Hinter den nett gekleideten weiblichen Angestellten verbirgtsich oft großes häusliches Elend, das ähnlich auch bei denmännlichen Angestellten anzutreffen ist und diesen bekanntlichdie Bezeichnung„Stehkragenproletarier" eingetragen hat.Trotz alledem stoßen die Gewerkschaften bei ihrenBemühungen, Eingang zu finden. auf noch größerenWiderstand als bei den gewerblichen Arbeiterinnen.Noch mehr als diese betrachten die weiblichen An-gestellten ihre Erwerbsarbeit als nur vorübergehenden Zu-stand, der es für viele von ihnen bisher ja auch war. Biszum Ausbruch des Krieges war die Zahl der verheirateten• weiblichen Angestellten nur verhältnismäßig gering. DerHauptgrund für die �Ablehnung der Beteiligung an den Be-strebungen der Gewerkschaften ist aber, daß die weiblichenAngestellten nicht Arbeiterinnen sein wollen, sondern sichetwas Besseres dünken. Organisationsbestrebungen zur Er-reichung besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen aber sindnach ihrer Ansicht Angelegenheiten, die nur die Arbeiter angehen.Daß sie lebhaft daran interessiert sein müßten, die Or-ganisationsbestrebungen zu fördern, zeigt allein schon ein Blickauf die Verteilung der weiblichen Mitglieder der AllgemeinenOrtskrankenkasse der Stadt Berlin nach Lohnstufen.' DerGruppe Handelsgewerbe gehörten im Dezember l91ö 62 229weibliche Mitglieder an. Davon hatten 21 Proz. Tages-Verdienste von nur 1.16 M. bis 2,15 M., 27 Proz. Verdienstevon 2,16 M. bis 3,15 M.. 18 Proz. Verdienste von 3,16 M.bis 4,15 M. und nur 14 Proz. einen Verdienst von mehr als4 M. Ganz gering war von diesen der Prozentsatz in derhöchsten Lohnstufe mit mehr als 5,15 M. täglichem Einkommen.Er betrug nur etwas über 3 Proz.In der Gruppe Versicherungsgewcrbe lagen die Verhält-nisse ähnlich. Sic zählte insgesamt 8584 weibliche Mitglieder.Davon gehörten 24 Proz. in die Lohnstufe mit Tagesver-diensten von 1,16 M. bis 2.15 M., 3(1 Proz. hatten Verdienste von 2,16 M. bis 3,15 M., 20 Proz. Verdienste von3,16 M. bis 4,15 M. und 22 Proz. erhielten mehr als 4 M.täglich. Etwa 8 Proz. verdienten darunter mehr als täglich5.15 M.Inzwischen haben sich allerdings auch in diesem Berufedie Verhältnisse etwas verbessert. Der Mangel an geübtemPersonal hat ganz selbstverständlich auch hier höhere Be-zahlung der weiblichen Arbeitskräfte zur Folge gehabt.Daß aber die Unternehmer es damit nicht so eilighaben, die Organisation des Personals vielmehr erst den An-stoß dazu geben mußte, beweisen die Ersahrungen, die dieAngestelltenorganisationcn vor einigen Monaten in den BerlinerGroßbetrieben der Elektroindustrie gemacht haben, alS sie umVerhandlungen wegen Teuerungszulagen nachsuchten. DieBetriebsleitungen lehnten nämlich Verhandlungen mit denOrganisationen der Angestellten ab. Sie verhandeln aberseit langem mit den Organisationen der Arbeiter undArbeiterinnen. Deutlicher kann nicht bewiesen werden,daß die Wertschätzung des Personals und seiner Leistungensich nach dem Grade ihrer Zugehörigkeit zu ihrer Berufs-Organisation richtet. Die weiblichen Angestellten sollten hierauseine Lehre ziehen.Aber auch aus andern Erfahrungen, die der Krieg unsgebracht hat und die auf Wirkungen schließen lassen, die dieKriegszeit überdauern! Als solche muß die Tatsache gelten,daß die H e i r a t s a u s s i ch t e n für die jungen Mädchendoch recht erheblich geringere geworden find. Hunderttausendewerden dadurch gezwungen sein, die Ansicht zu korrigieren,daß für das weibliche Geschlecht die Erwerbsarbeit nurvorübergehende Erscheinung bis zur Versorgung durch denMann ist. Das allein Ivird sie schließlich zwingen, denBerufsverhältnissen größere Beachtung zu schenken. Dazukommt, daß der Krieg die Zahl derjenigen Arbeitskräste, in soriesigem Umfange vermehrt, die nicht nur auf den Verdienstdurch ihrer Hände Arbeit angewiesen sind. Als solche kommenin Frage Kriegcrwitwen und Kricgsverlctztc.Beide erhalten eine Rente, durch die ein Teil ihres Bedarfsgedeckt werden kann. Ein festes, wenn auch geringes Neben-einkommen kann aber sehr leicht zum Lohndruck im Berufführen.Für die Berufsverhälüiisse der Angestellten erweckt daskeine günstigen Aussichten. Sic zwingen zu Maßnahmen, dieSchutz gewährleisten. Diesen bietet aber nur der g e w e r k-schaftliche Zusammenschluß der Berufsangehörigen,der sich Einfluß auf die Arbeitsbedingungen verschaffen kann.Goethe,Charlotte von Stein unö Christiane vulpiusVon Engelbert Perner st orfer(Wien).II.Er stürzte sich in Italien in? volle Sinnenleben. Hier fesiolteihn nicht der Geist, das innere Verständnis, er suchte das Weib inseiner animalischen Frische und selbst voll Begierde suchte er dieBegehrlichkeit. Er lebte auf und kam als ein Neuer nach Hause.Neu an Schaffenskraft und Lebenslust. Die leidenschaftliche Liebezu Charlotte war erloschen, aber treue Neigung und herzlicheStimmung hatte er ihr bewahrt. Das genügte ihr nicht und siebegegnete ihm mit fremder Kälte. Dadurch kam er ihr nicht näher.Er versenkte sich in dichterische Arbeiten. Iphigenie und Taffv ent-standen. In seiner erhöhten Lebensstimmung trat im Jahre 1788ein Mädchen in seinen Weg, das, jung und stisch sofort seine Sinnegefangen nahm und die bis zu ihrem Tode 1816 seine Lebens-gesährtin geblieben ist, nachdem er sich 1806 mit ihr hatte trauenlassen. Sie war das Gegenteil von Charlotte von Stein, einMädchen niederer Herkunft, völlig ungebildet, Arbeiterin in derBlnmenfabrik Bartuch, nach heutigem Sprachgebrauch ein Fabrik«mädchen. So sehr gefiel ihm das Kind, das sich ihm sofort undwillig hingab, daß er sie mir ihrer Tante alsbald in sein Hausausnahm. Schon im nächsten Jahre schenkte sie ihm einen Knaben,August. Als Charlotte von diesem Verhältnis erfuhr, brachsie förmlich zusammen. Einer solchen Person mußtesie weichen. Sie, die Tochter eines vornehmen Hauses,eine hervorragende Dame vom Hofe, hochgebildet und durch-aus fähig, dem hohen Schwünge des goethischen Geniuszu folgen, sah sich nun, nachdem sie durch Jahre von Goethe leiden«schafrlich verehrt und geliebt worden war, besiegt von einer Reben-bulerin, die ihr in keiner Weise ebenbürtig war, ja, die geistig sotief unter ihr stand. Freilich konnte sie mit ihrer sinnlich kaltenNatur nicht er, neffen, wie stark der sinnliche Reiz dieses Raturkindesauf einen Mann wirken mußte, dessen physische Lebensgeister neuaufgewacht waren, der nun im Weibe vor allem das Weib suchte.Und wie sehr er es in Christiane fand, das beweist das glücklicheEhelrben, daS er mit ihr führte, noch bevor sie bürgerlich feine Fraugeworden war, und daS beweist der Schmerz, den der Siebenund-sechzigjährige bei ihrem Tode fühlte.Nicht nur Charlotte, der ganze weimarische Hof und was mitihm zusammenhing, verurteilte naserümpfend das Verhältnis. NurKarl August stellte sich zu Goethe. So wie er diesen in seiner Be-deutung von allem Anfang an erkannt hatte und inimer fest zu ihmhielt, zeigte er sich auch jetzt völlig vorurteilslos. Er ging so weit,daß er bei Augusts Taufe Gevatter stand. ES mochte ihm kein ge-ringeS Vergnügen bereitet hahen, die ganze Weimarer„Gesellschaft"zu brüskieren. In diesem Falle bewies er seine von Borurteilenfreie Menschlichkeit. Aber seine Bedeutung ging darüber hinaus.Schon Friedrich II. erkannte in dem vierzehnjährigen Knaben ein nichtgewöhnliches Menschenkind ,md die Geschichte hätte gewiß vieles vonihm zu erzählen, wenn er statt An Herzog eines kleinen Landes einHerrscher auf einem größerem Thron gewesen wäre. Ein Beweisdafür, wie sehr die Umstände die Entwicklung eines Menschenwenigstens in seiner Wirksamkeit nach außen hin hemmen können.ES ist gar kein Zweifel, daß die Chorführerin in der VerurteilungGoetheS Charlotte gewesen ist. Zwar sprach sie nur auS, was dieallgemeine Stimmung war, aber sie verstärkte sie durch ihr Raunenund Zischeln. Ihr Einfluß war groß und sie übte ihn unteranderem auch im Hause Schillers, wo besonders die wenigCm Lebenslauf.Von Adolf von Heden st ierna.Kalle Svansing war in Smaland geboren, was in ökonomischerBeziehung ebensogut ist, als wenn man in einer anderen Provinzmit zehntausend Talern in der Tasche zur Welt kommt. Sein Vater,Holzschuhmacher in der Stadt, wohnte nahe bei einem Feldtor, dasder Eigentümer verfluchte, weil es die Durchfahrenden zerstörten,und das diese verfluchten, weil es ihnen lästig war. Als aber Kallees zum erstenmal gewahrte, fluchte er nicht, und lachte nicht, sondernsteckte den rechten Zeigefinger in den Mund, scheuerte mit der linkenHand sein schwarzes kleines Wergleinenhemd, sein momentaneinziges Kleidungsstück, gegen den. Körper, und versank in tiefeGedanken.Er ging in das vierte Jahr, ein Alter, in dem man sich hier inder Provinz nach irgend einer Einnahmequelle umsieht, und Kallehatte noch keine gefunden.Da kam ein Wagen des Weges.Mit Beinen wie Bleistifte und Kräften wie ein mittelgroßerSpatz zog Kalle das Tor auf, lachte freundlich mit seinem ganzenschmutzigen kleinen Gesicht und erhielt zwei Pfennige.Die Einnahmequelle war gefunden, der Grund zum Vermögengelegt.Aber andere junge Leute kamen, denen auch die Augen für diesesGeschäft aufgingen, und sie schlugen Kalle, kratzten ihm die Hautvom Gesicht, zerrten ihn zu Boden und nahmen reichliche Andenkenvon seinen hübschen flachsgelben Haaren mit. Da aber Kalle inseinem Hemdchen am allerpikantesten aussah, sagten wenigstens alleDamen dem Kutscher, daß er halten solle, steckten dem kleinenMann die Münzen direkt in die Hand und riefen:„Du sollst eshaben!"Die Konkurrenten verprügelten ihn jedoch mächtig, und ermußte die Münzen in den Mund stopfen, um sie zu bergen. Einwenig half er sich ja damit, daß er Geschichten erdachte von großen,Lösen Schlangen im Weggraben, gerade am Tor, womit er ein paarvon den Buben abschreckte. Und als er acht Jahre alt war, hatteer es gelernt, mit den anderen fertig zu werden, sich zu schlagen, zubeißen und zu treten, so daß der Schläge, die auf sein Teil kamen,weniger und weniger wurden.Der Vater brach sich den Arm und konnte nicht mehr arbeiten.die Mutter weinte, und alle hungerten, aber keiner heulte undbrüllte so arg wie Kalle, wenn kein Bissen Brot im Hause war,und dazwischen ging er hinaus in den Wald, hinter einen Stein-Haufen und zählte feine dreizehnundeinhalb Reichstaler nach, inZwei- und Vierpfennigstücken.Und alle Vorübergehenden sagten, daß er achtsam undOrdentlich sei.Im Alter von elf Jahren kam Kalle als Pikkolo nach demWirtshaus, und als er konfirmiert war, wurde er Pferdeknecht;die Zweipfennigstücke verwandelten sich in Fünfzigpfennigstücke,er gewann sich die Gewogenheit aller und erkannte immer klarer,daß eS seine Lebensaufgabe sei, Bierflaschen und BranntweinfSfferzu spülen.Seine Eltern starben schließlich aus Not und Entbehrung, oberKalle hatte inzwischen fünfhundert Taler gespart. Er halfdem Gastwirt, so gut er konnte, und tat eS nicht umsonst, wenn erden Fuhrleuten Karten und Licht verschaffte, und schob un°bemerkt manchen Groschen vom Spieltisch, wenn sie nicht mehr ganznüchtern waren, und trank für den Hausgebrauch und fluchte wieein Gardist.Da begann eine lebhafte sogenannte.religiöse Bewegung" inder Gegend, und ein»Gotteskind" kam in die nächste Stadt, dasfrüher Schneider gewesen und dem Teufel angehört hatte, nun aberpredigte und auf dem besten Wege zum Himmel war. Und»seineRede war gewaltig". Alte Viehhändler wandten sich ab vonihren Sünden, und die Knechte standen am Sonnabendabendvergebens an den Küchenfenstern und klopften sich zu Schanden, keinMädchen kam heraus, denn eine war stets bei dem Wanderprediger,und die anderen lagen da und brüteten über ihre Sünden.Die„religiöse Bewegung" packte auch Kalle mit wunderbarerMacht. Doch nicht, daß er weinte und bereute und seufzte, sonderner ließ sich das Haar wachsen, kämmte es in die Stirn, rasierte sich.laufte sich eine Brille und Bücher und zwei Reisetaschen und einenlangen schwarzen Rock.Und dann fuhr er hinauf nach Nordland, predigte und.erweckte'da? Volk und pflegte und fordette in seinen freien Stunden Nüchtern-heit und Sittlichkeit. Wer Schnaps oder Bier verkaufte, verabreichte,trank öder für andere kaufte, der fei verdammt. Und wollten dieZuhörer ein ftüheres TeufelSkind sehen, das nun der Hölle ent-risien war. so bäte er sie, ihn selbst zu betrachten, den einstigenGastwirtsknecht Karl Svansing. War das nicht wunderbar!Einen, besseren Prediger gab eS nicht, das sagten sie alle.»Und er hatte großen Zulauf, wurde zu vielen Speckpfannluchenund vielen Tassen Kaffee eingeladen von den Gläubigen, hatte seinekleinen Freundinnen und Glaubensschwestern, wo er immer erschien,und legte Groschen zu Groschen. Als er schließlich in seinemreligiösen und Abstinenzlereifer in eine kleine Stadt kam, in dergerade eine Wein- und Bierwittschaft zum Verkauf ausgeboten war.übernahm er sie und gab seinem Schimpfen auf den Schnapsteufelein wenig Ferien und bewies Mäßigung durch die ordentliche Führungeines GastwirtSbetttebZ, der nicht wenig einbrachte.Er war daS Muster eines Gastwirts, sagten die Herren der Stadtund der ganze übrige Ott.Aber da tauchten hier zu Lande die Abstinenzler auf. Kalle er«schrak und sein Umsatz nahm ab, und die alte Lust zu reisen undseine Mitmenschen ein wenig zu erbauen, gewann wieder Machtüber sein edles Herz. So faß er eines Sonnabends die ganzeNacht auf und zog Waffer mit Brasilienholz auf Bierflaschen undWaffer mit Wichse auf Weiuflaschen und stellte fie auf die Bretter,selbständige Lotte sich häßlich äußerte. So verdichtete sich nachund nach daS Gerede zu Verleumdungen, die stark genugwaren. Christianens Bild auch für die Nachwelt zu verdüstern.Auch diejenigen, die, gestützt auf Aussprüche Goethes und auf Briefeseiner Mutter, sich auf Christianes Seite stellten, fühlten sich mehrals Verteidiger. ES war aber nichts zu verteidigen. Es war allesin schönster Ordnung und je länger je mehr wird erkannt, daßChristiane, dieses Kind aus dem Volke, die rechte Frau für Goethewar und daß die Vorwürfe, die man ihr machen kann, Schwachheitenläßlicher Art waren. Der Vorwurf mangelnder Bildung zählt über-Haupt nicht. ES ist wahr, daß sie wenig wußte, aber wirwissen, daß sie in vielen Dingen ein gesundes Urteil hatte,ja. daß Goethe in Theaterdingen dieses Urteil schätzte.ES ist auch nicht wahr, daß sie für GoetheS Arbeitenkein Verständnis gehabt hat. Wäre dies der Fall gewesen, so hätteGoethe viele Sachen nicht ihr zuerst vorgelesen. Immerhin, miteiner Charlotte von Stein konnte sie sich da nicht vergleichen. Aberwas ihr an Bildung des Kopses fehlte, da§ ersetzte sie reichlich durchBildung deZ Herzens und jener naturftischen Ursprünglichkeil de?Wesens, die immer wieder siegreich durchbricht. Sie war vergnügungs-süchtig. Sie konnte sich im Tanze nicht genug tun. Das ist wahr,daS gehört aber zu ihrer sprühenden Lebendigkeit, die wohl auchüberschäumte, die aber Goethe gewiß an ihr besonders liebte. Undendlich— sie übernahm sich im Trinken. Auch das ist wahr unddieser Vorwurf ist wohl der am meisten gerechtfertigte. Aber siehat wohl da auch die meiste Entschuldigung. Ihr Vater wardurch den Trunk zugrunde gegangen. ES liegt also wohl etwasVererbung zugrunde. Eine Säuferin war sie nicht. Goethe selbstwar ein starker Trinker und daß Christiane in den Weinsortensachverständig war, kam ihm sehr zupaß. Man darf also imganzen sehr wohl sagen, daß das allgemeine Urteil in Weimarüber Christiane ungerecht war. Von ihren unleugbaren Vorzügensprach man nicht. Sie waren beträchtlich. Vor allem— das mußmit besonderem Nachdruck hervorgehoben werden— war ihr. sinn-licheS, lebfrifcheS Wesen für Goethe eine Quelle beständiger Freude.Hier zeigt sich, daß vielleicht doch für daS Eheglück daS wichtigstedie geschlechtliche Kongruenz ist. Mögen sonst noch so viele� Ber«schiedenheiten und gegenseitige Mängel vorhanden sein, die geschlecht-liche Uebereinstimmung deckt alles zu. Diese Uebereinstimmung mußzwischen Goethe und Christiane in hohem Maße gewaltet haben. Beidewaren sinnenfrohe und dem Sinnengenusie leidenschaftlich sich hin«gebende Menschen. Sie war daS rechte Weib für ihn. Sie hatteaber auch hervorragende hausfrauliche Vorzüge. Gerade für einenMenschen wie Goethe, der so viel in höheren Regionen lebte, wares von der größten Wichtigkeit, daß jemand da war, der ihm seinHauS so betreute, daß alle die kleinen täglichen Widerwärtigkeitender Wirtschast ihm fern blieben. Dieser Umstand ist nicht hoch genugeinzuschätzen.DaS verzerrte Bild, das sich Weimar von Christiane machte.blieb in den folgenden Zeiten für ihre Beutteilung nicht ohne Ein«fluß. Wohl suchte man ihr gerechter zu werden, aber alles, wasman für sie sagte, klang doch mehr oder weniger wie eine Ent-schuldigung. ES war daher sehr verdienstlich, daß endlich jemand daranging, eine systematische Rettung ChristianeS zu versuchen. Das tatEtta Federn mit Fleiß, Geschick und Glück.") Ihr Buch ist sehrempfehlenswert und verdient die Beachtung aller, die sich für Goetheinteressieren. In durchaus überzeugender Weise gibt sie zum erstenMale ein geschlossenes Bild der Persönlichkeit ChristianeS und er-weist sie als ein trotz ihren Fehlern prächttgeS Weib, das der LiebeGoetheS durchaus würdig war.Wenn aber daran noch der geringste Zweifel möglich wäre, sowird er ganz zerstreut durch eine Veröffentlichung der jüngsten Zeit,die von dem hervorragenden Goetheforscher HanS GerhardG r ä f herausgegeben wurde.") Dieses umfängliche Werk gibt in">Christiane v. Goethe. Ein Beitrag zur PsychologieGoethes. Mit zehn Bildern. München. Delphin- Verlag. 268 S.") GoetheS Briefwechsel mit seiner Frau. Frank-fürt a. M Literarische Anstalt Rütten u. Loening. 1916. 1. Bd.1792—1866. Mit-sechs Bildertafeln. einem Fackfimile und einemSchlußstück. DIV. 568 S. 2. Bd. 1807—1816. Mit sechs Bildertafeln. 521 S.ein großes, schönes Lager. Am Sonntagnachmittag ging er zumAbftinenzlervottrag und zum Schluß trat er mitten in die Verfamm-lung und rief:»Oh weh mir, der ich acht Jahre lang jem König Alkohol ge«dient Habel Weh mir! Weh mirl Findet solch ein Erbärmlicher wieich auch noch Aufnahme?"»Ja. wenn Sie die Alkoholwirffchaft aufgeben," sagte der obersteWasserpriester.Und Kalle bat die Brüder innig, mit ihm zu gehen und demTeufelSgettänk den GarauS zu machen. Und die Waflermännerstürzten in die Bierhalle und entleerten alle Fkpschen in den Rinn-stein, schimpften auf den König Alkohol und zerstörten daS ganzeLager mit den feinen Etiketten.»Gott segne Dich. Bruder, sllr ein solche» Beispiel!" sagten sie.»aber... Du ruinierst Dich ja hiermit I"»Wie gewonnen, so zerronnen. Hinaus mit dem Gift!* meinteKalle.Und die Fische deS SeeS, in den die Kloaken der Stadt münde-ten, starben massenhaft, und alle wahren Temperenzler sagten ein«stimmig:»Da sieht man, wie teuflisch daS Gift ist! Selbst die Fischesterben daran!"Was aber natürlich Lüge war, denn sie starben ja an der Wichseund dem Brasilienholz. Doch mancher neu angeworbene Kämpfergegeil den Schnapsteufel nahm sein Dutzend Flaschen mit nach Hauseund ging in aller Stille zu dem Kehrichthaufen hinten im Hof, umde» höllischen Trank.fortzugießen". Seltsamettvcise aber bekamensie alle am nächsten Tage Magenschmerzen, und drei von ihnengingen zu dem Wassermann und sagte,»:»Bruder Svansing ist ein Humbug. Es war keine reine Warein den Flaschen, sondern irgendein verteufeltes Zeug. daS nach Wichseschmeckte; zum Sterben ist einem danach."Worauf die Vorsitzenden zur Beratung zusammcnberusen wur«den und nach andetthalbstündiger Erwägung zu dem folgenden Ent-schlug kamen:»Ein wahrhafter Abstinenzler muß davon abstehen, in Fragen desAlkoholgfftes beurteilen zu können, was„reine Ware" ist und wasnicht. Aber da die Kläger gestehen, daß sie den Inhalt der Flaschengekostet haben, die, wie sie wenigstens glaubten, das teuflische Giftenthielten, werden sie aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Und daBruder Svansing eine große und edle Aufopferung bewies, indemer seil, kostbares Lager um der guten Sache willen opferte, wollenwir für ihn im ganzen Lande eine Sammlung veranstalten, damiter einigermaßen schadlos gehalten werde."Was auch geschah! Und worauf Kalle dieses Geld auf dieselbeBank gab, auf die er sein ehrlich verdientes Biergeld gegeben hatte.Und es vertrug sich ausgezeichnet und mehrte sich, und ein Segenlag daraus, als wenn es Pfennig für Pfennig an Kaffee und Himbeersaft verdient worden wäre. Kalle Svansing aber wurde in-zwischen einer der berühmtesten Redner des Landes und eiferte jo