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ward. Der Hausmeier der Hohenzollern hatte seine Dynastie", wäh= rend eines Vierteljahrhunderts rücksichtsloser Diktatur, berartig gefestigt, daß fie die Hohenzollern - Dynastie an Macht überragte, und vom neuen Staiser nicht ohne die Hilfe der öffentlichen Meinung beseitigt werden fonnte. Eine Hurrah- Majorität, wie die des Jahres 1887, hätte den Hausmeier zum Herrn der Situation und seines Herrn" gemacht. Genug, der neue Reichstag, der gegen Bismard gewählt ward, fand bei seinem Zusammentritt Bismarck nicht mehr im Amte. Und so vortheilhaft das im Allgemeinen war, so nachtheilig war es für die parlamentarische Stampagne. Mit alleiniger Ausnahme der Sozial WDemokraten der einzigen Partei, die ein positives Programm hat. richtete sich im Wahlkampf die Opposition aller Oppositionsparteien mehr oder weniger gegen die Person des Fürsten Bismarck; und es ist das nur zu natürlich bei der wahrhaft monströsen Ausbildung, welche das persönliche Regiment durch diesen raffinirten und skrupellosen Gewaltmenschen erhalten hatte.
So kam es denn, daß der Mehrheit der Opposition, als sie in die parlamentarische Arena eintrat, das eigentliche Kampf- Obiett fehlte. Statt des brutal polternden Schnapsbruders von Friedrichsruhe stellte sich mit verbindlichster Höflichkeit ein neuer Kanzler vor, der von vornherein erklärte, keine Reichsfeinde zu kennen und alle Wünsche aller Parteien gleich vorurtheilslos prüfen und nach Möglichteit erfüllen zu wollen.
Damit war die Majorität der Opposition für den Augenblick ent= waffnet; und als dann schließlich hinter der freundlich lächelnden Maske der neuesten Aera das häßliche Gesicht des Militarismus phervorgrinste, da war bei den Meisten die Kampfftimmung des 20. Febr. verraucht. Die Fortschrittler zeigten sich etwas tapferer als man ihnen sie zugetraut hatte, allein das Zentrum„ fiel um". Und wer konnte sich -10 barüber wundern?
Für das Zentrum find die politischen und sozialen Fragen stets Nebensa che gewesen, untergeordnet den kirchlich= hierarchischen Zielen. Zwar hatten die Kandidaten des Zentrums in ihren Wahlreden dem Militarismus Krieg bis aufs Messer! angekündigt, das war aber nur Bauernfängerei gewesen hatte man die Stim** men in der Tasche, so mochten die Wähler sehn, was die Gewählten machten. Schöne Versprechungen find, gleich guten Vorfäßen und EntBschuldigungsgründen, billig wie Brombeeren. Und fünf Jahre, bis zum Ende einer Legislaturperiode, ist eine lange Zeit! Ist es den Wählern bis bahin nicht aus dem Gedächtniß effémben, daß fie betrogens worden, nun so wird sich schon eine plausible Ausrede und wohlflingende Lüge finden. Das Zentrum hat auf seine Wähler das Vertrauen, daß fie vertrauensselig sind und sich leicht bemogeln lassen.
Umsonst hat der abgefeimte Windthorst in der Militärsache die Geschäfte der Regierung nicht besorgt das steht fest. Er ist ein Anhänger der do ut des Praxis, und gibt nicht, ohne daß ihm gegeben wird.
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Diesmal hat er seinen Lohn in Gestalt der letzten Kulturkampfgefeße, die abgeschafft werden, und da das nicht viel werth ist in Gestalt substantiellerer Konzessionen auf dem Gebiete des Schulwesens. Hier sind dem Klerus bedeutende Zugeständnisse gemacht worden. Neben Einräumung noch größeren Einflusses an die schwarze Gensdarmerie die Aufhebung der abscheulichen Maaßregeln zur Unterdrückung der Muttersprache in den polnischen Schulen. Durch diese Konzession hat die Regierung sich die Unterstüßung der polnischen Abge= ordneten in der Militärfrage gesichert, und gleichzeitig hat Windthorst die Polen , die ihm zu entschlüpfen drohten, dadurch wieder an sich gefesselt, so daß er ein doppeltes Geschäftchen gemacht hat.
Sittliche Entrüstung angesichts dieser Praktiken des Zentrums wäre sehr schlecht am Plaze; sie würde blos naive Unkenntniß der Natur des Zentrums verrathen. Es handelte, wie es seinem Wesen entsprach. Und die Frage ist blos, wie lange die Dummen, welche dem Zentrum auf den Leim gehen, nicht alle" werden. Ein Glück, daß die Verhältnisse für uns arbeiten. Wenn auch die Götter dem Sprichwort nach mit der Dummheit vergebens fämpfen, so sind doch die Menschen zum Glück stärker als die Götter, die sie sich nach threm Bilde geschaffen haben die Bibel stellt die Wahrheit hübsch auf den Kopf und die Verhältnisse sind noch stärker als die Menschen. Der Umschwung in Deutschland hat mit dem 20. Februar nicht seinen Abschluß erreicht. Alles ist noch im Fluß; von Ermattung nach dem gewaltigen Wahlkampf keine Spur, furz ça marche es geht vorwärts! plate
Die Sozialdemokratie tritt nun, nachdem sie im Reichstag ihre Schuldigkeit gethan, auf ihren eigentlichen Kampfboden: in die Agitation unter dem Volt. Die fünf Monate Ferien" dürfen für mis teine Ferien sein. Sie müssen nach jeder Richtung hin für die Partei ansgenügt werden, und in Bezug auf die beiden brennendsten Fragen, das Arbeiterschußgefeß und die kolossalen Neuforderungen des Militarismuts, bieten sie die beste Gelegenheit, einen„ Druck von Außen" zu organisiren, dem die ReichstagsMajorität in der zweiten Hälfte der Session Rechnung tragen muß. Und es ist sehr erfreulich, daß die Thätigkeit in diesem Sinne bereits begonnen ist.
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- Deutsche Rechtsprechung. Aus Dessau berichtet die Frank furter 3tg." unterm 23. Juni:
„ Eines argen Erzesses wegen, der am Tage der Reichstags
Feuilleton.
Aus dem Tagebuch eines politischen Zuchthäuslers.
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I.
Vor uns liegt ein Manuskript, dessen Gegenstand von vornherein Anspruch auf unser lebhaftes Interesse, unsere wärmste Theilnahme hat. Es ist betitelt Im Abgrund der Gesellschaft" und hat zum Verfasser einen Arbeiter, der zwei Jahre in einem deutschen Zuchthaus zugebracht hat. Im Zuchthaus! Welches häßliche Empfinden dieses Wort in uns erregt. Im Zuchthaus! Wer denkt nicht, wenn vom Zuchthaus die Rede ist, an Mörder und Brandstifter, an Spizbuben und Betrüger, an sittlich verwahrloste oder moralisch herabgekommene Menschen Für wen verknüpft sich der Begriff des Buchthäuslers nicht
wahlen, den 20. Februar, in einem Wahllokale zit echlingen stattgefunden, hatten sich vor einigen Tagen 21 Arbeiter vor dem hie figen Land- Schwurgericht wegen Landfriedenbruch s zu verantworten. Der Vorgang war lant Befundung der 36 vers nommenen Beugen, nach der National- 3tg. etwa folgender Am Abende des 20, Februar, furze Zeit vor dem Schluß der Wahlhandlung entstand auf der Straße dicht bor dem Wahllokale ein heftiger Lärm. Eine Anzahl Arbeiter rief: Heute geht der Gasthof taput", Heute kriegen die Kartellbrüder was auf den Ballon" u. f. w. Diese Rufer waren die Angeklagten, die bald unter sehr heftigem Lärm in's Wahllokal drangen. Dem Wahlvorsteher gelang es wohl, auf kurze Zeit die Nuhe wieder herzustellen, als jedoch das Wahlresultat verkündet war, wonach Geheimer Rath Dechelhäuser eine größere Stimmenzahl als der sozialdemokratische Kandidat Bremer erhalten hatte, begann der Tumult von Neuem. Die erregte Menge rief: Das ist Betrug! esenden
Runter mit dem Wahlvorstand and I u. f. w. Ginigen
sozialdemokratischen Vertrauensleuten gelang es wohl, die Menge zu beschwichtigen. Als aber erzählt wurde, daß am Tage der Wahlvorsteher den sozialdemofra tischen Vertrauensleuten verboten hatte, sich im Wahllokale zusetzen, war die Menge nicht mehr zu hal ten. Der Tisch, an dem der Wahlvorstand Plaz genommen hatte, wurde um und auf die sich flüchtenden Mitglieder des Wahlvorstandes geworfen. Noch ehe die Wahlvorsteher sich zu flüchten vermochten, wurden sie mit Bierfeideln geworfen, die Wahlvorsteher selbst über den Tisch gezogen, die Hängelampe, die Tischlampe und schließlich auch der Wahlvorstandstisch zerbrochen. Die Wahlzettel begannen zu brennen, die Wahlakten lagen zerstreut am Boden. Dem Wahlvorsteher ging die Menge derartig zu Leibe, daß ihm ein Rockärmel abgerissen wurde; die Mitglieder des Wahlvorstandes vermochten schließlich mit Hilfe mehrerer hinzugeeilter Polizeibeamten durch die Fenster eines Nebenzimmers zu entkommen. Ein Theil der Angeklagten bestritten die ihnen zur Laſt gelegten Handlungen, während andere sich schuldig bekannten mit dem Bemerken, daß sie an fenem Tage sinnlos betrunken gewesen seien. Die Geschworenen sprachen 20 Angeklagte des Landfriedensbruches schuldig und bejahten bezüglich 8 derselben die Frage der Rädelsführerschaft. Nur einem Angeklagten wurden mildernde Umstände zugebilligt, ein Angeklagter wurde freigesprochen. Der Staatsanwalt bean= tragte 3uchthausstrafe von 3 bis 6 Jahren und Ge fängniß ſtrafen von 9 Monaten bis 3 Jahren. Die Vertheidiger bemerkten: Wenn der Gerichtshof auch nicht eine rektur des Geschworenen - Verdikts vornehmen könne, so möge derselbe doch die gesammten Verhältnisse, unter denen die Grzesse geschehen, in Betracht ziehen und durch seinen Urtheilsspruch dazu beitragen, die Gegenfäße zu versöhnen, anstatt sie zu verschärfen. Der Gerichtshof erkannte in 7 Fällen auf Buchthausstrafe von 1 bis 2 Jahren, in 13 Fällen auf Gefängnißstrafe von 4 bis 8 Monaten, und sprach einen der Angeklagten frei. Nur den zu Gefängnißstrafen verurtheilten Angeklag- ten wurde die erlittene Untersuchungshaft in Anrechnung gebracht."
Ein Klassen urtheil, wie es im Buche steht.
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gerettet werde! Wornnter natürlich nicht die Welt schlechttveg, sondern ihre, der Rechtsverkündiger Welt, die Weltordnung des Befitbürger thums zu verstehen ist. Die alten Juristen waren Jdeologen, die neuen find Prattifet, verdammt schneidige Praftifer. Was fie aber mit ihre Praxis ober ihren Brattifen ausrichten, das steht auf einem anderen Kapitel.
-Ein sehr bemerkenswerther ,, Gewehr bei Fuß überschriebenet Artikel im Berliner Volksblatt" empfiehlt den deutschen Arbeitern, Angesichts der gegenwärtigen Lage des Arbeitsmarktes, die ganz deut lich eine rückläufige Bewegung der Geschäfte erkennen läßt, sowie des täglich offener zu Tage tretenden Feldzugsplans des Unternehmerthums, von jedem nicht unvermeidlichen oder ihnen aufgezwungenen Streit ab zusehen, und ihre ganze Thätigkeit der Stärkung und dem Ausbau ihrer Organisationen, dem Sammeln aller Kräfte und Hilfsmittel zu späteren Kämpfen, sowie augenblicklich der Unterstüßung der in Hamburg im Stampf liegenden Organisationen zu widmen. Es heißt in dieser Hinsicht:
Es ist hier in Hamburg fein Stampf der Maurer, Zimmerer, Schlosser, Schlächter, Steinmeßen u. s. w., sondern ein Kampf des Unter nehmerthums gegen die gesammten deutschen Arbeiter. Ein Kampf gegen den alle anderen kleineren Ausstände vollständig wesenlos sind. Es ist heute ganz einerlei, ob hier oder da ein kleiner Ausstand ge wonnen wird oder verloren geht. Hamburg ist heute das entscheidende perloren geht. Sa Schlachtfeld.
" Gelingt es, der Arbeitersache dort zum Siege zu helfen, dann haben wir einen großen Sieg errungen, der uns den Kampf an anderen Orten wesentlich erleichtern wird. 290
Geht der Kampf in Hamburg für uns verloren, dann steht eine ganze Reihe neuer Kämpfe in Aussicht, die das übermüthig gewordene Unternehmerthum dann hervorrufen würde, auch gegen den Willen der Arbeiter."
Wir können das nur unterschreiben.
Nun aber hat", heißt es dann weiter,„ dieser Kampf die Mängel der Gesammtorganisation der deutschen Arbeiter sehr deutlich gezeigt. Wir können nicht schnell genug Mittel und Hilfe an die bedrohte Stelle bringen, es fehlt der Zusammenschluß der verschiedenen Gewerke.
Die Fachorganisation muß die natürliche Grundlage bilden, sie muß entwickelt und gefördert werden. Aber neben ihr muß eine Gesammt organisation geschaffen werden, die die allgemeine Solidarität sämmt licher Arbeiter zum praktischen Ausdruck bringt.
Wir glauben, daß der Weg, den man mit den Generalkommissionen und Zentral- Streitkommissionen an einzelnen Orten einzuschlagen be ginnt, der richtige ist, daß er verfolgt und verbreitert werden muß...
Der Klassenkampf, die weite Ausdehnung, die heute die Unternehmer den Kampfe zu geben bemüht sind, machen eine solche Gesammtorgani sation dringend nothwendig.
Wäre sie schon vorhanden gewesen, dann hätten den Hamburger Ausgeschlossenenen ganz andere Mittel zur Verfügung gestanden, als heute. Die Unternehmer hätten sich dann wohl sehr besonnen, den Ausstand hervorzurufen. Um eine solche Organisation zu schaffen und durchzubilden, bedarf es der Zeit und der Ruhe. Sie muß überlegt und erprobt werden. Es ist Agitation und Belehrung nöthig. Das ist nur in der Ruhe zu machen." sidek
Aus diesen Gründen, und um die Kräfte der Arbeiter nicht zu zersplittern, müsse auf dem Gebiete des Lohn- 2c. KStampfes gegenwärtig
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Nach der vorstehenden Darstellung, die, wohlgemerkt, einem Startellblatt entnommen ist denn das ist die Nationalzeitung"-hatten die Tumultuanten für ihr allerdings thörichtes Beginnen eine Reihe sehr gewichtiger Milderungsgründe. Vor allen den, daß der Wahlvorstand wider die Vorschriften des Wahlgefeßes ihren Vertrauensbie Parole lauten:„ Gewehr bet græc. mann aus dem Wahllokal gewiesen und so selbst dem Verdacht Vor- Auch wir glauben, daß die Zeitverhältnisse nicht danach find, auf schub geleistet hat, daß es bei dem Wahlakt nicht mit rechten Dingen zugegangen, daß Betrug verübt worden sei. Dies in Verbindung mit der natürlichen Erregung am Wahlta ze hätte, wenn nach Lage der Dinge eine Verurtheilung stattfinden mußte, die milde ste Anwendung des Gesezes erfordert. Statt dessen wird in fieben Fällen auf Zuchthausstrafe erkannt, derjenigen Strafe, die für die schwersten Fälle festgesetzt ist, die die Betroffenen der entwürdigenden Behandlung als aus der Gesellschaft Ausgestoßene überliefert. Das iſt Klassenjustiz, und sei deshalb hier als solche gebrandmarkt. Jouni990, Wir wollen nun sehen, wie im Fall der Blumberger Bauern der Landfriedensbruch geahndet werden wird.
Siege im Sturm, durch die bloße Kraft der momentanen Soalition, zu rechnen; wo nicht eine bewährte, wohlausgerüstete und umfassende Organisation besteht, find solche so gut wie ausgeschloffen. Wir halten auch uns daher für verpflichtet, vor allen Streits zu warnen, wo nicht die obenentwickelten Bedingungen zutreffen. Und noch einmal: der Stampf in Hamburg ist die Sache der gesammten deutschen Arbeiter schaft. Darum thue jeder, was in feinen Sträften steht, den wackeren Hamburgern im Stampfe beizustehen. od sinoni
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Drei Jahre Gefängniß lautet das Erkenntniß der ehrenwerthen Richter des Pariser Kriminalgerichtshofes mit Bezug auf die sieben russischen„ Terroristen", welche für schuldig erachtet wurden, Vers fuche mit Sprengstoffen angestellt zu haben. Der vermuthliche Locks spigel Landeisen wurde zu fünf Jahren verurtheilt in contumaciam was bekanntlich nicht wehe thut. Drei Jahre Gefängniß für eine HandInng, die eigentlich erst durch ein Spezialgeseß zu einem Vergehen ges stempelt worden ist. Das Strafminimum, welches dieses Gesetz vor schreibt, beträgt sechs Monate. Die Herren Richter sind also ganz bedeutend über dasselbe hinausgegangen, trotzdem die Untersuchung nichts Bon Tag zu Tag war das Anklagematerial mehr zufammengeschmolzen, ergeben hat, was auf ein bestimmtes Komplott zu schließen geſtattete. und doch drei Jahre Gefängniß für Reinstein, Lavrenius, Levow, Stepanow, Nataschidze und Kadschinzen.
Und auch das nennt sich ,, Recht". In Dresden wurde Nedakteur Sommer von der Sächsischen Arbeiterzeitung" vor einigen Wochen vom dortigen Schöffengericht wegen groben Unfugs zu acht Wochen Haft verurtheilt, weil er in einem Bericht über eine andere vorausgegangene Schöffengerichtsfigung, in welcher er ebenfalls als Angeklagter fungirte, die Namen der Schöffen und deren Stand und Wohnung angegeben hatte. Giner Kritit hatte Sommer jenes frühere Urtheil in keinere Weise unterzogen. Dennoch erblickte der Gerichtshof in dieser Angabe der genauen Adresse einen Boykott versuch, den er mit fener hohen Haftstrafe ahnden zu müssen glaubte. Die von Seiten des Verurtheilten eingelegte Berufung wurde vor einigen Tagen vom Landgericht verworfen."
Fiat justitia, pereat mundus
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es geschehe die Gerechtigkeit und
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wenn die Welt darüber zu Grunde gehen sollte, ſo ſaglen die altenreits seine Zufriedenheit mit demselben zu erkennen gegeben. Neuter's Juristen. Diese sächsischen Rechtsverkündiger aber sagen: pereat justitia, salvetur mundus nieder mit der Gerechtigkeit, auf daß die Welt
waltsame Weise herbeigeführt zu sehen. Sein Handeln läßt sich nur aus innerer Hinneigung und Billigung der Gesinnungen erflären, wie sie in den verlesenen Artikeln der Freiheit" zu Tage getreten und welche in der Verfolgung und Verachtung alles dessen gipfeln, was in unserm heutigen Staate, in Gesellschaft und Kirche hoch und heilig zu halten ist."
Es sei hiezu bemerkt, daß Wunderlich kein Anhänger der Freiheit" war. Er war, wie man es damals nannte, Anhänger der Züricher Richtung, las aber auch die Londoner Freiheit", und gab wohl auch, aus Gefälligkeit, seine Adresse für dieselbe her. Das war Alles.
Im Uebrigen würde jeder Kommentar die Wirkung dieses Erkenntnisses nur abschwächen. Der Angeklagte hat fein ersichtliches er= sönliches Interesse an der Aenderung der Verhältnisse, sie er erstrebt, folglich ist er ehrlos und gehört in's Zuchthaus! So etwas macht den Namen eines Tribunals unsterblich.
Wunderlich wanderte in's Zuchthaus . Oder richtiger, er wurde
mit dein des Abhubs der menschlichen Gesellschaft Nur eine erloje, nd cluchungshaft in's Buchthaus transportirt. Die Gindrücke,
von niedriger einmung zeugende Handlung, nur die gewohnheitsmäßige Ausübung des Berbrechens pflegt, nach allgemeiner Anschauung, die Menschen in's Zuchthaus, in's Haus der Züchtigung, zu bringen. Der Verfasser hat es im Titel richtig gekennzeichnet: das Buchthaus gilt bei allen wohlanständigen Menschen als der Abgrund der Ge= sellschaft.
Welches Verbrechen, welche niedrige That, hatte ihn hineingeführt? Wen hatte er betrogen, bestohlen, beraubt, wen an Gesundheit und Leben beschädigt? Hatte er eine Fälschung, Brandstiftung begangen? Oder hatte er, ohne Hofprediger zu sein, vor Gericht beschworen:„ Ich kenne diesen Menschen nicht", während er ihn doch kannte? Nichts von alledem. Er hatte Schlimmeres gethan. Er hatte einem Bekannten einige Zeitung gegeben.
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Wir scherzen nicht. Am 5. Oftober 1882 wurde vom Reichsgericht in Leipzig der 22jährige Arbeiter Wunderlich, Zuschneider in einer Schuhfabrik, den sein Prinzipal das Zeugniß eines sehrafleißigen und sehr tüchtigen Arbeiters ausgestellt hatte, wegen Verbreitens einiger Gremplare der Most'schen Freiheit" zu zwei Jahren Zuchthaus und zwei Jahren hrverlust verurtheilt. Der Staatsanwalt einer der Edelsten und Besten" Freiherr v. Secken dorff , hatte jogar vier Jahre Gefängniß und vier Jahre Ehrverlust beantragt. Ein Mitangeklagter, Kiefer, der der gleichen Handlung überführt war, tam mit vier Monaten Gefängniß davon, die durch die Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wurden. Warum? Er hatte Wunderlich, der Arbeiten von ihm mehrmals, weil schlecht ausgeführt, zurückgewiesen hatte, aus Rachen denunzirt. Das bewies für das Reichsgericht die Ehrenhaftigkeit feiner Motive. In Bezug auf Wunderlich aber erkannte es von Rechtswegen":
" In der Frage, ob Festung oder Zuchthaus, wurde bei Wunderlich auf Zuchthaus erkannt. Denn eine ideale Auffassung der Lebensverhältniffe, die ihn irre geleitet haben könnte, ist bei ihm nirgends hervor getreten. Er befaß eine seinen Berhältnissen entsprechende Stellung, genoß die Anerkennung feiner Arbeitgeber und hatte mithin feinen ersichtlichen Grund für sich oder Andere eine Aenderung der Verhältnisse zu erstreben, geschweige auf ge
aus der
die er dort empfing, die Dinge, die er dort erlebt, bilden den Inhalt feines Tagebuchs, das beiläufig nicht nur ein nicht unbedeutendes Formi Talent verräth, sondern auch, was die eingestreuten Bemerkungen anbetrifft, auf erhebliche Belesenheit und eigenes Denfen schließen läßt.
Indeß müssen wir doch von dem Abdruck des ganzen Manuskripts absehen. Vieles, was es schildert, ist allgemein bekannt, und seine Vorführung würde daher die Wirkung dessen, was kritisirt zu werden verdient, abschwächen. Es hat mehr persönliches wie allgemeines Interesse. Und darum müssen wir uns auf auszugsweise Wiedergabe beschränken. Immerhin hoffen wir, daß die Leser des„ Sozialdemo= krat" es nicht für unlieb nehmen werden, wenn wir den Betrachtungen unseres Zuchthäuslers" einen breiteren Raum widmen, als es die eigentlich politischen Aufgaben unseres Blattes erheischen würden. Es ist freilich kein Friz Reuter, der seine Erlebnisse ut mine Festungstid" erzählt, es liest sich nicht so fesselnd gemüthlich mit dem Proletarier Wunderlich wurde eben etwas anders umgesprungen als mit dem Studenten Renter aber auch dem sozialistischen Arbeiter fehlt, wie es sich zeigen wird, der überlegene Humor nicht, wenn gleich die Verbitterung bei ihm naturgemäß eine viel intensivere ist als bei dem Burschenschafter und Demagogen.
Und, weit entfernt, hier abzuschwächen, haben wir da, wo die deut schen Breßgeseze dem Gebrauch des gebührenden Wortes im Wege standen, vom Verfasser ermächtigt, dieses aus unserm Eignen ergänzt. Ned. d. S.
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Vorwort.
bi Wenn fünftige Historifer die Rechtsverhältnisse und die Juſtizpflege unferer Beit zu schildern unternehmen, so wird die unrühmliche Rolle des deutschen Reichsgerichts und der unheilvolle Einfluß, den dasselbe als tonangebender Gerichtshof auf die Rechtsentwicklung der Gegenwart ausübte, ein hervorragendes Sapitel ihrer Untersuchung zu bilden haben. Ohne Zweifel, das Reichsgericht besigt einen Ruf, und den hat es sich redlich verdient.
Den Anstoß, der ihm Gelegenheit bot, sich als Klassen- und Partei
Nun, jedermann weiß, daß das Strafmaß diktirt wurde von dem Wunsch, dem 3aren zu gefallen. Und Viterchen hat auch beTelegraphenbureau meldet fogar, daß die öffentliche Meinung in Nuß land das Urtheil sehr günstig aufgenommen" habe. Es enthält sich jedoch klüglich, hinzuzufügen, daß die öffentliche Meinung" in Rußland gericht zu erweisen, gab das Sozialistengeseß. Die sogenannten " Hochverrathsprozesse"( revolutionäre Umtriebe und Verbreitung revo lutionärer Schriften) leiteten die horrenden Urtheilssprüche und willfürlichen Gesetzesauslegungen ein, die in den Diätenprozessen und in der Revisionsverhandlung des bekannten Chemnißer Sozialistet- Prozeffes ihren Kulminationspunkt erreicht haben. Hat das Reichsgericht in dem Chemnizer Prozeß in der Kunst der Gesezesinterpretirung unsterblichen Ruhm erworben, so bei den Hochverrathsprozessen durch die ausgeprägtefte Parteijuſtiz, indem es fast alle Angeklagten, die ihm zugeführt wurden, in das Zuchthaus schickte.
Wie oft es auch bestritten wurde, die sogenannten Hochverräther waren Opfer des Sozialistengefeßes. Es ist dies feine Vergewaltigung der Log f. Wären die Sozialisten nicht unter ein Ausnahmegesez gestellt worden, so hätte Most keine Ursache gehabt, in London die Freiheit" zu gründen, und es hätte überhaupt kein Material zu solchen Anflagen gegeben. Daß man den Angeklagten ehrlose Gefiunung imputirte und Zuchthausstrafe anwendete, ist bezeichnend für das Reichsgericht, nicht für die Verurtheilten, denn das meistens politisch recht unerfahrene aber von den besten Absichten beseelte Menschen, leichtgläubige junge Leute, deren Eifer im umgefehrten Verhältniß zu ihrer Urtheilstraft stand" Und warum fo soll ich es läugnen, der ich ein zu Zuchthaus Verurtheilter war? Ich wollte, ich hätte wegen n einer besseren Sache ge litten. Aber uns unehrenhafte Motive unterzuschieben, dagegen muß ich mich ganz entschieden verwahren.
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Nun ein Wort über die Berechtigung, diese Schrift der Deffentlichkeit zu übergeben. Im Großen und Ganzen weiß das Volk sehr wenig von den Zuständen im Zuchthause. Und das hat seine guten Gründe. Jeder, der einmal im Zuchthause gesessen, hat Ursache, es zu verheimlichen, am liebsten strich er diese Jahre ganz aus seinem Leben. Solche Rückfichten fallen bei mir hinweg. Einmal hab' ich, wie man sich in dieser Schrift überzeugen kann, andere Ansichten über das Verbrecherthum, als die heute landläufigen, und zweitens halte ich mein angeblich begangenes Verbrechen" für ein politisches, dessen ich mich nicht zu schämen brauche troß der großen Autorität eines Reichsgerichts.
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Die deutschen Arbeiter haben zwar eine Broschüre( Mosts verbotene: Bastille am Plößensee), welche das Gefängnißwefen behandelt, aber ist an und für sich schon ein Unterschied zwischen Gefängniß und Zuchthaus, so ist dieser Unterschied noch viel größer zwischen der Behand lung Most's und derjenigen, deren wir uns zu erfreuen hatten. Most wurde immer noch als Reichstagsmitglied respektirt und nahm gewisser= maßen eine exklusive Stellung ein; wir hingegen wurden im ZuchtHaus tief unter der Durchschnittsbehandlung der Züchtlinge gehalten. Schon in der Untersuchungshaft zu Hanan a. M., wo ich die gleiche Behandlung verlangte, die den anderen Gefangenen zu Theil wurde, erhielt ich von Staatsanwalt Schuhmann den Bescheid:" Ihr seid schlechter als Mörder und Räuber und werdet danach behandelt." Diese so zynisch ausgesprochene Auffassung und deren Neberjebung in die Praxis war die Nichtschuur der Behandlung während unserer ganzen Strafzeit. Belege dafür findet man in vorliegender Schrift. Wenn ich zuweilen die Form der Erzählung wählte und Zwiegespräche
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