Wenn dies geschehen ist, bekommt der Trimmer den Schuh. Dieser Mann steht an einer kleinen Maschine, welche einen fich bliz= schnell umdrehenden Fraise- Apparat darstellt, an dem die Nänder der Sohlen und die Abfäße glatt geschnitten werden. Auch diese Branche hat eine Anzahl Unterabtheilungen, in der jeder Mann nur einen Theil der Trimmerarbeit besorgt. Vom Trimmer gelangt der Schuh in die Hand einer Reihe von Leuten, welche die Sohlen und Abfäße glätten und ihnen folgen die Burnishers, welche den Rändern und Ab­fäßen mit Maschinen, deren stählerne Polierräder von Gasflämmchen erhizt werden, schwarzen Glanz verleihen. Von der Burnishing- Maschine gelangt der Schuh in die Hände einer Anzahl Arbeiter, welche den Rändern und Absäßen mit den Händen und verschiedenen glatten Werk­zeugen die letzte Politur verleihen. Dann bekommen die Sand= papierer den Schuh, um die Sohlen abzureiben. Auch dies ge= schieht mit Maschinen, und von diesen wird der Schuh den Finishers gegeben, welche die Waare mit Tüchern und Bürsten abreiben, um sie hierauf den Cleaners zu geben, die an von Dampfkraft bewegten Bürsten stehen, welche den Schuh glänzend blank machen. Diese Bürsten bestehen aus Wollen- und Seidenfäden und drehen sich mit großer Ge­schwindigkeit. Wenn alles dies geschehen ist, wird auf die Sohle des Schuhes der Fa britstempel geschlagen, sowie die Buchstaben und Zahlen, welche die Größe angeben und die letzte Arbeit ist das Ein= fleben der aus Leinen bestehenden Futtersohle. Nun ist der Schuh fertig und er wird, Paar um Paar, die besseren Sorten in Papp= schachteln, die gewöhnlicheren nebeneinander in Kisten verpackt, um schließlich vom Lagerhaus auf den Markt geschickt zu werden." Soweit der Bericht.

Ein erstaunlicher Mechanismus, nicht wahr? Wie sich unter den heutigen Verhältnissen die Lage der in demselben thätigen Arbeiter ge= staltet, kann sich der aufmerksame Leser eigentlich schon selbst sagen. Alles Stück arbeit", das sagt dem Wissenden genug.

Wir behalten uns vor, in einer späteren Nummer die Angaben des Berichtes über die Lohnverhältnisse der Arbeiter in diesen Fabriken mitzutheilen. Hier, weil wir grade bei der technischen Seite der Frage sind, nur noch eine Bemerkung.

Kein Zweifel, daß der maschinelle Großbetrieb die Produktionsform der Zukunft ist. Die Menschheit wird auf die enormen Vortheile des selben für die Gesammtheit nicht verzichten, denn nur auf Grund ihrer wird sie dahin kommen, Allen den vollen Lebensgenuß sichern zu fönnen, Allen Arbeit, Allen Muße. Sie wird die Lage des Arbeiters in den Produktionsanstalten in jeder Weise erhöhen, ihn aus der Stellung eines lebenden Werkzeuges oder richtiger, lebendigen Anhängsels eines todten Werkzeuges zu einem gleichberechtigten Theilnehmer am Werf erheben. Den Mechanismus des Apparats aber ändern das wird, das fann sie nicht. Und darum die Frage: was wird im Nah­men dieses Apparats aus der vielgerühmten absoluten Auto= nomie des Individuums" der Anarchisten?

Sozialpolitische Rundschau.

London , 25. Juni 1890.

Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur durch die Arbeiterklasse selbst erfolgen. Dieser Satz, der in allen Pro­grammen proletarischer Parteiorganisationen zu finden ist, schreibt mant uns gibt in seiner einfachen unwidersprechlichen Wahrheit die ficherste Richtschnur unseres politischen Verhaltens und Handelns. Von oben", sei es vom Himmel", der stir che oder von den Thro= nen der irdischen Macht haber, kann die Befreiung nicht kommen. Die Kirche, deren Beruf" zur Lösung der sozialen Frage von den Dunkelmännern aller religiösen Bekenntnisse jest mit solch charlatan­istischer Aufdringlichkeit betont wird, hat fast neunzehnhundert Jahre lange Zeit gehabt, diesen ihren angeblichen Beruf" zu erfüllen, und was hat sie gethan? Nichts. Es ergeht ihr, wie jenen alternden Sündern, die ihr Ende nah wissen, und in aller Geschwindigkeit sich selbst und der Welt noch eine kleine Stomödie vormachen, in der sie alle möglichen schönen und guten Dinge versprechen, und die tugend­haftesten Zukunftspläne entwerfen zu spät. Wenn die Kirche überhaupt den Bernf" hätte, so würde sie ihn früher bethätigt haben, zur Zeit, da sie noch eine Macht war. Zur Zeit, da sie die Macht hatte, fehlte es ihr am Willen. Jetzt fehlt ihr die Macht, ebenso wie ihr der Wille fehlt. Die Kirche ist heute so wenig sozia= listisch, wie sie es früher gewesen ist; und wenn sie jetzt mitunter sozia­listisch thut, so will sie damit nicht dem Sozialismus und den Arbeitern von Nußen sein, sondern nur sich selbst. Und gefänge es der Kirche, die alte Macht wieder zu erlangen, so wäre das Erste, daß sie alles Sozialistische für das Werk des Teufels erklärte. Es erginge ihr dann wie dem Teufel nach dem bekannten englischen Vers:

When the devil was sick, a saint he would be, When the devil was well, the devil a saint was he" ,, als der Teufel krank war, wollte er ein Heiliger werden; als er wieder wohl war, da ging die Heiligkeit zum Teufel".

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Und mit dem andern Oben": der hohen Obrigkeit", oder nennen wir es mit dem modischen Namen: mit dem sozialen König­thim" verhält es sich genau ebenjo. Die hohe Obrigkeit", in welcher Gestalt immer fie uns heute entgegentrete, dient den Reichen und Mächtigen, ist die gehorsame Mago der Unterdrücker und Aus­beuter, und wenn sie sich ihrer Pflichten gegen die Armen und Unter­drückten" erinnert, und sich als Trösterin und Helferin der Schwachen" aufspielt, dann ist sie regelmäßig in Schwulitäten, und denkt gleich der Kirche nicht an den Vortheil der Schwachen und Unterdrückten, sondern nur an den eigenen. Das Geheimniß des fozialen Stönigthums wird seit dreißig Jahren in Deutschland von allen Spaßen gezwitschert, läuft auf allen Straßen herum. Bismarc ließ wie immer als Plagiator fremder Ideen, in diesem Fall fran= zösischer das Märchen vom sozialen Königthum in die Welt sezen, als er, in der Zeit des großen"( in Wirklichkeit erbärmlich tleinen) Stouflifts" die bockbeinige Bourgeoisie mit dem Rothen Ge­spenst" in's Bockshorn jagen wollte. Die Komödie, welche in den sechziger Jahren mit dem sozialen Königthum" der Hohenzollern ( unter obligater Hausmeierschaft der Dynastie Bismarck") spielte, das ist unseren Lesern bekannt; und wie komödienhaft die Komödie war, welche er, am Ende seines Lateins, zwanzig Jahre später nochmals zur Aus­führung brachte, das hat er in seiner greifenhaften Schwaßhaftigkeit neulich in Friedrichsruh bei einem Klatsch- Interview hübsch ausge= plaudert. Es war alles Lüge und Schwindel, was ich seinerzeit im Reichstag und in meiner Reptilpresse über die sogenannte Kaiserliche Botschaft" und das für die Arbeiter warmschlagende Herz des Hohen­ zollern 'schen Heldengreises gesagt habe. Diese kaiserliche Botschaft" war mein Werk, das ich in der doppelten Absicht verübt habe, die deutschen Arbeiter zu nasführen und mich wieder fest in den Sattel zu schwingen der Heldengreis wollte von dem ganzen Schwindel nichts wissen, und es kostete mich viel Mühe, ihm seine Unterschrift abzu­locken."

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Sturz, er hat in seinem alkoholistischen Ingrimm ob der Beerdigung bei lebendigem Leib das Geheimniß des sozialen Königthums" oder Staiserthums enthüllt, und sich selbst als einen gemeinen Sozial= demagogen hingestellt, der im Interesse seiner eigenen, nicht der Hohenzollern 'schen Dynastie die soziale Frage ausbeuten wollte.

Und wie steht es mit der neuesten Auflage des sozialen König­thums"? Wir wollen die weitestgehenden Zugeständnisse machen. Wir wollen annehmen, daß die kaiserlichen Erlasse des Enkels nicht zu bloßem Bauernfänger- Schwindel dienen sollten, zu dem der Großvater den Namen hergegeben. Allein im Grunde ist es auch ganz gleich giltig, was sich Wilhelm II. bei den Kaiserlichen Erlassen" gedacht und was er damit bezweckt hat. Von zweien eins: entweder hat er es ehrlich gemeint, oder nur ein demagogisches Manöver gemacht. Für die die Arbeiter find so weit es sich um die Hauptsache handelt Wirkungen in dem einen wie in dem andern Fall genau dieselben: von oben kommt ihnen das Heil nicht. Meint der Kaiser es nicht ehrlich, dann werden die faiserlichen Grlasse eine taube Nuß sein gleich der kaiserlichen Botschaft: Und meint er es ehrlich, num- dann ist er mit seiner ganzen kaiserlichen Macht ohn mächtig zu ihrer Verwirklichung. Wir lassen es unentschieden, welcher von beiden

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Annahmen der Vorzug gebührt soviel ist schon heute er= wiesen, daß die Sozialreform von oben, welche durch die faiser= lichen Erlasse in Aussicht gestellt ward, ein todtgeboreneskind, und das soziale Königthum" in der neuesten Ausgabe ein nicht minder gründliches Fiasko ist, als es in der alten gewesen. Die Geschichte der internationalen Konferenz, die Geschichte und das Wesen der gegen­wärtig vor dem Reichstag liegenden sogenannten Arbeitergesetze, der Hohn der Großbourgeoispresse, die dem Hohenzollern offen ein Schnipp­chen schlägt, so daß die alten Quißows und seine Raubritter der Mark sich vor Freude im Grabe herumdrehen könnten furz, Alles zeigt, daß der Kapitalismus vorläufig noch Herr und Meister ist und das König- oder Kaiserthum von Gottes Gnaden nur als seinen wohl­bestallten und wohlbezahlten Diener gelten läßt.

Will der Diener dem Arbeiter helfen, so muß er gegen seinen Herrn und Meister rebelliren. Und wird er das thun? Es wäre ein seltsamer Wiz der Weltgeschichte, die ja mitunter gar spaßige Ein­fälle hat.

Freilich den Arbeitern wird damit nur wenig genützt. An sie müßte der rebellische Diener sich wenden, um nicht von seinem gestrengen Herrn gedehmüthigt und gezüchtigt zu werden und sie, sie können auch ohne Kaiser mit dem Kapitalismus fertig werden

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Der Ex- Schäffle dies ist wohl der beste Titel für den Mann, der sich so vieler Er-, d. h. gewesener Qualifikationen rühmen kann also der Ex- Schäffle hat wieder einmal in einem Buche seine Stimme erhoben. Das geschieht bekanntlich jedesmal, wenn in Staat und Gesellschaft etwas Wichtiges vorgeht. Dann sagt eine innere Stimme dem wackern Schwaben: Albertle, jetzt bischt du dra', sonst macht d' Weltg'schicht' n Bluzer." Und Albertle sezt sich hin, zeigt der Weltg'schicht", wie sie sich aus der begonnenen Sach' am besten heraus­wickelt, und dann hat der Laupp'sche Verlag in Tübingen eine Schrift mehr auf Lager.

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Diesmal ist es der bevorstehende Ablauf des Sozialistengesetzes, der Albertle die Feder in die Hand gedrückt hat. Nachdem die gegen= wärtigen Machthaber sich entschloffen gezeigt hatten, auf die Erneuer­ung dieses Prachtstückes Bismarck 'scher Staatsweisheit zu verzichten, war es ja für ein Professorgemüth unumgänglich nothwendig, den Be­weis zu liefern, daß es auch ohne Sozialistengesetz geht vorausgesezt natürlich, daß die Sache von nun an so gehandhabt wird, wie sie sich der Herr Professor am Studiertisch ausgeflügelt.

Wie die Rezepte des Ex- Schäffle ausfallen würden, konnte für den= jenigen, der die Laufbahn dieses Wandelsterns am sozialpolitischen Himmel verfolgt hat, keine Frage mehr sein. A bissel Sozialreform, Viel Polizei,

Und Beschneidung der Volksrechte Sind nothwendig dabei.

Im Einzelnen nachzulesen in der sehr ausführlichen Besprechung der Schäffle'schen Artikel im Berliner Volksblatt".

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Uns interessirt an der neuesten Schrift des Ex- Schäffle nur ein Sab, der uns den Er- Demokrat, Er- Professor, Ex- Minister, Gy- Preußenfresser, Er Sozialist, Ex- zellenz zwar von keiner neuen Seite, aber doch in einer recht hübschen Selbst beleuchtung zeigt.

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Der Herr spricht nämlich dort von der widerlich gewordenen Wüh­lerei", welche um die Zeit der Attentate Hödels und Nobilings ge= herrscht" habe. Dieses Umsturztreiben" habe das Sozialistengesetz auf das wirksamste beseitigt. Der Terrorismus oder jene Art der Pro­paganda, welche die Unfreiheit und die Unsicherheit aller Nichtproletarier bedeutete", hatten sofort ein Ende gehabt" oder seien in die engsten Schranken verwiesen worden."

Das von Herrn Schäffle ist wirklich erzellent. Um" die Zeit der Attentate Hödels und Nobilings gab es nämlich Niemand in den Nei­hen der Nichtproletarier", der den widerlich wühlenden Sozialdemo= fraten zärtlichere Blicke zuwarf, als Herr- A. E. Schäffle. Aber es blieb nicht bei den Blicken. Der Herr Erminister Erz. verschmähte nicht, im Hauptquartier der widerlichen Wühlerei, in der Redaktion des " Vorwärts" seinen Besuch abzustatten. Er verfehlte nicht, den Leitern der widerlichen Wühlerei, den sozialdemokratischen Abgeordneten, seine Schriften zu übersenden, und schließlich konnte er sich nicht versagen, auch an einem Organ mitzu arbeiten, das von einem Mitglied der widerlichen Wühlerpartei herausgegeben wurde. In der Wiede'­schen Neuen Gesellschaft" begegnen wir gleich im ersten Heft neben A. Dult, J. Most 2c. auch Herrn Dr. A. Schäffle in Stuttgart . Nicht Minister a. D. Erz.", sondern schlechtweg" Dr.", wie sich das in einer sozialdemokratischen Zeitschrift geziemt.

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Und o des bösen Zufalls! der Artikel, mit dem Herr Schäffle um" die Zeit der Hödel und Nobiling in sozialdemokratischer Gesell­schaft debütirt, ist der Aufgabe gewidmet, den Wahn zu zerstören, daß daß die neue Gesellschaft", nach der wir" nämlich wir: Most, Wiede, Schäffle 2c. ,, uns sehnen", ein vollkommen streitloser Zustand formloser Solidarität und Brüderlichkeit werden könne.

Wird sich", fragt Herr Schäffle dort, selbst wenn der nächste Fort­schritt nochmals nur in innerem und äußeren Krieg erreicht werden fönnte, wenn die höhere Entwicklung noch einmal durch Gewalt und Blut erfauft werden müßte, wenigstens für die weitere Entwicklung ein schlechthin streitloser Zustand, die vollkommene Brüderlichkeit ohne Kampf der Geister, ohne Ningen der Interessen, ohne Aufeinander­plazen der Gegensäge vollziehen?"

Und er antwortet mit einem unverblümten Nein. Es wird auch in der ,, neuen Gesellschaft" fortgewühlt werden. Man höre nur:

Bei aller Begeisterung für die Herbeiführung besserer Sozialzustände, bei glühend stem Verlangen nach jener Emporhebung der Masse unserer Mitbürger, zu welcher erst unsere Epoche die Mittel der Verwirklichung ausgezeitigt hat, wird doch jeder verständige Partei­gänger der neuen Gesellschaft" weit davon entfernt sein, das Gesetz der natürlichen Auslese, den Prozeß vervollkommender Daseinskämpfe für den ferneren Lauf der zivilen gase natürlicher Schöpfung auf­heben zu wollen."

Ueber die Zukunftsgesellschaft oder, wie es jest wohl heißen muß, Er- Zukunftsgesellschaft des Herrn Schäffle haben wir hier nicht zu reden. Wohl aber konstatiren wir, daß Herr Schäffle im Oktober 1877 in einem sozialdemokratischen Blatt das glühendste Verlangen" nach der neuen Gesellschaft d. h. dem sozialistischen Gemeinwesen- fund­gethan, und den Gedanken, die Verwirklichung dieses Zieles ,, durch Gewalt und Blut" d. h. durch revolutionären Umsturz zu erkaufen, durchaus nicht von der Hand gewiesen hat.

So wenig tam damals Herrn Schäffle die sozialdemokratische Wüh­Teret widerlich" vor, daß er es nicht verschmähte, ein bischen mitzu­ wühlen".

Und er war doch kein Kind mehr. Er hatte das Schwabenalter bereits überschritten.

So können wir ihm daher nur aufrichtig zu der Ohrfeige gratu­Liren, die Herr Schäffle in dem obigen Satz sich selbst verabfolgt.

-Eine Preisfrage. Unternehmervereine zur Bekämpfung un gerechtfertigter Streits" sprießen förmlich aus dem Boden, überall wird, da das Gründen" an der Börse im Augenblick nicht recht geht, in diesem Artikel gegründet. Es wird bald heißen können: es ist kein Ort im Land zu klein, er hat seinen Anti- Streik­verein.

Wohlgemerkt, nicht Anti- Streit schlechtweg, sondern gegen Streiks, die ,, nicht gerechtfertigt" sind. Daraus muß man schließen, daß es auch gerechtfertigte Streits gibt. Gibt" ist vielleicht zu viel gesagt, denn wir wüßten nicht, daß schon irgend ein Streit von den Leuten, die die erwähnten Gründungen betreiben, je für gerechtfertigt erklärt worden wäre. Aber sie geben die Möglichkeit zu, daß es einmal irgend= wo und unter ganz besonderen Umständen einen gerechtfertigten Streit geben könnte. Wie dieser Streit aussehen muß, darüber sind die Herren bis jetzt noch nicht recht einig. Die Ansicht z. B., daß wenn Arbeiter für Verlängerung des Arbeitstages streifen, das unter Umständen wohl zu rechtfertigen wäre, hat keineswegs allgemeine Zustimmung gefunden. Verschiedene Strauter", die sich dahin aus­sprachen, daß man sich solchen Streit gefallen lassen könne, erhielten zur Erwiderung, das sei revolutionärer Liberalismus. Kurzum, die Frage ist zur Zeit noch eine schwebende".

Um der Ungewißheit abzuhelfen, fordern wir num unsere Leser auf was thut man nicht seinen Nebenmenschen zu Liebe? ihrerseits sich an der Beantwortung der wichtigen Frage

,, Was ist ein berechtigter Streit?" mit allen Kräften zu betheiligen. Es ist eine Aufgabe, so den Scharf­sinn reizend, daß es sicher keines weiteren Antriebes bedarf.

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Leichtsinnig- frivol. Viel leichter, als zu ermitteln, was ein ge­rechtfertigter" Streit ist, ist die Beantwortung der Frage, was ein leichtsinnig frivoler Streit ist. In wahrhaft klassischer Weise hat dieselbe das Organ der biederen Mezgermeister, die Deutsche Fleischer- 3tg." neulich beantwortet. Sie schrieb mit Bezug auf den Kampf im Hamburger Fleischergewerbe:

Wir hoffen, in den Stand gesezt zu werden, die Liste aller der Ge­sellen zu veröffentlichen, welche in leichtsinnig frivoler Weise eine Arbeitseinstellung in's Werk gesetzt haben. Wir bedauern die­jenigen, welche sich haben bethören lassen; die Nothwendigkeit aber zwingt zu rücksichtslosem Vorgehen zur Warnung für die Anderen! Die Neue dürfte bei vielen zu spät kommen, denn noch nie ist in leichtsinnigerer und unberechtigter Weise eine Arbeits­einstellung in's Werk gesezt, als die der Hamburger Schlächtergesellen." Wohlan, worin besteht der Leichtsinn und die Frivolität der Ham­burger Schlächtergergehülfen? Die Herren Unternehmer verlangten von ihnen Austritt aus dem Fachverein, und als sie diese Zu­muthung ablehnten, hieß es: Ihr seid entlassen! Ignoranten, welche sich noch in veralteten Anschauungen bewegen, nennen das eine Aussperrung, und manche Leute hegen so perverse sittliche An­schauungen, daß sie es sogar als eine frivole Aussperrung bezeich= nen, aber das sind eben überwundene Standpunkte. Es ist ein fri­voler Streit, für den seinen Urhebern eine derbe Züchti= gung gebührt."

Wir konstatiren das nur, gestehen aber zu unserer Schande zu, daß wir uns noch nicht ganz in die neue Anschauung hineingelebt haben. So recht einverstanden sind wir einstweilen nur mit den Schluß= worten des zitirten Sages.

Während die Frauenarbeit in der Industrie mit jedem Tage mehr zunimmt, während in großen Produktionszweigen die Zahl der weiblichen die der männlichen Arbeiter bereits übertrifft, haben sich bei der Berathung über die Gewerbegerichte Reichsregierung und Reichstagsmehrheit nicht einmal dazu herbeilassen wollen, den Frauen das aktive Wahlrecht zu bewilligen. Der ganze parlamentarische und bureaukratische Kretinismus kam bei dieser Gelegenheit wieder jo recht zum Ausdruck. Die thatsächlichen Verhältnisse gehen uns Gesetz­geber nichts an, uns kümmern nur die herrschenden Anschauungen d. h. die Anschauungen, die in unsern Streisen vorherrschen." Klassisch spiegelt sich das in der Nede des Staatssekretärs von Bötticher wieder. Dieser Herr sagte nach dem Berliner Volksblatt":

Der Nachweis, daß es nothwendig ist, die bisher noch nicht zuge­laffene Theilnahme der Frauen an politischen Rechten in diesem Geseze einzuführen, hätte eigentlich von Seite des Abgeordneten Rickert und seiner Partei erfolgen müssen. Der Grund, den er uns unterschoben hat, daß wir fürchteten, das weibliche Geschlecht werde uns über den Stopf wachsen, trifft nicht zu; wir nehmen es in dem Respekt vor dem schöneren Geschlecht durchaus mit ihm auf und erkennen sogar an, daß die Einwirkung des weiblichen Geschlechts auf die Männerwelt unter Umständen recht wohlthätig und segensreich ist.( Heiterkeit.) Es handelt sich um die Einrichtung von Gerichten, welche im Namen der staat­lichen Autorität Recht sprechen sollen, und der Staat trägt die Ver­antwortung, daß ihre Aufgabe unbeeinflußt von irgend welchen unter­geordneten und unzulässigen Rücksichten erfüllt werden kann.( Sehr wahr!) Nun fagt man uns, die Frau ist Arbeiterin ebenso wie der Mann, fie muß deshalb auch dasselbe Recht haben, bei der Zusammen­setzung der verschiedenen Gerichte mitzuwirken. Wer in aller Welt ist bisher schon auf den Gedanken gekommen, daß die staatlich eingesetten Gerichte unter Konkurrenz der Frauen zu Stande kommen sollen? Wer hat bisher den Satz aufgestellt, daß die Frauen, weil sie eine gleiche Thätigkeit wie die Männer entfalten, auch dieselben politischen Rechte haben müßten wie die Männer? Ich gebe gern zu, daß vielleicht in vielen Fällen die Konkurrenz der Frauen bei der Wahl für die schiedsgerichtlichen Beisiger ohne jegliche Gefahr für die Zusammensetzung sich vollziehen kann. Aber eine Gewähr ist nicht gegeben. Das schönere Geschlecht ist auch das schwächere; es ist allen möglichen Einflüssen ausgesetzt( Abg. Rickert: Sie nicht?), während der Mann größeren Widerstand entgegenzusetzen vermag.( Zuruf des Abg. Rickert.) Ob der Abgeordnete Rickert diese Fähigkeit befißt, weiß ich nicht.( Große Heiterkeit. Abg. Rickert: Ach Du lieber Gott !) Das alte taceat mulier in ecclesia( die Frau soll in der Versammlung schweigen) gilt auch heute noch, und bei allem Respekt vor den Rechten der Frauen fann ich es dem staatlichen Wohle nicht entsprechend halten, wenn den Frauen politische Rechte gegeben werden. Es ist möglich, daß eine spätere Zeit darüber anders denkt. Die Auffassung der heutigen Zeit, glaube ich richtig gekennzeichnet zu haben. Wenn wirklich in einzelnen Statuten über gewerbliche Schiedsgerichte der Frau die Befugniß zur Wahl gegeben ist, davon aber erfahrungsgemäß fein Gebrauch gemacht wird, so ergibt sich daraus, daß unter den Frauen selbst diese Forderung noch nicht als eine berechtigte und dringliche angesehen wird. Hätten die Frauen wirklich ein Interesse, an der Wahl der Beisitzer theilzu= nehmen, so würden doch irgendwo und irgendwann diese Wahlen sich unter Konkurrenz der Frauen vollzogen haben. Ich schließe aus allen diesen Thatsachen, daß es richtig und gerathen ist, auch bei Zusammen­setzung der Schiedsgerichte es bei den Grundsäßen zu belassen, die für die Betheiligung der Frauen an der Schöpfung staatlicher Gerichte gelten."

Und für diese seichten, nichtssagenden Redensarten erntete Herr Bötticher den lebhaften Beifall" der Junker und Pfaffen des Hauses, Zentrum und Konservative gingen auch hier, wie fast jedesmal, wenn es sich um Aufrechterhaltung eingerosteter Vorurtheile handelt, einträchtiglich Hand in Hand.

Die Frauen find allen möglichen Einflüssen ausgesetzt", denen der Mann größeren Widerstand entgegenzusetzen vermag." Als ob die Ein­flüsse, die da gemeint sind, bei der Wahl einer wirthschaftlichen Interessenvertretung irgendwie in Betracht kämen. Ganz abgesehen davon, daß es mit der Widerstandsfähigkeit der Männer" auch seine ganz eigenen Haken hat. Man hört so allerhand Geschichten, bei denen es einem wirklich zweifelhaft erscheim, welches Geschlecht eigentlich den größeren Anspruch auf den Titel des schwächeren hat. Da ist uns erst dieser Tage aus der Hauptstadt des deutschen Reiches ein Schreiben zugegangen, das, als charakteristischer Beitrag zur Sittengeschichte des zweiten deutschen Kaiserreichs, auch auf diese Frage einen bezeichnenden Schlagschatten wirft.

Dieses Schreiben lautet:

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L. R. Es dürfte wohl jedem Leser der Tagespreffe fener eckelhafte Sensationsprozeß noch in Erinnerung sein, dessen Heldin die famose Frau Oberamtmann" Häuser war, die, um ein standesgemäßes" Leben führen und in der guten" Gesellschaft verkehren zu können, ein höheres Bordell unterhielt, und sich dabei in der That sehr gut stand, die" Elite" der Offiziers- und sonstigen Aristokratie zu ihren Stamm­gästen zählte. Die Häuser'schen Salons waren, bis der Strach eintrat, der Sammelplatz der Edelsten und Besten" der Nation. Im Prozeß wurde der Frau Oberamtmann nachgewiesen, daß sie ihre eigne Tochter an die vornehme Kundschaft verkuppelt hatte; sie wurde zu 18 Mo­naten Gefängniß verurtheilt und verbüßt diese Strafe jetzt wo und wie, weiß man nicht recht.

Und die Tochter?

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Am 10. Mai war in Weißensee bei Berlin großes Rennen. Das iſt ein aristokratisches Bergnügen, die edelste und beste Welt findet sich da ein:

Die zierlichsten Stuger, die reizendsten Damen, Sie alle, fie famen, um luftig zu sein."

Unter Andern hatte auch eine junge Dame von üppigem Wuchs eine Droschte gemiethet, und war nach Weißensee hinausgefahren. Aber leider fand sie den nicht, den sie suchte; er mußte verhindert gewesen sein, zu erscheinen. Und so bat sie den Kutscher, da sie grade nicht bei Kasse sei, sie zu ihrem Hotel zurückzufahren. Es war das bekannte Paffage Hotel . Hier angekommen, sagte die Dame:" Mein Name ist Frau von d'Esposito, bitte, kommen Sie morgen und holen Sie Ihr Geld." Dem Kutscher kam die Sache etwas sonderbar vor. Er erfun­digte sich daher noch am selben Tage genauer, wer der interessante Fahrgast gewesen sei, und erfuhr zu seiner nicht geringen Erbauung, daß der Name d'Esposito nur angenommen, der wirkliche aber Häuser sei. Und er erfuhr noch mehr. Frau von nein, drücken

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