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Stil Begleitet, findet keine Handhabe, einen anderen als den stil- lebenhaiteu Wert des Werkes zu begreifen. Wahr ist, daß die artistische Behandlung allein den Maßstab zu geben vermag, inso- fern die Aufgabe als folcke vorausgesetzt wird. Es ist gleich- gültig, ob der Niinstler ein Madonuenbild malt oder ein Spargel- Bund, wenn der schöpferische All erst einsetzt, nachdem das Modell gleichsam gestellt ist. Mit Recht wurde auch jede literarische Er- findung als unwesentlich abgelehnt, insofern sie ein Thema stellt, dessen Behandlung wiederum in der Darstellung erst beginnt. Aber es gibt eiueu anderen Schöpfungsakt, den man geflissent- lich übersah. Michelangelo   malte nicht nur die Erschaffung des Adam. Er erlebte den Augenblick als ein sichtbares Symbol. Er illustrierte nicht eine Legende, sondern er schuf ein Bild, das der Vision eines Borganges äußer« Gestalt verleiht. Der siillebhastr Charalter des impressionistischen Kunstwerkes bannt da« Gemälde in einen engen Rahmen. TaS Bild wird zum objoot ck'art. ES will eine Kostbarkeit sein. ES verliert leinen Charakter, wenn«S sein Format überschreitet. Die Kunst der Impressionisten konnte darum nicht de» Weg zum Wandbilde finden. Landschaft, Porträt, Stilleben sind ihre Themen. Sie ertragen nicht jede Vergrößerung. So fielen die Monumentalaufgaben, die in der s�eit zu vergeben waren, den Vertretern einer unlebendigen Tradition historischer Kunst zu oder banalen Stilisten, die mit ornamentalem Geschick eins Wand aufzustellen verstanden. Nicht wenige versuchten, auf dem Wege einer bewußten Ab- straklion von der natürlichen Gegebenheit große Bildflächen zu be« zwingen. Ihren Lösungen eignet im besten Falle ein dekorativer Reiz. Andere vergrößerten nach akademischer Formel kleine Kom- positionSskizzen zu Wandbildern, die lediglich Häufungen von Einzelstudien bedeuten und aus einer Summe von Teilen vergebens zum Ganzen streben. Die einen negierten die impressionistische Bildformel, indem sie bewußt einer neuen Gestaltung entgegen- ginge», die anderen, indem sie einer Schultrodition treu blieben, die längst ihr Daseinsrecht für unsere Zeit verwirkt hatte. Auch die Poesie kennt diese Entwicklung. Die Sehnsucht nach einem Stile führte alte Formen wieder an die Oberfläche. Aber archaisierendes Wollen zeugt nicht das echte Werk. Aus den Be- dürsnissen unserer Zeit muß die neue Form gefunden werden. Die Gegenwart darf nicht ungestraft die Lehren der jüngsten Vergangenheit verleugnen. Die eigene Sprache unserer Zeit muß zum Stile sich steigern. Wir ertragen nur schwer noch die billigen Lügen der versteckten Exposition im Drama, aber die uralte Mouu- mentalform der unmittelbaren Einführung ist ebenso wenig an- wendbar für eine Dichtung, die den Geist unserer Zeit atmet. Noch täuschen die neuen Stilisten viele mit solchen erborgten Mitteln. Die Menschen sind ermüdet von dem Zufallsspiel der impressionistischen Kunst und atmen beglückt, wo eine feste Form sich bietet. Aber schon ist der erste Rausch vorüber, und Hohlheilen werden fühlbar, man spürt die Leere, die in der monumentalen Kontur sich verbirgt. Langsam reisen neue Kräfte der großen Form. ES handelt sich nicht um Fragen malerischer Technik allein. Die Bedeutsamkeit des Gehaltes muß der äußeren Dimension ein Recht geben. So lange Kunst heteronomen Zwecken dienstbar war, übernahm sie das inhalt- lich bedeutsame Thema aus den Händen der übergeordneten Mächte. des Staates, der Kirche. Da sie sich aus jeder Knechtschaft befreit hatte, erhob sie die Belanglosigkeit des Motivs zum führen­den Prinzip. Sie entfremdete sich dem Leben und grenzte ihr Reich init hohen Mauern gegen jede Nachbarschaft ab. Nun muß sie selbst ihre Form wieder mit Leben erfüllen. Sie schafft neue Inhalte. Ter Künstler erlebt die Welt. Sein Schauen ver- dichtet sich zu sichtbaren Symbolen. Die Stilsormel brachte historische und mythologische Vorwürfe wieder zu Ehren, die der konsequente Naturalismus aufs schärfste verpönt hatte. Aber weder die Götter der Griechen noch Walhall« Bewohner sind uns wahrhaft lebendig. Die Sonn« ist uns nicht Apoll   und nicht Baldur, sondern das strahlenbe Gestirn de« Tages. DaS gegenwärtige Leben ist nicht ärmer an typisch symbolhaftem Gehalt als irgend eine Vergangenheit. ES ist«ine armselige Hilfe, den Gleichnissen zu vertrauen, die andere Zeiten gebildet haben. Die Bilder der alten Götter sind nur mehr Zeichen, die Wissen und Aberglaube allein zu deuten verstehen. Historie ist nicht mehr Dichtimg, sondern Gelehrsamkeit. Die alten Helden sind entthront, und die neue Zeit gibt ihren Großen kein ewiges Leben im Olymp oder Walhall. Sie bleiben Menschen, auch nachdem sie gestorben sind. Die heroisierte Persönlichkeit wächst nicht zu iiberindividueller Bedeutung. Darum stehen nicht mehr Könige und Fürsten auf den Brettern unserer Bühne. I» der Borstellung deS Dichters weitet sich da« Erlebnis da« Alltag« zum Gleichnis der Menschheit. Sticht der Begriff verkörpert sich im Einzelwesen, sondern dessen Schicksal wird von den Schlacken zusälliger Sonderexistett?» gereinigt und offenbart den EwigkeitSgehalt aller irdischen Einmaligkeit. Diese« ist der Weg zur neuen Größe. Im Geiste deS Künstlers vollzieht sich der Prozeß einer Steigerung alltäglichen Erlebens zur Bedeutsamkeit eines bleibenden Symbols. Münchs Kunst ging diesen Weg. Die Reste sachlich illustrierender Elemente, die an manchen Stellen früher noch dem reinen Bilde auhasten, schwinden langsam. Die dimensionalen Grenzen, die der ehemaligen Form der Gestaltung immanent waren, sind überwunden. Die Kräfte de? Künstlers sind ftei geworden für eine wahrhaft monumentale Aufgabe. « Ein Kapitel aus dem gehaltvollen Werke, das Kurt Glaser Ed.uard Mun» widmet sVerlag von Bruno Eassirer, Preis 12 M.j..In dem Kampfe um die wildgärende neue Kunst spielt der vielen rätselhafte nordische Künstler eine wichtige Rolle als VorlSuser und Geburtshelfer. Aber darüber hinaus hat er seine Bedeutung ganz in sich. Mit tiefinnerem Verständnis stellt Glaser sein Wesen und Schaffen vor imS hin und sticht auch in den allgemeinen Fragen, zu denen da« Problem Münch führt, klärende Löiung. DaS Werk gibt charakteristisches Bildmaterial in guter Ausführung. Die Ztacht vor öem Kinöe. Ein Gespräch. Er: Haben Sie gelesen? Deutschland   bereitet ein Gesetz gegen die Flucht vor den, Kinde vor. Ich: Ja, ich lächelte über das unbegreifliche Versagen der deutschen   Nüchternheit im Erkennen dessen, was ist. Er: Wieso? Ich: Weil es doch nur eine papierne Verordnung bleiben könnte, an der das Leben mit seinen harten Geboten vorbeiflreß». Er; Oho! Gerade dieses Gesetz ist der verkörperte LebenS  - willen, es soll neues Leben schöpfen und daS Leben beschützen. Und übrigens ist ja die Flucht unsittlich, noch mehr, sie ist mmatürlich. Ich: verzeihe» Sie mir. daß ich mich mit Ihrer Anschauung nicht einverstanden erkläre. Erstens schafft uichl ein Gesetz da« Leben, sondern die Liebe der Geschlechter, jene köstliche Fülle der wundersainjten, entzückenden und reichbeglückenden Empsindungcn, die um den harten Alltag die goldblitzeuden Schimmer einer be- seligenden Illusion weben und im Volke der Dichter und Denker mit dem Hohenliede eines teilweise echten, teilweise don Sold- schreibern erlogenen Seelenlebens verherrlicht wird. Die regle- menrierte Liebe, in der die Kinderschöpsung das feinste und süßeste Mysterium mit dem Polizeigeist in Ber- biiidung gebracht wird, zerstört eine Ideologie, die als Teil der Gesellschaftsordnung nicht ohne Rückwirkung auf traditionelle Gefühle bleiben kann. Ferner kann kein Gesetz, daS den Befitzwahn und die Vorrechte beschützt, auch das Leben schützen. DaS vermögen nur Eltern und eine Gesellschaft, indem sie das Kind vor Hunger und Not bewahren, etwas, das man bis heute nicht erreichte. Und die beiden Begriffe unsittlich und unnatürlich? Wie oft erscheinen sie dem Denkenden im Betrachten der Erfahrungen und Erlebnisse als das Gegenteil. Er: Sie sind aber leider die Förderer der Flucht Ich: Ich werde Ihnen in kurzen Worten die Grundursache nennen: die sexuelle Not. Er: Was hat dieses Schlagwort in unserer Betrachtung zu suchen? Ich: Schlagwort? Es ist jener Begriff, in der sich alle Gesell- schastsbestrebungen wie in einem Spiegel sammeln, der uns, un- beirrt von rituellen oder staatsretterischem Pathos, den tollen Reigen von wirklicher Unsittlichteit und Unnatur zeigt. Die sexuelle Not ist der Aufschrei einer gequälten Menschheit, die unter der Zwangsvcrbindung von Sitte, Natur und Gesellschaft durch Jahr- tausende litt und instinktiv«kennt, daß der Lebenswillen, die Art- «Haltung, eben durch diese seine Beschützer am meisten bedrängt wird. Das Vergehen gegen die Natur bestand in der Besitzergreifung deS SittlichleitsbeguffeS durch die Religion. Diese bedang in ihrem asketischen Einschlag unbedingten blinden Gehorsam. Aber sie mußte die Versöhnung mit der bevorrechteten mächtigen GesellsSaftS- ordnung erstreben und geriet mit dies« in ein Schutz� und Trutz» bündnis, das die erste Verwirrung brachte. Jeder Zweifler an diesem Sittengesetzkompromiß wurde damit automatisch ein Negierer der Gesellschaftsordnung und umgekehrt. Darunter litt aber der Lebenswille und schuf in seiner Not ein ThaoS. Er: Ich begreise nicht Ich: Natur und Gesellschaftsordnung find Todfeinde. Der Lebenswillen als Naturtrieb mußte sich daher stets im Kampfe be- finden, ja noch mehr, im Existenzkampf mußten sie sich beide schwächen, um sich zu erhalten. Die Schwäche des einen bildet die Stärke des anderen. Der Lebenswillen schuf die Liebe der Ge- schlechter, die Gesellschaft und die Religion die Ehe, in der Kinder- gehorsam, wirtschaftliche Erwägung und Spekulation wieder die Vernunftehe die doch unnatürlich ist schufen und sie durch die Zeremonie heiligten. Di« Verbündeten errichteten die Ehe. umgaben sie mit Gesetzen, den Wert des LebenS  - willens erkennend. Aber sie sind nicht fähig au« Organisationsbedingungen heraus die Ehe zu schützen, auch nicht ihre Früchte. Ter Krieg, der Kampf um daS Brot, das Geld sie spielen mit der Ehe. zertrümmern sie und fresien sie auf. Die Kinder mit. Daraus entstand die sexuelle Not, die vor der Be- 'timmung der Arterhallung zurückweicht, um nicht unsittlich, unnatürlich zu werden. Denn sehen Sie, Kinder dem Leben weihen, um sie wieder verkommen zu lasse», dai ist uu- sittlich. Frauenkörpern unter Gefahren Früchte abringen, um die Friedhöfe zu süllen, daö ist unnatürlich. Eltern, die vor den Rindern zittern, Mütter, die es sein wollen, aber durch die wirtschaftliche Zwangsloge der gesellschaftlichen Gesetze nicht sein dürfen. Aerzte, die statt zu Helsen  , vernichten. Hebammen, die statt das Leben zu bringen, es töten da» alles bildet die sexuelle Not. llnd ihr steht gegenüber eine Gesellschaft, die kühl bleibt und nicht die Verhältnisse ändert. Wo ist da die Ilnnatürlichkeit zu suchen? Er. Das war. Nach dem Kriege wird eZ anders sein. Ich: Der Krieg schuf«ine Armee an Geschlechtskranken, Ehe- bräche, Millionen Waisen. Er riß die Geschlechter auseinander. gestaltete einen Massenkmper, den der Lebenswillen peitschte und der zwischen religiösen und gesellschaftlichen Gesetzen hin- und her- schwankte. Welche Bilder des Sterbens, die an den LebenSwilleu bergessen lasten. Ich sah eine Mutter, der drei Söhne fielen. Sie srug irrsinnig immerzu:Wozu gebar ich euch?' Er: Das ist ein Einzelschicksal, da« vor dem Großen verblaßt. Ich: Teilweise richtig. Aber dieser tzatz verlangt furchtbare Geltung, er ist dem vernehmbar, der hör t. Er huscht wie in einem entsetzlichen Bamr durch die weiblichen Beelen  , wird gesprochen. erlauscht und erwogen. Und dann kommt das Gesetz! Er: Di« Gesellschaft bat das Recht Ich: Die Menschheit allein hat Rechte: die Menschenwürde. Wie ist e« möglich? Ein Gesetz für die Entheiligung deS tiefsten Empfindens und der kargen Poesie, nnt der wir trotz allem Leid die Liebe zum Kind zu hegen vermögen? Ist es nicht eine Entwürdi« gnng des primitivsten Rechtes auf die sexuell« Selbstbestimmung de» Körpers? Und was ist mit den vielen, die nicht heiraten dürfe» nach diesem Gesetz nämlich, weil die Kinder die unglückseligen Erben einer furchtbaren, im Kriege ja so entsetzlich zahlreich er- worbenen Golchlechtslrankheit würden? Er: Selbstbeherrschung und Entsagungl Ich: Glauben Sie daran? Er: Die Aerzte werden diesen Frauen die Mittel zur Verhütung des Segens freigeben müssen. Ich: Und der Mann oder der Bräutigam werden der Geliebten die Bescheinigung ihrerichimpslichen' Krankheit beibringen, auf daß sie beim Arzte die KiudeSverneinung bewerkstelligen kann? Welch ei» Kulturdokument der neuen Zeit,«in Gesetz der Mutter- schuft I Er: Zum Glück denken nicht alle so wie Sie. Ich: Leider nicht, denn sie fürchten und hassen, wo ich liebe. Ja, Menschen wie ich lieben da« Kind, es soll ein Göttergeschenk an zwei Liebende sei», den Bund einer seelischen und körperlichen Ber- einigung krönen. Ich denke mir das Kind als einen weiteren Bau- stein zur Kultur, zur Veredlung und als Sühn« für da« Verbrechen an der Menschheit, daS jetzt Ströme von Blut über Europa   rinnen läßt. Ich erhoffe eine Zeit, in der man iin Kinde den größten Elücksipender verherrlichen wird, eine Zeit, in der es irrende und obdachlose Kinder nicht geben kann. Ich liebe das Kind als Juwel deS liebenden Bunde«, aber nicht al« Produkt von in Kriegsdienst- leistung gestellten Sexualorganen. Die meisten anderen aber, die nichr so denken wie ich. sie fürchten daS Kind. Er: Und da« Gesetz gegen die Flucht vor dem Kinde? Ich: Wird in Deutschland   abgelehnt werden, wenn Mutter- schast. Liebe und Kind nicht entwürdigt werden sollen. Er: Und wenn eS doch angenommen wird? Ich: So werden die Rifikoprämien für Aerzte, Industrien und Hebammen steigen dadurch die Honorare. Im ganzen werden erhöhte Kindersterbliihkeitsziffcrn LueS, Hunger mehr Kinde«- morde, sich durch Selbsthilfe verkrüppelnde Frauen und mehr zerstörte Ehen sein. Ja, der Lebenswillen läßt sich nicht militärisch organi- sieren. Er: Aber in Deutschland   wird doch Ich: Täuschen Sie sich nicht. Ein anderes Deutschland   plant jetzt Gesetze, ein andercL wird darüber beraten oderMerhoupt nicht beraten. I o h. Ferch. Der Schöpfer öer vergleichenden Sprach- Wjsienjchast. Zum 50. Todestage Franz Bopps. Franz Bopp   hat eine neue Welt enldeckl. Fernen der Gesckichie. die bis dahin dicht verbangen waren, hal er unserm Blicke eröffner, den Stammbaum des Menschengeschlechts ermittelt und die wunder« barste Schöpfung des Menschen, die Sprache, in einem ganz neuen Lichte gezeigt. Das alles ist das Werl   der vergleichenden Sprach- Wissenschaft, und diele Wissenschaft ist eine Schöpfung von Franz Bopp  , der als der Sohn eines kurfürstlichen Marslallbeamieu ani 14. September 17V1 zu Mainz   daS Licht der Welt erblickt ha: und schon in jungen Jahren infolge der Besetzung von Mainz   durch die Franzosen mit dem kurfürstlichen Hofe nach Aichaffenburg kam. Dort erhielt sein Leben die Richtung, die es für immer beibebalten hat. Sein Lehrer Windischmann lenkte ihn aus die Sprachforschung, erweckte seinen Eiter und seine Teil- nähme für den Orient und wurde so für seinen Lebensweg bestimmend. Der junge Bopp ging»ach Paris  , um sich den orten- taliichen Studien zu widmen. Seit der Eroberung Indiens   durch die Engländer war nach Europa   die Kunde von der wundersamen. höchst altertümlichen, an Schönheit reichen Sanskrit-Sprache ge­drungen. die Schätze edelster Poesie und Weisheit bergen sollte. Noch aber war die Zahl derer, die Sanskrit konnten, ganz be- schränkt in Deutichland hotte sich nur Friedrich Schlegel   damit befaßt; an wissenschaftlichen Hissmitteln, Grammatiken, Wörter- büchern, Texten fehlte eS im empfindlichsten Maße, und der Pariser Prosesio: de Ebszy, der SanSkrir lehren sollte, war vielmehr auf jeden Eindringling in dies von ihm allein gehütete Heiligtum eiser« süchtig. Bopp, von seinem natürlichen Sprachgenie geleilet und getragen, überwand alle diese Schwierigkeiten, drang mit fort- schreitender Sicherheit in die SonSkril-Texle ein und erfaßte alsbald das Gesetz und die Bedeutung dieser Sprache mit ungleich größerer Tiefe als alle sein« Vorgänger. Daß zwischen dem Sanslrit und den europäischen   Sprachen Verwandtschaft bestand, war alsbald bemerkt worden. Bopp aber vermochte gleich in seiner Erstlingsichrist über das Konjugations­system<Abwandlung des Zeitworts) im Sanskrit da? Gesetz dieses Teiles der Sprache unter Vergleichunq mit dem Griechischen, Lalei- nischen. Persischen und Gotischen festzustellen. Zugleich förderte er das Sanskriistudium durch die Veröffentlichung und lieber- setzung ausgewählter Texte. Die« war die Frucht seiner Studienjahre in Paris   und später in London  , die er der Unterstützung de« Königs Max I. von Bayern  , de§ Krön- Prinzen Ludwig und der Münchener Akademie verdankte. Man interessierte sich in München   für den jungen Aschaffenburger  Gelehrten weil Aschaffenburq inzwischen bayerisch geworden war. Als nun aber Bopp, aus London   heimgekehrt, sich nach fester Stellung und Versorgung umsah, da fand er wohl viel guten Willen und eS gab lange Verhandlungen, aber die Universitär Würzburg  . an der man ihm eine Professur zugedacht halte, erklärte das Sanslrit ftir einen literarischen Luxus-, ein anderer Posten fand sich iiir Bopp zur Zeit nicht, und so mußte er unverrichteter Sache abreisen. Er ging zuerst nach Göttingen  , wo ihm ehrenhalber die Dolior- würde übertragen wurde, dann nach Berlin   und hier entschied sich sein Schicksal. Hier fand er in seinem großen Freunde und Schüler Wilhelm v. Humboldt  , den er in London   kennen gelernt und in das Studium des Sanskrits eingeführt hatte, einen treuen Gönner; hier brachte man ieinen Studien und Leistungen warmen Anteil cnl- gegen, und bald sah er sich i» eine Professur berufen, die schon nach wenigen Jahren zum Ordinariate erhoben wurde. In Berlin   hat dann Bopp seine dauernde Wirkungsstätte gefniiden und sein Lebens- werk vollendet. Im Mittelpunkt dieses Werkes, neben zahlreichen einzelnen Unter- suchungen und kleineren Schriften, steht die berühmteKritiiche Grammatik   der Sanskrit-Sprache', deren erste Auflage Bopp in den Jahren 18331842 vollendet hat. Die Größe dieses einzigen Werkes bestand nicht nur in dem großartigen Umfange des darin verarbeiteten Sprachstoffes, der sick nach einem Ausdrucke Adalbert Kuhns in den verschiedeusien Gestalien von den Usern des Ganges   und Indus durch den größten Teil des siidlvestlichen Asien  « und fast ganz Europas   bis zu den Eisbergen Islands ausdehnt, sondern vor allem in dem bündig geführten Nachweise, daß alle diese Sprachen von einer gemeinsamen, uns nichr mehr erhaltenen Muttersprache abstammen, deren Gebilde wir, ob- zwar sie uns verloren ist, großenteils mit voller Sicher- hsit wiederherstellen können. Auf diesem sicheren Grunde führte Bopp daS großartige Gebäude der neuen, qeketzinäßigeie Sprachvergleichung durch, durch die die inuerste Werkstatt des Werdens und Schaffen« der Sprache entschleiert wurde. Nack allen Seilen hat Bopp bis zu seinem Lebensende er starb am 28. Ol» tober 1367 diese seine gtvße Schöpfung und Entdeckung aus- gtbaut; er bat noch die Genugtuung erlebt, daß die Philologen der strengen Observanz, die anfänglich von dielenSpielereien" nicht« wissen wollten, vor seiner Leistung kapitulierten und selbst die Be- rückfichtigung der Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung im Unterrichte der alten Sprachen auf den Schulen beschlossen. »Die im Schatten leben." Rosenows vieraktigeS DramaDie im Schatten leben" bat sich noch immer nur vereinzelt den Weg auf die Bühne öffnen können. Zwar ist sein LustspielKater Lampe" hoffähig geworden, aber daS düstere Bergarbeiterdrama des Sozialdemokraten, das doch so gar nichts Sozialdemokratisches an sich hat, ist für die allermeisten Bühnenleiter noch mit dem Bannstrahl belastet, den einst der Ber  - liner Zensor schleuderte, als dieFreie Volksbühne" es ausfuhren wollt«. Dem Umstände, daß der Sozialdemokratische Parteitag in einer süddeutschen Stadt versammelt ist, verdankt da» Werk die Eroberung der Bühne in der fränkischen Bischofsstadt. Das Stadttheater in Würzburg   widmete den Delegierten des deutschen  Proletariat? eine Aufführung des Rosenowsch-n Werkes. Sie war im ganzen koohlgelungen, wenn auch das westfälische Platt einigen Darstellern unüberwindliche Schtvierigkeiten machte. Die Wirkun-- des Dramas war tief. Erschütternd griffen im zweiten und dritten AH die tragischen Szenen in der durch die Gruben latastrophe aus- gewühlten Bergavbeitersamilie auf die Zuhörer über. Diese stäri- sten Teile des Werkes von Roienow erwiesen sich auch diesmal als von großer dramatischer Kraft. Das ausverkaufte.ftauS dankte den Darstellern durch anhaltenden Beifall als der Vorhang sich hinter dem letzten Akte geschlossen hatte, und ehrte damit zugleich den toten Dichter, dem hoffentlich die anbrechende neue Zeit späte Gerechigkeit widerfaheen läßt. v. s. Notizen. DaS Schiller-Theater O. wird am 1. September 1918 daS Wallnetbeater verlassen, da der Pachtvertrag nicht erneuert wurde. Hier wird sich dann eine Volksoper auftun. Das Schiller» theater wird in einem der Vororte ein neues Heim zu gründen streben. Vorträge. Ter Verlag Paul Eassirer veranstaltet Biktoriastraße 3b den ersten seiner Vortragsabende am Dienstag. den 23. Oktober. Gustav Landauer   spricht überGoethes Beziehun- gen zur Dichtung unserer Zeit". Ludwig Wüllner   trägt Werke Goethes vor. Im L e s s i n g- M u s e u m spricht Donnerstag Dr. Roth über Andrea« Hoser in Geschichte und Dichtung. In der Urania   spricht Mittwocb. abends 8 ljhr, Pros. Dr. Eucken aus Jena   überDeutschlands   Leistung für die geistige Befreiung der Menschheit". E i u Erdbeben in Bulgarien  . Am 18. Oktober, um 8 Uhr 18 Mumien abends, verzeichneten die Seismographen von Sofia   den Beginn eine« örtlichen Erdbeben«, dessen Herd ungefähr -2b Kilometer von Sofia   lag. Der zweit« Stoß war der stärkste. Mehrere Gesimse un» einige Rauchsänge stürzten ein. Im Westteil Buhgarirn« waren dt« Erdbeben schwächer und richteten keinen Schaden an.