Und auch von ihnen müssen wir uns nun trennen. Freilich kein Trennen in dent Sinne, daß wir aufhören, gemeinsam für die gleiche Sache zu kämpfen. Wir werden fortfämpfen, jeder in seiner Art, wenn auch unter anderen Formen. Wir sind keine Nomantifer nnd sehen der Rückkehr zu Kampfesverhältnissen, die dem Geist der Neuzeit entsprechender sind, als diejenigen, unter denen wir bisher gewirkt, frohen Muthes entgegen. Aber in diesem Augenblick des Scheidens dürfen wir uns doch des Schönen erinnern, das der Kampf mit sich gebracht, der jezt ein nimmt.
Mit dem Gefühl des Dankes nehmen wir Abschied von Euch, Ihr Braven, die Ihr so treu zu uns gestanden, ihr unermüdlichen, unerschrockenen, ihr selbstlosen„ gewerbsmäßigen Verbreiter des Sozialdemokrat"! 27058
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Und mit dem Gefühl des Dankes verabschieden wir uns von unserm Lesertreise. Wir sprechen nicht von ihrer Nachsicht und wollen uns auch nicht rühmen. Wir haben nach bestem Wissen und nach besten Kräften unsere Stelle auszufüllen gesucht, und unsere Leser haben uns gezeigt, daß sie das anerkennen. Dafür danken wir ihnen.
Ein Wachtposten, ausgeschickt in gefährdeter Zeit, auf gesichertem Boden Wache zu halten, verlassen wir jetzt, wo diese Wache überflüssig geworden, unsern Standort und treten in Reih und Glied zurück. Wir haben dabei keine neuen Versprechungen abzugeben. Wo immer die Pflicht des Kampfes uns hinstellt, ein jeder von uns wird sein Bestes thun unter dem Losungswort, mit dem unsere großen Vorkämpfer vor 41 Jahren sich von den Arbeitern Kölns verabschiedeten: Emanzipation des arbeitenden Volkes!"
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Noch läßt sich nicht voraussagen, wie fich der Kampf in der nächsten Beit gestalten wird. Schwierige Aufgaben werden an die Partei herantreten die größere Freiheit legt größere Verpflichtungen auf, erheischt doppelte Wachsamkeit. Zwei Gefahren sind es hauptsächlich, welche den Genossen im Augenblick drohen: Zu große Sicherheit und infolgedessen Nachlassen des Eifers auf der einen Seite zu große Haft und übertriebener Thatendrang auf der andern Seite. Wir hegen aber nicht den geringsten Zweifel, daß sie beide siegreich überwinden werden. Die ungewohnte Situation mag die Einzelnen zu Mißgriffen nach der einen oder anderen Seite verleiten, die Masse wird auch fürderhin die Eigenschaften bewahren, denen die Partei ihre bisherigen großen Erfolge verdankt: ein warmes Herz, einen fühlen Kopf und ein offenes Auge. So laßt uns fortan Schulter an Schulter weitertämpfen, zielbewußt und unermüdlich. So wollen wir unsern Einzug halten in's ,, gemeine Recht", ohne Illusionen und ohne Furcht. Der„ Sozialdemokrat" ver= schwindet, aber die Lücke, die er hinterläßt, schließt sich schnell, und die Fahne, die er bisher getragen, flattert nur noch stolzer in den Lüften. In diesem Sinne scheiden wir heut von den Genossen mit dem Nuf: Hoch die Sozialdemokratie! London , im September 1890.
Der ,, Sozialdemokrat."
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lands und des Auslands kräftig unterstützt wurde. Am 2. April erschien das Verbot; am 30. brachte der Sozialdemokrat" eine zwischen Fraktion und Redaktion vereinbarte Erklärung, woraus hervorging, daß die Fraktion ihren Befehl zurücknahm.
Zu einer späteren Zeit war es dem„ Sozialdemokrat" vorbehalten, das viel gerühmte schweizerische Asylrecht auf die Probe zu stellen. Da zeigte sich, wie in allen ähnlichen Fällen seit 1830, daß dies Asylrecht jedesmal gerade da versagt, wo es wirklich in Kraft zu treten hat. Das ist nun nichts Neues. Seit ihrer von 1830 an bewirkten Demokratifirung erlauben die benachbarten Großmächte der kleinen Republik die demokratischen Experimente im Innern nur unter der Bedingung, daß das Flüchtlingsasyl nur unter Stontrole der jedesmal intereſfirten Großmacht ausgeübt wird. Die Schweiz ist zu schwach, um nicht nachzugeben. Man kann ihr das nicht übel nehmen. Marr pflegte zu fagen, in Bezug namentlich auf Holland , die Schweiz und Dänemark , heutzutage sei die schlimmste Lage die eines kleinen Landes, das eine große Geschichte gehabt. Aber nun höre man doch endlich auf, in der„ fryen Schwyz" vom unbefleckten Asylrecht zu flunkern.
Der Sozialdemokrat" war die Flagge der deutschen Partei; nach zwölffährigem Kampf ist die Partei siegreich. Das Sozialistengesetz ist gefallen, Bismard ist gestürzt. Das mächtige deutsche Reich hat alle seine Machtmittel gegen uns in Bewegung gefeßt; die Partei hat ihrer gefpottet, bis endlich das Deutsche Reich seine Flagge hat streichen müssen vor der unsren. Die Reichsregierung will es uns gegenüber einstweilen wieder mit dem gemeinen Recht versuchen, und so wollen wir es einstweilen wieder mit den gesetzlichen Mitteln versuchen, die wir uns, vermittelst kräftigen Gebrauchs der ungesetzlichen, wieder erobert haben. Ob dabei die gefeßlichen" Mittel wieder in's Programm aufgenommen werden oder nicht, ist ziemlich gleichgültig. Versucht muß werden, vor der Hand mit den gefeßlichen Stampfmitteln auszukommen. Das thun nicht nur wir, das thun alle Arbeiterparteien aller Länder, wo die Arbeiter ein gewisses Maß gefeßlicher Bewegungsfreiheit haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dabei am meisten für sie herauskommt. Das hat aber zur Voraussetzung, daß die Gegenpartet ebenfalls gesetzlich verfährt. Versucht man, sei es durch neue Ausnahmsgesetze, durch rechtswidrige Urtheile und Reichsgerichtspraris, durch Polizeiwillkür oder durch sonstige ungefeßliche Uebergriffe der Erefutive, unsre Partei wieder thatsächlich außerhalb des gemeinen Nechts zu stellen, so treibt man die deutsche Sozialdemokratie abermals auf den ungesetzlichen Weg, als den einzigen, der ihr noch offen steht. Selbst bei der gefeßliebendsten Nation, den Engländern, ist die erste Bedingung der Gesetzlichkeit von Seiten des Volts die, daß die andern Machtfaktoren ebenfalls in den Schranken des Gesetzes bleiben; geschieht das nicht, so ist nach englischer Rechtsanschauung Rebellion erste Bürgerpflicht.
Tritt dieser Fall ein, was dann? Wird die Partei Barrikaden bauen, an die Gewalt der Waffen appelliren? Diesen Gefallen wird fie ihren Gegnern sicher nicht thun. Davor bewahrt sie die Erkennt niß ihrer eigenen Machtstellung, die ihr jede allgemeine Reichstagswahl gibt. Zwanzig Prozent der abgegebnen Stimmen ist eine sehr respektable Zahl, aber das heißt auch, daß die vereinigten Gegner noch immer achtzig Prozent davon haben. Und wenn unsre Partei dabei hesicht, daß sie ihre Stimmenzahl in den letzten drei Jahren verdoppelt
der den„ Sozialdemokrat" wiederholt durch seine Mitarbeiterschaft ausgezeichnet hat, schickt uns Folgendes für unsere letzte Nummer:
Man erlaube auch mir vom Leser Abschied zu nehmen.
Von der Bühne verschwinden muß der„ Sozialdemokrat". Nicht nur, weil dies so oft, den andern Parteien gegenüber, erklärt worden ist. Weit mehr noch, weil der„ Sozialdemokrat" unter den veränderten Verhältnissen selbst nothwendig ein andrer würde, mit einer andren Mission, andren Mitarbeitern, andrem Leserkreis. Und ein Blatt, das eine so bestimmte geschichtliche Rolle gespielt, ein Blatt, dessen Eigenthümlichkeit war, daß in seinen Spalten, und nur dert, die zwölf entscheidendsten Jahre im Leben der deutschen Arbeiterpartei sich wiederspiegeln ein solches Blatt kann und darf sich nicht verändern. Es bleibe was es war, oder es höre auf zu sein. Darüber sind wir alle einig.
Ebenso einig sind wir alle darin, daß dies Blatt nicht verschwinden kann, ohne eine Lücke zu lassen. Kein in Deutschland erscheinendes Organ, amtlich oder nicht, kann es erseßen. Für die Partei ist das nur ein relativer Nachtheil: fie tritt in andre Stampfbedingungen, und bedarf daher andrer Waffen und andrer Strategie und Tattit. Ein absoluter Verlust aber ist es für die Mitarbeiter und speziell für mich. Zweimal in meinem Leben hatte ich die Ehre und die Freude an einem Blatt mitzuarbeiten, wo ich die beiden günstigsten Bedingungen vollauf genoß, unter welcher man überhaupt in der Presse wirken fann erstens unbedingte Preßfreiheit und zweitens die Gewißheit, von grade dem Publikum gehört zu werden, von dem man gehört sein will.
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Das erstemal 1848-49 bei der Neuen Rheinischen Zeitung ". Das waren Revolutionszeiten und da ist es ohnehin eine Lust an der Tages= presse zu arbeiten. Man sieht die Wirkung jedes Worts vor Augen, man sieht, wie die Artikel förmlich einschlagen, als wären sie Granaten, und wie die Sprengladung plagt.
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Das zweitemal beim„ Sozialdemokrat". Und das war auch ein Stück Revolutionszeit, seitdem die Partei sich auf dem Wydener Kongreß wiederfand, und von da an„ mit allen Mitteln", gefeßlich oder nicht, den Kampf wieder aufnahm. Der Sozialdemokrat" war die Verförperung dieser Ungefeßlichkeit. Für ihn bestand keine bindende Neichsverfassung, kein Reichsstrafgesetzbuch, kein preußisches Landrecht. Widergesetzlich, zum Troß und Hohn aller Reichs- und Landesgefeßgebung, brang er allwöchentlich über die Grenzen des heiligen deutschen Reichs; Häscher, Spione, Lockspizel, Zöllner, verdoppelte und verdreifachte Grenzwacht waren ohnmächtig; fast mit der Sicherheit eines Wechsels wurde er am Verfalltag den Abonnenten präsentirt; fein Stephan fonnte hindern, daß die deutsche Reichspost ihn versenden und austragen mußte. Und das bei über zehntausend Abonnenten in Deutsch land ; und während die verbotnen Schriften von vor 1848 von ihren Bourgeoiskäufern nur in den seltensten Fällen bezahlt wurden, zahlten die Arbeiter für ihren Sozialdemokrat" zwölf Jahre lang mit ber größten Regelmäßigkeit. Wie oft hat mir altem Revolutionär das Herz im Leibe gelacht, wenn ich diese so ausgezeichnet eingeölte, geräuschlose Wechselwirkung zwischen Redaktion, Expedition und Abonnenten, biese businesslike, geschäftsmäßig organisirte revolutionäre Arbeit, Woche für Woche, fahraus, jahrein, mit gleicher Sicherheit sich abwickeln sah! Und das Blatt war der Mühen und Gefahren werth, die seine Verbreitung fostete. Es war unbedingt das beste Blatt, das die Partei je besessen. Und zwar nicht bloß, weil es, allein von allen, volle Preßfreiheit genoß. Die Grundsäße der Partei wurden mit seltener Klarheit und Bestimmtheit dargelegt und festgehalten, und die Tattit der Nedaktion war fast ausnahmslos die richtige. Dazu kam noch eins. Während unsre Bourgeoispresse sich der ertödtendsten Langweiligkeit befleißigt, spiegelte sich im„ Sozialdemokrat" auch der heitre Humor reichlich wieder, womit unsre Arbeiter den Kampf gegen Polizeichikanen zu führen gewohnt sind.
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Dabei war der Sozialdemokrat" alles, nur kein bloßes Mundstück der Fraktion. Als die Majorität der Fraktion 1885 der Dampfersubvention zuneigte, vertrat das Blatt entschieden die entgegengesezte Meinung, und behauptete sein Recht dazu auch noch, als diese Majorität in einem Tagesbefehl, der ihr heute wohl selbst unbegreiflich erscheinen wird, ihm dies verbot. Der Kampf dauerte gerade vier Wochen, während deren die Redaktion von den Parteigenossen Deutsch
hat, und daß sie bis zur nächsten Wahl auf ein noch stärkeres Wachsthum rechnen darf, so müßte sie verrückt sein, hente mit Zwanzig gegen Achtzig und gegen die Armee obendrein, einen Putsch zu versuchen, dessen sicherer Ausgang wäre der Verlust aller seit fünfundzwanzig Jahren eroberten Machtposten.
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Die Partei hat ein viel besseres, gründlich erprobtes Mittel. An dem Tage, wo uns das gemeine Recht streitig gemacht wird, erscheint der„ Sozialdemokrat" wieder. Die alte Maschinerie, in Reserve ge= halten für diesen Fall, tritt wieder in Thätigkeit, verbessert, vermehrt, neu eingeölt. Und eins ist sicher: Zum zweiten Mal hält das Deutsche Neich das keine zwölf Jahre aus.
Unser Korrespondent aus Deutschland , dessen scharfe, geistreiche Feder die Leser des„ Sozialdemokrat" so oft erfreut und angeregt hat, schickt uns folgenden
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Abschiedsgruß:
„ Lieber Freund!
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, Etwas für die leẞte Nummer" verlangst Du diesmal muß ich mit einem Wort antworten, das ich nicht gern in den Mund nehme: unmöglich. Denke Dir, ich stäfe in den Stromschnellen des Niagara- ganz so gefährlich ist's nicht, aber sonst ziemlich ebenso wie kann ich da schreiben einen Artikel oder auch nur eine Korrespondenz? Es geht nicht.„ Aber für die letzte Nummer." Nun, die Sache ist ja nicht tragisch. Kein Sterben, nicht einmal ein Scheiden.
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Ein stolzer Rebell war der Sozialdemokrat", aber er ist keine ,, Rebellen I e ich e", sondern ein siegender Rebell: ein St. Georg, der den Schmuzdrachen des Sozialistengejeges erlegt hat und tampffroh auf andere Drachen wartet.
Der„ Sozialdemokrat" bleibt ja am Leben; er unternimmt bloß eine Seelenwandrung seine Seele wandert in hundert neue Papierleiber und hoffentlich auch sein Geist, sein Muth. Also kein Abschied auf Wiedersehn!
Wir haben fest zusammengestanden und lustig gekämpft, und wir werden auch fernerhin zusammenstehn und fämpfen.
Ein Händedruck Dir und den übrigen treuen Mitarbeitern. Und frischauf zum fröhlichen Jagen!
Zum Gedächtniß.
Selim& Co.
Wir würden einen Akt der Undankbarkeit begehen, wenn wir in dieser Abschiedsnummer nicht auch noch einmal des Mannes gedächten, der, als der Sozialdemokrat" in's Leben gerufen wurde, opferwillig die zu seiner Einführung erforderlichen Geldmittel hergab und, bis unser Blatt seine Kosten selbst deckte, die hierfür nöthigen Summen zur Verfügung stellte. Wir meinen unsern nun schon seit fünf Jahren im Grabe ruhenden Freund, den Schriftsteller und Privatgelehrten Karl Höchberg .
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Seine Opferwilligkeit ehrt den Verstorbenen in diesem Falle noch anders ganz besonders, als er nicht nur das Geld bedingungslos gab wäre es allerdings auch nicht genommen worden sondern auch mit seinen Beiträgen unbeirrt fortfuhr, als das Blatt bereits eine Haltung einnahm, die er persönlich mißbilligte. Es kam ihm vor Allem darauf an, dafür zu sorgen, daß die unterdrückte Partei wieder ein eignes, durchaus unabhängiges Organ hatte. Er gab der Redaktion des Sozialdemokrat" seine abweichende Meinung fund, wie der Freund dem Freund, der Genosse dem Genossen, aber nie machte er auch nur den leisesten Versuch, einen Druck auf ihre Haltung auszuüben.
Wir halten es um so mehr für unsre Pflicht, dies immer und immer wieder festzustellen, als der Verstorbene, und noch bis übers Grab hinaus für die großen Opfer, die er der Partei gebracht, in niederträchtiger Weise verdächtigt worden ist und nicht nur von Leuten, von denen gesagt werden kann:„ fie wußten es nicht besser."
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Höchberg's Verdienste um die Partei sind mit demt, was er für den " Sozialdemokrat" gethan, bei Weitem nicht erschöpft, aber der Antheil, den er an der Gründung unseres Blattes hat, rechtfertigt es allein, daß wir in dieser unsrer Gedenknummer von Neuem sein Andenken ehren.
Rückschau.
Die Aufgaben des" Sozialdemokrat" waren mannigfaltige und wechselten mit der Situation der Partei in Deutschland .
In der ersten Zeit seines Bestehens hatte er vorzugsweise die Pflicht, die brutal unterdrückten, von der Polizei im Bunde mit dem Ausbeuters thum maßlos verfolgten und gehezten Genossen zu ermuntern, ihrer gerechten Entrüstung und Erbitterung Ausdruck zu leihen und zugleich den Feinden höhnend ihre Ohnmacht gegenüber einer weltgeschichtlichen Bewegung vorzuhalten. In jener Zeit war der Sozialdemokrat" naturgemäß nicht nur seinem Inhalt nach revolutionär denn wir hoffen, das war er bis zur letzten Nummer- sondern auch in seiner Sprache äußerte sich oft jene Leidenschaftlichkeit, die eine revolutionäre Erhebung mit sich bringt. Und es war ja eine Art Rebellion, um die es sich da= mals handelte, die Rebellion einer unterdrückten Partei gegen einen übermüthig triumphirenden Feind.
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Später, als die Partei sich wieder einiger Bewegungsfreiheit erfreute, als Bismarck gezwungen war, um sich der wachsenden bürgerlichen Opposition, der in ihrer Bildung begriffenen„ Kronprinzenpartei", zu erwehren, der Arbeiterklasse Ellenbogenraum zu gewähren, als die kaiserlich königliche Sozialdemagogie auffam, wurde die Aufgabe des in den Vordergrund. Es handelte sich jetzt darum, Aufklärung über " Sozialdemokrat" eine andere, oder vielmehr, trat eine andere Aufgabe die Stellung der Partei zu den ökonomisch- sozialen Strömungen in Staat und Gesellschaft zu verbreiten, zu verhindern, daß die Genossen wenn auch nur vorübergehend und in bester Absicht, auf Grund falscher Anschauungen über die Natur unseres Kampfes das Spiel unserer Feinde spielten. Diese Gefahr lag damals namentlich deshalb nahe, weil in Deutschland das Wort„ Sozialismus" in Wort und Schrift umschrieben werden mußte, und so Ausdrücke in Gebrauch kamen, die leicht falsch gedeutet werden konnten. Wir erinnern nur an das Schlagwort Kampf gegen das Manchesterthum", das uns in eine be= denkliche Waffenbrüderschaft mit den schmuzigsten Elementen des herrschenden Ausbeuterthums zu bringen drohte. Wir haben damals nicht einen Augenblick gezweifelt, daß diejenigen Genossen, die es zu brauchen pflegten, es in dem einzigen Sinne brauchten, den es für Sozialisten haben kann, aber wir haben es mit der größten Energie bekämpft, weil es auf die Masse nur verwirrend wirken konnte. Wir wiesen nach, daß die ökonomischen Aufgaben der Sozialdemokratie zu einer Zeit, wo der Staat sich in den Händen der schlimmsten Feinde der Arbeiter be= findet, keineswegs darin bestehen, dessen Machtgebiet und Einfluß zu erweitern, sondern sich auf die Wahrung und Förderung der Klassenintereffen der Arbeiter( Arbeiterschutz 2c.) beschränken, daß die Sozialdemokratie dagegen in erster Reihe ihr Augenmerk auf die politische Seite ihres Programms Erweiterung der politischen Macht der Arbeiterklasse, Erfämpfung ihrer politischen Rechte- zu richten habe. Dieser Standpunkt brachte uns damals wiederholt in Polemit mit Genossen, und führte auch zu dem Meinungskonflikt in der Frage der Dampfersubvention, auf den Friedrich Engels in seinem Abschiedswort zurückfommt. Wir maßen uns nicht an, zu behaupten, daß wir in allen Detailfragen das Richtige getroffen, aber den prinzipiellen Standpunkt, den wir damals eingenommen, halten wir noch heute für den einzig Richtigen.
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Später hatten wir wohl noch hier und da Polemiken, aber sie hatten feine allgemeine Bedeutung. Die Partei war in der Frage der Taktik einig, die Meinungen hatten sich geklärt, und es handelte sich nunmehr für uns nur darum, die Grundsäße dieser Taktik darzulegen.
Erst in der letzten Zeit, und wir dürfen sagen, zu unserm nicht ge= ringen Bedauern, sind wir wieder genöthigt gewesen, scharf polemisirend gegen Genossen vorzugehen. Hätten wir es nicht für unsere Pflicht gehalten, in den, nach unserer Ansicht ohne Noth und Anlaß vom Zaun gebrochenen Streit einzugreifen, wir hätten es sicher vorgezogen, die letzten Nummern unseres Blattes von Streitsachen frei zu halten. Aber wo das Interesse der Partei in Frage kommt, folgen wir lediglich dem Pflichtgebot und lassen unsere persönliche Neigungen zurücktreten.
Im Allgemeinen waren wir stets bemüht, unsere Polemik sachlich zu halten. Das ist aber natürlich überall da nicht möglich, wo es sich um teine sachliche Gegensäge, sondern um das persönliche Auftreten und Verhalten handelt. Lumpen und Abentheurer, die sich an die Partei herandrängen, mußten wir persönlich angreifen, die in gleißendem Gewande auftretende Unehrlichkeit in persönlicher Kritik zurückweisen. So war es unvermeidlich, daß wir uns im Laufe der Zeit eine ganze Reihe persönlicher Feinde schufen. Von den meisten derselben dürfen wir indeß sagen, daß wir uns durch ihre Feindschaft nur geehrt fühlen. Wenn wir dagegen in der Polemit mit guten Genossen uns hier und da einmal zu schroff geäußert, so werden sie es uns ebensowenig nachtragen, wie wir es in allen gleichen Fällen gethan. Von ihnen scheiden wir mit den Worten des alten Handwerksburschenliedes:
" Ihr, ihr, ihr und ihr, ihr Brüder lebet wohl. Hab' ich euch was zu Leids gethan,
So bitt' ich um Verzeihung an
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Allen Freunden und Genossen noch einmal herzliches Glückauf!
Den Ungenannten Gruß und Angedenken.
Die Feder ruht, es wandert zu den Formen Vom Winkelhacken das gereihte Blei, Schon tritt gepanzert in des Rahmens Normen Scharf der Gedanke auf und tadelfrei. Er lebt, und prüfend streift das müde Auge Der leiblichen und geift'gen Vaterschaft, Den ersten Abzug, ob er klar und tauge, Werth sei der eingesetzten Lebenskraft. Gut! Vorwärts denn, gebaut, geklopft die Mater, Gepreßt, getrocknet, dann zum Plattenguß Heran, beim bleigetränkten Feuerfrater! Fertig zum Druck!- Zur Presse, und dann Schluß. Schluß? Nein, erst krallt vom rollenden Zylinder
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Hinweg der Greifer seine Legion
Streitbar gerüsteter Rebellenkinder,
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Dann, wohlgeordnet stürmen sie davon. Weit ist der Weg, launisch sind Sonn' und Winde, Drum jedes Fähnlein führt sein Doppelkleid, Taufschein und Schußbrief hat als Angebinde Sorgfam die rothe Feldpost angereiht. Vorbei das Planen, Prüfen, Ordnen, Zimmern; Voraus, vom Ausguck flattert das Signal, Gleichwie ein stillgeschäftig Sternenflimmern, Hin über's Meer und fort zu Berg und Thal. Und tausend Treu- erfüllte Herzen pressen Verjüngt das Blut zum arbeitsmüden Hirn, Noth und Gefahr begeiſt'rungsvoll vergessen, Unddaß kein Kranz je schmückt die schlichte Stirn.- Wohlan, was auch die besten unsrer Meister Zur Lehr und Wehr dem Volke ausgedacht, Was die vertriebenen, stillen Arbeitsgeister An fremdem Port gerüstet und vollbracht Ihr wart's, Ihr selbstlos muth'gen Ungenannten, Die unser Sturmzeug durch die Grenzen trugt, Ihr, die daheim, bedroht von Büttelbanden, Straß auf, Straß ab mit ihm die Schlachten schlugt.- Euch gilt der Gruß, der letzte freudenhelle! Trag ihn der Sturm, der heut die Welt durchbraust, Zu den„ Verlornen" in die Kerkerzelle,
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Zum Friedhof, wo die unseren eingeflaust. Und nun, geschieden sei's mit froher Weise, Das Posthorn her und blast in Reih' und Glied: Der rothen Feldpost Glück zur letzten Reise Und ihren Reitern dieses Abschiedslied.
J. M.
C