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Grab m NorSfrantreich. Die weite Ebene glänzt von Schnee und Lehm. Zerfurcht von Gräben und von Skacheldraht Durchrostet, und löchrig von Granaten. Fern Liegt kalt und schmal und langgcstretft Die höhe von Loretto. zuckend von Nie ruhendem Donnerlaut, gekrönt, behelmt Don einem Waldstrich, der. gleich Stirnhaar oder Gleich einem Helmbusch, schroff abbricht. Darüber Spreizen sich dünn die großen Alecreswolken Und fängt der feuchte Sonnenuntergang Mächtig wie immer zu erglühen an. Tief liegt zur Rechten im Gelände weit Die Iechenstadk, getürmt und ziegelfarben, Das leere, von Granaten schallende, Von englischen Granaten berstende, Vis in die Sever kriegszerfreffeue Lens. hier aber, einsam in dem weiten Feld. Ruhn beieinander ein paar deutsche Gräber: holzkreuze, von Sameradcnhand bemalt. ZNit Sirchhosstand des fremden Lands geschmückt, Ein Vlechkranz hier, künstliche Blumen da. And Name, Regiment und Kompagnie. An einem schmalen Hügel, lehmig grau, Zögert mein Fuß. An seinem kahlen kreuz, Des holz noch hell ist, hastet ein kleiner Zettel, Ein Briefbogen, halbiert, darauf mit dünner Schrist Geschrieben steht:Ihrem geliebten Sohn Don seiner ZUutker," Glanz, erschütternder, Fließt blendend um das dürre Grab. HanSReisiger. Em neuer Prophet. Von Friedlich Stampfer. Ter Prändcnt der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft Waither Rathenau. Sohn und Erbe Emil RathenauS, einer der ersten Männer der Berliner Gesellschaft, schleudert eine zornige Anklageichrift in die Welt hinaus gegen Mammo- r.iSmus und Plutokratie, Erbenvorrecht und Menschenaus- bcutuna. Klassenstaat und Kastengeist.*) Er verkündigt ein neues Reich auf Erden, in dem sich das Göttliche aus mensch- lichem Gerste verklären soll. Dieses Göttliche aber sieht er vor allem in einer Solidarität der menschlichen Gemeinschaft, die keinen Kampf um Macht und Besitz mehr kennt, au§ der Eigensucht, Haß, Neid und Feindschaft verschwunden sein werden. Dep große Arbeitgeber wendet sich in seiner ethischen Sozialkritik wider die kapitalistische Gesellschaft mit Flüchen von alttestamentarischer Gewalt. Unsere nüchternen und be- fonnenen Gewcrkschaftssührer werden wahrscheinlich über diese Sprache erstaunt sein. Vieles, was in Hiesem Buch zu lesen steht, klingt uns wie ein Lied aus vergangenen Tagen, aus der Zeit, wo auch wir nichts anderes waren als leidenschaft- liche Ankläger alles Bestehenden und gläubige Propheten einer neuen Zeit: nicht, wie jetzt schon überlegende Werkmeister am B a u des Neuen. Weil es uns heute mehr darauf ankommt, den feind- lichen Stoff zu kennen und zu bewältigen, als darauf. durch schroffe Gegenüberstellung deffen, was ist, und dessen, was sein soll. Leidenschaften zu entzünden, könnten selbst w i r geneigt sein, manches in der Schilderung Rathenaus kraß zu finden. Ekelhaft und verabscheuungs- würdig sind die Ausschreitungen einer goldenen Jugend, die in einer Nacht verzecht, was eine Arbeiterfamilie im Jahre zum Leben braucht. Aber es ist volkswirtschaftlich nicht richtig, daß der Luxus der Besitzenden den Massen nimmt, wessen sie zu ihrem Leben bedürfen, dazu ist die Schicht der Besitzenden zn klein, die der Besitzlosen zu groß. Das Fett. daS die Reichen verprassen, würde, in den allgemeinen Keffel getan, nur ein spärliches Fettauge au? der Suppe der Armen bilden. Beklagenswert ist die Lage des Proletariats, aber sie ist nicht so, daß sich nicht wenigstens die Stärksten au§ ihm seelisch und sozial zu erheben vermöchten: was die moderne Arbeiter- bewegung. waS G e n o f f e n g e i st hier gewirkt haben, das verkennt Rathenau , weil er in leidenschaftlicher Einseitigkeit im Sozialismus nur den Bastard des Kapitalismus sieht, ein auf andere Macht- und Besitzverteilung gerichtetes m e ch a- n i st t s ch e s Prinzip. Dieses mechanistische Prinzip hat eS Rathenau angetan. Er ist der beredte Fürsprech der menschlichen Seele, die seiner Ansicht nach beim Kapitalismus wie beim Sozialismus zu kurz kommt. Rathenau weiß nicht oder will nicht wiffen. daß auch e r Soziali st ist und daß das. was er vorzu­bringen hat. als sostalistische Krilik am Sozialismus ertrag- lich und beachtenswert wäre, aber als scheinbar antisozia» listische Ztritik durch Ungerechtigkeit und Undankbarkeit un- Walther Rathenau . Bon kommenden Dingen. Berlin . S. Fischer. erträglich wird. Rathenaus Kraft beruht darauf, daß er auf dem Boden sozialistischer Gesellschaftskritik steht, die er mit stark religiösem Einschlag untr eigenen Weltverbcffcrungs- plänen betreibt. Seine Schwäche beruht auf der Ueber- schätzung der rein ideellen Faktoren und auf der Sicherheit, mit der er für den Bau der Zukunft einen Plan zu zeichnen versucht, er verliert sich in die Gefahren einesgefüyls- sozialistischen" Utopismus. Gerade diesen Fehler hat der moderne Sozialismus was Rathenau wiederum vollständig verkennt mit großer Weitherzigkeit vermieden. Er hat immer bloß große Umrisse gegeben und sich nie auf einen ins einzelne ausgearbeiteten Zukunftk-plan festgelegt. Der Weltstaat, in dem alles der- staatlicht ist. steht nicht in seinem Programm, sondern nur in Rathenaus Buch, wo er dann mit viel überlegenem Hohn erledigt wird. Rathenau weiß nichts oder will nichts wissen, vom Gcmeindesozialismus, vom Genossenschaftssozialismus, von gewerkschaftlicher Kooperation: er sperrt sich gegen die Anerkennung, daß der Sozialismus allen Formen der Gemein- Wirtschaft die Bahnen der Entwicklung offen hält, und daß ihm das Hervorkehren einer bestimmten Methode weiter nichts als eine Maßnahme wirtschaftsorganisatorischer Zweckmäßigkeit ist. Er kann nicht zugeben, daß der Sozialismus Gemeinschafts- gedanke, wirkendes SolidaritätSgefübl ist, denn sonst müßte er zugeben, daß er als Prophet zu spät kommt und daß seine Anklage zusammenbricht. Sie trifft höchstens jene hier nnd da auftauchende Verzerrung der Marxschen Theorie, die sich nach dem Vorbilde nicht von Marx, aber von Alexander Tille , weiland Scharf- machcr-Synbikus, eine.moralinfreie" Klaffenpolttik konstruiert. die cS in Wirklichkeit nie gegeben hat. Den Streit, den wir jetzt mit Rathenau haben. hatten wir schon vor 20 Jahren mit der Gesellschaft für ethische Kultur und ihrem tapiercn Oberst v. Egidy, wir hätten ihn ungefähr ähnlich mit Tolstoi und seinen Jüngern. Marx hatte ihn schon niit Karl Heinzen , dem erLiebes- sabbrlei" vorwarf(war Marx deswegen amoralisch? Er hätte sich als deutscher Professor ein Bäuchlein anmästen können, statt in London das Brot des Exils zu effen l). Aber. wie Rathenau richtig sagt, üi der mechanistisch- kapitalistischem Gesekkfchast tritt seder an jeden mir der heim- lichen Frage heran, wie er ihn gebrauchen könne, und da- gegen, daß sie sich blind von der Bourgeoisie gebrauchen ließe, galt es die Arbeiterklasse zu schützen. Aus dieser not- wendigen Gesinnungshärte ist dann jener geistige Zustand entstanden, in dem Rathenau sein Buch schreiben konnte. Unter dem Sozialistengesetz wäre es verboten worden. Die Schwerindustricllen des Westens werden das Buch ihres aus der Art geschlagenen Kollegen mit Entsetzen lesen. Aber mancher Gedanke, der in ihm enthalten ist und der in der Luft liegt, wird fruchtbar werden. Um den Wider- sinn des Erb rechts nachzuweisen, war freilich nicht erst Rathenau notwendig, obwohl sein Zeugnis wertvoll ift. Aber was er über die Unsinnigkeit des Verbraucks vor dem Kriege, die aberwitzige Vergeudung von menschlichen Arbeitskräften zur Befriedigung unwirklicher Bedürfnisse zu sagen iveiß, ver- dient besondere Beachtung. Eine Erziehung des Massenverbrauchs zu höhern von Vernunft und Kultur geprägten Formen, die peinlichste Sparsamkeit an Material und Menschenkraft ist ein dringendes Gebot der Nachkriegszeit. Rathenau hat fein Buch feinem Vater gewidmet, und fein eigentliches Ideal ist wohl das, was er dieautonome Unternehmung" nennt. Er will die wirtschaftliche Unternehmung unabhängig von den dividcndenjagenden Aktionären nmchen, sie auf sich selbst stellen, gleich einer Stiftung, so daß jeder Gewinn nur ihr selbst zufällt und zu ihren eigenen Zwecken zur Verfügung steht. Für ihren Kapitalbedarf hat dann nicht mehr der private Geld- geber. sondern der Staat zu sorgen, derüber alle Begriffe reich" und zumBewahrcr und Verwalter großer Anlage- mittel" wird. Dieser Staatsoll sein das zweite, das er- weiterte und irdisch unsterbliche Ich der Menschen, die Ver- körperung des sittlichen und tätigen GemeinschastswillenS". Was wir aber heute besitzen, das ist nurGewaldstaat", Stände-, Klassen- und Kastcnstaat". In ihm ist reine Staats- gesinnung unmöglich. So Rathenau , der anzuerkennen ver- gißt, daß die Arbeiterklasse gerade durch ihre sozialistische Erziehung jenerreinen Staatsgesinnung" unendlich viel nähergekommen ist als die von ihm moialisch gebrandmarkte Plutokratie. Rathenau ist ein Gläubiger und ein Prophet des einst so viel verspotteten Z u k u n f t s st a a t s". Dieser Zukunfts- staat ist im Werden, seit der Weltkrieg das Gefüge deS Gcgenwartsstaats bis in die Tiefen hinein erschüttert hat. Auch Rathenaus Buch ist ein Zeichen dafür, freilich nicht mehr: ein Zeichen, kein neues Evangelium. Die Macht, die hier am Werke ist. ist nicht die Kraft eineß Einzelnen, es ist die Arbeiterbewegung im großen Sinne des Wortes, die Bc- wegung aller, die durch Arbeit Werte schaffen und die das Gesetz ihres Daseins alle auf die gleiche Straße zwingt. Mit mechanistischen Prinzipien hat diese Bewegung nur soweit zu tun. als es gilt, eine mechanistische Gesellschaft mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Das Ziel ist ein höheres Menschentum und ein veredelter Staat, der mit dem Ge- walt-, Polizei- und Klassenstaat kaum auch nur den Namen noch gemein hat. Rathenau , der daS Andenken seines Daters ehrt, verleugnet seine geistige Herkunft und Zugehörigkeit. Das ist verdcrb- liche Schwäche für einen Mann, der die Welt aus Sittlichkeit erneuern will. « Ms Rachenaus Such. Beseitigung aller Not. Selbsiverständliche und leicht erfüllbare Menschenpflichi ist die Leseiiigung aller Not und drückenden Armut; die Kosten eines RltstungSjahreS würden ausreichen, um die Blutschuld der Gesell- schaft zu tilgen, die heute noch den Hunger und seine Sünden in ihrem Schöße duldet. Doch diese Aufgabe ist so einfach, so mecha- nisch, trotz ihrer herzzerreißenden Dringlichkeit so trivial, daß sie eher der polizeilichen als der ethischen Vorsicht zugeschrieben werde» sollte. WaS darüber hinausgeht, bleibt im letzten Sinne gleich­gültig. Noch immer zeugt und trägt die Erde so viel, daß der Ge- samtheit Nahrung. Kleidung, Werkzeug und Muße zur Genüge er� wächst, sofern sie nur im rechten Maße schaffen, verbrauchen und genießen will. Mag Reichtum als Voraussetzung gehobener Lebens- form gelten und bleiben: eine Gemeinschaft von Millionen schaffen­der Menschen ist in sich unendlich reicher als die berühmten Klein städte des Altertums und der Mittelzeit; ein Bahnhof verschlingt hundertfach die Arbeitsleistung des Parthenon : und bleibt der Geist edleren Lebens wach, so findet er Stoff und Werkzeug zur Bor- körperung. Der Irrsinn der Wirtschaft. Betrachte! man... die Produktion der Welt, so geig! ein furcht- barcS Erschrecken unS den Irrsinn der Wirtschaft. UebcrslüjsigeS. Nichtiges, Schädliches, Verächtliches wird in unseren Magazine« gehäuft, unnützer Modetand, der wenige Tage lang falschen Glanz spenden soll, Mittel für Rausch, Reiz und Betäubung, widerliche Tuftstoffe, haltlose und mißverstandene Nachahmungen künstlerischer und kunstgewerblicher Vorbilder, Gerätschaften, die nicht dem Gc- brauch, sondern der Blendung dienen, Albernheiten, d-ie als Scheide- münze eines erzwungenen Gcschrnkverkehrö umlaufen; alle diese. Nichtsnutzigkeiten füllen Läden und Speicher in dierieljährlicher Er- Neuerung. Ihre Herstellung, ihr Transport und Verschleiß erfor- dert die Arbeit von Millionen Händen, fordert Rohstoffe, Kohlen. Maschinen. Fabrikanlagen und hält annähernd den dritten Teil' der Weltindustrie und des Welthandels in Atem. Wer im Wirts- haus die unvergleichlich« Höhe unserer Kulturepoche gepriesen hat, der möge auf dem Heimwege in die Stratzenlädeu blicken und sich davon überzeugen, daß unsere Kultur seltsame Begehrlichkeiten pflegt; wer eine Rasenfläche von dem läppischen Humor tönerner Gnomen, Hasen und Pilze geschändet steht, der möge sich bei diesem Tinnbilde der mißleiteten Wirtschast unserer Zeit erinnern. Würde die Hälfte der verschwendeten Weltarbeit in fügliche Bahne» ge- wiesen, so wäre jeder Arme der zivilisierten Länder ernährt, be- kleidet und behaust. Die Unproduktiven. Wir sehen die Rennplätze und Bcrgnügungsorte einer Groß- stadt angefüllt von gutgewachsenen, selbstbewußten jungen Männern, die in einer Stunde für ein Pferd oder eine Tänzerin mehr Gelb ausgeben, als ein armer Student, ein Dichter oder Musiker fiu den Lebensunterhalt eines Jahre» ersehnt; ihre Ansprüche an di-e Leistung des Landes übersteigen den Aufwand eines Ministerpräst- deuten und Kanzlers. Die Gegenleistung besieht in Genutz und Repräsentation. Nach Maßgabe seiner Gesinnung und Jntmsim behandelt sie ein jeder mit Höflichkeit, Achtung, Unterwürfigkeit, und sie antworten korrekt, leutselig, hervblasscnd. Sie halten es für selbstverständlich, daß der junge Gelehrte oder Kaufmann be- scheiden ibnen Platz macht, wo sie als Spendende oder Bestellende auftreten; das VolkSbewutztsein findet ihr Auftreten gelegentlich- anmaßend, ihre Untätigkeit bedauerlich, sieht aber in der bevor- zugten Lage etwas Unabänderliches, den Ausdruck eines geheiligten Herkommens von erblichem Glanz und erblicher Macht. Hart beurteilt Wirt» die Dirne, die, von einem reichen und alternden Manne als Witwe hinterlassen, sich in fürstlichem Auf- wand gefällt. Man wirft ihr die Herkunft vor, bestreitet ihr abe- nicht das Recht, die Einkünfte einer Herrschaft zu verprassen, den.e sie verfügt über ihr Erbe. Ein industrieller Machtbesttz geht auf einen mündigen, aber unbefähigtcn Tohn über. Generaldirektoren machen ihm submisscste Berichte, suchen sich seinen Liebhabereien anzupassen, erbitten Ge­haltserhöhungen und Vollmachten; eine Schar ergrauter Werkleiter schart sich um»en Wagenschlag des jungen Herrn. Em wohlhabender Mann stirbt, hinterläßt eine Frau und vier Kinder. Alle fünf beschließen von ihren Renken zu leben; die Kin- der heiraten Männer und Frauen, die in gleicher Lage sind, und der Staat ist um vier Familienstämme bereichert, die ein Jahr- hundert lang nichts geschaffen, außer daß gelegentlich ein Nachkomme Kunstgeschichte oder Diplomatie studiert. Wieviel gesunde Männer unter sechzig Fahren leben in einem zivilisierten Lande von ihren Renten? Wieviel junge Männer begründen ihre Existenz auf die Ehe mit einer Erbin? Wieviel unproduktive Familien hat ein Land von Geschlecht zu Geschlecht zu ernähren? Grundsätzliche Forderungen. 1. Der Gesamtertrag menschlicher Arbeit ist zu jeder Zeit be- grenzt. Verbrauch, wie Wirtschaft überhaupt, ift nicht Sache deS Einzelnen, sondern der Gemeinschaft. Aller Verbrauch belastet die Weltarbeit und den Weltertrag. Luxus und Absperrung unier- liegen dem Gemeinwillen und sind nur soweit zu dulden, als die Stillung jedes unmittelbaren und echten Bedarfs es zuläßt. 2. Ausgleich des Besitzes und Einkommens ist ein Gebot der Sittlichkeit und der Wittschaft. Im Staate darf und soll nur einer ungemessen reich sein: der Staat selbst. AuS seinen Mitteln bat er für Beseitigung aller Not zu sorgen. Verschiedenheit der Ein- künfte und Vermögen ist zulässig, doch darf sie nicht zu einseitiger Verteilung der Macht und der Genußrechte führen. 3. Die heutigen Quellen des Reichtums sind Monopole im weitesten Sinne, Spekulation und Erbschaft. Der Monopolist, Spe- kulant und Großerbe hat in der künftigen Wirischaftsordnung keinen Raum.