Monarchie der Bourbonen  , zu Boden geschmettert, und würde die Ar­beiterklasse, ähnlich wie vor 100 Jahren die französische   Bourgeoisie, dazu berufen, den sozialistischen   Staat auf und aus den Trümmern des Klassenstaats aufzurichten, so ist es durchaus nicht unwahrschein­lich, daß über das Wie? ernstliche Meinungsverschiedenheiten entstehen, und daß das, was jetzt von der schärferen und milderen Tonart" phantasirt wird, sich verwirklichen könnte. Freilich auch dann nicht in den Maaße und Umfang, wie bei dem kämpfenden Bürgerthum der französischen   Revolution. Denn das Bürgerthum war damals über sein eigenes Wesen noch nicht ganz im Klaren und noch nicht vollstän= big zur scharf abgegrenzten Klasse entwickelt es bestand aus ver­schiedenen Abstufungen und Interessengruppen, die mit einander in in Konflikt gerathen mußten, sobald die Verschiedenheit der Interessen zum Ausdruck fam, wohingegen das moderne Proletariat, welches die Armee der Sozialdemokratie bildet, eine scharf abgegränzte Stlaffe miit ftarent Stlaffenbewußtsein und folglich mit flarer Zielbewußtheit ist, und ein bestimmtes Programm hat, dessen Verwirklichung von jedem Sozialdemokraten angestrebt wird. Im Gegensatz zu der französischen  Bourgeoisie von 1789, welche sich über sich selbst Illusionen machte und die Erkenntniß der thatsächlichen Verhältnisse durch intopistische Phanta­Hien trübte, weiß das Proletariat, soweit es überhaupt in Bewegung steht und gerechnet werden kann, genau, was es will weiß, daß es die besitzenden, Klassen aller Spielarten zu Feinden hat- weiß, daß die tapitalistische Produktion umgestaltet und durch die sozialistische Gemein­Produktion erfest werden muß und weiß, daß es zu diesem Zwecke

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sich, d. h. das arbeitende Volk, zusammengefaßt in dem Staat oder der organisirten Gesellschaft, in den Besiz sämmtlicher Arbeitsmittel seben, und der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, und da= mit der Unterdrückung und Knechtschaft in jeder Weise vorbeugen muß. Darüber herrscht Einheit und Einstimmigkeit. Eine Meinungsverschie= Senheit könnte nur in Bezug auf die Mittel zur möglichst raschen und gründlichen Erreichung des Swedes entstehen; allein gerade weil in Bezug auf das 3iel allgemeine Uebereinstimmung herrscht, würden diese Meinungsdifferenzen niemals annähernd die Leidenschaftlichkeit und Stärke erlangen können, wie die Meinungsverschiedenheiten im Schooße der revolutionären Bourgeoisie Frankreichs  , bei der die Meinungsver­schiedenheiten nicht bloß Fragen der Tattit, sondern auch Inter= effenfragen betrafen, welche die verschiedenen Gruppen des Bürger­thums trennten.

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Genug die ganze Unwiffenheit unserer Feinde gehörte dazu, um an ernstliche Differenzen im Schooße der deutschen   Sozialdemokratie und an die Möglichkeit von Spaltungen zu glauben. Thatsächlich war der ganze Lärm ein blinder Lärm much ado about nothing viel Geschrei und wenig Wolle, oder gar keine. Nur der Lärm war groß, Dank den gewaltigen Metlanietrommeln und Reklametrompeten, mit denen die Zeitungen unserer Feinde einen höllischen Spettafel machten.

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Die Opposition" hatte ausgespielt, sobald sie vor die fatale Noth­wendigkeit gestellt ward, zu sagen, was sie wollte.

Man erinnert sich des geheimnißvollen Tischgastes, von dem Dis= raeli oder Jemand anders erzählt. Durch geheimnißvolle Andeutun= gen geheimnisvoller Thaten, die er verrichten werde, hatte der geheim­nißvolle Mann sich in den Ruf gebracht, ein wunderbares Genie zu fein; mid stannend, erwartungsvoll betrachteten ihn die übrigen Gäste, hoffend, daß er endlich sein großes Geheimniß verrathen werde. Ge­dankenvoll warf er die Blicke um sich, dabei wie ein Drescher alle Augen hingen an ihm. Wird er reden? Was wird er reden? Endlich beivegt er die Lippen er will reden! Die Spannung iſt auf's Höchste gestiegen. Und wahrhaftig, er redet, und über den Zaun der Zähne fliegt das geflügelte Wort: Senfgurten esfe ich lieber als Salzgurten." Sprach's und schloß wieder den Zann der Zähne.

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Das große Geheimniß war heraus; der große Unbekannte aẞ lieber Seufgurten, als Salzgurfen. Das Salz, namentlich das attische, war nicht nach feinem Geschmack.

Genau so ist es mit der Opposition" ergangen; fie behauptet, die Senfgurken seien besser als die Salzgurfen. Das war ihr großes Ge­heimniß. Und ob dieser Enthüllung ist die Reklamepresse unserer Feinde so verdußt, daß sie es vergessen hat, die Reklametrommeln zu rühren und die Reklametrompeten zu blafen.

Doch Scherz bei Seite. So ganz ohne" war der Streit zwischen den Alten" und" Jungen" doch nicht. Nur war es kein Streit um die Wille- Napoleonische Heerdentheorie, und auch nicht ein Sturmlauf junger Genies und verkannter Giganten gegen die alt gewordenen Götter des Fraktionsolymps es war und ist noch zum Theil

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etwas, das mit fenen abgethanen Geschichten gar nichts zu thun hat. Wir meinen eine gewisse und wir wollen, um kein Mißverständniß aufkommen zu lassen, gleich hinzufügen: durchaus nicht unberechtigte Eifersüchtelei zwischen der jungen und der alten Garde der Sozialdemokratie. Die junge Garde, welche nach Erlaß des Sozialisten­gefezes, als so manche der alten Garde die Flinte ins Storn geworfen hatte, muthvoll in die Bresche trat, und während der zwölf Jahre des Schandgeseyes die Fahne der Sozialdemokratie hoch hielt und den Fein­den stolz und trogig die Stirn bot, sicht es hier und da mit Unmuth, daß jest alte Genossen, die 12 Jahre lang durch Abwesenheit glänzten, fich wieder hervorwagen und die Jungen fürchten, man wolle sie nun als Mohren, die ihre Schuldigkeit gethan, am 1. Oktober bei Seite schieben

Dieses Moment, über das ich mich heute aus verschiedenen Grün­den nicht länger auslassen will, hat hier und da nicht überall, und nicht einmal an vielen Orten, zu kleinen Verftimmungen geführt, die jedoch nirgends einen, die Einigkeit der Partei auch nur entfernt be= drohenden Charakter angenommen haben. Das Gerechtigkeitsgefühl, das unseren Genossen innewohnt, wird die leichten Wölfchen, die so auf­gestiegen sind, rasch wieder zerstreuen; und den Genossen, die sich so trefflich unter dem Sozialistengesez bewährt haben, wird sicher auch nach dem 1. Oktober das Vertrauen erhalten bleiben, welches sie in so hohem Grade verdient.

Was für sonderbare Heilige fich an unsere Partei angedrängt haben, erhellt aus dem Umstand, daß es von gewisser Seite angeregt worden,

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Feuilleton.

Aus dem Tagebuch eines politischen Zuchthäuslers. Die Zuchthausarbeit.( Schluß.)

Das jahrelang Ernährtwerden" hat einen Haken. Daß sie ernährt werden, wollen die verstockten Sträflinge nicht Wort haben. Umgekehrt sagen sie, sie ernähren dem Staat eine Anzahl Beamte, und trotzdem fie ehrlos find, genießen fie als Büchtlinge die Ehre, Millionäre züchten zu dürfen. Daß das Zuchthaus dem Staate noch keine Ueberschüsse abwirft, noch nicht rentabel" ist, fommt weniger daher, weil die die Unternehmer zu wenig für die Sträflingsarbeit bezahlen die Anstalt bekommt für die Sträflinge 60, 70 auch 80 Pf. pro Arbeits­tag, dagegen belaufen fich die Unterhaltungskosten eines Sträflings auf faum 30 Pf. täglich als daher, daß eine Anzahl überflüssiger Be­amten herumlungern, und weil troß der zunehmenden Zentralisation immer neue Beamtenstellen geschaffen und besetzt werden.

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Die Tendenz der privatfapitalistischen Produktionsweise, die für die Arbeiter ist: Bei steigender Produktivität sinken die Löhne, ist auch die Tendenz für die Sträflinge. Auch die Anstalt verfährt nach der Maxime: Erhöhung des Tagespensums, um den Miethpreis der Sträf­linge erhöhen zu können, und Verringerung der Unterhaltungskosten. Zu Anfang meiner Strafzeit bekam die Anstalt vom Tagespenfum eines Strumpfstrickers 60 Pf., der Sträfling hatte 6 Paar Frauen­strümpfe oder 71% Paar Herrensocken zu verfertigen. Es währte nicht lange, da ließ sich der Direktor von den Fabrikanten pro Mann und Tagespensum 75 Pf. bezahlen und die Leistung wurde erhöht, bei den Socken auf 10/2 und bei den Strümpfen auf 9 Baar, also um 1/3. Viele Stricker brachten infolgedessen ihr Pensum nicht mehr fertig und bekamen keine Prämien. Dieser Tendenz analog ist die Anstaltsfost. Erbsen, Bohnen, Linsen und Graupen, alles roh zugerichtet und mit Kartoffeln gefocht, das ist der jährliche Speisezettel. Eine Ausnahme macht der Herbst. Die Anstalt betreibt nämlich auf den Höfen eine ausgedehnte Dekonomie; mehrere Sorfen Gemüse und Rüben werden gezogen und die Felder mit den Erfrementen der Sträflinge gedüngt. Und das gibt wirklich fetten Kohl und außergewöhnlich große Nüben.

auf dem Partei- Kongreß einen Antrag zu stellen, der dahin gehen soll, auf dem Partei- Kongreß einen Antrag zu stellen, der dahin gehen soll,| das Geheimniß der Eisernen Maste" zu lüften. Das Merkwürdigste ist: Leute, die ernst genommen sein wollen, haben sich mit dem Plan einverstanden erklärt.*)

Wie wenig das Gros der Partei selbst in Berlin   von den häß­lichen Streitigkeiten des vorigen Monats berührt wurde, wird am besten durch die Thatsache festgestellt, daß in einer großen Versamm­lung von Wählern des VI. Wahlkreises am 3. d. Mts. nach einem Vortrag Liebknecht's ein einstimmiges Votum prinzipiellen Gin­verständnisses mit dem Organisationsentwurf gefaßt wurde. Seit die Gehässigkeiten verschwunden und die Hezer zur Ruhe gebracht sind, wundert sich Jeder, daß der Entwurf überhaupt zu heftigen Debatten hat Anlaß geben können. Wer Besseres vorschlagen fann, mag es thun. Das ist Jedermanns Recht und Pflicht. Wozu aber um so Selbstver ständliches in leidenschaftliche Erregung gerathen? Natürlich war das nicht und schließlich auch keine ererei, wenn schon ein fleiner Herensabbath.

Ob sich zu den Einzugsfesten, die am 1. Oktober den heim­tehrenden Ausgewiesenen gewidmet werden sollen, wohl viele melden werden? Es läßt sich bezweifeln. Nach Leipzig   ist nicht ein Dugend zurückgekehrt die große Mehrheit hat anderwärts mit vieter Mühe eine Existenz gefunden, und von denjenigen, denen es nicht gelang, ist gar Mancher leider zu Grund gegangen.

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Noch im Sterben spritzt sie ihr Gift ans, die Mißgeburt Bismarck  'scher Junterbrutalität und Bennigsen'scher Staatsweisheit, Sozialistengeses genannt. Noch im Augenblick ihres Berendens will sie der Welt das Schauspiel eines Geheim bundsprozesses dar­bieten. Aus Düsseldorf   wird dem Berliner Volksblatt" geschrieben: Schlußgeheim bundsprozeß. Am Sonnabend Morgen er­hielten mehrere( sechs) Arbeiter die Anflage wegen Bergehen gegen § 128 und 129 zugestellt. Unter den Zeugen sind alle durch den hiesigen und Elberfelder   Geheimbundsprozeß bekannten Haupt- und Kronzeugen vertreten, z. B. die Kommissare Tilger  , Kammhoff und Wilfing, der Dienstmann Münnich, Fleischbeschaner Schmidt und die Wind, ebenso ist deren Mutter geladen. Ein gewisser Möllendorf ist als Buchdrucker angegeben, in Wirklichkeit ist er aber Buchbinder und arbeitet jetzt in Barmen. Derselbe wurde von seinen Kollegen früher als Polizeiipizel bezeichnet, was sich jetzt zu bestätigen scheint. Ferner sind noch einige im 1888er Geheimbundsprozeß Verurtheilte als Zeugen angegeben.

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Wir bitten," heißt es am Schluß, die Sache so einzurichten, daß die Verhandlungen mit dem 30. September ihren Abschluß erreichen, damit die Kunststadt Düsseldorf   den Ruhm in Anspruch nehmen kann, die Aera des Sozialistengesetzes würdig abgeschlossen zu haben. Viel leicht auch hat man beschlossen, die Verhandlungen bis in den Oktober hinein auszudehnen, damit man die geistige Bekämpfung der Sozial­demokratie" gleich im Gerichtssaal, bestehend in Berhängung von längeren oder fürzeren Freiheitsstraßen, beginnen faun." at Soun So oder so, der Kurs bleibt der Alte".

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Wer die Segnungen der Bismarck  'schen Wirthschafts­politik politik die übrigens ihren Urheber Inftig überlebt, fintemalen sie Der Ausfluß des Systems ist, dessen Kurs" der alte bleibt wer also diese Segnungen" nach dem Leben kennen lernen will, dem empfiehlt in der liberalen Breslauer Zeitung" ein Sorrespondent, sich nach der oberschlesisch österreichischen Grenze zu be= mühen. Ueber 3000 Menfchen," schreibt er, durch waten an einem Tage, zum Theil nach längerem Marsche, den nicht gerade seichten Przemsa- Fluß, um sich aus den drüben an der öster­ reichischen   Grenze in der letzten Zeit wie Pilze aus der Erde geschossenen, improvisirten und nur aus einer Holzbude bestehenden Mehlhand= Iungen mit diesem nothwendigen Lebensbedürfniß zu versehen. Kein Wunder, daß die ärmere Bevölkerung des ganzen Grenz­bezirfs ich a arenweise herbeiftrömt, um hier Einfäufe zu machen. Kosten doch hier 3 Kilogramm gewöhnliches Brodbackmehl nur 50 Pfennig, während im Deutschen   Neiche unter den Wirkungen der Zölle 5 Pfund, also 2 ilogramm dieses selben Mebles 85 Pfennig fosten!... Nuu sind wir aber leider von Oesterreich durch den Przemsa  - Fluß getrennt, und die nächste Brücke über denselben ist außer der eine Viertelstunde hinter dem 2/3 L'eile von hier belegenen Dorfe Brzezinka nur die etwa zwanzig Minuten von der Stadt Mys­lowig belegene hohe Eisenbahnbrücke der Kaiser Ferdinands- Nordbahn  für die Stecke Myslowig- Sczakowa- Trzebinia. Dieselbe ist bisher Jahre lang unbeanstandet auch als Fußweg bennzt worden, und die Steuer­behörde selbst hatte dies anerkannt, indem sie diesen Uebergang als er­laubten Nebenweg behandelte... Nun hat aber plöglich vor einigen Tagen die Direktion in Krakau   den strengen Befehl erlassen, die Przemsa   Brücke bei Jensior für das Publikum zu sper­ren, auch dem armen Teufel von Bahnwärter, der an derselben wohnt, aufgegeben, den durch den starken Verkehr beschädigten Bahndamm auf seine Kosten wiederherstellen zu lassen. Der Bahnwärter würde wohl faum im Stande sein, den unaufhörlich, fluthenden Verkehr zurück zu halten, wenn er nicht durch österreichische Finanziers" wie durch preußische 30llbeamte fortwährend darin unter ft übt würde. Und nun geht Alles unten durch die Przemia hindurch. Man sieht 8 bis 10jährige Kinder, denen das Wasser dabei mindestens bis ans Kinn geht, das kostbare Mehl oben auf dem Kopfe tragend, durch den Fluß waten, Natürlich verhindern die Grenzbeamten nach Möglichkeit das Durchschreiten des Flusses; aber ehe die Leute den stundenlangen Umweg über Brzezinka machen, warten sie hier Stunden lang, um schließlich doch die Wachsam­feit der Beamten zu täuschen oder zu ermüden. Wie das Brod aus Desterreich, so wird das Fleisch aus Rußland   geholt, da ja der deutsche Großgrundbesig in den letzten Jahren viel Besseres und Lohnenderes zu thun hatte, als dem Bedarf des Inlandes an aus reichendem Schlachtvieh in verständiger, aber mühsamer Weise entgegent zu kommen. Allerdings darf das Fleisch nur in gekochten oder ge=

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*) Dem Manne oder den Männern fann geholfen werden.

Ned. d. Soz.- Dem."

Die Sträflinge warten sehnsüchtig, bis die Früchte herangereift sind und sie ihren vorjährigen Dr. zu fressen bekommen".

Man hört sehr oft prahlen, in dem Zuchthause werde dem Sträfling ein Handwerk gelehrt, welches er später draußen ausüben könne, und so ihm sein Fortkommen erleichtert. Grundfalsch. Wie jeder Privat­unternehmer, läßt sich auch die Anstalt durch gemeine Ausbeutungs­und Profitsucht leiten; die Rücksichten auf das fernere Fortkommen der Sträflinge müssen, wo erstere in Frage kommen, zurückstehen. Die 80 Sträflinge z. B., die in Halle mit der Strumpfstrickerei beschäftigt find, können diese Arbeit in der Freiheit nicht bekommen, weil draußen dazu ausschließlich Frauen und Mädchen verwendet werden. Dieses trifft bei andern Fabrikationen auch zu, überhaupt sind die Gewerbe, welche in der Anstalt hervorragend vertreten sind, so auf dem Hund, daß sie ihren Mann in der Freiheit auch nicht halbwegs ernähren. Und gerade die Zuchthausarbeit hat nicht wenig dazu beigetragen, fie dahin zu bringen. Gewerbe aber, die noch lohnend sind, werden den Sträflingen nicht genügend gelehrt, denn die Theilarbeit ist in der Anstalt in hohem Grade durchgeführt.

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Ende.

Das erste Jahr meiner Strafzeit verlief, wie man gesehen, theilweise recht stürmisch und aufregend, aber ich entwickelte mich dabei zu einem zünftigen Züchtling. Ohne mich dessen rühmen zu wollen, kami ich mir das Zeugniß ausstellen, daß ich es im Laufe des zweiten Jahres zu einem Mustersträfling brachte. Ich kann dafür die größte Autorität auf diesem Gebiete als Zeugen aufrufen, nämlich den Direktor selbst. Stam er bei seinen wöchentlichen Sundgängen durch die Anstalt in meine Zelle, so war immer seine erste Nede:

Wunderlich, Du bist sehr fleißig, hältst auch Deine Kleider und Deine Zelle in Ordnung; wenn Du nur die verrückten Ideen nicht im Stopfe hättest!"

Ja, die Ideen! Wenn das Zuchthaus die ausrotten könnte, dann wäre ja Alles auf's Beste besorgt.

Die Disziplinarstrafen, die ich mir während des zweiten Jahres zu­zog, waren wenig und unbedeutend. Zweimal bin ich wegen Sprechen gemeldet worden und bekam 5, bezw. 3 Nächte Arrest, und 1 Tag

pöckeltem Zustande herübergebracht werden, und zwar nur 2 Kilogramm von einem Einzelnen. Aber da das etwa vier Fünftel des preußischen Pfundes betragende polnische Pfund Fleisch drüben durchschnittlich nur 30 Pfennig tostet, so fann man sich nicht wundern, wenn die Bevölkerung, und zwar nicht nur die ärmere, in ganzen Schaaren von dieser Erlaub­niß Gebrauch macht."

Ein herrliches Bild, nicht wahr? Und Alles im Interesse der noth leidenden Landjunker.

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-Einer der Hauptvertreter der journalistischen Demimonde, welche die Aera Bismarck zwar nicht geschaffen, aber bis zu einer in Deutschland   vorher unerhörten Vollkommenheit" entwickelt hat, war oder ist Herr Paul Lindau  , Theaterdichter, Kritiker, Romanschrift­ſteller, Rebafteur- furz, alles, was man von einem Maune der Feder" nur verlangen fann. Seine schriftstellerische Routine gestattet ihm, in allen Tonarten und in allen Artikeln seines Geschäfts" sich zit bethätigen. Hent, in der Aera des fulturfämpfenden Liberalisms, ist er wigelnder 8ynifer, morgen, in der Aera der Erhaltung der Ne­ligion, moralisirender Sittenschilderer. Heut schreibt er Gesellschafts­tomödien morgen foziale Nomane", wie es gerade die Mode ver­langt. Dieses Anpassungsvermögen ist überhaupt sein stehendes Kapital sonst besißt er nichts, nichts. Alles an ihm ist erborgt und erlogen. Erborgt die Ideen" feiner Stomödien, erborgt sein Wig oder sagen wir lieber seine Späße erborgt die Grundgedanken seiner äße erborgt die Grundgedanken ſeiner Romane. Er

oder jagen ift gefchickt gening, um nicht gerade heraus als bloßer

Abschreiber zu figuriren obgleich er auch dabei schon ertappt ist er versteht das Geschäft, und schreibt oder dichtet um". So hat er aus französischen   Stoffen deutsche Dramen zugeschnitten, die man bei­nahe für Originale halten konnte, so geschmacklos waren sie. Das Borgen, bezw. Stehlen ist seine zweite Natur, so daß er selbst von sich borgt ein fader Wortwiz, den er einmal im Briefkasten eines der von ihm gegründeten Blätter gerissen, wurde in einem Theaterstück beinahe zum Mittelpunkt der Handlung. Aber lassen wir den Schrift­steller, und nehmen wir den Menschen.

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Als solcher hat Herr Lindau die forruptesten Gestalten des französi schen Bas- Empire noch überboten. In den flebziger Jahren begnügte er sich damit, blos der politische Spaßmacher des gebildeten" Bürger­thunis zu sein, denn damals zahlte sich das. Ende der siebziger Jahre fing aber das Geschäft an, schlechter zu gehen, auch wurde die Kon­furrenz unbequem, neue Spaßmacher famen in Mode, die zwar auch nicht viel tangten, deren Späße aber etwas weniger abgestanden und fade waren, als die des Herrn Lindau, and so sucht und findet Herr Lindau   ein neues Mittel, jich seine" Position" zu sichern er attachirt fich an die Familie Bismarc. Zu welch niedrigen Liebesdiensten" er sich dafür hergab, der Freund" eines Bill Bismarck sein zu dürfen, wie er diefen hoffnungsvollen Staatsmann in den Budapester Bordells herumführte 2c. 2c., sei hier nur beiläufig erwähnt. Genug, die Sache glückte, er wurde persona grata bei der Bismarck- Dynastie, und damit der Mittelpunkt des literarischen Streberthums. Leider reichte der Einfluß der Bismarcke nicht soweit, Herrn Lindans höchsten Wunsch zu erfüllen, nämlich ihn zum Intendanten der königlichen Theater in Berlin  machen; die Hohenzollern  'schen Begriffe von Hoffähigkeit ließen das nicht zu. Welche Machtstellung sich aber Herr Paul Lindau   in dieser ganzen Beit allmählich zu erschwindeln, wie er die Fäden der literarischen Berbindungen in seinen Händen zu fouzentriren gewußt hat, so daß er noch feststand, als seine Beschüßer schon ins Privatleben entlassen wor­den waren, das ist erst neulich zur Kenntniß des weiteren Publikums gebracht worden.

Der Berliner   Bolkszeitg." gebührt das Verdienst, diese Blase auf­gestellt, Herrn Lindau in seinem wahren Licht, d. h. als ehrlosen Schuft, und diesen Schuft als Beherrscher der großen Bühnen Deutschlands   bloßgestellt zu haben. Sie that das, indem sie sich der Sache einer Dame, einer Schauspielerin, annahm, die sich den Haß des Herrn Lindau zugezogen hatte und der derselben deshalb sowohl die theatralische, wie die literarische Laufbahn unmöglich zu machen suchte. Die Aftenstücke, die die" Volksztg." in dieser Sache bisher veröffent­licht hat, sind von überzeugender Beweistraft. Sie beweisen, daß Herr Lindau sich seiner Herrschaft über Presse und Theater so sicher wußte, daß er sich herausnahm, der Dame den Befehl zugehen zu lassen, binnen spätestens 48 Stunden Berlin   zu verlassen, widrigenfalls fie fich den größten künstlerischen Stränfun­gen aussche und sicher sein dürfe, an feiner der größeren Bühnen Deutschlands   Austellung zu finden. Das einer Dame, von der feststeht, daß Herr Lindau sich noch kurz vorher feine dramatischen Gutachten hatte aufertigen lassen.

Anfangs versuchten Herr Lindau   und seine Mitschuldigen, die Sache. todtzuschweigen, bezw. sie als bloße Senfationsmache mit einigen weg­werfenden Nedensarten abzuthun. Aber sie hatten die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Die Volksztg." beziv. Herr Mehring, ließen nicht locker, bis ein Blatt nach dem andern sein Schweigen gebrochen, bezw. in seiner Art Farbe bekannt hat. Desgleichen hat Herr Mehring sich auch nicht auf's( Blatteis locken lassen die Sache im Verein der Berliner Presse" der Gefahr des Vertuscht oder gar Begrabenwerdens auszu= sezen. Ein Herr Konrad Alberti  , den auch wir schon zu kennzeichnen Gelegenheit hatten, hatte nämlich im besagten Verein den Antrag ge­stellt, Herrn Paul Lindau   auf Grund der Enthüllungen der Volksztg." auszustoßen. Diese aber hat den Burschen, der, von der Dreistigkeit des Auftretens abgesehen, literatisch nur ein Diminutiv- Lindau zu sein fcheint, ganz gehörig abfahren lassen und erklärt, fie, bezw. Fräulein von Schabelsky stünden Herrn Lindau   vor den ordentlichen Gerichten des Landes zur Verfügung.

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Wie richtig das war, geht daraus hervor, daß der Vorstand des Vereins der Berliner Presse" vor einigen Tagen nicht etwa die bedingte, sondern die unbedingte Absolution ertheilt hat. Das war, auch wenn Fräulein von Schabelsky das Forum dieses Ver­eins zurückwies, schon auf Grund des veröffentlichten Briefes unmög­lich. D. h. unmöglich für Leute, denen die Presse etwas mehr ist als die tüchtige Kuh, die sie mit Butter versorgt".

Dunkelarreft hatte ich abzusißen, weil bei einer Revision ein Bleistift in meiner Zelle gefunden wurde. Außer diesen Strafen mußte ich noch einen Verweis von dem Oberaufseher über mich ergehen lassen auf dem Dekonomiehof und in Gegenwart einer Kolonne Sträflinge, und zwar bedeutsam genug für meine Qualifizirung als Sträffing- wegen Uebereifer in der Ausführung eines Befehles. Das kam so.

Werden Sträflinge in Gruppen oder einer allein über die Höfe ge­führt, oder befinden sich solche in der Freistunde, und es begegnet ihnen ein Oberbeamter, so haben die Sträflinge diesem ihre Referenz zu er= weisen, der Aufseher tommandirt: Müße ab!" Nun winken die be= treffenden Oberbeamten gewöhnlich sofort dem Aufseher zu, das Honneur zu beenden, und gleich darauf folgt: Müge auf!"

Nur der neue Oberaufseher machte hiervon eine Ausnahme. Er ließ uns im Winter in der grimmigsten Stälte minutenlang mit dem bloßen Stopf stehen, ehe er dem Aufseher Gegenbefehl ertheilte. An einem solchen Tage war's, daß ich, als das langgedehnte Müße auf" anhub, schon bei.." die Müße auffezte. Das verdroß den Oberaufseher, der es bemerkte, und er fanzelte mich wegen begangener Ehrfurchtsverlegung nach Noten ab.

Wocker hat mich nach dem Austrag unseres 3wistes in Nuhe ge­laffen, meine Briefe schickte er mir in die Zelle. Nur einmal noch streckte er sein Fühlhorn aus; der Kaplan Peter tam, ungefähr ein viertel Jahr vor meiner Entlassung, zu mir. Seiner Anfrage: Nun, Wunderlich, wie geht's?" feßte ich entgegen:

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Gut. Meine Lage läßt unter den obwaltenden Umständen nichts zu wünschen übrig."

Gut?" fagte er erstaunt, das hört man hier selten." Meine unvermuthete Antwort hatte ihn offenbar überrascht. Sie brachte ihn aus dem Tert. Die Anstaltsgeistlichen sind gewohnt, Kla­gen zu hören, die ihnen dann Gelegenheit geben, ihren Trost anzu­bringen; den slagen wirklich abzuhelfen, daran denken sie nicht. Die Pfaffen brauchen die Unzufriedenen und Unglücklichen mehr, als die Sozialisten. Mit zufriedenen Menschen wiffen sie nichts anzufangen. Langsam rückte die Zeit der Entlassung heran. 14 Tage vor dent Abgang wurden mir noch einmal die Haare geschnitten; ich hatte da= gegen protestirt, aber vergeblich. Der Aufseher bestimmte:" Dir wer­den die Haare geschnitten, Du kannst Dich aber hernach beim Herrn Direktor beschweren, sofern Du Lust hast."

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