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deutlicher drängte sich mir ein Gedanke aus. der sich schließlich in dein halb erstaunten Ausruf entlud:Wir selber leben ja jetzt bei-10 Grad S t a a t S fi e b e r!" In der Tat. soweit unser Staatswesen in diesem Kriege versucht, sozialistisch, d. h. nach einheitlichein Plane fürs Ganze zu handeln, zeigen sich die auffälligsten Parallelen mit dem kämpfenden Organismus. Dir haben unsere allerdings nicht weißen, sondern feldgrauen Streiter an der Grenze aufgestellt, dort ioo die feindlichen Bazillenheere init Einfall drohen. Alle andern Lebenszwecke sind dem Verteidigungsziveck unter­geordnet. Wenn ich nun jetzt schon sieben Stunden an der Tour fahre, die früher ll'/z Stunden dauerte, so ist das eine Art Zieberschwäche des Staatsverkehrs. Alle Verkehrsmittel sind aufs äußerste für den Heerestransport in Anspruch ge- ilommen und wir müssen uns wie der Fiebernde hübsch ruhig verhalten und überflüssige Bewegungen lassen. Und hat nicht auch unser Ernähr nngsproblem die größte Aehnlichkeit mit der beschränkten Nahrungsaufnahme des Kranken? Wir könnten trotz tchr abgeschnittenen Zusuhr noch sehr viel reichlicher leben, als wir eS tun, wenn wir alle unsere Kräfte allein der Nahrungserzeu- g u n g zuwendeten. Auch der von Bazillen angegriffene Körper könnte an sich wohl soviel Nahrung verdauen wie früher in gesundem Zustand; aber dann würden die zur Ver- dauung herangezogenen Kräfte im Kampfe gegen den äußeren Teil fehlen. Deshalb erlegt sich der Organismus eine Ernährungsbeschränkung auf. um alles gegen den am meisten drohenden Feind mobil zu machen. Und wir tun genau das�gleickie. wenn wir z. B. den erzeugten hoch- wichtigen S t i ck st o f f in Pulver und Munstion ver- wandeln und nur einen kleinen Teil auf die Aecker zur Düngung tragen, wenn wir Millionen zur Feldbestellung nötige Arbeitskräfte. Pferde und Fahrzeuge dem Heere einverleiben. Aber es muß sein, es ergeht uns genau wie dem Organismus im Kampf gegen die Bazillen: zuerst heißt es, leben und sich der nächsten, dringendsten Gefahr erwehren, wenn auch darüber das zu kurz kommt, was in normalem Zustand als daS wichtigste ge- gölten hat. Der Lebenswille des Organismus gebietet ihm, sich zu behaupten, wenn auch noch so dürftig, noch so ein- geschränkt. Aber ist nicht der ganze Vergleich zwischen Organismus und Staat nur Spielerei ohne praktische Bedeutung? Nicht so ganz. Denken wir daran, daß die sozialistische Wirtschafts- weise jetzt von ihren Gegnern auf das heftigste angegriffen wird, immer mit Hinweis auf die heutigen Kriegszustände. Unter dem Druck der jetzigen Kriegs- not hat der moderne Staat zum erstenmal versucht, sich nach dem Muster des Zellenstaates sozialistisch zu organisieren, wenn auch teilweise der Versuch in ganz ungenügenden An- sängen stecken geblieben ist. Aber es war doch wenigstens das Bestreben vorhanden, die vorhandenen Kräfte vom Ge- sichtspunkt der Zweckmäßigkeit für das Ganze zu organisieren, und deshalb sind die gewonnenen Erfahrungen von der äußersten Bedeutung. Nun sagen die Gegner:Der Versuch ist mißglückt. In den heutigen Kriegszuständen habt ihr ein Bild des Sozia- Itsmus. Er kann euch nicht mal ordentlich ernähren, er schafft nicht mal einen Verkehr wie früher, er erzeugt Stockung und Rückgang überall". Doch unser Vergleich gibt die klare Antwort: Den Sozialismus nach den jetzigen Zuständen ab- urteilen zu wollen, wäre gleich verfehlt, als würde jemand die Zweckmäßigkeit des menschlichen Organismus mit dem Hinweis auf die Erscheinungen an einem Fieberkranken be- streiten. Die Bekämpfer des Kriegssozialismus begehen die- selbe Ungerechtigkeit, gegen die einst ein G r i l I p a r z e r den großen Napoleon verteidigte, als er dem Verstorbenen im Jahre 1821 die Worte nachrief: von öes Nenfthen Einsamkeit. Von Karl Röttger . Dies sind zwei kleine Geschichten von der Einsamkeit des Wen- schein Die erste von der Kraft des Bösen. Tie zweite vom Ge- heimnis der Liebe. Der Manu lebte in Halle oder Leipzig . Ich weiß nicht recht mchr. Irgendwo in einer Mittelstadt. Er kam jede Woche ein paarmal abends ins Restaurant an den Stammtisch. Sie kannten ihn alle, der Richter und der Oberlehrer und der Kaufmann. Er war gutmütig und rücksichtsvoll; nur manch- mal war ein schwerer Zug um seinen Mund, der aus dunklem Bart schien, manchmal waren seine Augen wie erloschen. Was sein Gewerbe war, wußte niemand. Er galt nur als Kauf- mann, machte manchmal Reisen, und war wohlhabend. Vielleicht reich. Wer Sicheres wußte man nicht. Man nannte ihn Kaufmann. Er hatte vielleicht Agenturen oder sonstwas.... Er sandte Dinge über See und machte Geschäfte in Hamburg . Rotterdam . Antwerpen und Bremen . So lebte er länger als ein Jahrzehnt. In einer Mittel- stadt mit Kleinstadtallüren, gekannt und geachtet von vielen. Man las am Stammtisch auch manchmal die Zeitung. Und da kotmte es sein, daß alle Jahr oder öfter der Verlust eines Schiffes im Aachrichten- und auch im HaNdelstell gemeldet wurde. Und daß mm: darüber sprach, daß doch das Meer noch immer etwas sehr Un- sicheres sei. von wegen der Stürme und Explosionsgefahr. Und der Mann saß dabei und lächelte bescheiden. Und meinte: Ja, es werde wohl immer eine Gefahr dabei bleiben, nämlich bei Seefahren. Und ging heim, nachdem er eine Flasche Wein gewunken hatte, zu Weib und Kind und schlief die Rächt gut und ging am andern Morgen an seine Geschäfte. Wartete auch von der holländischen Versicherungs­firma die Nachricht ab. und das Geld für das verlorene Gut. das er aufgegeben hatte nach Amerika , und das mit dem Dampfer verloren gegangen war. Und empfing dann den Betrag und brachte ihn auf die Kasse. Und wußte niemand, weder seine Frau noch sonst jemand, daß er keine Güter aufgab, sondern Höllenmaschinen, Uhren in Spreng- stosi verpackt, die aus hoher See die Schisse unfehlbar vernichteten. Schifte und Menschen. Wer war der Mensch? Jenseits der uns umgebenden Welt, die wir sehen, sängt etwas an. Was denn j Eine Weite, einsam, fein übersungen vom Wrnd, der aus dem Namenlosen kommt. Eine Wüste in fahlem Licht einer dunkelblassen Nacht.... Ueber dies flache Feld kommen sie alle und treten auf die Bühne des Lebens und agieren und verschwinden.... Auch dieser verschwand, ge- räuschlos, wie er gewirkt hatte, indem er sich im verschlossenen dunklen Zimmer erschoß, nachdem eine Kiste, hochversichert, beim Verladen im Hasen vorzeitig hinfiel und explodierte und Hunderte von Menschen tötete. Aber der Mann hatte auch seine Stunde gehabt. Einmal, als der Stammtisch leer blieb am Abend. Als nur der Richter da war und vor sich hinbrütete. Da hatte es ihn gelüftet, den Mund aufzu- i Da» Fieber warst du einer kranken Zeit, Bestimmt vielleicht, des Uebels Sitz zu heben, So flammtest du durchs ausgeregte Leben; Doch wie des Krankenlagers Aengstlichkeit Dem Fieber pflegt der Krankheit schuld zu geben, Scheinst du der Feind allein auch aller Ruh', Und trug st die Schuld, die früher war als du. Wer niemals andere Menschen gesehen hat als Fieber- kranke, der würde freilich über den menschlichen Organismus ein seltsames Urteil erhalten. Er müßte den Kopf schütteln über diesen komischen Organismus, der seinen Träger unter- ernährt, der ihm nicht die Kraft gibt, zu gehen und zu stehen,' der ihn mit Mattigkeit und Trübung der Sinne schlägt, und würde schließlich die Natur für stümperhaft erklären. In dieser seltsamen Rolle befinden sich aber tatsächlich die Gegner des Sozialismus, die ihn aus Grund der Kriegs- erscheinungcn ablehnen. Ihnen muß immer wieder zugerufen werden: Wir haben zurzeit 40 Grad Staats- Lieber! Der Sozialismus des gesunden S t a a t s k ö r p e r S unterscheidet sich von dem des angegriffenen genau so wie dcrOrganis- mus des g e s u y d c n Mensch cn v o n dem des Fieberkranken.' Wer den Organismus des gesunden Menschen nicht be- griffen hat, dem wird es ewig ein Rätsel bleiben, warum im .Kampf gegen die eingedrungenen Heere der Krankheitsbazillen der Organismus gewisse Teile seiner selbst schwächt, seine Glieder lähmt, seine Nahrungsaufnahme beschränkt. Die tiefere Forschercrkenntnis aber sieht gerade hierin ein Walten tiefster Zweckmäßigkeit. Und so ist auch im Kriegssozialismus vieles von innerer Zweck- Mäßigkeit diktiert, was der oberflächliche Beschauer agitatorisch gegen ihn ausbeuten zu können meint. Wie aber kein vernünftiger Mensch behauptet, daß es zum Wesen des menschlichen Organismus gehöre, sich unter- zuernähren und seine Bewegungskraft zu lähmen, weil dies zeitweilig während eines Fieberzustandes geschieht, so kann auch kein gerecht und offen Urteilender meinen, daß zum Wesen des Friedenssozialismus gehöre, was wir als Be- gleiterscheinungen des Kriegssozialismus erleben zu einer Zeit, in der der Sozialismus durch die äußere Gefahr von der Erfüllmig seiner sonst notwendigsten Aufgaben ab- gelenkt ist. Ter Sozialismus des Friedens wird wie der lebende Organismus im Normalzustand ein Gebilde der höchsten Zweckmäßigkeit sein. Max Klinger . Zu seinem sechzig st en Geburtstag. Von Dr. Paul Landau. Der Deutsche verwöhnt mit seiner scharfen Kritik und Wahr­heitsliebe seine Künstler nicht. So war denn auch im letzten Jahr- zehnt eine gewisse Unterschätzung Klingers in manchen Kreisen ver- breitet, die heute nur beschämend wirken kann. Der Windmühlenritt gegen die Kunst Böcklins, unternommen mit den einseitigen Waffen des Jmpresswnismus, hatte auch gegen Klingers Werke angerannt und so mmichen Müläuser mit allerlei Schlagworten verblendet, von derleeren Gedcmkenkunst". derstofflichen Gübundenheit" dieses Meisters. Jetzt ist die Bahn frei für eine unbefangene Verehrung dieser genialen Statur, die'in der deutschen Kunst die Linie der großen WeltanschauungSgestaller von Cornelius' über Reihe! zu Böcklin fort- setzt und Urkräfte germanischen Formgeistes entbunden hat, die seit Albrecht Dürer nicht so frei und gewaltig ans Licht gestiegen waren. Dieser neuen Wertung kommt Klinger , der lange abseits gestanden und mit keinem großen Werke die Welt beschenkt hatte, entgegen, in- dem er beim Eintritt in das siebente Jahrzehnt seines Lebens einen tun und einiges zu sagen. Etwas zu offenbaren! Zu offenbaren Z Nicht so, daß man ihn fasse. Aber doch immerhin etwas zu offen- baren.... Denn den A Renschen allen tut die Einsamkeit weh; wenn niemand ist, der da erkennt, was sie sind und tun. Und so hatte er begonnen, ein paar Worte zu sprechen zu dem müd lauschenden Richter. Und war dann doch ganz plötzlich verstummt. £ S » Und dies ist die Geschichte von dem Geheimnis der Liebe. Es war eül Mann, der hieß Knud, und wohnte hoch oben im Norden auf einem Hof ganz allein. Und batte ein Weib und Kinder. Und Knechte und Mägde. Es lvar ein Mann noch in der Krafr seiner Jahre, und sein Weib war noch immer schön, wie einst, da er um sie gefreit hatte ihrem Vater und ihren Brüdern zum Trotz. Und eines Morgens ritt der Mann fort auf einem hohen schwarzen Pferd. Und es war zur Zeit des ersten Grüns und der Kirschblüte, im frischen Frühling. Und er- sprach zu seinem Weibe mit Lächeln, ich reite gen Elversee zum Arne und werde in drei Tagen wieder da sein. Er ritt an den Weiden vorbei, durch die Birkenhaine und an den hellen Buchen vorbei mit dem ersten zarten Grün. Er sah alles an und freute sich; sein Herz war froh des Frühlings und sein Gesicht lachte in die Sonne. Und kam aus den Nachmittag an einen See und rastete da und saß auf einem Stein und atz vom Mitgebrachten. In- dem er so traumverloren saß, kam ein Mädchen des Weges geritten auf einem Schimmel und ritt zwischen ihm und dem Wasier langsam vorüber. Da wieherten die zwei Pferde, eins nach dem andern, und das Mädchen sah eine Weile mit ihren Augen her und dann wieder gerade aus. Und er sah, sie hatte langes, blondes Haar und tief- llegsnde Augen. Ehe er sie grüßen konnte, sah sie wieder gerade aus und ritt schon dahin. Er aber sah ivieder vor sich wie träumend. Er dachte in seinem Sinn, ich kenne die einsamen Höfe hier herum, ich habe aber dies Mädchen nie gesehen. Er zu Ende, packte ein und stieg dann auf.... Und ritt den Weg, den sie genommen hatte. Und traf sie nach einigen Stunden auf einer Weide, da eine Herde Fohlen ging. Die waren alle weiß und nur drei davon waren falb. Und ein Birkenhain stand vor der Abendsonne. Da hielt er sein Pier? an und sah auf sie nieder. Er sprach und grüßte vom Pserd: Wir sahen uns schon. Und sie nickte zu ihm herauf und streichelte den Schimmel, der neben ihr stand: Ja, doch. Ja. Er sprach weiter: Ich bin auf der Reise zum Herrn Arne und bin ein wenig verirrt. Sie lachte ihn an. Arne von Börssum, sprach er. Ich weiß, lachte sie. Am andern Zipfel des SeeS fit eS. Aber Ihr werdet erst in der Nacht da sein. Er saß und schaute groß und ernst aus seinem dunllen Bari ; derweilen sein Pferd ungeduldig mit den Hufen trat. Er sprach: ES mag wohl nicht gut reisen sein in der herben Frühlingsnacht ich dachte mir. daß Euer Hof nicht allzu ferne sein möchte.... neuen Zyklus von 16 RadierungenDas Zelt" herausgibt. Er, der den Problemen der Plastik mit der ihm eigenen Bchingungslostgkeit der Vertiefung nachgegangen war, kehrt hier zurück zu jenen unver- geßlicben Bilderfolgen, in denen seü Dürers Apokalypse und Holbems Totentanz zum erstenmal wieder ein deutscher Künstler die ganze be­rückende Fülle eines unerschöpflichen Traumlebens zum leidenschast- lichen Schönheitsbekenntnis gestaltet hatte. Wiederum sind die Difionen dieses aus sinnlicksiter Anschauung schöpfenden Denkers zu einem hinreißend bunten Spiel von Märchen und Wirklichkeit, von Götterlust und Menschenleid, von Männerlraft und Frauensütze ver- einigt. Im Anblick dieser unerhörten Vielgestaltigksit von Formen und Mafien gedenken wir aller jener tiefsinnigen Gestallungcn. durch die der junge Klinger die Generation in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts im Innersten aufwühlte. Der Impressionismus, der vom Künstler eine restlose' Bewälti- gung der Natur verlangte, konnte einem Meister nicht gerecht werden, der wie Klinger die Gesetze j�ineo Schaffens ganz' der inneren Not­wendigkeit und dem seelischen Erleben entnimmt. Wie das Bezeich- nendste in aller deutschen Kunst ist auch sein Sttl der des Gotikers, kein ruhiges harmonisches Auswirken klarer Kräfte, sondern die ge- wattsame Entladung dunkler Triebe, unbewußter Stimmungen, die schwer zum Licht dringen. So sehr der Leipziger Meister sich nach antiker Heiterkeit sehnt, das Land der Griechen mit der Seele sucht mid uni reine Formenstrenge ringt, so ist sein Werk doch au» dem Geiste der Mufft geboren imd von seinemOpus II", das. er Schu- mmin widmete, bis zur Brahms-Phantasie und dem-.Beekhoven" von der reichen Melodik der schönsten deutschen Mufft umklungen. Aus dem Unbewußten des Tons tauchen ferne Bilder herauf und streben jenem übersinnlichen Ewigkeitsgehalt zu, der im reinen Ausdruck des Gefühls ruht. So dringt Klinger im Wagnerschen Sinne zum Ge- samtkunstwcrk. vor, wenn er in der Brahms-Phantasie chrische Dich- tung, musöaltsche.Komposition und Bild zur Einheit verschmilzt, wenn er in der von ihm gefordertenGriffelkunst"-für die Zeichnung die volle Freiheit der philosophierenden und erzählenden Phantasie for- dert, wenn er seine großen Gemälde mit plastischen Rahmen voll- endet, kühn über das Flächenhafie in das Körperliche hinausgrrifend, wenn er seiner Plastik die bunte Sinnlichkeit der Farbe verleiht.'Alle Argherzigen Bedenken des Malers oder Bildbauers gegen ein Ueber- schreiten der Grenzen seiner Kunst sind ihm fremd, denn er fühlt sich nie als Spezialist, sondern stets als allsottiger Schöpfer, dem es nur auf den stärksten Ausdruck seines inneren Erlebnifies arckoinmt. So ist Klinger Expressionist im Sinne unserer Jüngsten, am Darsteller des Traumes und des Märchens, des Grotesken und Gespenstische:'!. des Uebersmnttchen und Uebernatürlichen. Die Technik ist chm nur Mittel zum Zweck, um das nie Gesehene, das von- keinem andern Empfundene in reinster Form aus sich herauszuschleudern. Alle Be­denken, die gegen seine Teckinfk erhoben wurden, gegen die ivunderliche Mischung der Stile, die verschiedenen Methoden in seinen Radierun- gen, gegen seine Verzeichnungen usw., sie gehen am Wesentlichen vor­bei, beachten nicht das Wichtigste, das aus dem'Riesenwerk Klingers leuchtet: die Macht einer großen, sich rücksichtslos ausrückenden Per- sönlichkeit. Einen deutschen Expressionisten so könnte man Klinger nennen, diesen mit den höchsten Dingen des Lebens ringenden Meisters, der stets den allgemeinen Weg vermieden bat und aus steilsten Pfaden zur Höbe emporstieg. Seine Enllvickolung verläuft nicht im gleichmäßige» Wachsen und Sichentsalten, sondern in jähen Sprüngen und Abirrungen, im nimmermüden Versuchen und Er- obern. So reich die Anregungen sind, die er von überall her entnimmt. sie dienen doch nur dazu, das Eigenste in ihm zu stärken und hervor- zubringen. Der jugendliche Ueberschwang seines FWens, der Reich- tum der inneren Gesichte entlädt sich in eisiclr visionären Arabesken- kunst, die bald realistisch, bald klassizistisch orientiert ist. Da steht am Anfang neben den traumzartenRadierten Skizzen" und den über- müiig genialenRettungen Ovidischer Opfer" die erstaunliche Im- provisatwn derParaphrase über den Fund eines Handschuhs", ein Einsall, in der graziösen Leichtigkeit an eine Novelle L>eyses, in der barocken Phantasiegröße an Gottfried Keller gemahnend. Neben der Ich komme nicht heim, sprach sie. Ich werde in der" Hütte über Nacht sein. Er kaute die Lippe und sah vor sich hm. lind dann wieder zu ihr nieder. Und ihre Blicke faßten einander. Tann lackte sie und spracb: Was also kann ich dabei nin? da reckte er seinen Kops hoch, sprang vom Pferd, ließ die Zügel fahren und stand vor shr.. Nun? fragte sie trotzig. Ich bleibe noch ein wenig hier, sprach er. Fragt Ihr mich darum? Da sah er sie an; und nach einer Weile sagte er kurz: Nein! Darauf wandte sie sich und lehnte an den Zaun der Weide. So ging er ihr nach, lehnte auch daran. Es ist schön hier; die Birken duften im Abend und die Sonne ist rot überm Wafier. Sie schwieg. Aber während er gerade träumend hinsah, schielte sie zu ihm her. Er aber fühlte es und war auf einmal bei ihr und nahm ihre Hand und darauf kurz sie selbst, ihr Gesicht und danach ihre Schuttern in seine Hände und sprach: Wer bist du? Inge, sagte sie leise. Es war aber nicht mehr viel zu reden danach, denn ste wußten schon alles. Da ist rings die Well und hier sind wir zwei, sprach der Mann, und das Mädchen nickte, Danach, als sie schon vor der Holzhütte saßen, cn# aneinander und umschlungen, sprach der Mann: Aber die Antwort weiß ich noch nicht, wer du bist. Du sagst, daß du Inge heißt, uno ich babe dir gesagt, daß ich Knud bin, der da drüben aus dem Hos wohnt. Aber das besagt nichts. Wer sind wir zwei, daß wir uns hier finden: und uns an den Händen und. in den Armen hätten? Und sie wußte es nicht, so wenig wie er. Nur daß sie wußte, daß etwas zwischen ihnen sei, und daß eS sie beide fefiele. Am andern Morgen, als sie vor die Morgenfrühe Sonne traten, sprach der Mann: Ich habe die Nacht von Weib und Kind geträumt; sie wähnen mich jetzt beim Arne und werden mich morgen Abend spät zurückerwarten. Aber ich werde nicht kommen. Das Ntädckcn ichwicg. Dann sprach es: Mein Oheim sitzt gebrechlich ans dem Hos und mein Bruder geht jagen. Aber sie werden mich auch vergeblich er- warten. Hüte dich vor meinem Bruder, er ist jähzornig und wild. Der Mann lachte: Er mag kommen! Aber danach vergaßen sie bald all dessen, der Maim des Heimatboses und der Seinen, und dgS Mädchen der Ihren. Und es geschah so, wie sie gesagt hatten, und kehrte keins von ihnen heim; um der Liebe willen, mit der sie anein-» ander gefesselt waren und die gekommen �ar wie etwas Schnelles und Heftiges, wie�ein Blitzschlag und cm plötzliches Licht. Und es konnte geschehen, daß in ganz einsamen Stunden der Mann der Seinen dachte und daß er fand, er habe sein. Weib sehr geliebt und liebe es wohl noch und daß sein Weib gut sei und wohl immer noch den Hos versehen werde und aus seine Rückkebr warte. Und das Mädchen gedachte ebenso der Ihren. Aber heim ging keins von ihnen.... Und lebten beieinander in der Liebe und doch auch zuletzt einsam, wie alle Menschen. Und standen nach Jahren manchmal in der Abendsonne schweigsam beieinander, wenn das letzte Licht auf den weißen Birfcnstämmen lag..(z)