3

t

t

=

e

-

Sozialpolitische Rundschau.

London  , 27. August 1890.

Ans Deutschland   wird uns geschrieben:

Die deutsche   Polizei ist doch unvergleichlich. Sie besorgt nie besser die Geschäfte der Sozialdemokratie, als wenn sie diefelbe todtschlagen will. Es ist der Geist Puttkamer- Bismarcks, der noch immer in ihr lebt, und stets das Böse will, und erfolgreichst das Gute schafft. Nachdem fich durch zwölfjährige Tropfarbeit in den zolldicken Polizeischädel die Erkenntniß eingebohrt hat, daß die Sozialdemokratie nicht mit mechani­scher Gewalt vernichtet" werden kann, verfallt sie auf den genialen Gedanken, die Sozialdemokratie zu spalten" und sie hat auch das un­verdiente Glück, eine Situation vorzufinden, die sich ihr dafür ziemlich günstig erweist. Der unbestimmte Thatendrang einiger Leute kommt ihr dabei zu Hülfe. Es wird ein Höllenstandal in Szene gefeßt, und der Polizeiweizen scheint zu blühen. In Dresden  , in Magdeburg  , in Berlin   wird fräftigft gespalten". Mitrophonartig verwandelt die Po­lizei und Bourgeoispresse jedes Geflüster in fürchterliches Donnerge= polter: es rollt und grollt in den Eingeweiden der deutschen   Sozial­demokratie fein Zweifel, sie wird mit gewaltigem nalleffekt plagen und in alle Winde auseinander fliegen. Das Publikum lauscht. In Dresden   wird's auf einmal still; dort ist die Sache mißglückt. In Magdeburg   wird's auf einmal still auch da ist die Sache miß­glückt. Aber es bleibt Berlin  , das Zentrum der deutschen   Sozialdemo­fratie und der deutschen   Reaktion. In Berlin   gährt und bro­belt es. Eine Massen" versammlung folgt der anderen, und jede ge= lingt wenigstens so, daß der reaktionäre Preß- Mikrophon sie dem aufgeregt lauschenden Angstphilister als luftreinigendes, den sozialdemo= fratischen Bazillus mit Stumpf und Stil ausrottendes Elementar- Ge­witter darstellen kann. Alles ist im besten Gang der Tag des Weltgerichts naht, an welchem die gehaßten Wortführer der Sozial demokratie von der eignen Dpposition" in die Grube befördert wer­den, aus der es feine Auferstehung gibt. Diese aber sind so bockig", nicht sang- und flanglos in den Ortus hinabzusteigen. Sie wollen den Spieß umdrehen und melden eine Versammlung an, in welcher mit ihren Angreifern Abrechnung gehalten werden soll. Gine Schlacht steht bevor, vielleicht eine Abschlachtung. Eine Schlacht? Aber der Gott der Schlachten hat seine Launen". Entseßlich, wenn er in seiner Launen= haftigkeit sich für die Böcke und gegen die Opposition" entschiede. Il faut corriger la fortune man muß das Glück verbessern, es in die richtigen Pfade lenken, sagt sich die irdische Vorsehung, genannt Polizei. Sie verbietet die Schlacht auf Grund des Sozialisten Gesezes. Die Opposition" ist gerettet der Staat ist gerettet- die Gesellschaft ist gerettet. Allgemeine Rettung.

-

-

1

Scherz bei Seite, das Verbot der Versammlung, in der am 20. ds. Singer und Liebknecht, die zwei sozialdemokratischen Abgeord= neten Berlins  , zu den Berliner   Arbeitern sprechen wollten, war der pfiffigste Streich, den die deutsche   Polizei jemals mit ihrem deutschen  Polizeiverſtand ausgeführt hat. Nicht, daß wir irgend einer der Op­pofitions- Personen irgend einen Makel anzuhängen beabsichtigten, aber einen wirksameren Geniestreich hat die Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" niemals verübt. Die Nebel haben sich plötz= lich zerstreut es ist sonnighelle Klarheit geworden: Die Gegenüber­stelling lautet nicht mehr: dort die Opposition", hier die alten Führer, sondern dort die Sozialdemokratie, scharf abgegrenzt unter dem hell­leuchtenden Programım- Banner, und hier die Polizei, die putt­famer- bismarck'sche Polizei. Ein Hüben und ein Drüben, wie es Klassischer, eins vom anderen sich schärfer abhebend, nicht gedacht wer­den kann.

-

Da gibt's feinen Zweifel mehr fein Besinnen mehr, feinen Streit mehr. Es ist entschieden. Fertig und abgethan. Nein, noch nicht. Die Polizei denkt: doppelt genäht hält besser. Damit bei dem Publi­fum ja nicht der Verdacht auffontmen fönne, sie habe aus anderen Motiven als aus reiner Liebe zu der ihr so willkommenen Opposition" gehandelt etwa die Versammlung, in der Singer und Liebknecht sprechen sollten, blos deshalb verboten, weil beide vorläufig noch aus Berlin   ausgewiesen sind und bis zum 1. Oftober blos als Mitglieder des nicht geschlossenen, sondern blos vertagten Reichstags in Berlin  fein dürfen um jeden Zweifel nach dieser Richtung hin aus dem Weg zu räumen, hat die Polizei auch die Versammlung verboten, in welcher der nicht ausgewiesene Genosse Glocke über das nämliche Thema sprechen sollte. Dagegen dürfen die Jungen" der Opposition" soviel Versammlungen abhalten, als ihnen beliebt.

-

Nun die Polizei ist flug und weise, und wir statten ihr unseren aufrichtigsten Dant ab.

-

Uebrigens flären und glätten die aufgeregten Wogen sich bereits jedenfalls ist der Hauptspektakel vorüber; und nachdem der Spal­tungs- Lärm" aufgehört hat, die Ohren zu betäuben, und der" Spal­tungs"-Staub die Augen zu blenden, kann man sich den Kriegsschau­play", wie die Gegner es mit begreiflichem Hohn genannt haben, in aller Ruhe ansehen. Und welches Schauspiel bietet jich unserem Auge? Erblicken wir zwei feindliche Lager? Oder richtiger zwei feindliche Heere, die in wildem Hasse einander gegenüberstehen, bereit zu bruder= mörderischem Kampf, Jeder nach dem Blut des Andern dürftend? Nichts weniger als das. Die friedlichste Idylle ringsum, soweit bei einer Idylle gesprochen werden kann. Das einer Kampppartei von ein Gros der Partei im friedlichsten, brüderlichsten Verkehr, in der har= monischsten Uebereinstimmung. Nur abseits stehen ein paar winzige Gruppen, so winzig, daß sie neben der ungeheuren Masse fast ver­schwinden, gestikulirend, scheltend, in jeder Weise Unzufriedenheit be­fundend. Wor über sie unzufrieden sind, das ist von ihnen noch nicht enthüllt worden. Sie sind jung" das ist kein Unglück und auch kein Verbrechen; im Gegentheil, jeder Alte" wird sie darum beneiden. Allein es ist auch kein Grund, auf die Alten" zu schim­pfen, denn das Alter mag vielleicht ein Unglück sein, ist aber jeden­falls kein Verbrechen, sondern eine Thatsache, an der die Alten" ebenso unschuldig find, wie die Jungen" an ihrer Jugend.bu

-

Also, warum sind die Jungen" so giftig, und verführen sie einen solchen Nadan? Weil die Alten" in der Partei einen besseren Namen haben und mehr gelten als die Jungen". Indeß, das ist wiederum nicht die Schuld der Alten", sondern einfach die natürliche Folge der Thatsache, daß die Alten" etwas in der Partei und für die Partet gethan haben. Und das ist doch wahrhaftig fein Verbrechen ebenso­wenig, wie es den Jungen" vernünftigerweise als Verbrechen ange= rechnet worden, daß sie noch wenig oder nichts in der Partei und für die Partei gethan haben. Das ist Pech, nur Pech und ungerecht wäre es, die Jungen" für dieses ihr Pech verantwortlich machen zu wollen, an dem sie gewiß keine Schuld haben, und das gewiß sie selber am schmerzhafteften empfinden.

-

Allein, wenn das Pech auch Pech ist, so ist es doch kein Verdienst, und die Jungen", welche dieses Pech haben, sollten sich mit ihrer Jugend, die ein Glück ist, dafür trösten. Nimmermehr aber haben sie das Recht, diejenigen, welche von diesem Pech nicht heimgesucht sind, deshalb zu haffen und zu verdammen. Viel logischer und namentlich auch viel sozialdemokratischer wäre es, die Jungen" feßten fich auf die Hoſen, ſtudirten die Geseze und das Wesen des Staats­und Gesellschaftsorganismus, und bestrebten sich dann, nachdem sie das Abe gelernt und wo möglich noch ein flein Bischen mehr: ihr Wissen in Thaten umzufeßen, und an dem sausenden Webstuhl der Zeit mitzuneben, damit endlich einmal das arme Aschenbrödel Arbeit, statt der elenden Lumpen, mit denen es jetzt seine Blöße nothdürftig bedeckt, das purpurrothe Königsgewand fich umlegen kann, welches der Königin der Welt gebührt. Der Königin der Welt sozialen Königin.  

-

-

-

der

Nedet man da von einem sozialen König"! Dummes Gerede! Lächerlicher Schwindel. Die Arbeit ist weiblichen Geschlechts ste ist es, die allen Reichthum schafft, alle Stultur schafft die Mutter der Wissenschaft, der Kunst, des Handels, der Industrie die Menschen befreiende, Menschen adelnde Niesin, welche die moderne Welt auf ihren Schultern trägt, die moderne Welt mit sammt allem, was dazu gehört mit fammt und was zum Theil sehr wohl entbehrt werden könnte Junkern, Pfaffen, Soldaten und sozialen Königen, die alle vom Schweiße der Arbeit leben, von den Arbeitergroschen", und die auch alle vom Erdboden verschwinden werden, sobald die soziale Königin Arbeit ihnen die Arbeitergroschen" abschneidet.

-

Und auch die Jungen" müssen arbeiten. Die Weisheit und

"

-

das Wissen kommt nicht vom Himmel geflogen. Einer der Jungen" hat zwar die sehr bequeme Entdeckung gemacht, daß das Studium des wissenschaftlichen Sozialismus oder der Marr= schen Lehre" etwas höchst lleberflüssiges sei, und dabei( in der Volks- Tribüne") den genialen Gedanken ausgesprochen, die Wissen­schaftlichkeit müiffe durch, Leidenschaft" erfest werden. Nun, die Leidenschaft" ist gewiß eine schöne Sache und Niemand hat sie besser zu schäßen gewußt als Karl Marr, aber die schönste Leidenschaft" mit einem hohlen Stopf ist hohles Pathos und bestenfalls ein ziemlich werth­Toses Möbel, ja oft ein recht gefährliches. Also wissen in den da Schädel! Und dann die richtige, echte, wahre Leidenschaft läßt sich etwas ausrichten. Auch das Wissen ist Arbeit, kann nur durch Arbeit erworben werden. Die Arbeit schafft eben alle Werthe. Und das Ansehen, in welchem die verhaßten Alten" stehen, und welches die Jungen"" Autorität"," Personenfultus" u. f. w. zu nennen belieben, ist es nicht gleichfalls das Produkt der Arbeit?" Haben diese Alten" nicht seit 20, 30, 40 Jahren ihre Kraft, ihre Arbeit der Sache des arbeitenden Volfes, der Sozialdemokratie ge­widmet? Wir reden sicherlich nicht dem Personenkultus das Wort und wiffen gerade so gut wie die Jüngsten" der Jungen", daß der tüchtige Mensch und Sozialdemokrat nie mehr thun kann als seine Pflicht, haben es auch schon vor Jahrzehnten gesagt aber ist es denn ein so verkehrter Standpunkt, wenn die deutschen   Arbeiter vor Männern, welche eine große Summe von Arbeitsleistungen für die Partei auf­zuweisen haben, eine höhere Achtung haben, als vor solchen, die nur wenig oder keine Arbeitsleistungen im Dienste der Partei aufweisen fönnen. Das ist au fond nur Achtung vor der Arbeit, die so zum Ausdruck kommt. Und das ist gewiß kein verwerfliches Gefühl. Niemand und Nichts verhindert die" Jungen", sich dasselbe Maaß von Achtung zu erwerben sie sollen nur ebensoviel im Dienste der Partei arbeiten. Mit der bloßen Leidenschaft" und dem bloßen guten Willen" geht's freilich nicht- das sind windige Faktoren, mit denen man kein Butterbrod schmieren, geschweige denn den sozialistischen   Staat gründen fann.

-

-

Das Gros der Genossen hat das geräuschvolle Treiben der Jungen" von Anfang an mit philosophischem Gleichmuth betrachtet. Sie sahen sich die Leute an und merkten sofort, daß keine Gefahr drohe. Die Partet hat auch in dieser Sache wieder einmal ihre treffliche Disziplin gezeigt, und außerdem ein scharfes Urtheilsvermögen. Sie fand auf den ersten Blick heraus, daß es viel Lärm um Nichts war daß hinter dem ganzen Phrasenschaum auch nicht das kleinste Bruchtheilchen eines Ge= dankens verborgen war. Bis auf den heutigen Tag hat die Oppo­sition noch keine einzige Forderung formulirt. Ihr ganzes Programm ist in dem bekannten Langbein' schen Vers von dem Verdrießlichen" antizipirt: dent

" Ich bin verdrießlich

Und weil ich verdrießlich bin, de stilistise

Bin ich verdrießlich."

Aber, da reden wir ein Langes und Breites von Jungen" und" Alten", und erst neulich sagten wir doch, ein solcher Gegensatz be­stünde nicht das sei eine Erfindung der Gegner.

" 1

Je nun, das sagen wir auch heute noch. Wenn es ein paar sonderbare Schwärmer gibt, die sich für eine Partei der Jungen" halten, so ist das doch kein Beweis dafür, daß es eine solche Partei gibt. Erst wenn irgend ein Junger" uns einmal zu sagen weiß, was er eigentlich will, werden wir für die Partei der Jungen" etwas anderes haben, als ein skeptisches Lächeln.

--

Die Partei ist jetzt überall mit der Prüfung des Organi sationsentwurfs beschäftigt. Im Allgemeinen sind von vers einzelten Kritikern abgesehen wesentliche Ausstellungen nicht gemad t worden, so daß die Annahme des Entwurfs in fast all seinen wesen lichen Bestimmungen gesichert erscheint. Der einzige wichtigere Buuft, in dem vielleicht eine Aenderung beschlossen wird, dürfte die Zu sammensetzung der Kontrollkommission sein. Indeß auch in Bezug auf diesen Punkt überzeugt man sich mehr und mehr, daß für den Vorschlag der Fraftion prattische Erwägungen sprechen, die nicht leicht bei Seite zu schieben sind.

Positiv sinnlos, und von vollständiger Unkenntniß unserer Partei zeugend, ist die ungeheuerliche Beschuldigung, daß die Fraktion aus Dittaturgelisten sich die Kontrole zu sichern wünsche. Als ob der sozialdemokratische Abgeordnete, der solchen Gelüsten fröhnte, nicht reif wäre für's Irrenhaus! Die Fraktion die Partei vergewaltigen! Das ist nicht einmal bei den Fortschrittlern und Zentrumsleuten möglich gewefen, und bei uns sollte es möglich sein? Der Vorwurf ist so überwältigend lächerlich, daß man gar nicht annehmen kann, er sei aus Bosheit gemacht.

Was speziell Herrn Emil Krüger   anbetrifft, so können wir nur bestätigen, daß die Gepflogenheit desselben, die schlechten Manieren des Korpsstudenten ins Parteileben hineinzutragen, seine Händelsucht, seine Neigung, politisch Andersdenkende in Wirthshäusern anzurempeln, mit dazu beigetragen haben, daß die deutsche   sozialistische Mitgliedschaft in Zürich   und ebenso die Redaktion des Sozialdemokrat" nichts mit ihm zu thun haben mochten. Wir sagen, mit dazubeigetragen, denn es waren auch andere Thatsachen maßgebend. All das geschah, bevor die Herren Kampffmeyer und Müller nach Zürich   famen, es ist also, gelinde gesagt, sehr naiv, wenn sie glauben, je gt Herru Krüger als das unschuldig verfolgte Opferlamm hinstellen zu können. Wir haben fiber die Sachen geschwiegen, weil wir abgesagte Gegner des Standals find, und die Befassung mit persönlichen Angelegenheiten möglichst ver­meiden. Sollten wir aber provozirt werden, sollte Herr Krüger es versuchen, eine Rolle in der Partei zu usurpiren, zu der er in keiner Weise berechtigt ist, so fallen natürlich diese Rücksichten hinweg und es wird sich zeigen, daß, wenn Ein Mensch nicht das Recht hat, über anonyme Angriffe und Denunziationen zu klagen, es Herr Emil Krüger   ist.

Genosse Auer veröffentlicht zur vorstehenden Angelegenheit im Berliner   Volksblatt" folgende die Herren Müller- Kampfmeyer hoffent lich beruhigende Erklärung:

Also ich bin der Mittelpunkt der furchtbaren Korruption" in der Partei, deren Ausmistung sich die Haus Müller, Kampffmeyer und wie Siefe jungen Herkulesse soust heißen, als ihre erste große That zur Aufgabe gestellt haben.

Wessen habe ich mich nun nach der Anklage schuldig gemacht? 1) Habe ich das Gebahren und Treiben des Herrn Krüger anders beurtheilt, als dies von seinen jugendlichen Freunden geschieht. 2) Soll ich gelegentlich eines Befuches des Krüger bei mir demselben gegenüber mich nicht zur Autorschaft des betr. Artikels bekannt haben( daß ich darnach gefragt worden sei, wird übrigens auch von meinen Anklägern nicht behauptet), ja sogar Entrüstung über denselben zur Schau getragen haben. d

Bu 1) habe ich zu bemerken, daß ich wohl begreife, daß es für die Müller und Konsorten sehr schmerzlich ist, die von ihnen gehegte Werth- 1 schätzung ihres Freundes nur auf ihre Streife beschränkt zu ſehen, wäh rend das Gros der Partet, vor Allem auch die Züricher   Genossen, die Jahre lang Gelegenheit hatten, die in Frage tommende Persönlichkeit aus nächster Nähe zu beobachten, denken und urtheilen wie ich.

Was aber die Behauptung der Herren Müller und Kampffmeyer be trifft, daß ich Herrn Krüger denunzirt habe, so sei nur bemerkt, daß ich den Artikel zur Abwehr gegen Auflagen der Nordd. Allg. 3tg." geschrieben habe, die damals wo es noch keinen Einsiedler vou Friedrichsruh   gab noch sehr in's Gewicht fielen und mit dem ganzen Polizeiraffinement der Aera Jhring- Puttkamer verfaßt waren.

Wenn ich dabei den Versuch der Polizei- Offiziösen, die Partei für die Privathandlungen Krügers verantwortlich zu machen, ja dieselben sogar als die ihn von Parteiwegen übertragene Aufgabe hinzustellen entschieden zurückwvies und die Thatsache feststellte, daß von Seite unserer Genossen in Zürich   seit langem der Verkehr mit Krüger gemieden werde, so handelte ich dabei eminent im Dienste der Partei und unserer Sache. Verlangen Genossen, welche in so fritischen Zeiten, wie die während der Herrschaft des Sozialistengesetzes waren, im Ausland leben, daß die Partei sie voll und ganz decke und sogar für Handlungen und ihr öffentliches Auftreten die Verantwortung übernehme, dann müssen fie sich eben auch darnach betragen.

Daß Herr Krüger aber in dieser Beziehung viel zu wünschen übrig ließ, das bewies unwiderleglich die Thatsache, daß unsere Genossen in Zürich   fich genöthigt sahen, jeden Verkehr mit ihm zu meiden. Sm Uebrigen jei nur bemerkt, daß zu der Zeit, wo ich den angefochtenen Artikel niederschrieb, Herr Krüger bereits seit Jahren im Ausland lebte und die Möglichkeit, daß derselbe nach Deutschland   zurückkehren werde, mir mindestens ebensofern zu liegen schien, als ein Gedanke daran, daß die Tage des Sozialistengesezes bereits gezählt seien und damit für die iugendlichen Genossen des Ersteren die Aufgabe beginne, nach Deutschland   zurückzukehren, um hier in der sozialdemokratischen Partei den Augiasstall der Korruption zu reinigen.

Zur Zeit, als ich meinen Artikel schrieb, befand sich die Partei in einer der schwierigsten Phasen und rüsteten sich die Gegner zu einent legten verzweifelten Schlag gegen uns. Ihn pariren zu helfen und das polizeioffiziöse Lügengewebe, mit dem man die öffentliche Meinung irre zu führen versuchte, zu zerreißen, das war der Zweck des Artikels. Wie weit mir das gelang, bleibe dahingestellt. Thatsache aber ist, daß unsere gefamnite Presse und weite Streise der gegnerischen Presse von den Aus­führungen des Berliner   Volksblatt" Notiz nahmen.

In solchen Situationen die Sache der Partei führen und ihr dienen, ist ja allerdings schwieriger( und ein dabei etwa in der Aufregung

Trotzdem darf nicht verschwiegen werden, daß hinter der Wolke von Lächerlichkeit unfere erbittersten Feinde ihre Minir- und Korruptions arbeit lebhaft betreiben. Die ,, Opposition" aus den eigenen Leijen ist höchst harmloser Natur, hinter ihr sind aber ernſtere Sträfte thätigunterlaufener fleiner Fehler wäre gewiß auch eher zu entschuldigen) pour le roi de Prusse.

-

Die Redakteure der Magdeburger Voltsstimme", Hans Müller und Paul Kampffmeyer  , haben ,, einen Beweis von Korrup tion, wie er furchtbarer nicht gedacht werden kann, enthüllt. Derselbe besteht darin, daß Genosse Auer vor Jahresfrist einen ver­dienten Parteigenossen" im Berliner Volksblatt" der Majestätsbeleidi­gung denunzirt haben und die Redaktion dieses Blattes sich geweigert haben soll, das jenem verdienten Genossen" zugefügte schreiende Un­recht" wieder gut zu machen, d. h. eine Gegeneinsendung der Herren Hans Müller und Paul Kampffmeyer   abzudrucken, bezw. zu berücksich= tigen.

Die Persönlichkeit, um die es sich da handelt, ist der Gymnasial­lehrer Ernst( bez. Emil) Krüger. Die angebliche Denunziation" bestand in folgendem Saß einer gegen die Norddeutsche Allgemeine" gerichteten Korrespondenz Auer's:

"

"

Unter den Beschwerdepunkten gegen die Schweiz   kommt das Blatt( die Nordd.") nämlich auch auf die Förderung der sozial­demokratischen Propaganda unter der Jugend zu sprechen und sollen danach mit dieser Förderung von der Partet besondere Per­sonen beauftragt sein. Als eine dieser Personen wird nun der aus Lüchow   in Hannover   gebürtige Gymnasiallehrer Ernst Krüger­genannt, über dessen Gepflogenheiten die Nordd." ein wenig schmeichelhaftes und wie wir nicht bestreiten wollen, ziemlich nach der Natur gezeichnetes Bild entwirft. Aber diese Gepflogenheiten Krüger's, seint provokatorisches Auftreten gegenüber Personen, die nicht seiner Gesinnung sind, und die ebenso abgeschmackten wie zwecklofen beleidigenden Aeußerungen über deutsche   Würdenträger an öffentlichen Orten haben den Züricher reichsdeutschen Sozial­demokraten und speziell den früher dort gewesenen Leitern des Sozialdemokrat" schon vor Jahren den Anlaß gegeben, mit R. ben Verkehr abzubrechen oder doch auf das Aeußerste einzuschrän­fen. Diese Thatsache verschweigt aber die" Nordd.". Sollte fie ihre Informatoren nicht genügend instruirt haben" Man sieht, es handelte sich damals für Auer darum, den denunzia­torischen Versuch der Norddeutschen", den Lehrer Ernst( bez. Emit) Strüger der Partei an die Nockschöße zu hängen, ihn als einen Beaufa fragten der Partei" hinzustellen, ganz energisch zurückzuweisen. Die Form, in der er es thut, ist allerdings nicht sehr schnreichelhaft für Strüger, aber aus der obigen Charakterisirung von dessen Auftreten würde selbst der gefchicktefte Staatsanwalt teine Auflage zurechtdrechseln tönnen. Es sind weder Aeußerungen Krügers angegeben, noch Personen genannt gegen welche dieselben sich richten furz, es fehlt an jeder Handhabe zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Zum Ueberfluß sichern die Worte schon vor Jahren" Krüger auch den Schutz der Verjährung. Wie wenig Krüger selbst an eine An­flage und gar an eine Anflage wegen Majestätsbeleidigung" glaubt, geht aus der Thatsache hervor die seinen Freunden Hans Müller und Paul Kampffmeyer   sicher bekannt ist daß er sich erst fürzlich um eine Redakteurstelle an irgend einem deutschen   Parteiblatt beworben hat, d. h. bereit war, nach Deutschland   überzusiedeln und eine hervorragende politische Rolle zu spielen. Das thut man doch nicht, wenn man so schwere Verfolgungen zu gewärtigen hat.

Mit dem Vorwurf der Denunziation ist es also nichts. Und wollte man in den Bemerkungen Auer's über Krüger einen formel­len Verstoß erblicken( die weiter unten folgende Erklärung Auer's gibt ja hierüber die beste Auskunft), so scheint uns das Trifolium Müller Kampffmeyer- Krüger nicht gerade berufen, über tattlose Angriffe, Beleidigungen 2c. Beschwerde zu führen.

-

als wie jezt, wo vorläufig wenigstens das Schlimmste fieg­reich überstanden ist, seine Forçe darin zu suchen, in durch Sachkenntniß nicht getrübtem jugendlichem Uebereifer, recht dimm daher zu reden und zu schreiben.

Was nun Punkt 2 der Vorhalte betrifft, so ist es richtig, daß, als Herr Krüger vor einigen Wochen mich in meiner Wohnung aufsuchte, und er bei dieser Gelegenheit auch auf den Artikel zu sprechen fam, ich es nicht für nothwendig hielt, St. zu sagen, daß ich der Verfasser bin. Eine direkte Frage danach erfolgte überhaupt nicht. Der von S. ausgesprochenen Vermuthung gegenüber, daß wohl Liebknecht der Ver­fasser sei, erwiderte ich, daß dem schon Stil und Sayban widersprechen. Von der von Müller und Stampffmeyer seinerzeit unternommenen Be­richtigung erfuhr ich erst bei dieser Gelegenheit.

Hätte Herr Krüger irgendwie ein Interesse daran haben können, den Verfasser kennen zu lernen, so hätte ich keinen Augenblick Anstand ge= nommen, mich zu nennen. So aber ging Herrn K.'s Wunsch nur da hin, zu erfahren, ob von Partei wegen ihm etwa Schwierigkeiten ge= macht werden, wenn er in Deutschland   wieder Domizil nehmen sollte, und darauf giaubte ich ihm die Versicherung geben zu können, daß, wenn er nicht vorgreife, sich von uns gewiß Niemand um ihn kümmern werde.

Was nun meine bei dieser Gelegenheit angeblich zur Schau getragene Entrüstung" betrifft, so wissen die Genossen, welche mich näher ken= nen, daß es mit diesem Artikel bei mir überhaupt seine guten Wege hat. In dem besonderen Falle hätte ich mich aber sogar über mich selber entrüsten sollen das kommt überhaupt nicht vor! Deisenhofen   bei München  , 24. August 1890.

I. Auer."

Sonderbare Heilige. In einer Einsendung im Berliner Volksblatt" vom 23. August führt Dr. Bruno Wille   die taktischen Vorkommnisse unseres Parteilebens" auf, die ihm und seine speziellen Freunde bewogen haben, schon vor dem Kongresse ihre Stimme zu er heben. Der erste dieser Punkte ist:" Diehaltung der Sozial­Demokratie im Reichstage, welche zuweilen geeignet war, die Hoffnung zu erwecken, als fönne bereits auf dem Boden der kapita­liftlichen Gesellschaft die Lage der arbeitenden Stlaffen nennenswerth verbessert werden." Aehnlich äußerte fich derselbe Dr. Wille in der Volksversammlung im 6. Berliner   Reichstagswahlkreis. Dort sagte er, laut Bericht des Berliner   Voltsblatt"" Es solle( im Reichstag  ), auch nicht darauf verzichtet werden, Anträge zu stellen. Die Fraktion habe dabei aber stets zu erklären, daß sie die Anträge nicht in der Hoffnung auf Annahme stellt, sondern um die bürgerlichen Parteien zu blamiren, um zu zeigen, daß sie Heuchler oder unfähig sind, etwas für das Wohl der arbeitenden Klasse zu thun. Im andern Falle vergendet man die Kraft." Und weiter:" Wenn die Fraktion so thut, als ob sie Geseze durchdrücken könnte, dann könne leicht ein Mann, etiva von dem Stand­punkt der Volks- Zeitung", nit dem Einwurf kommen: Die Frattion hat damit zugegeben, daß auf dem Boden der heutigen Produktions­weise etwas für das Proletariat zu erreichen set. Damit set man aber als eine poffibilistische Partei angenagelt."

"

" 1

-

Schön. Das ist ein Standpunkt, den wir nicht theilen, aber es ist immerhin ein Standpunkt. Schreiber dieses würde sich zwar, wenn er je in die Lage fäme, Parlamentskandidat der Partei zu werden was zum Glück für seine Nerven ausgeschlossen ist schönstens für die Rolle bedanken, die Dr. Wille den parlamentarischen Vertretern der Sozialdemokratie zumuthet. Aber das ist Sache des persönlichen Ge­schmacks. Halten wir fest, daß nach Herrn Dr. Bruno Wille die sozial demokratische Prinzipientreue gebietet, den Gedanken, daß in der heutigen