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34. Jahrgang. Nr. 29
Erntepfalm.
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Erntefegen auf goldgelben Feldern steht, Halm hat sich dicht an Halm gedrängt.
Sonntag
Wie doch der Himmel voller Verheißung hängt! Tausend brünstige Hoffnungen find gereift, Tausend Hengste find abgestreift!
Und die Sense mäht...
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Beilage zum„ Vorwärts" Berliner Volksblatt
Erntesegen quillt, flimmert und flirrt im Glanz Strahlenden Lichts!- Noch klirren die Waffen dumpf Fern an den Grenzen... Doch ffumpf Ward ihre Schärfe... Hinein nicht ins Cand Streckte der Krieg seine blutige Hand! Und wir winden den Kranz- den Erntekranz! Erntekranz willst du nicht Friedenskranz sein?-- Und wir neigen das Haupt und lauschen still, Ob nicht das Ringen verröcheln will, Ob nicht aus Tod und Not und Nacht Endlich die wimmernde Erde erwacht Zu des Friedenstags rosigem Schein?!
Ernteglüd ist über Garten und Feld und Hag Ausgestreut. Sensen fingen ihr Lied. Und der liebe Sommer lächelt und glüht Warm und strahlend, lichtüberglänzt: Ulle Felder stehn ährenbekränzt!
Frieden, wann kommt dein Erntetag?
wurzelt, von ihm immer wieder neue Anstöße erfährt und aus ihm neue Kräfte zieht.
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„ Nirgends bilden die Politiker" eine abgesondertere und mächtigere Abteilung der Nation, als gerade in Nordamerita. Hier wird jede der beiden großen Parteien, denen die Herrschaft Zudem vermag nur eine fortgesette Mitarbeit des deutabwechselnd zufällt, selbst wieder regiert von Beuten, die aus der schen Volkes an der Staatspolitit jene intensive PoliPolitik ein Geschäft machen, die auf Size in den gefeßgebenden tisierung des deutschen Boltes zu bewirken, die Versammlungen des Bundes wie der Einzelstaaten spekulieren für den Ausbau des Deutschen Reiches und seines inneren oder die von der Agitation für ihre Partei leben und nach deren öffentlichen Lebens nottvendig ist. Mitarbeit am Staatsbau Sieg durch Stellen belohnt werden. Es ist bekannt, wie die rüttelt das politische Interesse auf und wirkt erzieherisch. Sie Amerikaner seit dreißig Jahren versuchen, dies unerträglich gefördert nicht nur die politische Einsicht in die Lebensbedinwordene Joch abzuschütteln und wie sie trotz alledem immer tiefer gungen des Ganzen, sondern auch die Selbstdisziplinierung in den Sumpf der Korruption hineinsinken. Gerade in Amerika und das Verantwortungsgefühl. Sie lehrt das politisch Notkönnen wir am besten fehen, wie diese Verselbständigung der wendige begreifen und zugleich den politischen Willen auf Staatsmacht gegenüber der Gesellschaft, zu deren bloßen Werk dieses Notwendige einstellen. Zudem eröffnet das parlazeug fie ursprünglich bestimmt war, vor sich geht. Hier existiert mentarische System der sozialdemokratischen Arbeiterschaft teine Dynastie, tein Adel, kein stehendes Heer, außer ein paar immerhin bessere Möglichkeiten, sich selbst und ihren InterMann zur Bewachung der Indianer, keine Bureaukratie mit essen im Staat zur Geltung zu verhelfen als ein halbautofester Anstellung oder Pensionsberechtigung. Und dennoch haben kratisches Regime, das von außerhalb des parlamentarischen wir hier zwei große Banden von politischen Spekulanten, die Lebens stehenden Kräften dirigiert wird nötig dazu ist abwechselnd die Staatsmacht in Besih nehmen und mit den freilich, daß die Arbeiterschaft sich ihrer Bedeutung für den forruptesten Mitteln und zu den korruptesten Zweden ausbeuten." jozialen Lebensprozeß bewußt wird und sich nicht in der bloßen Wenn, durch die Erfahrungen des Weltkrieges belehrt, Negation gefällt, sondern ihre Macht in der Richtung einer ein Teil der sozialdemokratischen Politiker zu dieser Erkennt auf erkennbare Biele hinsteuernden Realpolitik zu gebrauchen nis unserer Altmeister zurückkehrt, kann man das nur be- weiß. grüßen. Der seit etwa drei Jahrzehnten aufgepäppelte Vulgär- Die Marrsche Theorie von der Bedingtheit des Staatsmarrismus hat wie so manche andere Marrsche Auffassung lebens durch den sozialwirtschaftlichen Lebensprozeß besagt auch diese verflacht und in völliger Durcheinanderwerfung der denn auch durchaus nicht, daß für uns die Frage: ParlamenBegriffe Gesellschaft und Staat, Gesellschaftsordmung und tarisch- demokratisches Regime oder bureaukratischer Obrig Staatsordnung, soziales Gesetz und staatliches Gesez, der feitsstaat?" ganz gleichgültig sein kann. Das parlamentarischStaatsform eine Bedeutung angedichtet, die sie nicht hat. demokratische Regiment wird vielmehr in unseren heutigen Woraus sich dann für ihn die Folgerung ergab, durch eine ent- Gesellschaftsverhältnissen, wie Engels sich ausdrückt, mehr sprechende Aenderung der Staatsrechtsordnung ließen sich nach und mehr zu einer unvermeidlichen NotwenBelieben die sozialen Zustände völlig ändern. digkeit". Allerdings das sogenannte„ be st e" Regierungssystem, wie manche Liberale behaupten, ist es nicht, und wenn Politiker erklären, das parlamentarische System sei viel wichtiger als die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts in Preußen, so beweisen sie damit. nur, wie sehr sie in liberalen Staatstheorien steden geblieben
Parlamentarisches und bureau- holung zu vollziehen vermag. Diese Regelung bildet kratisches Regierungssystem. hingegen beſteht in den von der Chaats gewalt zur Nach
Die jebigen Verfassungskämpfe im Reichstage haben in der Presse allerlei Betrachtungen über den Wert und Unwert des parlamentarischen Systems ausgelöst. Während von der einen Seite das parlamentarische System, das heißt die Zusammensetzung der Ministerien aus den Führern der das Barlament beherrschenden Parteien, also das Parteiregiment der jeweiligen Parlamentsmehrheit, als ein System der Volksgeltung" gepriesen wird, durch welches das Volk jederzeit in der Lage sei, die Regierung zu jener politischen Haltung zu zwingen, die die Mehrheit des Volkes wünscht, wird von anderer Seite darauf hingewiesen, daß keineswegs, wie die Staatengeschichte beweise, in den parlamentarisch regierten Staaten, und zwar selbst dort nicht, wo das Parlament aus allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen hervorgeht, die Barlamentsmehrheit schon ohne weiteres die Herrschaft des Volkswillens oder auch nur des Mehrheitswillens bedeute. Weder das Regierungssystem noch die Staatsform und die Verfassungsart vermöchten zu garantieren, daß der Volkswille im Staatsleben durchdringe; denn nicht die äußere Form der Regierung entscheide, sondern das innere Kräfte- und Machtverhältnis, wie es im sozialen Entwicklungsgang eines Volfes historische Gestalt erlangt habe.
find. Das sonderbarſte ist freilich, daß mich„ Unabhängige“ den Befreiungskompf der Arbeiter beimeffen, plöglich das par
lamentarische System hoch einschäßen. Wie jemand, wenn er nichts vom Parlamentarismus hält, doch im parlamentarischen Regime eine der größten politischen Errungenschaften zu sehen vermag, ist schwer zu begreifen.
Kinder hält ein jeder!
Von Hertha Schalt.
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Multatuli , der holländische Dichter umd Apostel der Menschenliebe, sagt einmal:„ Es ist sonderbar, daß so viele Menschen sich erfühnen, Kinder zu haben. Im Tiergarten fenne ich einen Aufseher, der mit den Tigern umzugehen weiß. Ein anderer ist für die Vögel geeignet.... Aber Kinder hält ein jeder."
Nach der Marrschen Auffassung ist umgekehrt die Staatsordnung bedingt durch die Gesell- in Anlehnung an Behauptungen auch sozialdemokratische schaftsordnung. In jeder Gesellschaft setzt sich als Folge des wirtschaftlichen Lebensprozesses eine gewisse Regelung der Wechselbeziehungen, eine soziale Gliederung durch, ohne die Wirtschaftsprozeß sich gar nicht in stetiger Wieder die Gesellschaftsordnung. Die Staatsordnung die sonst dem Parlamentarismus sehr geringe Bedeutung für achtung für die Staatsbürger erlassenen, ihr gegenseitiges Verhalten zueinander regelnden staatlichen Gesetzen und Verordnungen. Deshalb nennt auch Mary den Staat eine Einrichtung der Gesellschaft" und bezeichnet ihn als deren tätigen, selbstbewußten und offiziellen Ausdruck". Das Recht eines Staates kann daher, wie er fagt, auch„ nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwidlung der Gesellschaft". Wohl kann ein Verfassungsrecht formell allerlei schöne Freiheiten verheißen, wenn aber die soziale Gliederung ihre Anwendung nicht gestattet, bleiben solche Bestimmungen auf dem Papier stehen. Aber so wertvoll es für die Beurteilung der jetzigen Verfassungsfragen ist, die Abhängigkeit der Staatsordnung von der Gesellschaftsform zu begreifen, so verkehrt ist es, die Frage, ob ein autokratisch- bureaukratisches oder parlamen - Ja: Kinder hält ein jeder! Es liegt eine tiefe, unendtarisches Regierungssystem gelten soll, daraufhin kurzweg für lich tiefe Tragit in der Wahrheit dieses Wortes, die Tragik gleichgültig zu erklären. Verhilft das parlamentarische System der Wehrlosen, allem Ungemach, allem Leid, allem nicht dem Volkswillen bzw. Mehrheitswillen zur sicheren Gel- Schmerz willen- und waffenlos Ausgelieferten. In allen tung, so das autokratische oder bürgerliche System noch anderen Dingen ist vor eines jeden Menschen Tun und Lassen weniger. Schließt dort, wo sich auf Grund der wirtschaftlichen die Verantwortung gesetzt. Nur das Köstlichste, das Menschen Lebensverhältnisse mächtige Finanz-, Handels- oder Groß- zuteil werden kann, das edelste Wunder der Natur, das Kind, grundbesigercliquen herausgebildet haben, das parlamen - glaubt jeder halten zu dürfen, auch der, dem nie der Sinn tarische System die Beeinflussung der Staatsverwaltung dafür aufgegangen ist, welch föstliches Gut er sein nennt und Die Tatsachen bewiesen, daß unter der republikanischen, durch diese Cliquen feineswegs aus, so vermag ebensowenig welche große, heilige Aufgabe ihm damit zugefallen ist. Tritt ja selbst in ausgeprägt demokratischen Staatsformen mit aller- das monarchisch- autokratische Regiment sich, wie am besten das Kind doch häufig in die Welt ein nicht als ein Erwünschlei Rechtsgarantien, wie z. B. in Frankreich , in den Ver- die Cliquenwirtschaft unter dem früheren 3arentum beweist, tes und Ersehntes, sondern nur als eine vermeintlich unabeinigten Staaten oder den südamerikanischen Republiken, eine sich solchem Einfluß zu entziehen. Und wenn unter dem par- wenbare lästige Folge selbstsüchtigen Verlangens oder gar Oligarchie strupelloser Finanz-, Trust- oder berufspoli- lamentarischen System die Minister sich nicht auf ihrem Platz eines zufallsgeborenen Augenblidsrausches. Endlose Leiden tischer Parlamentscliquen das Staatsruder in die Hand zu zu halten vermögen, falls sie nicht bestimmte Parteigruppen und Martern sind dann, ach wie oft, das Los solcher ärmiſten bekommen und in ihrem Interesse zu dirigieren vermöchte, hinter sich haben, so vermögen sie auch unter einer absolutisti- aller Geschöpfe, die das Gesetz wohl zu schützen bestrebt ist, die während andererseits wieder, wie Englands Parlaments- fchen Monarchie sich nicht zu behaupten, wenn sie nicht von be- es aber in seiner heutigen Form und deren Amvendung kaum geschichte zeige, das parlamentarische Regiment leicht zu einer stimmten Gruppen begünstigt und gestützt werden nur find wirklich oder gar nicht wirksam zu schützen vermag. Autokratie des als Kabinettsvorsißenden fungierenden Leiters das dann gewöhnlich keine politischen Parteigruppen, sondern Wir können es nicht hindern, daß auch der Liebloseste, der der herrschenden Partei ausarten fönne. Hätte beispielsweise Hoffreise, Kirchengrößen, Generalvereinigungen usw.; manch- Gleichgültigste, ja der Roheste und Gemeinste, daß von körpernicht Wilson mit Unterstützung der imperialistischen amerika - mal auch fönigliche Mätreffen. licher und geistiger Krankheit Durchseuchte Kinder in die nischen Politiker und ihrer Presse die nordamerikanische Union Zudem aber steht unzweifelhaft das parlamenta Welt sezen; sollten wir da nicht mindestens imstande sein, zu in einen Krieg hineinzuziehen vermocht, den die große Volks- rische System entwidlungsgeschichtlich höher verhindern, daß solche völlig ungeeigneten Kinder masse gar nicht wollte und bei dem ein eigentliches Lebens- als das autokratische. Es ist die Regierungsform fast aller halten", das heißt: fie um sich, sie in ihrer Gewalt haben interesse der Union gar nicht in Frage komme. Völker, die eine bestimmte Stufe der wirtschaftlichen Entwick- dürfen? Ist es nicht ein Hohn sondergleichen, daß man fortDerartige Aeußerungen findet man nicht nur in reaktio- lung überschritten haben und zu einer sachgemäßen Vertretung während um den Rückgang des Bevölkerungszuwachses nären Blättern, sondern auch in sozialistischen Kreisen, denen ihrer sich im sozialen Lebensprozeß ergebenden materiellen und jammert, während zahllose Geborene mangels ausreichenden ein durch die Kriegsereignisse geschärfter Blick gezeigt hat, daß geistigen Interessen streben. Ein Vergleich mit dem feudalen Schutzes für ihr Leben und Gedeihen, des förperlichen, ſeeli-' es viel weniger auf die äußere Staats- und Verfassungsform und kapitalistischen Wirtschaftssystem mag das näher er- schen und geistigen, elendiglich verkümmern und vergehen? als auf den politisch- ökonomischen Lebensinhalt des einen läutern. Sicherlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise keine Während noch immer Kinder und Halberwachsene in den Tod Staat bildenden Volfes ankommt. ideale; sie mag sogar für einzelne Volksschichten schädlicher gehen aus Angst vor denen, denen sie doch über alles lieb sein Neu find derartige Ausführungen gerade nicht, schon sein als das Feudalsystem. Dennoch stellt sie eine geschicht- müßten! Welch ungeheures Maß von Verständnislosigkeit Montesquieu meint in seinem„ Geist der Geseze", daß lich notwendige, höhere Entwicklungsstufe dar, eine Durch muß nötig sein, ehe ein Kind freiwillig dieses Leben läßt, an die äußere Staats- und Regierungsform wenig über den gangsstufe, die im Fortschritt zur sozialistischen Wirtschafts- dem doch jedes normale Kind mit tausend Fasern hängt! eigentlichen Charakter des Staates besage; und was die sozia- form überwunden werden muß. Aehnlich verhält es sich auch Da hat sich vor einiger Zeit ein zwölfjähriges mutterlistische Literatur anbelangt, so brauchen wir uns nur an mit dem parlamentarischen Regierungssystem. Trotz seiner loses Mädchen vergiftet; das Kind war dem Vater wegen Lassalles bekannten Vortrag über Verfassungswesen und an Mängel steht es entwicklungsgeschichtlich höher als das auto - ich I echter Behandlung entzogen worden und lebte bei die äußerst scharfe Kritik des amerikanischen , französischen, be- fratisch- bureaukratische und ist für Deutschland notwendig, den Großeltern. Da fomant nun auf einmal der Vater und sonders aber englischen Verfassungslebens zu erinnern, die wenn dieses die durch den Krieg heraufbeschworenen großen verlangt das Kind zurück und erhält vom Gericht eine zuKarl Marx in seinen Artikeln für die„ New York Tribune " Bukunftsprobleme lösen und im internationalen Staaten- fagende Antwort! Die Zwölfjährige erfährt es und geht aus niedergelegt hat. Immer wieder hebt er die sich aus der briti- instem jenen Platz einnehmen will, zu welchem es seiner Größe der Welt. Denn," so schreibt sie vorher noch an die Großichen Konstitution als natürliche Folge ergebende parlamen- und seiner Wirtschaftskultur nach befähigt ist. Ein moderner eltern: ,, Vater hat meine Mutter in den Tod getrieben und jetzt tarische Cliquenwirtschaft, Kompromißfucht und Amtsjägerei vorwärtsstrebenden Weltstaat kann nicht nach den Usancen des mich auch." Wenn man derartiges liest, so fragt man sich verhervor. Und über das von Wilson so gelobte amerikanische alten ständischen Preußens regiert werden. Die Regierung gebens: Wie ist so etwas nur möglich? Man spricht so oft von Regime fällt Friedrich Engels ( Bürgerkrieg in Frankreich, eines solchen Weltstaates kann nur dann ihre Aufgabe er- der Stimme des Blutes, die äußerlich einander fremd ge3. Aufl., S. 12) folgendes Urteil: füllen, wenn sie in einem kräftigen politischen Volksleben wordene Blutsnahe zueinander zwingt. Ist es nicht viel mehr
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