Arbeiter und von ihnen fann Alles gelten, was Peter Alexejew von der intelligenten Jugend" G. Plechanow." gefagt hat. Dies das Delift. Nun zum Ankläger Beck. Nachdem er einige Stellen zitirt, aus denen die Verwerflichkeit der Plechanow 'schen Ausführungen hervorgehen soll, behauptet er zunächst, daß man mit solchen Propagandamitteln, von welchen die Vorrede ein Erempel ist, weder in Westeuropa , noch in Rußland " an's Werk gehen tann. Dazu braucht man, foll das heißen, eine gründliche Literatur. Ich weiß wirklich nicht, ob es der Mühe lohnt, diesem Einwand eine furze Widerlegung zu widmen. Wenn man bedenkt, wie weit bas ruffiche ruffische Proletariat hinter dem westeuropäischen noch zurück ist, daß es noch am Anfang seiner Entwicklung steht, daß ihm die politischen Verhältnisse, nicht nur Westeuropa's, sondern auch Rußland's selbst noch völlig unbekannt sind, so wird man begreifen, daß, was man ihm zunächst bieten fann, nicht Ausführungen im Sinne des Herrn Beck find, sondern eine möglichst elementare Darstellung der Hauptpunkte des gegenwärtigen Arbeiterprogramms und eine Bestätigung desselben durch Thatsachen aus der westeuropäischen Arbeiterbewegung. Juwieweit Pl. dieser Aufgabe nachgekommen, mag der Leser beurtheilen.

auch

Wenn sich Beck weiter beschwert, daß der Vorrede eine Tragweite zugeschrieben sei, die sie nicht besigt, so ist darauf zu erwidern, daß von einer Tragweite überhaupt nur insofern die Rede ist, als durch die Herausgabe der Alexejew'schen Nede mit einer, dem Verständnisse der noch ungeschulten Arbeiter angepaßten Vorrede die Förderung der Arbeiter= literatur nach drei- oder vierjähriger Unterbrechung in einem Moment aufgenommen wird, wo die alte revolutionäre Bewegung verstummt ist. Weiter erzählt Herr Beck, Plechanow habe im Vorübergehen die Bemerkung fallen gelaffen, die Thätigkeit der intelligenten Jugend... in den 70er Jahren... fei eigentlich nur lautes Geschrei" gewesen", daß er seinen Lesern eine Reihe von Individuen, ganz spezieller Aus­wahl( Warum sind dieselben speziell und nicht typisch?) vorführe, ,, welche den Gathusiasmus zu paralyfiren haben."

"

Thatsächlich finden wir in der Vorrede, wie sich der Leser überzeugen kann, ganz Anderes. So bemüht ist Plechanow , den Enthusiasmus Alexejew's zu paralyfiren, daß er die betreffende Stelle seiner Rede noch einmal abdruckt und gleich darauf hinzuseßt: darin ist viel Wahrheit 2c. ( foben). Wenn er aber alsdann hinzufügt, daß iebt die intelligente Jugend" das Volk zu vergessen anfängt von welchem sie so viel ge= schrieben" hat, soll all dies wirklich nur heißen die Thätigkeit der in­telligenten Jugend fet lautes Geschrei" gewesen? Herr Beck, 79111039 94190 als diese Auslegung ist zu" popular"! Nachdem Herr Beck Plechanow so heruntergedonnert", enthüllt er uns endlich die Frage, die eigentlich beantwortet werden sollte und die nicht einmal gestellt worden" sei. Diese ist: Durch welchen Umstand ist es zu erklären, daß die intelligente Jugend in Rußland eine so große Anzahl von Bekämpfern des Barenjochs aussendet, Kämpfer, deren Prinzip dabei immer gelautet hat:" Freiheit, Gleichheit und Brüder­lichkeit sind einzig und allein möglich unter der Bedingung einer gründ­lichen Umgestaltung der sozialen Verhältnisse."

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Nun, wir glauben, daß wenn diese Frage Herrn Beck, als Intelli­angenten, so sehr interessirt, sie für den Arbeiter von sehr sekundärer Be­deutung ist, umsomehr, sobald die intelligente Jugend" fich zinn eignen Abgott macht und sich selbst Gottesdienste hält. In der That war das auch der Fall. Es ist von jener Richtung alle propagandistische Thä­tigkeit als überflüssig verbannt und darauf hingewiesen worden, daß es im Lande keine Elemente gibt, die fähig wären, einen aktiven Stampf der Intelligenz. mit der russischen Regierung aufzunehmen, außer Dieselbe müsse sich also organisiren, den Kampf selbst aufnehmen und an die arbeitenden Volksschichten sich nur zu dem Zwecke und insofern wenden, als es unter denselben möglich ist, tüchtige Leute für terrori­stische und konspirative Unternehmungen für die Revolution" zu werben. Der Endzweck war, durch eigene Kraft die Staatsgewalt zu ergreifen und die Revolution zu dekretiren. Ich habe dem deutschen Leser nicht zu erklären, wie weit solche blanquistische Theorien der modernen ma­terialistischen Auffaffung der Geschichte widersprechen. Was das Prinzip anbetrifft, das Herr Beck der intelligenten Jugend in den Mund legt, so ist es einfach ein Truismus, in den allerlei Schmaus hinein kann, der mit dem modernen Sozialismus nichts gemein hat. Auf die weiteren Behauptungen des Herrn Beck werden wir jet nicht eingehen, Thema zu weitläufig ist, um es in einem Ar­titel, der auch so zu lang wird, zu erschöpfen. Wir müßten sonst auch nur Behauptungen aufstellen", ohne sie, wie üblich, zu begründen". Wir behalten uns vor, über diese Fragen ein anderes Mal und nicht in polemischer Form zu referirem,

Man darf annehmen, daß auch bei uns die höheren Klassen bald die Beschränkung der Macht des Zaren fordern werden: sie haben der bis­herigen Wirthschaft genug. Dies wird, freilich, sehr gut sein. Die Arbeiter selbst müssen auch unbedingt die Beschränkung der Macht des Zaren fordern. Nur dürfen sie dabei die große Regel nicht vergessen: die Befreiung der Arbeiter muß die Sache der Arbeiter selbst sein. Ist die Macht des Baren beschränkt, so müssen die Arbeiter das Recht erstreben, ihre Gewählten in die gefeßgebende Versammlung zu ent­senden, oder, wir es schon genannt haben, das allgemeine Wahl­recht.

Durch die Benutzung dieses Nechtes werden die Arbeiter im Stande sein, ihre wahren Vertreter in die gefeßgebende Versammlung zu ent­fenben, die die Interessen der Arbeiter freilich nicht so vertreten werden, wie es die Herren Gntsbefizer, Kaufleute und Fabrikanten gethan hätten. Die denken ja nur an sich selbst.

Wer sind jedoch die wahren Vertreter der Arbeiterklasse?

Noch zwei Worte über die famose Schlußbemerkung des Herrn Beck. Selbstbewußtsein ist eine Mannestugend. Herr Beck meint, daß das Schweigen der Versammlung auf seine Ausführungen zu beweisen hat, daß er in allen Punkten Recht hat. So liegt die Sache aber nicht. Um sie zu verstehen, muß man den Charakter des Publikums kennen, das diese Versammlungen besucht. Dasselbe besteht gewöhnlich aus po­

aber nicht immer in der Lage, in öffentlichen Versammlungen auftreten zu können. Die russische Kolonie wimmelt von Spionen, und wer in Rußland etwas zu leisten gewillt ist, muß sich hüten, sich bemerkbar zu machen. Wir sind auch hier in Paris in Rußland , unter der väter­lichen Obhut der russischen Regierung. Und wenn zufälligerweise in der Versammlung die sozialdemokratischen Flüchtlinge, die in Paris verweileu, abwesend sind, so kann es passiren, daß Herr Beck, feinem Widerspruch" begegnet.

Daß hier nicht Alles so zugeht, wie sich H. Beck einbildet, ist schon dadurch bewiesen, daß sich hier vor Kurzem eine russische sozialdemo= fratische Gruppe gebildet hat, die sich den speziellen Zweck gestellt hat, die russische Arbeiterliteratur zu fördern. Und sie hat in der hiesigen Kolonie einen solchen Anhang gefunden, daß es ihr möglich sein wird, in furzer Zeit dem Publikum ihre erste Publikation anzuzeigen. Mit sozialdemokratischem Gruß

Ossipowitsch.

Sozialpolitische Rundschau.

London , 23. April 1890.

- Unser Gedenktag. Der Sozialdemokrat" hat in diesen Tagen einen Gedenktag gefeiert: den Jahrestag seiner Ausweisung aus der Schweiz . Am 18. April waren es zwei Jahre, daß der Schweizerische Bundesrath, gedrängt durch das erbitterte Bruderpaar Bismarck- Puttkamer, den heroischen Entschluß faßte, durch eine fum­marische Ausweisung dem Forterscheinen des Sozialdemokrat" auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft die Adern zu unterbinden. Wir wurden ausgewiesen; ehe wir aber den Boden der Schweiz verließen, haben wir die Urheber der gegen uns ergriffenen Maßregel gebührend an den Pranger gestellt und dem Schweizervolte dargelegt, daß es die Feinde seiner Freiheit sind, denen zu Liebe wir geopfert wurden.

Es war ein Schweizerischer Genosse, der uns damals beim Abschiede die Worte zurief: Auf Wiedersehen! In zehn Jahren ändert sich viel." Wohlan, nicht zehn zwei Jahre sind erst vorüber, und diejenigen, die den Schurkenstreich gegen uns geführt, liegen gestürzt am Boden. Der Buttfamer fiel unmittelbar, nachdem er über unsere Ausweisung triumphirt hatte, heute ist auch der Bismarck eine gefallene Größe der Bismarck, oder wenn man will, die Bismarck , denn Herr Herbert war ja bei unserer Ausweisung nicht unbetheiligt. Der Buttkamer ist über seine eigenen Infamien gestolpert, und auch der Bismarck ist in die Grube, die er selbst gegraben, gefallen, nachdem ihm der glänzende Sieg der Sozialdemokratie am 20. Februar den Todesstoß gegeben. Der Sozialdemokrat" aber lebt, und er wird leben, bis das Schand­stück Bismarckischer Staatsmannskunst, Sozialistengesetz genannt, seinem Meister gefolgt ist.

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Aus Deutschland wird uns geschrieben: Das Maimani­fest der Reichstagsfraktion ist durchweg mit Beifall aufgenommen. Aergerlich find nur die beschäftigungslosen oder doch in ihrer Eristenz bedrohten Spizel, die am 1. Mai gute Ernte zu machen, und ihre Unentbehrlichkeit zu beweisen gehofft hatten. Nur da, wo sich Arbeiter­versammlungen bereits entschieden für eine Arbeitsruhe ausgesprochen haben, mischt sich hier und da in den Beifall auch ein Tröpfchen nicht des Tadels, denn mit dem Inhalt des Manifestes ist man allseitig einverstanden, aber des Vorwurfs, daß die Fraktion nicht früher gesprochen, und die Arbeiter nicht vor verkehrten oder un­praktischen Beschlüssen bewahrt habe. Dieser Vorwurf entbehrt indeß jeder Begründung, wie ein einfacher Blick auf die Thatsachen zeigt: daß die alte Fraktion, die sich im Januar trennte, keine Beschlüsse über die Art der Feier des 1. Mai fassen konnte, das liegt auf der Hand; die neue Fraktion ist aber erst seit wenigen Wochen zusammen, und die deutschen Arbeiter, die vor und während der Wahlkampagne sich mit dem 1. Mai so gut wie nicht beschäftigen fonnten, mußten doch erst Zeit haben, sich über die Frage zu berathen und auszusprechen. Die deutschen Arbeiter sind doch keine Schaaf­heerde, die eines Leithammels bedarf.

und es

Ganz irrig ist beiläufig die Auffassung, der wir allerdings nur in auswärtigen Blättern begegnen, der Aufruf der Fraktion spreche sich gegen die allgemeine Feier des 1. Mai aus. Er schlägt im Gegentheil gerade diejenigen Mittel und Wege vor sind die alleinigen, durch welche wir in Deutschland zu einer allgemeinen Feier gelangen können. Von dem Ruhenlaffen der Arbeit sei hier nicht geredet daß es nur an vereinzelten Orten und von Niemanden mehr geläuguet; und da wo es möglich ist, wird nach dem Aufruf auch diese Form der Feier ungehindert stattfinden. Ebensowenig möglich ist eine allgemeine Feier unter freiem Himmel, durch Umzüge u. f. w. Die Behörden werden nur in den fettensten Fällen, wenn Einem, überhaupt auch nur in& in em, öffentliche Umzüge und Demonstrationen im Freien gestatten. In späteren Zeiten, d. h. wenn die Arbeit nicht mehr rechtlos ist, wird es wirkliche, staatlich organisirte allgemeine Arbeiterfeste geben jetzt sind wir noch nicht so weit. Und es ist auch durchaus fein Anlaß vorhanden, deshalb Elegien anzustimmen. Das aber steht fest, die deutschen Arbeiter werden für eine all­gemeine Feier des 1. Mai forgen. Ueberall wo es auch nur die kleinsten Gruppen von Arbeitern gibt, bis in die entlegensten Winkel, in Dörfern wie in den Städten, wird der 1. Mat gefeiert werden und wird der deutsche Mann der Arbeit sich einig fühlen mit den Arbeitsbrüdern der übrigen Länder. Diese Feier, der ein Petitionssturm sich anschließt, wird ebenso groß artig ausfallen und von dem Bewußtsein des hohen Bieles sicherlich ebensowohl durchdrungen sein, wie eine Feter durch Umzüge und Fest­lichkeiten im Freien es unter günstigeren politischen Verhältnissen hätte werden können. Ueberall in der deutschen Arbeiterwelt ist die Be­geistrung groß, und es unterliegt teinem Zweifel, der 1. Mat in Deutschland wird sich dem 20. Februar würdig anreihent iris sy drojuslyk

u vereinzelten Gewerken möglich, das wird jet ch dem Aufruf auch

,, Wenn die Arbeiter daran denken", schreibt die Wiener ,, Arbeiter- 3tg.", einen Tag im Jahr für sich als Feiertag in Anspruch zu nehmen, dann schäumt die ganze kapitalistische Preffe voll Wuth über solches Unterfangen. Der bedrohte Nationalwohlstand"( sprich: Fabrikantenprofit) wird mit bengalischer Beleuchtung ins Feld geführt, und den Arbeitern wird mit der Macht des Geldsacks gedroht, der über fie Hunger von beliebiger Dauer verhängen tönnte, wenn er nicht eben der profitgierige Geldsack wäre, der jede Stunde Arbeits­zeit heißhungrig verschlingt.

Die Fabrikanten selbst verordnen hingegen Feiertage, wann sie wollent. Und Staatswerkstätten, die nach dem Aussprüche des deutschen Kaisers Musteranstalten sein sollten, gehen hierin ihnen wacker voran. So lesen wir in der Berliner Volkszeitung" oli

Für etwa 5000 Fabritsarbeiter in Spandau beginnt mit dieser Woche eine Zeit der freiwilligent findet nämlich jetzt in der Artilleriewerkstatt, der Geſchüßgießerei und dem Feuerwerkslaboratorium die fast in jedem Jahre wiederkehrende Inventur statt, bei welcher die gesammten Bestände der Justitute bis ins Einzelne aufgenommen werden. Die Dauer der Inventur ist für die Artilleriewerkstatt auf 3 bis 4 Wochen angenommen, in den anderen Fabriken etwa auf 14 Tage. Während der Zeit ruht der Betrieb gänzlich und die Ar= beiter haben natürlich keinen Verdienst."

Wenn zwei dasselbe thun, ist es nicht dasselbe", lautet ein dummes Sprichwort, das aber heute vollauf berechtigt ist. Der Mächtige kann thun, was er will; der Arme braucht nur sein Beispiel zu befolgen und er wird zum mindesten beschimpft.

Freilich so lange nur, als er sich's gefallen läßt!