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No. 27.
Der Sozialdemokrat
Organ der Sozialdemokratie deutscher Zunge.
Briefe an die Redaktion und Erpedition des in Deutschland und Oesterreich verbotenen Sozialdemokrat" wolle man unter Beobachtung äußerster Borsicht abgehen lassen. In der Regel schide man uns die Briefe nicht direkt, sondern an die bekannten Dedadressen. In zweifelhaften Fällen eingeschrieben.
Der Kultus der Worte.
Wie aus einer Zuschrift hervorgeht, die wir in unserer heutigen politischen Rundschau abdrucken, befindet sich die gegnerische Presse wieder einmal auf der Suche nach Symp tomen einer bevorstehenden Spaltung in der Sozialdemokratie, und will unter Anderm entdeckt haben, daß Bebel und Liebknecht eine heftige Auseinandersetzung über autoritäre und demokratische Prinzipien gehabt hätten. Mit Recht macht sich unser Korrespondent darüber lustig; für zwei so längst in der Bewegung stehende Kämpen ist diese Frage" lange keine Frage mehr, sie mögen über bestimmte praktische Auf gaben gelegentlich differiren, über die grundsäßlichen Gesichtspunkte jedoch, die für unsere Partei in Betracht kommen, find die Beiden längst miteinander im Reinen. clipa den Für Sozialdemokraten sollte die Frage des Autoritarismus überhaupt nicht eristiren. Indeß sie taucht doch von Zeit zu Zeit immer wieder auf, und hat erst jüngst wieder in der vielbesprochenen Volksversammlung zu Berlin , die über den Brauereiboykott und die damit verbundenen Angelegenheiten verhandelte, eine gewisse Rolle gespielt. Es scheint, daß eine Reihe von Genossen sich noch immer im Banne dieses, von dem bürgerlichen Radikalismus überkommenen Schlagworts befinden. Davor, wie überhaupt vor dem Kultus der Worte, glauben wir jedoch nicht genug warnen zu können.
Wir sind nicht so doktrinär, alle Schlagworte grundsäßlich zu verwerfen. Fast jedes Schlagwort hat seine relative Berechtigung, sowohl der Zeit, wie dem Inhalt nach. Was aber heute richtig und zeitgemäß war, kann morgen falsch und schädlich sein, und was unter bestimmten Verhältnissen oder in bestimmter Anwendung seinen sehr guten Sinn hat, kann, wenn diese in Wegfall kommen, inhaltlos, unsinnig sein.
Als das moderne Bürgerthum auffam, fand es sich überall durch die ständischen Einrichtungen der Feudalzeit beengt. Die Kirche, der Adel, die städtischen Korporationen, alle hatten ihre Privilegien, und auf Schritt und Tritt traten diese Pri vilegien der Ausbreitung der modernen Produktion hemmend in den Weg. Und mie auf materiellem, so auf geistigem Gebiet. Der Besitz der Privilegien hatte ihre Inhaber um so mehr verknöchert, je mehr diese Privilegien selbst ihres ursprünglichen Zweckes entkleidet waren und nur Vorrechte ohne entsprechende gesellschaftliche Aufgabe darstellten. Der Adel beschützte nicht mehr den Bauer, sondern beutete ihn nur noch aus, nicht die Kirche, sondern Laien streuten jeßt, Wissen und Geist aus", und die städtischen 2c. Korporationen, die ehedem Schußorganisationen waren gegen Unterdrücker, waren nur noch bloße Interessengemeinschaften zur Unterdrückung. Alle diese Körperschaften aber stützten sich auf das Recht der Vergangenheit. Dieses sollte unantastbar sein, was grau von Alters" war, das galt als heilig". Hatte der Adel seinen Stammbaum, so hatten die Kirche und die Korporationen ihre Urkunden, und auf den Hinweis, daß Leistung und Gegenleistung, die ehedem einander entsprachen, jetzt in einem lächerlichen Gegensatz zu einander standen, hieß es kühl: Weh Dir, daß Du ein Enkel bist."
Aus jener Zeit stammt der Ruf:„ Nieder mit der Autorität!" Es war ein ächt revolutionärer, im besten Sinne fortschrittlicher Ruf. Die Institutionen, die sich der Fortentwicklung der Gesellschaft in den Weg stellten, mußten zertrümmert, ihr Einfluß vernichtet werden, und dieser Einfluß hatte keinen andern Hintergrund als die Autorität, das Recht der Ueberlieferung. Zu allen Zeiten nun wohnt den Menschen die Neigung inne, das, was sie momentan beschäftigt, als ein unbedingtes Prinzip aufzustellen. Die Philosophen und Schriftsteller der neuen Zeit arbeiteten ganze Systeme aus, die den thatsächlichen Kampf, der sich in der Gesellschaft vollzog, ideologisch wiederspiegelten. Aber in diesem Spiegel standen, um einmal mit Hegel zu reden, die Dinge auf den Kopf. Der Kampf gegen die Autorität galt nicht den Privilegien des Adels, der Kirche, der Zünfte 2c., sondern umgekehrt, der Kampf gegen Adel, Kirche, 3ünfte tc. galt dem Prinzip der Autorität. Dieses war der Feind, die Idee" mußte vor allen Dingen vernichtet werden. Der Rationalismus kam auf, der „ gesunde Menschenverstand" feierte seine Triumphe. Die eng lische Literatur des 17. und 18., die französische des 18. Jahrhunderts, sind der Ausdruck dieser Geistesströmung. Die Gegnerschaft gegen die Autoritäten wurde bis in ihre äußersten Konsequenzen ausgearbeitet. Es kamen die Schlagworte Individualismus", Autonomie", Gleichheit" 2c. auf; man konnte das Alte nicht radikal genug negiren.
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All das hatte seine Berechtigung, denn es entsprach der Tendenz der bürgerlichen Revolution. Die freie Ronkurrenz, dieser wirthschaftliche Untergrund derselben, ist die geschworne Gegnerin aller Autorität, und setzt die volle Autonomie des Individuums voraus. Jeder ist der natürliche Repräsentant des gefunden Menschenverstandes, jeder versteht jedes am Besten, jeder hat Waarenkenntniß, jeder ist Chemiker, darum nur keine wirthschaftlichen Beschränkungen, keine Aufsicht in Handel und Gewerbe, Freihandel, Freizügigkeit, Freiheit auf allen Gebieten. So lautete das Programm des bürgerlichen Liberalismus, als er sich noch jung und kampfesfrisch fühlte. Wirthschaftlich hat er es in der Hauptsache verwirklicht und auch politisch ist es wenigstens in so weit zum Durch
bruch gekommen, als die Menschenrechte" in allen modernen Staaten im Prinzip anerkannt sind. Ueberall sind die Staatsangehörigen vor dem Geseze gleich". Welche„ Gleichheit" ebensowenig wie die wirthschaftliche Freiheit und der„ gesunde Menschenverstand" die große Mehrheit der StaatsAngehörigen daran hindert, unterdrückt, ausgebeutet und in Handel und Wandel gründlich über's Ohr gehauen, vergiftet und geschunden zu werden.
Die Erkenntniß dieser Thatsache, die Erkenntniß, daß die formalen Freiheiten des bürgerlichen Liberalismus unfähig sind, Ausbeutung und Unterdrückung, Noth und Elend aus der Welt zu schaffen, hat die Sozialdemokratie ins Leben gerufen. Es ist daher auch grundfalsch, zu behaupten, die Sozialdemokratie sei die Konsequenz der bürgerlichen Demokratie, der vorgeschrittensten Vertreterin des bürgerlichen Liberalismus.
Die logische Konsequenz des bürgerlichen Liberalismus ist die Anarchie. Der Anarchismus entnimmt denn auch sein ganzes geistiges Arsenal der bürgerlichen Literatur.*) Er setzt die Illusionen des Bürgerthums fort.
Erscheint
wöchentlich einmal
in
Sondon.
Verlag
der
Joffendungen
franto gegen franto. Gewöhnliche Briefe
nach England kosten Doppelporto.
5. Juli 1890.
Geschichte des Eigenthums gruppirt sich überhaupt die Geschichte des Menschengeschlechts, sie bildet den Kern, den materiellen Boden der= selben, hier finden wir die entscheidende Erklärung für die großen epochemachenden Bewegungen der Geschichte, die treibende Ursache der großen Revolutionen, welche die Entwicklung der Menschheit aus dem Hordendasein bis in die moderne Gesellschaft, die sich die zivilisirte nennt, martiren.
Ein reiches, unerschöpfliches Thema. Und auch ein dankbares, hochinteressantes Thema. Für Niemanden aber verlockender als für den Anhänger der von Mary und Engels gelehrten materialistischen Ge schichtsauffaffung, die erst den Schlüffel liefert zum vollen Verständniß der Probleme der Menschheitsgeschichte, indem sie die Geschichte des Eigenthums selbst wiederum zurückführt auf die Geschichte der Pro= duktionsformen, die Art, wie, und die Verhältnisse, unter denen die Menschen die Gegenstände ihres Bedarfs herstellen. Nicht aus seiner abgeleiteten und für eine bestimmte Epoche rechtlich ausgebildeten Gestalt, sondern aus der Art, wie das Eigenthum geschaffen wird, ist seine Geschichte, und die sich darauf aufbauende kultur- politische 2c. Geschichte zu erklären.
Ueberschlaue Kritiker haben diese Geschichtsauffassung einseitig, roh= mechanisch genannt und ihr vorgeworfen, sie unterschäße, ja sogar, fie ignorire die geistigen Antriebe, die moralischen Eigenschaften der Menschen, die doch in der Geschichte eine so große Rolle spielen, und sie ver= sage infolgedessen nothwendigerweise überall, wo diese in Betracht kommen.
Nichts falscher als dieser Vorwurf. Es ist den Entdeckern der materialistischen Geschichtsauffassung durchaus nicht eingefallen, dieselbe als eine Schablone hinzustellen, an der Hand deren nun all und jeder
Der Sozialismus seßt das Werk der bürgerlichen Demofratie fort, aber im Widerspruch mit der bürgerlichen Phrafeologie. Alle bürgerlichen Phrasen haben nur als Nega- Borgang in der Geschichte einzig und allein aus der Eigenthumsform tionen einen bestimmten Sinn. Kein Zwang" heißt: keine staatliche Beschränkung der Bewegungsfreiheit, kein künstlicher Zwang. Der Zwang durch die Verhältnisse, durch die Gesetze des Markts, durch die Macht des wirthschaftlich Starken über den Schwachen ist natürlich und darf daher fortbestehen. Der Sozialismus sagt: Mit nichten. Der staatliche Zwang ist nicht das Schlimmste, sobald er nicht Ausfluß der Herrschaft von Klasse über Klasse ist, sondern gleich mäßig für alle gilt. Viel schlimmer ist der Zwang der Verhältnisse". Und darum wollen wir Einrichtungen, welche die Macht des Starken über den Schwachen aus der Welt schaffen. Ist das geschehen, so ist der staatliche Zwang von felbst auf ein Minimum reduzirt.
Reine Autorität!" Wir haben oben gesehen, was dieser Ruf im Munde des Bürgerthunns bedeutete. In diesem bestimmten Sinne ist er berechtigt und kann noch heute gelten. Er gilt auch als Postulat, daß Jeder sich bemühen soll, selbständig zu denken und nicht auf Worte und Personen schwören. Aber darüber hinaus ist er eine leere Phrase, hinter der dieselbe Illusion steckt, wie hinter den wirthschaftlichen Phrasen des Manchesterthums: jeder versteht jedes am besten, jeder kennt alles, auch wovon er nichts gelernt hat, jeder weiß alles, auch wofür ihm der Ueberblick fehlt.
Wie trügerisch die Phrase ist, dafür zeigt jeder Tag massenhaft Beispiele. Kein Quacksalber, kein MedizinalSchwindler, der nicht, um dem Publikum seine Salben anzuschmieren, mit einer Standpauke wider die medizinischen Autoritäten beginnt. Nun haben ja diese Letteren wirklich manches Hufarenstück auf dem Gewissen, der vielen von ihnen anhängende Zunftzopf, die Verranntheit in Schulmeinungen hat oft arges Unheil angerichtet; aber daß dies ein Grund sein sollte, den ersten besten Charlatan einem Mann vorzuziehen, der sein Fach von Grund aus studirt hat, das vermögen wir wirklich nicht einzusehen. Darauf läuft aber der Ruf ,, keine Autoritäten" in der Wirklichkeit gewöhnlich hinaus. Die Menschen bleiben bei alledem doch Menschen. Die Parole allein macht sie noch nicht zu enzyklopädistischen Köpfen, zu Leuten, die alles verstehen. Im Gegentheil, sie führt sehr leicht zum entgegengesetzten Resultat; wir haben wiederholt beobachtet, daß sie der Denkfautheit Vorschub geleistet hat.
Keine Sklaverei ist verderblicher als die Sklaverei der Worte. Die Worte wechseln ihren Sinn, und was bei der ursprünglichen Bedeutung derselben Vernunft war, wird später Unsinn, und wenn buchstäblich befolgt, verderblich.
Es liegt uns fern, einem blinden Personenkultus, einer unbeschränkten Herrschaft der Führer das Wort zu reden. Grade das Gegentheil ist der Zweck dieser Zeilen. Indem Grade das Gegentheil ist der Zweck dieser Zeilen. Indem wir die Despotie der Phrase bekämpfen, bekämpfen wir zugleich die Autoritätenanbetung. Wer sich von der Ersteren befreit hat, ist auch vor der Letteren beschützt. Er wird sich durch Worte weder fangen, noch durch Worte abschrecken lassen, sondern immer suchen, der Sache in's Auge zu schauen. Selbst wo er auf's Vertrauen angewiesen ist, wird er mit Maß vertrauen. Die Phrase aber ist maßlos. Und daher sind gewöhnlich Diejenigen die blindesten Autoritätenanbeter, die am lautesten zu rufen pflegen: keine Autoritäten!
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Das 31. Heft der Sozialdemokratischen Bibliothek" ist soeben erschienen. Es enthält eine Studie aus der Feder Paul Lafargue's Die Entwicklung des Eigenthums".
Es ist das ein vielbehandeltes Thema. Aber es ist auch ein nicht ost und nicht eingehend genug zu behandelndes Thema. Denn um die *) Sehr deutlich zeigt sich das in der literarischen Beilage der anarchi stischen Revolte". Diefelbe ist faft ausschließlich, manche Nummern ganz und gar zusammengefeßt aus Auszügen von bürgerlichen Schriften des vorigen und dieses Jahrhunderts, eine seltsame Mischung des Jugendrauschs und des Stazenjammers der Bourgeoisie. Der Artikel eines blasirten Mitarbeiters des„ Figaro" neben einem Auszug aus Diderot .
Produktionsmethode zu erklären ist. Solche Thorheit lag diesen Männern durchaus fern. Die materialistische Geschichtsauffassung weist nur die Methode an, nach der die Erscheinungen der Geschichte zu untersuchen sind, wie die Physiologie dem Arzt den Weg weist, den Krankheitserscheinungen auf den Grund zu kommen. Aber sie unterschäßt nicht nur nicht die begleitenden geistigen und moralischen Fattoren, sie erheischt im Gegentheil ihre vollste Berücksichtigung und Untersuchung, ganz abgesehen davon, daß sie die stupide Trennung des Geistigen vom Materiellen überhaupt nicht anerkennt. Auch die soge= nannten geistigen Antriebe kommen nicht aus der Luft, sondern stehen in engem Busammenhang und Wechselwirkung mit den materiellen Berhältnissen. Selbst scheinbar rein geistige Bewegungen sind daher nur zu verstehen, wenn man den materiellen Untergrund der Epoche genau fennt, in der sie ins Leben getreten sind.
Diefer materielle Untergrund der Geschichte, die Entwicklungsgeschichte des Eigenthums, die sich selbst wiederum auflöst in die Geschichte der Produktionsweise, ist nun bei Weitem noch nicht genügend systematisch erforscht worden. Ein reiches Material ist vorhanden, aber nur der fann es heben, der das System der alten Schazgräber aufgibt und gleich den modernen Geologen nach bestimmten wissenschaftlichen Grundfäßen untersucht.
Die Lafargue 'sche Schrift ist ein Versuch, die Geschichte des Eigen= thums auf Grund der materialistischen Geschichtsauffassung darzustellen. Viele Eigenschaften befähigen Lafargue ganz besonders zu einer solchen Arbeit. Nicht nur sein reiches allgemeines Wissen, sondern auch seine eignen speziellen Forschungen der Urgeschichte und der Anthropologie überhaupt. Wie erst die Kenntniß der früheren Erdrevolutionen den Geologen zum Verständniß des heutigen Erdinnern führt, so die Kenntniß der Formen des vorgeschichtlichen Eigenthums und der vorgeschichtlichen Gesellschaftsorganisationen erst den Soziologen zum vollen Verständniß der Entwicklungsgesetze des Eigenthums und der Gesellschaft überhaupt. Weiter aber kommt als fördernd bei Lafargue hinzu die scharfe Auffassungsgabe dieses originellen Schriftstellers. Und wenn auf so verhältnißmäßig knappen Naum auch nicht Erschöpfendes geleistet werden konnte, so können wir doch die Lafargite'sche Arbeit als eine höchst lehrreiche, anregende und fesselnd geschriebene bezeichnen und bestens empfehlen.
Auf vier Bogen kompressen Petitdruck schildert Lafargue in fünf Abschnitten: I. Die heutigen Eigenthumsformen. II. Den Ürfommunismus. III. Den Familienfollettivismus. IV. Das Feudal- Eigenthum. V. Das bürgerliche Eigenthum. An dieses letzte Kapitel knüpft sich eine Schlußbetrachtung, von der wir, so überflüssig es eigentlich ist, einen Theil als Probe der interessanten Arbeit hiermit folgen lassen:
„ Im Mittelalter war jede Stadt eine ökonomische Einheit, weil sich in ihrem Bereiche alle Berufsarten vertreten fanden, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Einwohner nöthig waren. Die kapitalistische zersetzt die geschlossenen Verbände der Handwerker, isolirt die verschie= denen Berufe und läßt sie sich in speziellen Zentren ansiedeln. Eine Stadt oder eine Provinz haben nicht mehr nöthig, alle Gegenstände, deren ihre Bewohner bedürfen, selbst zu produziren. Sie verlassen sich für die Fabrikation gewisser Waaren auf andere Städte und beschränken sich darauf, eine oder mehrere spezielle Waaren zu produziren. Die Seidenindustrie, die man Ende des vorigen Jahrhunderts über ganz Frankreich zu verbreiten suchte, hat sich fast ausschließlich in Lyon und Umgebung zentralisirt. Ebenso haben sich die Wollen-, die Baumwollen und Leinen- Industrie in gewissen Gegenden zentralisirt, wäh= rend die Eisenindustrie, der Getreidebau, die Kultur der Runkelrübe, die Zuckerindustrie in andern Gegenden heimisch sind.
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Die ehemaligen örtlichen oder provinziellen Wirthschaftseinheiten sind zerstört worden und an ihrer Stelle haben sich Wirthschaftseinheiten gefeßt, sie wurden gebildet durch die Ansammlung aller Induſtrien in anderer Art herausgebildet. Die alten Einheiten waren zufammen
dem Bereich einer Stadt oder Provinz, deren Produkte die Bewohner derselben bedurften; aber die neuen Einheiten sind einfach, umfassen nur eine einzige Industrie. Hier die Baumwolle, dort das Eisen, den Zucker, das Leder u. j. w. Ein kapitalistisches Land, wie Frankreich , theilt sich nicht mehr nach der geographischen Lage oder den historischen Heberlieferungen in Provinzen und Stände, sondern in einfache Wirthschaftseinheiten: in Baumwoll, Wollen und Weinbandistrikte, in Getreide oder Rübengegenden, in Kohlen und Metallzentren u. s. w. Alle diese industriellen Einheiten sind unter sich durch die gegenseitigen Bedürfnisse verbunden, keines fann nur einen Monat, ja auch nur eine Woche, wie z. B. die Städte des Mittelalters, ohne die andern Industriezentren leben. Wenn z. B. die Stadt Rouen bestimmte Baumwollengewebe für ganz Frankreich herstellt, so bezieht sie dagegen ihr Getreide aus der Beauce, ihr Schlachtvieh aus dem Norden, ihre Kohlen aus dem Loirebecken, ihre Dele aus Marseille 2c. 2c. Ein kapitalistisches Land ist eine gigantische Werkstätte. Jede Spezialität der gesellschaftlichen Produktion wird in speziellen Zentren verfertigt, die örtlich oft weit getrennt, aber durch die gegenseitigen Beziehungen alle eng mit einander verbunden sind. Die politische Autonomie der Städte und Provinzen des Mittelalters ist überlebt. Die gemeinsamen ökonomischen Bedürfnisse bilden die Grundlage der politischen Einheit der Nation. Die fapitalistische Produktion, die die lokale und provinzielle Einheit der Epoche der handwerksmäßigen Produktion zerstört hat, ist auf dem Wege, ihr eigenes Werk, die nationale Einheit, ebenfalls zu zer
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