Einzelbild herunterladen
 

34. Jahrgang. Nr. 4

Frauenklage.

Bon Eleonore Rallows? a.

Sonntag

Man tat uns diefes an und frug uns nicht! Den großen Tod befchloffen alle Lande,

and uns, uns frug man nicht; uns hört' man nicht, Man löfchte unfer Wort fo wie ein fchwelend Licht, amlobt, durchglüht von roten Balles Brande.

Man tat uns diefes an und frug uns nicht, Hls ob wir nichts damit zu Ichaffen hätten, Hls ob nicht wir des Lebens einziges Cor, Nicht wir des heiligen Stromes ewige Betten!

Es können Männer nicht verftehn, nicht wiffen, Was töten heißt, was Iterben fehen heißt; Sie find von einem Drang hinweggeriffen In Zeugung und in Cotfchlag, und es weift Ihr ganzes Sein zur rafchen, kühnen Cat; Sie fehn das Leben fo wie einen Dom Der fremde, wenn er dalteht, kühl vollendet. Doch wir, wir lind es ja, die ihn gefpendet, Wir die Erbauer, die in unfrem Leib Mit heiligem Schauer fügten Zell zu Zelle, Bis er bereit ftand, um die hohe Welle Des Orgelklanges in fich aufzunehmen... Und heut fehn wir das Werk, das wir errichtet, Zu viel Millionen Malen raub vernichtet! Wir frauen, die wir allzu lang gelchwiegen. Doch heute war's zuviel. Es find in uns Die Leiden höher als der Mund geftiegen, Sie drängen machtvoll fich aus uns heraus, Zum Wort geworden in die Welt zu fliegen! Wir waren Ohr, nun werden wir zum Mund. Wir waren Hug, nun werden wir zur Band. Wir wollen es mit Band und Mund verhindern, Daß folche Blutzeit unfern Kindeskindern Noch einmal wird!

Wir wollen, wenn die blutige Zeit verbrauft, Von Land zu Land uns an den bänden fallen Zu einer Kette Nimmer- wieder- laffen, So feft, daß nie fie fprengt die Männerfauft. Wir waren Hug, nun werden wir zur Band!

Beilage zum Vorwärts" Berliner Volksblatt

Berlin, 28. Januar 1917

Der märkische Feudalstaat.

Bon Hans Leuß.

richter bekam und ich ihn instruierte, wie er sich beim Verhör zu benehmen habe, sagte ich ihm, wenn er gefragt werbe, wer den infriminierten Artikel verfaßt oder zum Druck befördert habe, so solle er nur sagen, er wiffe es nicht. Er fonnte es auch nicht wissen. Aber er rannte aufgeregt im Zimmer auf und ab und rief: Ich muß Kurfürst Friedrich I. hatte die märkischen Adligen zu doch die Wahrheit sagen". Er wußte nicht, daß dem An- seinen Vasallen gemacht. Surfürst Joachim I. hatte ihnen so geschuldigten das Recht des Leugnens ausdrücklich vor- gar das Recht zu rauben genommen und sie genötigt, von behalten ist. der Arbeit zu leben, Landbau zu treiben, anstatt auf der

Anfangs war ich mit Guttzeit in der Redaktion allein und Landstraße Beute zu fuchen. Diese große Rechts- und Wirt­mußte ich alles allein machen, ausgenommen die Lokalberichte, fchaftsumwälzung hatte aber leider auch üble Folgen. Die welche von den Reportern geliefert wurden. Wir hatten als wilden Energien wurden zwar zahm und friedlich", aber Redaktionslokal ein ganz fleines Hinterftübchen, das auf einen darum nicht minder schädlich. Die zum Ackerbau genötigten düftern Hof ging, zur Verfügung; int vorderen, etwas größerem Vasallen fingen auch ihr neues Gewerbe mit Expropriationen" Zimmer, befand sich die Expedition, welche unser alter Partei- an; fie nahmen sich, als sie nicht mehr Geld und Gut genoffe, der jegige Reichstagsabgeordnete Ferdinand Ewald, nehmen durften, Land und Leute. Das Bauern damals noch ein rüftiger Dreißiger, verwaltete.

Von einer Entwickelung wagten wir damals noch nicht zu träumen.

Yegen fing an, und der Frondienst entwickelte sich,- leider eine Quelle des Unheils auch für den Staat. Hinge führt auf diese Entwicklung den" Typus des oftelbischen Das Blatt konnte nur vier Seiten stark erscheinen und Junkers" zurüd, in dem sich eine Gewohnheit zum Herrschen, die Konkurrenz mit den anderen Berliner Blättern, von denen Befehlen und Disponieren" ausbildete. biele zweimal erschienen, war sehr schwer. Die Konkurrenz Die Landesherren fonnten im eigenen Interesse nicht zwang uns, um nur ein Beispiel anzuführen, die Gewinnliſten ruhig zusehen, als sich der Druck der Fehde und der Brand­der Staaslotterie abzudruden, welche uns auf den be- ichatzung in einen solchen auf hörige Bauern umbildete. schränkten Raum sehr lästig fielen. Da alle Partei- und Aber", so heißt es bei Hinge, diese landesfürstlichen Be Gewerkschaftsorganisationen ausgelöst waren und bet strebungen blieben ohne Straft und Nachdrud, weil der Landes­fleine Belagerungszustand herrschte, fo fonnte auch die herr zu abhängig vom Adel war und seinen guten Propaganda der Parteigenossen für das Blatt nur langsam willen brauchte wegen der Steuern, die auf dem Landtage wirten. In drei Monaten zählte es 2400 Abonnenten. bewilligt werden mußten.... Auf dem Landtage führte der Adel das große Wort."

Ich mußte einen zweiten Redakteur haben und es wurde mir ein sehr tüchtiger junger Journalist, Leo Horn, politisch eine farblose Persönlichkeit, zugeteilt; politischer Haupt mitarbeiter war Wilhelm Hasenclever und ich sorgte dafür, daß das Blatt so viel sozialistischen Gehalt betam, als unter dem Sozialistengefeg überhaupt möglich war, wenn man die Polizei nicht zum Verbot provozieren wollte. Später trat auch Sturt Baate, damals noch ein ganz junger Mann, in die Redaktion ein.

"

Sturfürst Joachim. II. mußte dem Adel fogar einen Revers ausstellen, nach dem Bündnisse nicht ohne die Zustimmung gemeiner Landräthe" geschlossen werden durften eines Ausschusses der Ritterschaft, durch welchen sie also auf die auswärtige Politif einen bestimmenden Einfluß gewannen. Die Ritterschaft verlangte sogar, daß der Kurfürst auch seine Beamten, die Hofräthe", nur aus dem eingesessenen Adel wählen dürfe, der nur von eingeborenen Standesgenossen Die Stellung eines leitenden Redakteurs an einem Partei- regiert werden wolle. Fünfzig Arme vom Adel", d. h. kleinere blatt war unter dem Sozialistengefeß eine äußerst schwierige. Gutsherfen, die nicht gleich den größten im Landtage vertreten fie erforderte die bekannte Rhinozeroshaut", namentlich gegen waren, schidten im Jahre 1542 eine Klage an den Ausschuß über den vielen Besserwissern unter den des Landtages und diesen selbst. Sie schelten darin über bösen Berliner Parteigen offen. Ich ließ mir aber von Unrat" und unordentliches Regiment, das fremde Näte" des diesen absolut nicht imponieren. Schon als ich den Prospekt für Sturfürsten verschuldeten; diese möten mi afffetten das Blatt ausgab, bemerkte ich, daß er einer Anzahl von und plögen mit egen Difen". Ja, fie steigen zu ..Autoritäten" zur Begutachtung vorgelegt wurde, und ich war der Drohung der Selbsthilfe auf: tvenn die Stände nichts fest entschloffen, lieber gleich von der Redaktion zurückzutreten, täten, so möten wy sien, dat wi einen oder vier by de als mir eine Bevormundung von dieser Seite gefallen Refe trigen" ein feudaler Ausdrud für umbringen". au laffen. Es wurde indeffen feine Aenderung versucht. Diese träftige Sprache, die etwas an den Bund der Land­die Klippen des Sozialistengefeges zu umschiffen hoffte, was Sturfürsten." Er begnügte sich aber mit einer Art Rechts­mir auch gelang, nachdem vorher jeder Versuch, ein fozia bermahnung nach dem Lehnrecht des Sachsenspiegels feien listisches Blatt in Berlin herauszugeben, von der Polizei die Räte ein Stück feines eigenen Leibes". Er war ohn brutal vereitelt worden war. mächtig; die Vasallen regierten in Wahrheit. Der Feudal­

-

An der Wiege des Vorwärts". in bem Profpeft mar bie Zatti angegeben, mit ber ich wirte erinnert( fo fährt Singse wörtlich fort) verdroß den

"

Von Wilhelm Blos .

Daß im Vorwärts" nun wieder geordnete Zustände obwalten und daß er wieder das Zentralorgan der Partei geworden, statt die Sonderinteressen der nach Zerstörung der

"

Die Situation war nun so, daß ich in der Front gegen ft a at hatte sich aus seiner eigentlich) anarchischen Form erst mich die Polizei hatte, die gespannt darauf lauerte, daß sich recht entwickelt; die Macht in ihm lag in der Hand der Organisation trachtenden Settenbildungen zu fördern, muß jene Gelegenheit bieten würde, ein Verbot des Blattes be- Bajallen. jeden organisationstreuen Parteigenossen mit Freude erfüllen. gründen" zu können. Rechts hinter mir mahnten Singer und Ganz ebenso, nur etwas oligarchischer" waren die Ber­Wenn dabei Schwierigkeiten zu überwinden sind, so crinnere seine Freunde unablässig, auf die Erhaltung des Blattes behältnisse im Lande Preußen, das an Brandenburg fiel. Ein ich heute daran, daß schon an der Wiege des Blattes, als es bacht zu sein, denn man wollte die für das Unternehmen ge- fleiner Streis von adligen, streng lutherischen Familien noch Berliner Volksblatt" war, fich nicht wenige gebenen Geldmittel doch nicht zum Fenster hinausgeworfen" regierte dies Land; die reformierten Dohnas durften nicht mit Schwierigkeiten auftürmten. Das war vor dreiunddreißig haben. Lints hinter mir aber regten sich die Parteigenossen, walten. Die herrschende Clique konspirierte mit dem Könige Jahren und ich hatte damals das Vergnügen, mich unter den denen das Blatt nicht radikal genug" war, und so begann von Bolen gegen den Großen Kurfürsten, den sie ebenso wenig Gevattern des neugeborenen Berliner Parteiorgans zu be auch hier jenes demagogische Spiel, das schon so viel Unheil anerkennen wollten, wie der märkische Adel Friedrich den finden. angerichtet hat. Es wurde unaufhörlich gewühlt, namentlich Ersten. Der Verrat machte das Maß voll. Der Große Es kam zur Welt am 1. April 1884 und ich war zum von Leuten, die sich sonst vorsichtig zurüchielten. Ich fetzte Surfürst ließ mit Lift und Gewalt den Rädelsführer der Ver­Ieitenden Redakteur berufen worden. Das war ein Bosten, zu ihnen auseinander, daß das Blatt nicht anders redigiert schwörung in Warschau festnehmen, ihn foltern, um seine Mit­dem sich damals niemand drängte. Denn wir befanden uns werden könne, wenn es bestehen bleiben solle. Besonders schuldigen zu ermitteln, und hinrichten, Christian Ludwig in der Hochflut der sozialistischen Verfolgung. Ich nahm das ist mir eine Persönlichleit, die ich nicht nennen will, im von Kaldstein. Diese Gewalthandlung zwang allerdings schwierige Amt, zu dem mich namentlich Paul Singer be- Gedächtnis geblieben, die auf alle meine Darlegungen nur den oftpreußischen Abel, sich dem neuen Militärstaat rufen zu sehen wünschte, nur auf dessen dringendes Zureden papageienartig antwortete: Das Blatt muß radifaler sein!" anzubequemen, aber auch dieser dritte Zusammenstoß an. Singer, der damals zum äußersten rechten Flügel der Das imponierte mir aber weniger, als den Römern die ewige der Hohenzollern mit ihren Vasallen erschütterte nicht die feu­Partei gehörte, hatte die Mittel zum Betrieb des Blattes Mahnung des alten Cato an die Zerstörung von Starthago; dale Macht. Beim Regierungsantritt Friedrichs III. gab ein bereitgestellt. Er machte es mir zur Pflicht, alles aufzubieten, ich wurde, wie man sagte, füddeutsch faugrob" und Dstpreuße"( vielleicht ein Dohna ", sagt Hinge) dem Minister um das Blatt unter dem Sozialistengefeß zu erhalten, da es erreichte damit, daß man mir persönlich mit der Krittelei und von Fuchs eine Aufklärung über die Zustände in Ostpreußzen. dringend notwendig geworden war, weil die Stöckersche Rich Besserwisserei vom Salse blieb. Hinter meinem Rücken wurde Die Ritterschaft regiere das Land allein; der Landesherr tung ein von einem ehemaligen Parteigenossen inspiriertes fie natürlich eifrigft fortgefegt. Es gab auch damals schon müsse sich mit ihr umb seine Autorität, ja schier umb sein Arbeiterblatt" geschaffen hatte, um Verwirrung in die Massen Elemente in Berlin , welche gegen Parteigenoffen diefelbe rohe Brot herumbeißen. Wo jemand in Preußen es ver der sozialistischen Wähler zu tragen. Sprache führten, die heute in den Spartakus"-Flugblättern mag dahin zu bringen, daß er Landrath und Hauptmann Ueber dem leitenden Rebatteur, das sah man voraus, üblich ist. So schrieb ein Student namens Grünzig, der wird, so ist ihm und allen seinen Dehmchen und Schwägerchen mußte unter dem über Berlin verhängten fleinen Belage- als Sozialdemokrat aus Berlin ausgewiesen worden, aus schon geholfen, und die kleinen Nebenjunkere müssen den rungszustande" sogleich das Tamoflesschwert der Ausweisung New Jort an die Reichstagsfraktion, die sozialdemokratischen Herrn Hauptmann und den Herrn Landrath als einen Ab­schweben. Als einige Zeit nach der Gründung des Blattes Abgeordneten müßten an den Ohren aus dem Reichstage gott verehren... Möchte dazu Serenissimus ihnen noch der Parteigenosse Hugo Rödiger aus Gera in die Redaktion herausgeführt werden. Und das war in jener Zeit, die man feine Deconomica also zur Dispofition stellen, als solche in desselben berufen wurde, traf ihn sogleich ein Ausweisungs heute Das Heldenzeitalter der Sozialdemo Bolen die Starosten zu sich gezogen haben, ei ja! Das hätten befehl. Dagegen schützte mich während der Tagung des tratie" nennt. wir gerne!" Reichstages meine Eigenschaft als Abgeordneter. Die Zeit der Die Masse der Parteigenossen hatte anfangs dem neu Der neue Militärstaat, der sich damals bildete, Session reichte aus, um den Redaktionsbetrieb in Gang zu ins Leben tretenden Blatte wie einem auf ferner Bühne auf übernahm also ein fehr starkes Stück aus dem Feudalstaate. bringen, und nachher fonnte man ja weiter sehen, was geführten Schauspiel zugesehen. Man glaubte nicht mehr an In den rheinisch- westfälischen Zeilen des neuen Staates( Cleve zu tun. die Dauer eines solchen Unternehmens und erwartete täglich und Mart) ließ der Große Kurfürst allerdings einen be­Unter diesen Umständen mußte der verantwortlich zeich ein Verbot. Als aber das Blatt sich hielt und als es ver- fonders hervorgetretenen Edelmann einsperren, aber der Fürst nende Redakteur ein möglichst unbekannter und harmlos er größert wurde und damit fonfurrenzfähig wurde, stieg das mußte fich doch bequemen, alle nicht eingeborenen Beamten scheinender Mann sein. Wir wußten wohl, daß wir die Polizei Intereffe für das Unternehmen raich. Unter dem Sozialisten zu entlassen und alle übrigen Beamten auf die ständischen nicht täuschen fonnten, aber wir wollten fie möglichst wenig gefet fonnte es natürlich nur eine mäßige Verbreitung ge- Rechte zu bereidigen. Erst nach 1661 gelang es ihm durch­reizen. Singer präsentierte mir eine für diefen Swed fehr winnen. Immerhin zählte es 10 000 Abonnenten, als das zusetzen, daß er Truppen ins Land legen durfte. geeignete Persönlichkeit. Es war der frühere preußische Gesetz ablief. Beutnant Guttzeit. fpäter als Naturmensch" und dem- Ich gab die Redaktion ab, nachdem ich die Maschine in entsprechender Schriftsteller bekannt. Ich glaube taum, daß Gang gebracht, und blieb noch etwa ein Jahrzehnt ständiger er sich über die Bedeutung des Postens flar war, auf den er Mitarbeiter des Blattes.

gestellt wurde. Bon feinen Schrullen abgesehen, war er ein

braver und feelensguter Mensch und von einer findlichen Naivetät. Als er die erste Vorladung vor den Untersuchungs­

"

Auch die Stände in der Mark widerstrebten dem Stur­fürsten, als er ein stehendes Heer einrichtete, aber hier ging es mit einer Verstimmung" ab. Der Adel fegte gegen ein Septennat" für das Heer eine Erweiterung feiner Privilegien durch. Der Surfürst mußte dieses Bu geständnis machen, um die Anerkennung des neuen Militär­staates beim Adel zu erreichen. Die Anbequemung an die

17