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Gradezu rasend geworden ist unsere Bourgeoisie durch den Streik ber Ewerführer. Diesem Gewerbe liegt es ob, den größtentheils auf dem Wasserwege vor sich gehenden Transport der Kaufmannsgüter vom Hafen nach den Speichern zu vermitteln, sie sind gewissermaßen die Träger der Blutzirkulation in Hamburger Handel. Und nun stockte der Handel! E. E. Kaufmann wurde wild. Es gibt kein ab­scheulicheres Raubthier, als ein Krämer, dessen Geschäft nicht gehen will, sagt Heine irgendwo. Und nun unterfing sich der Arbeiter, um fich eine Verfürzung der Arbeitszeit auf man höre 12 Stunden zu ertrozen, in's Allerheiligste, was es auf Erden gibt, störend einzu­greifen. War schon am Tage nach der Wahl es von den Hamburger Nachrichten" als das Gescheidteste hingestellt worden, die Arbeiter durch systematische Peinigung schnellstens zum Aufstand zu treiben jetzt, wo das Schlimmste von ihnen verübt worden war, blieb in den Augen der der Bourgeoisie thatsächlich nichts anderes übrig, als ein schneller Schlag, durch den die ganze Bewegung gewaltsam getödtet werden könne. Die weiland so stolzen Bürger der freien" Hansestadt find geistig total auf den Bismard gekommen. Hilf Polizei! war die Parole. Wo ein Streifender einen der importirten Streifbrecher auch nur schief ansah, wurde er eingesteckt und pfui der Schande gleich einem Raubmörder gebunden und mit einer Nummer auf der Brust für's Verbrecheralbum photographirt. Es half nichts. Die Polizei drang ins Bureau der Streiffommission ein, versiegelte die Schränke, stahl eine Stasse, welche 120 Mark Krankenunterstüßungsgelder enthielt, und nahm den Streikkassirer mit sich. Man hat sich vergebens bemüht, einen Grund zu entdecken, weffen die Gefangenen, etwa 70 an der Zahl, angeklagt werden konnten. Sein Baragraph in dem an Schlingen und Fallen so reichen Strafgesetzbuche ließ sich ausfinden. Jezt verlautet bestimmt, daß die Anklage gegen den Staffirer, wie gegen eine Reihe seiner Genoffen auf Begünstigung" lauten werde, weil sie von auswärts herangeholte Ersatzkräfte durch Geld­unterstügung zur Abreise bewogen haben!

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Bisher wurde Sachsen   die Palme in der Gesezesauslegung zuerkannt, wer will leugnen, daß unsere Hamburger Justiz- Louis ihm weit über find?

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Die hiesige Arbeiterschaft zittert vor Wuth bedauernd, daß ihre Stunde noch nicht geschlagen hat.

Der Streit der Ewerführer ist verloren. Fünfwöchentlichen Hunger, alle Polizeischurkereien haben sie ertragen, aber es war ihnen nicht möglich, sich der in immer stärkerer Zahl herangeschleppten und von der Polizei bewachten fremden Ersatzkräfte zu erwehren. In einer am legten Dienstag abgehaltenen Versammlung blieb ihnen angesichts dieser Lage nichts übrig, als zu beschließen, die Arbeit bedingungslos wieder aufzunehmen. Mit welchen Gefühlen die Ewerführer wieder in's Joch gegangen sind, das zu schildern bleibe mir erlassen. Die Unternehmer schrieben den Wiederaufgenommenen vor, ihren Austritt aus dem Verein zu erklären. Nun, die Ewerführer sind in ihrer Organisation fest genug erprobt, um ohne Schaden für ihr Solidaritätsbe= wußtsein auch dieser Frechheit der übermüthigen Ausbeuter fich zu beugen.

Auch einige andere Streifs find erfolglos verlaufen. Ant 18. Mai bereits haben die Werft- und Metallarbeiter die Arbeit wieder auf­nehmen müssen. In diesen Tagen ist der Malerstreit nach einem nur theilweisen Erfolg für beendet erklärt worden. Unverändert dauert der Ausstand sämmtlicher Bauhandwerker fort. Bei der Klassenbewegung dieses Jahres war vorauszusehen, daß eine Anzahl dieser Ausstände verloren gehen würde.

Als die Unternehmer durch ihre Utase zur Maifeier diese Bewegung provozirten, wußten sie dies wohl und können, wenn ihre fühnsten Hoffnungen auch unerfüllt geblieben sind, zum Theil doch triumphiren. Das heißt, insoweit sie nicht selber in's Proletariat hinabgeschleudert worden sind. Die alte Geschichte. In ihrer Blindheit folgen die klei­nen Unternehmer dem Großkapitel und fallen, zur Freude desselben, um wie die Fliegen. Die fleinen Kranter hatten sogar für den Spott der Großkapitalisten nicht zu sorgen. An der Börse wurde zu ihrer Unterstüßung eine Subskription eröffnet, welche ganze 60,000 Mark ein­brachte ein Schlag in's Gesicht!

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Doch überlassen wir sie ihrem Schicksal.

Die Streikkassen der Gewerkschaften waren mit wenigen Ausnahmen ungenügend gefüllt; die sonst gewohnte Unterstützung seitens der arbei tenden Hamburger Genossen floß, da es solche kaum gab, verhält­nißmäßig gering, troßdem Jeder das Menschenmöglichste leistete und selbstredend noch leistet. Und gerade jezt sind noch viel, sehr biel Opfer erforderlich. Bis jetzt hat sich die Hamburger Arbeiterschaft selber geholfen, doch glaubt sie, wo es noth thut, mit Erfolg auf das Solidaritätsgefühl der auswärtigen Genossen rechnen zu können.

Genossen allerorts, im In- und Auslande! Seitdem es eine moderne Arbeiterbewegung gibt, haben die Hamburger Arbeiter gezeigt, daß sie das Wort Solidarität voll und ganz erfaßt haben. Mit Recht können wir sagen, daß, wo fich Leidensgenoffen im Kampf gegen den Kapitalismus er­hoben, wo es galt, für die Propaganda unserer Ideen Unterstützung zu suchen, man nach Hamburg   blickte, und der Hamburger Arbeiter hat gern und reichlich gegeben. Jetzt ist's an Euch, Genossen, ein Gleiches zu üben!

Vor allem bei den Ewerführern, den Werft- und Metallarbeitern, sind Hunderte von Prostribirten zu unterstüben, Familienväter, die auf Monate hinaus keine Arbeit bekommen werden.

Ferner werden die ausständigen Bauhandwerker, viele Tausende an der Zahl, in den nächsten Wochen der Hülfe dringend bedürftig sein. Wo es Euch möglich ist, Genossen, da gebt, gebt so schnell und reichlich Ihr könnt, vor allem aber, und diese Mahnung richten wir namentlich an die deutschen Arbeiter, vor allem aber haltet den Zuzug fern. Kein Arbeiter darf in den nächsten Monaten seinen Fuß nach Hamburg   segen! Es gilt einen Kampf um unser werthvollstes Gut, um die Organisation! Sie­gen die Stapitalisten auf der ganzen Linie, können sie uns den Fuß völlig auf den Nacken fezzen, so wird auch anderswo die Bourgeoisie frecher thr Haupt erheben, und der Rückschlag wird, wenn auch nur vorläufig, allerorts von den Arbeitern empfunden werden.

Jezt, mitten inrednipfe, ist's nicht an der Zeit, zu untersuchen, in­wieweit und ob überhaupt die Arbeiter es hätten verhindern können, daß die Bewegung diese Ausdehnung gewonnen hat. Einer späteren Gelegenheit sei eine Erörterung darüber vorbehalten. Ebenfalls, welche Lehren wir für die Zukunft daraus zu ziehen haben.

Bitter aber täuschen sich unsere Feinde, wenn sie glauben, durch ihr unverschämtes Verlangen an die Unterjochten, aus ihrer Gewerkschaft auszuscheiden, die Bewegung überhaupt ersticken zu können!

Mag ein Rückschlag für manche Gewerkschaft kommen, mag der Sa pitalist, fleinlich wie er ist, test sein Müthchen fühlen, seine Freude wird von sehr kurzer Dauer sein. Der Hamburger Arbeiter hat ge= lernt im Kampf, und wenn irgendwie, fo find wir heute von der Noth­wendigkeit einer fräftigen Gewerkschafts- Organisation durchbrungen. Schneller, als unsere Gegner denken werden, werden wir unsere Reihen wieder geschlossen haben und den Kampf wieder und wieder beginnen, bis wir die anscheinend noch so feste Burg des Kapitalismus mit Sturm Hummel. genommen haben!

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Wir hoffen, daß dieser Appell von einer Seite, die bisher nie ge­fordert, sondern immer nur gegeben, allseitige Beachtung findet. Um auch unsererseits den wackeren Hamburgern, deren Ver­dienste um die deutsche Arbeiterbewegung nicht hoch genug geschäßt werden können, einen Beweis unserer Solidarität zu geben, haben wir heute die Summe von 1000 Mark an sie überwiesen. Möge dieselbe eine Rückerstattung, fein Geschent mit bazu beitragen, daß die Scharte, die kapitalistische Brutalität den Hamburger Arbeitern geschlagen, bald wieder ausgewegt werde.

Redaktion des Sozialdemokrat".

Warum die Russen Bomben fabriziren.

Ob und inwieweit die in Paris   verhafteten Russen wirklich sich mit der Bombenfabrikation abgegeben haben, ist durch die gegen sie einge­leitete Untersuchung noch nicht genügend festgestellt, um es in diesent Blatte als Thatsache zu behandeln. Fest steht nur, daß Einige von ihnen Experimente mit chemischen Substanzen vorgenommen haben, die in gewiffen Busammensetzungen eine explosive Wirkung ausüben. Aber angenommen, sie hätten wirklich Bomben hergestellt, und zwar in der Absicht, dieselben später in Rußland   zu Attentaten zu verwenden, wäre dies zu verwundern? Könnte man ihnen, abgesehen davon, was man etwa vom Zweckmäßigkeitsstandpunkt gegen die terroristische Taktik im Allgemeinen und das, was die betreffenden Russen in Paris   gethan oder auch unterlassen, im Besonderen einzuwenden hätte, könnte man ihnen, wiederholen wir, grundsäßlich einen Vorwurf machen, moralisch den Stab über sie brechen?

In der vom Berliner   Polizeipräsidium, unter Verschweigung des vollen Titels, verbotenen Broschüre Truz- Eisenstirn" wird diese Frage eingehend behandelt. Wir bedauern, die betreffende Stelle Raummangels halber nicht ganz hier abdrucken zu können, wollen aber wenigstens einige Auszüge hier folgen lassen, die zugleich als Probe des fesselnden, packenden Stils dienen mögen, in dem diese, trotz ihres Titels durchaus zeitgemäße Broschüre durchgängig gehalten ist.

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Stelle der zahmste deutsche Spießbürger sich vor: er äußert am Wirthshaustisch oder in einer Gesellschaft, es set doch wünschenswerth, daß der Staatsbürger, der die Steuern bezahlen muß, auch über deren Verwendung zu entscheiden habe auf dem Heimweg wird er von ein paar schmuzigen Hallunken überfallen und nach der Polizei geschleift; er will sich beschweren, und bekommt nur Püffe; wird von einem höheren Beamten wie ein Hund angefahren; von einem halb Duzend nieberen Beamten wie ein Hund durchgepeitscht; mit dem Kopf voran in irgend ein dunkles Loch gestoßen, wo er auf den Steinen und im Soth sehen mag, wie er die Nacht zubringt; und den andern Morgen von ein paar schmutzigen Hallunten die Beamten und schmuzigen Hallunken find dieselben Personen wie ein Schlachtthier in einen Starren geworfen, verglichen mit dem ein deutscher Bauernwagen ein Lugusartikel ist; und fort geht's- Tag und Nacht, Tag und Nacht; die Spuren menschlicher Wohnungen werden seltener und seltener endlich hält der Karren in irgend einem ruppigen, schmußigen Nest der Bestimmungsort ist erreicht: Sibirien  . Jegt, denkt der so Trattirte, sei es doch Zeit, ihm wenigstens zu sagen, warum diese scheußliche Be­handlung, diese Zwangsreise. Ein Wink mit der Knute ist die Antwort. Aber der Verschickte" ist wenn er Glück hat frei"; nur darf er bas ruppige, schmußige Nez nicht verlassen, sonst das ist die einzige Auskunft, welche der Gouverneur" ihm zu ertheilen die Ge­wogenheit hat sonst wird er todtgeschossen wie ein toller Hund, alle Soldaten haben geladene Gewehre und die strifteste Weisung, jeden Verschickten", der über das Weichbild hinaustritt, ohne Warnung sans façon zusammenzuknallen.

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Briefe darf der Verschickte" nicht schreiben außer auf besondere Gnade; und dann werden sie meist nicht abgesandt. Frau und Kind, Verwandte und Freunde erfahren also Nichts! Die Polizei hat Besseres zu thun, als sich um derartigen Familienquark zu befümmern. Und find wir nicht in Rußland  ? Sie mögen errathen, was geschehen. ist und werden es auch wohl.

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Zahmster deutscher   Philifter also zahmster Philifter des Landes der zahmsten Philister stelle Dir vor, das sei Dir passirt! Was würdest Du thun?

Die Hallunken verklagen, die Dich überfallen haben?

Die Hallunken find Beamte des Staates und vertreten die Majestät des Gesetzes".

Und wie verklagen? Gefeßt den Fall, es gäbe ein unabhängiges Gericht, dem Beamtenübergriffe zu unterbreiten wären, was indeß nicht der Fall wie eine Stlage anbringen?

Die Hallunken, die Dich verhaftet, behalten Dich in ihrer Gewalt, bis Du in Sibirien   bist. Und dann nehmen Dich andere Hallunken

in Empfang

Du beschwerst Dich bei dem ersten besten höheren Beamten, der Dir zu Gesicht kommt. Er läßt Dich durchprügeln. Zahmster der Philister, was würdest Du thun?

Thun? Nichts, denn Du bist absolut ohnmächtig; aber so wahr Du einen Tropfen Blut im Leib und ein Fäferchen menschlicher Natur hast, wirst Du schwören, den Hallunken, der Dir so schändlich mitgespielt, und den Oberhallunken, die Deiner Ansicht nach dafür verantwortlich find, die Sache einzutränken.

Und so sicher Du Anspruch auf den Namen Mann haft selbst wirst Du sollte Dir die Möglichkeit eines deutschen Mannes,

geboten werden, Deinen Schwur halten.

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Wohlan in Deutschland   find wir nicht mehr so weit, oder auch: noch nicht, denn gewisse Leute geben sich alle Mühe, uns so weit zu bringen in Rußland   sind das alltägliche Vorkommnisse. Alltägliche? 190

Allstündliche!

Dreißigtausend in 5 Jahren! Und jezt geht's fast noch toller. Welche Summe von Haß, von Nachsucht muß da erwachsen! Die meisten der Opfer gehen freilich spuclos verloren sie sterben, ver­derben. Sie werden zu Brei zerstampft, so daß von Auflehnen, von Selbsthülfe nicht die Rede sein kann.

Aber Dieser und Jener entwischt; Dieser und Jener hat einen Freund, einen Sohn, der das schmachvolle Verbrechen ahnt, und es zu sühnen gelobt.

An wen soll er sich halten?

An die schmutzigen Hallunken, die des unglückliche Wild überfallen und abgefangen?

Wer hält sich an den Köter, der ihn an die Waden gehetzt worden ist? Man schüttelt den stöter ab und geht dem Hezer auf den Leib. Die schmutzigen Hallunken sind von was faubereren Hallunken kom mandirt und diese wieder von etwas fatbereren( äußerlich), und so von Stufe zu Stufe hinauf, bis zum Chef der dritten Abtheilung, zum Polizeiminister. In dessen Hand vereinigen sich die Fäden, durch welche die ganze Maschinerie der Gewaltthätigtäten in Bewegung gesezt wird." Er ist verantwortlich. D

Trepow, Wesenzew, Drentelen sind erantwortlich gemacht worden. Zahmster der zahmen Philister, wunerst Du Dich

Der Zar, den selbst der Nihilismus bis dahin als Vertreter des Staats auffaßte und über solche Infanien erhaben glaubte, wurde nicht verantwortlich gemacht.

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Aber der Zar übernahm selbst die Vrantwortlichkeit.

Statt dem unterdrückten mißhandeltn Recht beizustehen, deckte er alle diese Nieberträchtigteiten mit seiner kaiserlichen Verantwortlichkeit. Die nothwendige Folge blieb nicht ans.

Die Selbsthülfe wandte sich gegen di Person des Zaren. War es anders möglich?

Bahmster der zahmisten Philister, wan Du so behandelt wirst, wie wir soeben annahmen, und wenn der somußige Hallunke, der dich ab= fängt, Dir fagt: der Herr hat es beohlen! und wenn der höhere Polizeibeamte, der Dich durchprügeln Ißt, Dir sagt der Bar hat es befohlen! und wenn die schmutzigen Hclunken, die Dich in die Kibitte warfen, Dir sagen: der Bar hat es beohlen!

Wenn alles Unrecht, alle Schmach, le Mißhandlungen, mit denen Du überschüttet wirst, auf Dich gehäut werden im Namen des Zars, und wenn Dir jede, jede Möglichkeit abgeschnitten ist, Dir Recht zu verschaffen, Deine Manneswürde zur Geltung zu bringen?

Wenn zwischen Dir und dem Zar Nemand steht, an den Du Dich halten kannst, den Du verantwortlich iachen könntest?

Wirst Du dann feiler und kriechende sein, als der Wurm, der sich gegen den Fuß aufbäumt, welcher is zertritt? Oder wirst Du zur Selbsthülfe schreiten?

Bist Du unter dem Thier? Ode bist Du ein Mensch? Kein Zweifel, es ist entseglich, enn der Mensch das Blut des Menschen vergießt. Aber wer tägt die Schuld, daß es dazu gekommen ist?

Wir sprachen bis jetzt von Selbshilfe.

Die Nihilisten nennen sich Vollstecker der Volksjustiz. Haben sie Unrecht? Kann die Selbstilfe nicht zur Volfsiustiz werden? Wir Deutschen   haben in unserer Gchichte das schlagendste Exempel. Zur Zeit, wo die Gefeslosigkeit ihrt Gipfel erreicht hatte, und das

Recht bei keiner Regierung, bei einer legitimen" weltlichen oder geistlichen Behörde Schuß fand, da nahm das Volk die Wahrung feines Rechts selber in die hand, sprach Recht und führte den Richterspruch aus.

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Und die Fehme brachte das Recht wieder zur Gel­tung der Schrecken der Frevler, ist sie bis heute der Stolz des Volkes."

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Bonbon, 11. Juui 1890. 6

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Sozialpolitische Rundschau.

- Aus Deutschland   wird uns geschrieben: Alle Vergleiche hinten, und in ganz besonderem Grade gilt das von den geschichtlichen Vergleichen. Der alten Weisheit des Salomo, daß nichts Neues unter der Sonne, welche abgedroschene Weisheit durch das Alles schon dagewesen" des Ben Akiba   nur noch abgedroschener gemacht worden ist, steht die Thatsache gegenüber, daß in der Geschichte sich nichts wiederholen fann und daß äußerlich ähnliche Vorgänge aus verschiedenen Zeiten doch innerlich von einander verschieden sind. Trozdem gibt es Ereignisse und Perioden, die mit andern Ereignissen und Perioden eine so frappante Aehnlichkeit haben, daß sie zum Vergleich förmlich herausfordern. Solche Perioden sind zum Beispiel diejenigen der Auflösung veralteter Gesellschafts- und Staatsformen; und die Aehnlichkeit erklärt sich daraus, daß die Ge­setze des Auflösungsprozesses die gleichen find, so verschieden auch die der Auflösung verfallenen Organismen sein mögen. Die alt heib nische Welt des Griechen- und Römerthums- beides ist ja nicht von einander zu trennen ist ebenso grundverschieden von der modernen Bourgeoisiewelt, wie das Christenthum vom Sozialismus, und doch hat die Art und Weise, in welcher fich zu Anfang der sogenannten christlichen Aera die Auflösung des römischen Weltreichs vollzogen hat, in vielen wesentlichen Punkten eine geradezu verblüffende Aehnlichkeit mit der gegenwärtigen Geschichts­periode, welche die der Vernichtung der Bourgeoiswelt durch den So­zialismus ift.

In beiden Perioden eine allgemeine Unzufriedenheit, eine allgemeine Unsicherheit Stonzentrirung übermenschlicher Macht in die Hand ein­zelner Personen, das persönliche Regiment auf die schwindelndste Spize getrieben, die Launen und damit verbundene heftige Schwankungen, welche Eigenthümlichkeiten des persönlichen Regiments find höchstes Raffinement auf der einen, barbarischste Rohheit auf der andern Seite

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meteorenhaft auftauchende, meteorenhaft verschwindende große Männer" allmächtige Bäsaren, allmächtige Günstlinge Bäsaren­wahnsinn und sonstigen Größenwahn Kultus der Gewalt höchste Konzentrirung der Macht Hand in Hand mit der Auflösung aller Macht­faktoren grelles Licht, blendender Glanz, aber das phosphoreszirende Glänzen und Leuchten der Fäulniß Verhöhnung der Jdeale, Um drehung der Moralbegriffe, organisirte Heuchelei und Korruption wahnsinniger Personenfultus tolles Jagen nach Gold, schamlose Räuberei wachsendes Mißtrauen, immer breitere Kluft zwischen den verschiedenen Klassen der Bevölkerung, immer brutalerer Appell an die niedrigsten und rohesten Instinkte. Das Rom   des Zäsar, des Augustus, des Tiberius  , des Nero bietet uns tausend Parallelen mit dem modernen Frankreich   und Deutschland   der aufgewärmten Zäsaren­zeit. Wir beschränken uns auf diese beiden Länder, well in ihnen der Verfall der bürgerlichen Welt aus Gründen, die ihrer Geschichte ent­springen, drastischer und anschaulicher von Statten geht, als in den übrigen Kulturländern. Der letzte französische   Staiser sah selber die Aehnlichkeit seines Empire mit dem römischen Staiserreich und ver glich sich in einem bekannten, seinen Namen tragenden Buch mit dem alten Original- 3äfar oder richtiger: ließ sich mit ihm ver gleichen, denn geschrieben hat er das Werk" nicht. Wer die Annalen des Tacitus   die Standalchronik des Suetonius durchlieft, fühlt sich unwillfürlich in ble Gegenwart versetzt. Die Namen sind andere die Bismarck heißen Sejan  , die Prätorianer find auch heute die einzigen Stüßen des Staats und der Monarchie, und sie unterscheiden sich in nichts Wesentlichem von den Soldaten der Nero und Tiberius  , obgleich sie Kanonen haben statt Ballisten und mit Flinten schießen statt mit Bogen und Lanzen. Das Prätorianerthum

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um bei diesem Vergleichspunkte zu bleiben war das verhätschelte Kind der Zäsaren; es verschlang den Schweiß des Landes und wurde überall begünstigt und bevorzugt. Es war der Rocher de Bronce, der nach Meinung der Zäsaren und ihrer Be­wunderer für alle Ewigkeit feststand, der aber in Wirklichkeit unter seiner eigenen Last zusammenbrach und das Kaiserreich mit sich in den Abgrund riß. Der Militarismus, um das Prätorianerthum bei seinem modernen Namen zu nennen, ist die Achse geworden, um welche der Klassenstaat sich dreht. Und jeden Tag muß diese Achse stärker, massiver gemacht werden bis das Gewicht so groß ist, daß die Last nicht mehr getragen werden kann und der Sturz erfolgen muß. Aus einem Mittel ist der Militarismus 3wed geworden, der vornehmste Staatszwed. Und eine eigenthümliche Ironie der Weltgeschichte ist es, daß gerade das Haus Hohenzollern, das den Militaris­mus ins Leben gerufen hat, ihn jetzt zu so folossalen Dimensionen aus­dehnen muß, daß eine Statastrophe unvermeidlich wird. An dem Glied, lautet mit welchem Du gesündigt hast, sollst Du gestraft werden" das harte Bibelwort. Und wunderbar müßte es zugehen, sollte das Wort sich an dem Haus Hohenzollern nicht bewahrheiten.

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Die neuesten Militärforderungen und die Aussichten, welche der Kriegsminister in der Militärkommission eröffnet hat, haben einen wahrs haft panischen Schrecken in den weitesten Boltskreisen erzeugt. Selbst Konservative geben dies zu. Eine Rücknahme der Maßregel ist nicht mehr möglich; und so wird das Schicksal sich erfüllen. Durch den Militarismus find sie groß geworden, am Militarismus werden sie zu Grunde gehen das ist Nemesis.

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Kapitalsanwälte, so sollte man von Rechtswegen die Herren nennen, die heute umschreibend Staatsanwälte betitelt werden. Staat und Kapital stehen zwar in sehr engem Zusammenhang, aber sie find doch nicht ganz dasselbe, und so erweckt der Name Staatsanwalt bei naiven Gemütheri und ach, wie viele gibt es beren noch die Vorstellung einer höheren, vermittelnden, über die gesellschaftlichen Jus tereffengegensäge erhabenen Institution. Ein Staatsanwalt so glaubt mancher vertritt das Recht um des Rechtes Willen, er wacht über die Befolgung der Gefeße, dem Staat, der Gesammtheit Aller, nicht aber dem Hinz oder Kunz oder der Klasse der Hinze zu Liebe. Der Titel Kapitalsanwalt würde dieser Illusion ein Ende machen. Jeder würde sofort wissen, wessen er sich von den Herren zu gewärtigen hat. Biele Enttäuschungen, viel überflüssige und zum Theil sogar schäd= liche Entrüstung nähme ein Ende. Ueber einen Staatsanwalt, der die Geseze lediglich gegen die Arbeiter anwendet, der sie zu diesem Zweck zu beugen sucht, wo er nur fann, entrüstet man sich. Das gibt un­zufriedene Staatsbürger, nicht nur die Betroffenen, sondern auch Andere finden, der Mensch müßte, wenn es mit rechten Dingen zugehe, abgesetzt werden. Von einem Stapitals anwalt würde dieselbe Handlung als selbstverständlich erscheinen. Der Mann hätte nur gethan, was seines Amtes ift. Niemand hätte ein Recht, darüber zu remonstriren. Nehmen wir ein Beispiel. Berliner   Zeitungen brachten in diesen Ta gen folgende Notiz:

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Bon einer gewissen prinzipiellen Bedeutung war die Anklage wegen Hausfriedensbruches, welche gestern vor der 6. Straffammer gegen den Bildhauergebilfen Mar Wagner verhandelt wurde. Es war zur Zeit der Ausstandsbewegung der Holzbildhauergehilfen; die selben hatten beschloffen, nicht nur über die Möbelfabrik von Pfaff die Sperre zu verhängen, sondern auch bei allen denjenigen Meistern die Arbeit niederzulegen, welche für Pfaff weiter arbeiten würden. Der Angeflagte Wagner gehörte zu denjenigen Personen, welche es über­nommen hatten, die Werkstätten von Zeit zu Zeit darauf hin zu revi diren. So war er auch in die Werkstatt eines Meisters gekommen, als legterer nicht anwesend war und hatte sich Zutritt verschafft, indem er der anwesenden Frau Meisterin erklärte, er wünsche nur mit einem der Gesellen zu reden. Die furze Anwesenheit genügte, um dem Revisor zu zeigen, daß dort in der That für Pfaff gearbeitet wurde, und die

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