frankheit nicht in Zusammenhang bringen kann. Da mit] der Möglichkeit gerechnet werden muß, daß viele Kranke, um
Goethe,
der Meldung ihrer Strankheit an die Beratungsstelle zu ent Charlotte von Stein und Christiane Vulpius nach seiner Rüdlehr schroff begegnete, ſein Verhältnis mit Chriſtiane
I.
gehen, zu Kurpfuschern laufen, so muß zunächst der Kurpfuscherei auf diesem Gebiet gefeßlich entgegengetreten werden. In einer im Oftober v. J. im Reichsversicherungsamt stattgefundenen Konferenz der Versicherungsanstalten ist von den Am 7. November 1775 fam Goethe in Weimar an. Schon im Bersammelten eine Entschließung gefaßt und der Reichstags April des folgenden Jahres richtet er an Charlotte von Stein die fommission für Bevölkerungspolitik weitergegeben worden, in inhaltsvollen Verse: der u. a. durch Gesez„ jedes Behandeln von Geschlechtsfrantheiten, unbekümmert um ihren förperlichen Sig, durch ärztlich nicht approbierte Personen verboten werden soll, ebenso wie das Abgeben von Heilmitteln gegen Geschlechtskrankheiten durch Apotheken, Drogisten und andere Verkaufsstellen ohne ärztliche Verordnung sowie grundsätzlich jede Fernbehandlung von Geschlechtskranken und jedes öffentliche Anerbieten zur Behandlung von solchen Kranfen".
Kanntest jeden Zug in meinem Besen, Spähtest, wie die reinste Nerve flingt, Konntest mich mit einem Blide lesen, Den so schwer ein sterblich Aug' durchdringt.
Tropftest Mäßigung dem heißen Blute, Richtetest den wilden, irren Lauf, Und in deinen Engelsarmen ruhte Die zerstörte Bruft sich wieder auf.
Tintersten getroffen war, das sie mit weiblicher Scharfsichtigkeit int ihr den Abbruch der gegenseitigen Beziehungen jah, daß sie Goethe Bulpius aufs liebloseste beurteilte und erst nach Jahren das Gleich gewicht ihrer Seele wiederfand. Sie ist dieses ihres Berhaltens wegen viel gescholten worden und es muß auf jeden Unbefangenen abstoßend wirken.
In diesem Punkte nun sucht Jda Boy- Ed Charlotte von Stein zu retten. Sie revidiert ihren Prozeß:„ Manche Beurteiler Charlottens sind jeder Milde bar gewefen; die literarischen Gerichtshöje haben eben feine Frauen als Schöffen oder Beisiger hinzugezogen." Und in der Tat führt sie die Verteidigung Charlottens mit Gründen, die aus der weiblichen Pinche gebolt sind. Die Schroffheit, mit der Charlotte Goethe nach seiner Rückkehr aus Italien entgegentrat, erklärt jie im wesentlichen daraus, daß Charlotte fich tief verlegt fühlte durch die Treulosigkeit, als die ihr Goethes Benehmen erschien. Denn sie hatte ihm, wie Boy- Ed nachzuweifen fucht, alles Auch das Preußische Ministerium des Innern hat die gegeben, was, ein Weib dem Geliebten geben kann. Nur ein Beib, Medizinalabteilung beauftragt, erneut die Frage der BeSo rasch hatte sich seine Neigung zu Charlotte von Stein ent- meint sie, fann ganz verstehen, was solcherart. verschmähte Liebe fämpfung der Geschlechtkrankheiten zu prüfen. Zeitungs- tvidelt, die bald zu stürmischer, fein ganzes Wesen erfüllender Leiden in eines Weibes Herzen an Haß und Verbitterung erzeugen fann, nachrichten zufolge wird dabei auch von der Medizinalabteilung schaft wurde. Dafür liefern vor allem die vielen Briefe von ihm um so mehr wenn, wie bei Goethe, die Aeußerungen der Liebe beabsichtigt in Verbindung mit den Gemeinden Beratungs- an fie ein unwiderlegliches Zeugnis. Man hat viel darüber spekuliert, voll der glänzendsten Leidenschaft waren. Boy- Ed glaubt fogar stellen einzurichten. ob das Verhältnis mit der älteren, verheirateten Frau, die schon mit Sicherheit den Zeitpunkt bestimmen zu können, in dem sich die Erwähnt zu werden verdienen auch die Maßnahmen, die mehrmals Mutter geworden war, in den vielen Jahren feines bis dahin platonische Liebe in ein gefchlechtliches Berhältnis umgedie Allgemeine Drtskrankenkasse der Stadt Dresden getroffen Bestandes ein rein platonisches geblieben sei. In letzter Zeit wurde wandelt hat. Für Charlotte war diese Hingabe ein Opfer. Sie hat. Um die bei den Geschlechtskranfeiten besonders ge- von der bekannten Romanschriftstellerin Ida Boy- Ed in einer war sieben Jahre älter als Goethe. Sie war von Natur aus„ un forderte Geheimhaltung zu fördern, dürfen die Mitglieder der fleinen, aber sehr eindinglichen und vielfach überzeugenden Schrift ¹) finnlich veranlagt. Als sie Goethe fennen lernte, hatte sie sieben Krankenkasse fortan sich unmittelbar beim Arzt melden, der der Versuch unternommen, Klarheit in die Frage zu bringen. Geburten hinter sich, sie war immer, gewiß auch infolge der Wochenberpflichtet ist, sie zu behandeln, sobald er sich überzeugt hat, Jeder folche Verfuch fann sich nur auf pfychologische Auseinander- betten, fränflich: Frauenleiden, Blutarmut und Nervofität haben daß die Betreffenden Mitglieder der Kasse sind. Der Ausfetzungen gründen. Eine Gewißheit kann nicht erreicht werden. Aus Charlotte nie verlassen". Noch mehr: fie war im allertiefsten Sinn stellung eines Krantenscheins bedarf es Goethes Briefen an Charlotte läßt sich lein zwingender Schluß unjung!" Ind endlich sucht Boy- Ed das feltiame und unsympa also bei diesem Verfahren nicht. ziehen, ihre Briefe an Goethe sind nach ihrem Billen vernichtet thische Betragen Charlottes nach der Trennung von Goethe auch aus Die Landesversicherungsanstalt Westfalen hat mit den worden. Die allgemeine Meinung ging überwiegend dahin, daß der Phyfis der Frau und die aus diefer stammenden psychischen Krankenkassen ein Abkommen getroffen, wonach auch die Be- das Liebesverhältnis der beiden des Legten ermangelte, und ich habe Berstimmung aus den Klimakterium( dem Bechiel) zu erklären. Zur handlung der von der Beratungsstelle krant Befundenen immer den Eindruck gehabt, daß Goethes Flucht nach Italien auch Zeit der gänzlichen Abkehr von Goethe war sie siebenundvierzig gegen einen von den Kassen zu leistenden Zuschuß von der eine Flucht aus einem nervenzerrüttenden Liebesverhältnis war, dem Jahre alt:„ Die drückenden Lasten solcher Jahre fann ein Mann, Landesversicherungsanstalt übernommen wird. Das gleiche die Erfüllung versagt blieb. Goethes Sinnenleben war gefund und falls er nicht gerade ein pfychologisch sehr begabter Frauenarzt ist, hatte die Landesversicherungsanstalt Berlin geplant, und es start. Es drängte nach dem förperlichen Befiz der Heißgeliebten. Und nie ermessen. Und deshalb tann er auch die Worte und Taten einer war beabsichtigt, daß die Kranten dann direkt von der Be- io wurde ihm, was fein höchstes Glück war, auch seine größte Dual Frau, die in diesem schwierigen Lebensabschnitt steht, nie ganz ratungsstelle dem Sassenarzt zur Behandlung überwiesen Jeder normale Mann wird den Zustand Goethes in diesem Ber - richtig einschägen. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt bei Verbrechen werden sollen, doch hat sich die Landesversicherungsanstalt bältnis begreifen und verstehen, daß er endlich die Flucht ergriff. der Halbwüßigen die Pubertät als Milderungsgrund, und ein geBerlin bisher noch nicht mit den Berliner Aerzten über die Nach 1784 hatte er an Charlotte folgende Berfe gerichtet: rechter Richter würde auch bei Halbwellenden, die im Klimakterium Höhe des Honorars einigen können, so daß es noch fraglich Gewiß ich wäre schon so ferne, ferne, stehen, Gründe zur Nachsicht entdecken, wenn sie unbegreiflich Soweit die Welt nur offen liegt, gegangen, handeln." erscheint, ob die hier geplante Einrichtung ins Leben treten wird. Bezwängen mich nicht übermächt'ge Sterne, Die mein Gefchic an deines angehangen. Daß ich in dir nun erst mich kennen lerne, Mein Dichten, Trachten, Hoffen und Verlangen, Alhin nach dir und deinem Wesen drängt,
gemutet
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Mein Leben nur an deinem Leben hängt. Albert Bielichowsky, dem wir wohl die beste Biographie Geethes verdanken, schildert die verzweifelte Stimmung, in der Goethe sich im Jahre 1785 befand. In diesem Jahre kam der Mann Charlottens, der sich gewöhnlich fern von Weimar befand, auf längere Dauer in die Familie zurück, wodurch der tägliche vertrauliche Ver fehr zwischen den Liebenden gehemmt wurde. Dadurch sei Goethe, wie Bielschowsky meinte, so recht zum Bewußtsein gekommen, daß ihr Verhältnis unhaltbar sei und fügt hinzu:„ Er mochte es nun nehmen und stellen und legen, wie er wollte, der Gedanke, die Geliebte nicht zu befizen, rieb und gehrte ihn auf."
Nach alledem dürfen wir wohl hoffen, daß das Ziel, eine starke Zunahme der Geschlechtskrankheiten nach dem Kriege zu verhüten und den Nachwuchs der Nation zu sichern, erreicht werden wird. Es ist ja scheinbar eine Art von Klassenhygiene, daß die ganzen Maßnahmen der Beratungsstellen sich im wesentlichen auf die Versicherten erstrecken, daß hingegen den Besserfituierten diese Fürsorge nicht zu oder sagen wir gewährt wird. Schon dieses, oder" zeigt, daß es ganz darauf ankommt, ob man mehr Gewicht auf die großen Vorteile legt, die die neue Einrichtung bringt, oder auf die Kontrolle, der hierbei der einzelne untersteht. Wer die Dinge von weitem Gesichtspunkte aus betrachtet, sieht leicht, daß wenn vielleicht diese Kontrolle von dem einzelnen hier und da auch als lästig empfunden werden mag der Gesamtheit der Versicherten ein großer Segen damit erwächst. Der Einivand der Klaffenhygiene ist Obwohl Bielichowsly noch andere, febr bemerkenswerte Um ig pon turzsichtigen Leuten seinerzeit auch bei der Einrichtung stände, die Goethe zur Flucht drängten, anführt, zeigen doch diese Der Stranken- und Invalidenversicherung gentacht worden Borte, daß er das Verhältnis Goethes zu Charlotte, wie ich nun, die Jahre haben der anderen Auffassung recht gegeben; glaube, richtig einschätzte, daß er insbesondere großes Gewicht heute würde wohl fein Arbeiter mehr auf diese Einrichtung darauf legte, daß dieses Verhältnis Goethes Sinnlichkeit nicht beverzichten. Die Dinge liegen eben hier ganz wie bei der friedigte, daß also gewiffermaßen Charlotte die Schuld oder politischen Partei und den Gewerkschaften: im Interesse der wenigstens die Mitichuld an Goethes Verdüsterung und Flucht trägt. Gesamtheit und schließlich im wohlverstandenen eigenen Dagegen nun wendet sich Jda Boy- Ed mit großem Scharfsinn. Interesse unterwirft sich der einzelne einem manchmal etwas Sie hat schon früher durch einen literargefchichtlichen Verfuch be unbequemen Zwang. Hier bei den Beratungsstellen tommt wiesen), daß sie zu solchen Arbeiten eine große Befähigung hat. nun sogar hinzu, daß von jedwedem Zwang abgesehen werden Man weiß, daß Charlotte von Stein durch Goethes Flucht im und nur eine sanfte Ermahnung und eventuell wiederholte Aufforderung stattgreifen soll und daß nur an die Vernunft Ides Erkrankten appelliert wird. Gewig wird es viele Unvernünftige geben, die auf eine bloße Ermahnung hin einer Aufforderung nicht Folge leisten; aber um die Masse nicht abzuschrecken, wird man von jeder Strafandrohung Abstand nehmen und sehen, ob man nicht auf diesem milderen Wege bessere Erfolge erzielt.
Das Lied.
Von Curt Mored.
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Sein Bett stand dem Fenster gerade gegenüber, so daß er hätte sehen müssen, wie die Wälder auf den Bergen rot und gelb in den Herbst vertropften, wenn er erwachte. Aber er gehörte nicht mehr zu denen, die noch erwachten, und jo jah er, auch nichts vom Herbst. Er beteiligte sich nicht mehr an den einförmigen Lun der Bebendigen, die in den Schlaf einund auftauchen wie der Eimer eines Ziehbrunnens. Er lag mit dumpfem Hirn und schwerem Blut und wußte von nichts, nichts vom Herbst vor dent Fenster, nichts von der Schlacht, die den fernen Horizont zerriz, nichts von sich selbst und jei nem zerfekten Körper. Wie aus den Tagen eines wilden Tieres geriffen, fam er in unsere Hände. Wir legten ihn gleich zu den Hoffnungslosen in das kleine Seitengelaß, das wie ein Vorzimmer des Todes war. Bier Betten flebten wie Nester in den Winkeln. Nun lag in jedem ein sterbender Mann. Die Betten wurden wochenlang nicht leer; der Tod hatte ein gut gefülltes Bartezimmer.
Der bierte Mann lag nun schon drei Tage still wie ein Stein. Nicht einmal blinzelten die Augen in den bleichen Schein des Fensters. Aus dem großen Ungefähr war er namenlos hingeschleudert in seine Ecke, zerfleischt, ausgerenft und zerstört. Niemand kannte ihn, niemand hatte vorher dies graue, zerlaugte, berwischte Gesicht gesehen. Wie ein betäubtes Zier hatten wir ihn aus der blut- und schlammstarren Uniform herausgefrustet und ins Leinen gelegt. Wir hatten feinen Brief in seinen Taschen gefunden, keine Spur der Herkunft an seinem treibenden Brack. Oder doch eines, das aber stumm war und nichts verriet; eine Guslica hing um seinen Hals, dies Instrument, das nur eine Saite hatte, die so schwermütig und traurig unter den Fingern fingt. Nichts als dies Stück hatte das Leben ihm gelassen: wir wollten es ihm nicht nehmen und hingen es neben fein Bett. Trauriger als sie fingen fonnte, schwieg sie nun, die eine armjelige Saite, und das Instrument war stumm, stumm wie fein namenloier Serr.
Es stand hoffnungslos um ihn; jein legter Atemzug ließ sich ganz einfach ausrechnen. Er würde lautlos erfalten wie eine Schlacke, die der Krieg aus seinem glühenden Hochofen geschleudert. Den drei andern, die in der Kammer lagen,
1)„ Das Martyrium der Charlotte von Stein ". Berfuch ihrer Rechtfertigung. Stuttgart . Cotta. 1916. 100 Seiten. Goethe, sein Leben und seine Berfe. München , C. H. Bed. 3) Charlotte von Kalb ." Eine psychologische Studie. Jena . Diederichs. 1912. 128 G. Gin wirklich schönes Buch, das das Leben und Wesen dieser leidenschaftlichen Frau, die auch Schiller so nahe gestanden ist, lebendig darstellt.
Es ist gar nicht zu leugnen, daß diefe Darstellung Boy- Eds das Bild Charlottes, das durch ihren magloien Has gegen Goethe befleckt war, einigermaßen reinigt. Da Charlotte ihre Briefe an Goethe vernichtet hat, so lajien sie sich zur Etüßung der Anficht, daß ein intimer Verkehr zwischen den Liebenden stattgefunden hat, nicht herbeiziehen. Doch macht Boh- Ed diese Annahme wahrfcheinlich durch eine ungezwungene Auslegung mehrerer Briefstellen Goethes und sie fezt das Verhältnis in die Jahre 1781-1786.
Aber, fann man fragen, ist es denn von solcher Wichtigkeit, zu wissen, wie das Verhältnis Goethes zu Charlotte beschaffen gewefent Man ente nur daran, ist. Es ist gewiß psychologisch interessant. wie Lenau im Berlehr mit Sophie Löwenthal durch seine Un befriedigtheit gelitten hat und wie gewiß durch sie seine franfbafte Anlage verstärkt wurde. Im Jahre 1786 war, wie schon bemerkt, Goethe, in einer verzweifelten Stimmung und man war bisher ge neigt, fie mit dem unbefriedigenden Verhältnis zu Charlotte in gufammenhang zu bringen. Außerdem schmeidelt es dem deutichen Philister zu denken, daß eine so hehre Frau wie Charlotte fich nicht des Ehebruchs schuldig gemacht hat. Aber das ist töricht. Die Anschauung jener Zeit und des Weimarer Hofes waren inbezug auf Geschlechtssünden sehr lag und der Ehebruch feine feltene Gricheinung. Darin hat nun Boy- Ed vollständig recht, daß fie das Verhältnis als ein leidenschaftliches und wahrscheinlich auch nach der Geschlechte feite hin erfülltes darstellt.
Indem Boy- Ed Charlottens völligen Mangel an Beherrschett insbesondere Christiane Vulpius gegenüber aus ihrer wütenden Eiferfucht heraus zu erklären und zu entschuldigen sucht, fällt es ihr nicht ein, Goethe anguflagen:" Nun war wieder einmal in dem urewigen Drama zwischen Mann und Weib jeder Teil in feinem Necht." Nur fcheint fie mir eins zu übersehen. Sie sieht den inneren Sturm in Goethes Seele, der ihn 1786 von Weimar forttreibt. Gewig war es biefer, der Goethe im engen Beimar nicht mehr aushalten lies. Dichterische Pläne wälzten fich in seinem Kopie, er hatte das unbezwingliche Bedürfnis ins Weite, nach neuen Ländern und neuen Menschen, die Luft in Weimar drobte ihn au
einer plöglichen Veränderung spannte. Es war gleichiam, als habe er bisher eine Maske getragen, die nun fortge. schrumpft war und ein anderes Geficht freilegte, das Gesicht der Sterbenden, die nicht mehr zu lügen brauchen und wahrhaftig sein dürfen.
hatte der Tod noch soviel Kraft in den Knochen gelassen, daß| tigeren Dingen beschäftigt zu sein, als daß er für Menschen sie sich wehren und entgegenstemmen konnten. Ste bäumten einen Blick gehabt hätte; er hatte feine Zeit mehr für derlei sich wie wilde Gäule immer wieder vor dem dunklen Abgrund, Nichtigkeiten. Das war es, was fein berfallendes Geficht in der sich auftat, warfen sich noch einmal zurück, frallten sich ins eben. Der Kampf hatte sie zäh gemacht. Note Visionen stiegen aus ihrem Blute, Schmerz höhlte sie aus und sie schrien dunkel manchmal in die Nacht. Aber der fremde Soldat rührte fich nicht. Es war nicht zu erfahren, wie er hieß und woher er wohl stammte. Aber was fonnte ein Name ihm auch helfen. Es dauerte ja nicht mehr lange, so war er dort, wo er feinen Namen brauchte, und man nicht fragt, woher einer kommt.
Drei Tage lag er schon; ganz langsam und stodend lief das Leben in dem toten Gehäuse feines Körpers ab. Ich behorchte es und jah in das Gesicht, das wie Asche im Leinen des Riffens lag. Da öffneten sich endlich die verglasten Augen. Die Lider krochen unter die Stirnknochen zurüd wie bleiche Schnecken, die sich in ihre Schalen ziehen. Aber es war fein Blick in diesen Augen; hohl wie ein Bohrloch dunfelte die Pupille mich an.
Ich wußte, daß in dies Auge kein Leben und fein Sehen mehr fam. Ich sprach zu dem Unbekannten, sprach in sein Ohr hinein; aber sein Gesicht blieb mastenhaft und steinern. Die Laute gingen nicht in sein Bewußtsein. Er war mir fern, als stände er auf einem andern Stern; jein Leben antwortete nicht mehr auf meinen Anruf. Ich dachte, es wird noch ein paar Stunden mit ihm dauern
Aber er lebte noch, als es Abend wurde. Ich ging noch einmal von Bett zu Bett. Im ersten lag ein blonder Bursche auf dem Bauche. Schrapnellkugeln hatten ihm den Rücken zersiebt. Die Wunde sah aus, als habe der Tod seine Pranke ins Fleisch getat, um von hinten das Herz aus dem Leibe zu reißen. Der arme Ster! fonnte nicht auf dem Rücken liegen. Jch stand am Fenster und sah in den Herbst; die roten Bäume quollen im grünen Abend wie Schwämme, die man in tiefe Wunden getaucht hat. Und ich dachte, daß in diesem Aber ein Arzt Herbst die Menichen wie Blätter fielen sollte sich mit so etwas nicht ablenken; und ich lauschte wieder tiefer auf das Röcheln der Fiebernden, denen der Atem die Lippen versengte.
Der unbefannte Soldat lag noch immer mit aufgerissenen Augen, als seien sie gewaltsam erbrochen worden. Ich stand vor ihm, aber er sah mich nicht. Er schien jetzt mit viel wich
Bei Gott , ich jah sein legtes Geficht... Das war der Augenblick des Untertauchens im Unbewußten. Aber plöklich kam mir der Gedanke, der Unbekannte möge noch einen Wunsch, eine Frage, eine Stunde haben. Ich beugte mich zu ihm und fragte: Wollen Sie mir noch etwas fagen?"
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Er blieb ſhimm: vielleicht verstand er meine Sprache
nicht. Da sah ich die Gustica über seinem Bette hängen. Ich wollte wenigstens versuchen, ob nichts mehr aus der Welt der Lebendigen in sein Hirn dringe; ich nahm das Instrument und zupfte leise die Saite, so wie ich es bei serbischen Gefangenen gesehen hatte.
Von der Saite flogen ein paar dünne Töne auf und flatterten wie graue Vögel in das Geröchel der Fiebernden. Gong... gong... elong..." machte die Saite.
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Da weitete eine Aufhorchen das Gesicht des Soldaten; in den Händen, die wie grobe Riesel auf der Dede gelegen, zudte es.
,, Gong... gong ..." summte die Saite wie ein Injekt. Da rudte der Kopf aus dem Kissenbausch; das Gehör sog die Laute aus der dumpfen 3immerstille. Irgendwo im Sirn des Sterbenden schwangen Erinnerungen; Berfunkenes schwang und freiste in ihm. Ich trat näher, und meine Fin ger rieben die fanft anffingende Saite. Und endlich griffen feine Hände aus, juchten dem Klingen entgegen. Ich begriff und gab ihnen das Instrument, und ich richtete den schweren Oberförper des Mannes auf und feste mich neben sein Beit, wartend, was nun geschehen würde.
Langjam fuhren die Finger des Verwundeten über den groben Rörver des Instruments, als müßten sie erst wieder gang pertraut miteinander werben, als müsse die Fieberglut des eigenen Blutes erft in das fühle Sols schlagen, ehe eine Melodie daraus erblühen tönne. Er hob den Kopf, als lauidhe er auf das Köcheln der drei Genossen; aber es war ein Ried, auf das er fich befinnen wollte, das irgendwo in seinem Gedächtnis hing und das er jegt juchte, ein Ried, wie man es