des Ki Na»«'immlt ZHanas des �üelheitS- kampfeS, ein Manifest des für die Menschheit wirkenden Geistes. Ä'llen Ernstes erstrebt Heinrich Mann in diesem Roman die Jdenti- fizierung seines menschlichen und künstlerischen Ichs mit der lei- denden Masse der Armen. Hier heißt es„wir Armen", und dies ist eine Herausforderung, ist Auflehnung und Kampfansage gegen die Macht. Die Macht, die der freien Entwicklung des Menschlichen inr Menschen entgegensteht, ist hier das Kapital und sein Großsiegel- bewahrer Geheimer Kommerzienrat Diederich Heßling , Beherrscher der Papierfabrik Gausenfeld. Im Glauben an sein angemaßtes Herrentum sitzt er sicher und wohlgeborgen mit seiner verderbten Sippe auf„Villa Höhe". Die Selbstverständlichkeit des Besitzes und bevorzugte? Stellung hat die Begriffe des Rechts in ihm aufge- Koben und i» die eines bürgerlichen GotteSgnadentumS gewandelt. Ohne durch eine menschliche Qualität diesen Anspruch zu begrün- dxn, glaubt er sich berechtigt, eine Masse von Proletariern, die nur der Zufall der Geburt und wirtschaftlicher Schwäche ihm unter- stellt, gebrauchen und handhaben zu dürfen wie seine Maschinen. Das ist der verruchte Mißbrauch der Macht, das Verbrechen wider den Geist. Sein Antipode in der Welt der Armen ist der junge Arbeiter Karl Balrich. in dem sich die Sehnsucht der Unfreien nach Areihcit verkörpert. Die Erkenntnis der Widersprüche und Irr- tümer in der bestehenden Ordnung und sozialen Gruppierung, im Gegensatz der Klassen wird in chm zunächst Anlaß zur inneren Auf- lehnung. Zum Handeln drängen ihn erst Motive persönlicher Art, denn er flndet ein wenn auch unbestimmt verbrieftes Anrecht auf den Heßlingschen Besitz. In Berufung darauf will er den Kampf aufnehmen, aber sein Gewinn soll allen gemeinsam sein; er will die sozialistische Tendenz verwirklichen. Diesen Kampf mit der Macht um das Recht schildert das Buch. Zwischen den Kämpfenden aber steht eine dritte Gruppe von Lauen, die Kompromißler, die es mit keiner Seite verderben mögen und sorgen, daß für sie etwas abfalle, die Abtrünnigen und Verräter. Hier stört nur die llnmög- lichkeit einer Figur, die des nach französischem Muster gemodelten Abgeordneten Fischer, dessen zweifelhafte Politik in der Partei nie- malS Raum ftnden würde. Deutlich vernehmbar klingt am Schluß das Grundmotiv des Buches auf: noch besitzt Nächstenliebe nicht die genügende Kraft, um in der menschlichen Gesellschaft die Eigensucht zu verdrängen, und es geschieht nichts gegen das eigene Interesse. Mann fordert den Menschen, der Opfer bringt, damit die nach ihm es besser haben. Es ist der Ruf nach dem Erlöser, und er richtet sich an das Individuum. Aber unsere Gesellschaft ist nicht mehr so organisiert, daß sie vom einzelnen die Erlösung erwartete, noch er- warten dürfte. Bitter bezichtigt Mann der Trägheit des Herzens die genügsam Lebenden, voll Zorn und Aufruf, aus der herben Er- kenntnis: so ist die Welt, anders muß sie werden, wenn unser Leben einen Sinn haben soll. In diesem Buche findet der Dichter der Armen nicht das Wort der Erlösung, nicht einmal das der Lösung. Ein Waffenstillstand zwischen Macht und Umsturz ist das Ende. Der Einbruch einer noch brutaleren, bedrohlicheren Machl, des Krieges, hindert den letzten AuStrag, während Balrich erkennt: „Ich hatte Teil an meiner Aeft und büße für sie; die? ist das Ende." DieS ist vielleicht der wertvollste Satz in diesem ganzen Bande. Seine Menschen find noch nicht die Helden der neuen verheißenen Zeit, aber ebensowenig die unserer Wirklichkeit. Nur einer unter ihnen, ein Knabe noch, Hans Buck, der einzige, der alles freiwillig erträgt, der trotz seines Reichtums sich den Armen verbrüdert, der sein Milleid. sein Geld, seine Liebe und sein Blut hingibt für die Enterbten, ist so beschaffen, wie die neuen Menschen die Gesetze bäberer Menschlichkeit voraussehen. Er ist der erste Bürger der zukünftige» währen Demokratie, zu der dieser Roman aufruft. Ahn müssen wir lieben.' Der Roman fuhrt nicht dichterisch, doch menschlich über den shi Honischeq Organismus der„Kleine» Stadt" h'.aaus. die als letztes Äuck die Cefamtausgäbe vo« Heinrich Manns Prosa beschließt und gleichsam als shmbolischeS TueKlatt vor einer neuen Folge andersgearteter Werke steht, die mit den„Armen." begonnen ist und in denen da» Geistig-politische beherrschendes Thema ist. � C urt Mo reck. „Die Armen"(Titelblatt von Käthe Kollwitz ) erschien im Ver- lag Kurt Wölfft Leipzig ; geheftet 3,50, gebunden 4,50 M. Die Lebensmittelkarte öer Natur. Untrennbar von dem Begriff de« Herbste» ist die Lorstellung von Sterben und Rot. Der Gegensatz zwischen dem Blumenreichtum, dem Vogelfang und Jnsektenfummen im Sonimer und der Ver- ödung der Fluren im Spätherbst drängt zwingend zu dem Glauben, daß nun für Pflanze und Tier draußen eine Zeit de» BerzichteS, absoluter Einschränkung und de? Darben« beginnt. In Wirklichkeit trifft die« weder für Tier noch Pflanzen zu. So weit ihr« LebenZuhr nicht überhaupt mit den Sommermonaten abgelaufen ist. bedeutet der Herbst für fie eine Zeit der Feste und der Winter die ruhig« Period« eines Behagen«, in der fie geborgen von dem schmausen, wa« ff« in den langen Monaten der schönen Jahreszeit beiseite gebracht haben. Wohl sterben in den sechs Wochen zwischen Ende September und Mitte November jäbrlich Milliarden von Kräutern, Kerftieren und und noch kleineren Wesen, aber sie würden das Zeitliche auch dann segnen, wenn die Sonne sich nicht dauernd hinter Wolken verstecken und die Temperatur sich nicht mit Vorliebe um den Nullpunkt herum ballen würde. Sie find alle kurzlebig; ihr Dasein ist nur auf einige Monate, höchsten» ein halbe» Jahr bemessen, und fie haben dazu eben nur mit Geschick die guten Monate sonnigsten Lebensbehagens gewählt, um ans Licht zu kommen. Keines von ihnen lebt aber länger, auch wenn man es in die Tropen verpflanzt und es dort gedeihen könnte. Nicht der Herbst bringt sie um, sondern ihr„Allerg nämlich die Bollendung ihres Lebenskreises. Die anderen verstehen sehr wohl zu überwintern, und es ist ichr anziehend, ja mehr als das, e« ist für den Soziologen höchst belehrend zu sehen, mit welch' vollendeter Meisterschaft fie sich hier- bei einzurichten wissen. ES beginnt um diese Zeit in der Zellen- gemeinschaft ihres Körpers eine andere LebenSmittelberteilung als im Sommer, von der jeder von uns als Nehmender und Gebender lernen kann. Wählen wir als Beispiel eine der Schnecken, die in den Rächten, da die ersten Fröste ihr Futter welken lassen, ihre HauStür schließt. Sie scheidet an dem Teil ihrer„Fußiohle", der der Gehäufemündung zunächst liegt, eine ziemlich feste Kalkschicht aus, die an der Lust erhärtet und den Schalenmund gegen die Außenwelt absperrt. Jedermann hat schon solche eingedeckelte Schnecken gesehen und die Köchinnen in Süddeutschland , wo Schnecken gern gegessen werden, wissen sie auch wohl zu schätzen, gelten fie doch als besonders»fett'. Sie haben eben Sommers über Reserven zurückgelegt. Das heißt: sie haben in denjenigen Teilen ihre« Zellenbaues, in denen nicht lebhaft gearbeitet wird, Fettkügelchen und Eiweißkörnchen gespeichert. Run werden diise herangezogen. Aber es geschieht mit Bedacht. Ein wohlabgewogene» System der Lebensmittelverteilung stellt sich in der Zellengemeinschast ein, das man gar nicht ander? beschreiben kann, al« wenn man e» in die Ausdrücke kleidet, die im vierten Kriegswinter jedem von uns geläufig find. Eine Musterung findet statt, welche die Schwerarbeiter, die dem Wachstum des Volkes dienenden Zellen und die große Menge der Volksgenossen aus andere Rationen setzt. Die Zellen, welche bisher geatmet haben, schränken ihre Tätig- keit ein, bekommen jetzt auch weniger Stoffe geliefert. Immerhin gelten sie noch als Schwerarbeiter, deren Anteil an Nahrung noch immer höher bemessen wird ols sonst. Die Muskeln dagegen ruhen in dieser Zeit absolut, ebenso viele der inneren Organe. Sie ver- fallen in eine Art Starre und bescheiden sich mit einer geringsten Menge von Nahrung. Auch die Organe des Kreislaufes arbeiten und essen reduziert. Dogegen behalten die Fortpflanzungszellen ihre Ration. Unglaublich durchorganisiert ist diese Neuordnung des ge- samten Staatshaushalt« und so wohldiszipliniert ist die.Menge', daß eS keine Versuche zu Hamstern, freilich auch keine Enterbten gibt, denen der Hungertod droht. ES ist der Wissenschaft kein Fall be- kannt, daß ein überwinterndes Tier, wenn eS nicht an sich krank war, verhungert wäre, weil seine Reserven nicht reichten. Viel besseren Einblick in die während des Spätherbstes ein« setzenden Vorgänge hat man bei den überwinternden Pflanzen, deren innere Welt dabei die erstaunlichsten Bilder erschlossen hat. Wählt man als Beispiel irgend einen Baum, etwa eine Linde, so tritt man in hen Oktobertagen in«ine Fabrik mit 24stündigem Hochbetrieb, wenn man sich ans den hier leicht anzustellenden mikro- skopischen Untersuchungen die Vorgänge rekonstruiert, deren Spuren sich in den Zellen feststellen lassen. Im Stamme eines solchen Baumes sieht eS aus wie in der Entwässerungsanlage eines Bergwerke?. Röhrenleitungen sind ge- legt in großer Zahl, in denen Wasser emporsteigt auS der Erdtiefe bis hoch hinauf in die letzten Zweige. In anderen Röhren sinken kostbare Nutzstoffe, die von den Blättern geschaffen wurden. Zucker wird nach abwärt» befördert und in besonderen dünnen Strängen auch Eiweiß, das kostbarste aller Nahrungsmittel. In leisem Zug gleitet daS alles auf und ab, und jetzt im Spätherbst find die ab- steigenden Eimer in der Ueberzahl, denn der sich einwinternde Baum Holl auS seinen Blättern im Oktober mehr heraus, als er ihnen sendet. Er leert sie sogar völlig aus, räumt alles fort aus ihnen. Und ist er damit zu Ende, sperrt er ihnen plötzlich die Wasserzufuhr. Während der AusräumungSarbeiten verlieren die Blätter ihre frische grüne Farbe, werden gelb und braun und nach dem Tage ihrer Ausstoßung auS der Zellengemeinschast vertrocknen sie an den Zweigen, wenn fie nicht vorher abfallen. Es liegt keine Grausamkeit, keine„brutale Aussperrung' in diesen Vorgängen, denn daS vergilbte Blatt lebt nicht mehr; die darin sitzenden lebenden Arbeiter sind schon vorher durch den Stiel zurückgewandert in den Stamm. Der aber ist nun um vieles bereichert und wie ein Magazin gefüllt mit Stärkemehl und Fett. ES ist verwunderlich, daß man in unseren Tagen der Not, wo man alles ergreift, das nur etwas Aussicht auf Erfolg bietet, noch nicht daran gedacht hat, diese Slärkemehl- und Fettvorräte des Walde? auszubeuten. Technisch möglich erscheint eS wohl, um so mehr, als eS tropische Bäume, z. B. die Sagopalmen oder die Palmfarne, genug gibt, aus deren Stamm man längst Mehl gewinnt, indem man die Bäume fällt, ihr innerstes Holz, das Mark, herauskratzt, und mittel» Sieben so- lange wäscht, bis man genügenden Bodensatz aus Stärkemehl erhalten hat, au« dem man den von uns wohlgeschätzten Sago herstellt. Die ersten Vorwintermonate wären in unserem Klima die rich- tige Zeit zur Banmmehl- und Baumfettherstellung, denn just um die Wochen, da die Bäume wieder entblättert dastehen, ist alles, wa» sie im Laufe der schönen Jahreszeit.Hamstern" konnten, in ihrem Stamm bereitgelegt als Wintervorrat, der nun weise an die bedürftigsten Teil« abgegeben wird. Van, leise und langsam steigen auch Winter« über die Eimer im inneren Röhrenwerk der Pflanze auf und nieder, denn wenn sie auch scheinbar erstorben ist, ihr Leben ruht dennoch nicht. Sie atmet, produziert Wärme und schützt sich so vor dem Erfrieren. Im Inneren eine? Baumstammes hat es selbst bei schneidendem Frost ein bis zwei Grad Wärme, und da« be- deutet manchmal eine Temperatursteigerung von 30 Proz. und dar- über gegen die Außenwelt, also eine gewaltige Arbeits- und Heizleistung. Geheizt wird eben mit Fett, daS durch die Atmung verbrannt wird. Außerdem ruht auch die Arbeit in den Knospen nicht vollständig. Bis gegen Weihnachten wird an ihnen gebaut und heimlich gebastelt, und wenn auch schon vor dem Abfall der Blätter deS«inen Jahres die d«S kommenden wohlverpackt in ihren Knospenhüllen im großen ganzen fertiggestellt sind, so werden doch die letzten Feinarbeiten daran erst im November, also gerade in den Tagen geleistet, in denen man so viel vom Sterben und müden Erstarren der Natur fabelt. So durchzieht ein heimliches Fließen und Strömen den viel- taufendkammerigen Zellenstaat der Pflanze zu jeder Zeit. In jeder Kammer haust ein kleiner Bewohner, der sich um Sturm und Herbst- nebel, um Winterfrost und sonnenlose Tage nicht schiert, sondern in einer ihm zusagenden behaglichen Wärme kleine Wanderungen in seinem Häuschen ausführt. Die Nadelbäume sehen z. B. deshalb von November ab viel dunkler aus als im Sommer, weil sich ihr Blattgrüninbalt dann in das Innere der Zellen zurückzieht und von der kalten Fensterseite wegwandert. Jedem Zellenbewobner wird täglich und stündlich von Staats wegen nicht ein BerechtigungS- schein zum Erwerb von Lebensmitteln, sondern in idealer und richtiger sozialer Fürsorge gleich sein Quantum Nahrung selbst zu- gestellt. AuS dem StaatSmagazin der Stärke-, Eiweiß- und Fett- Vorräte wird eine Lösung bereitet, in der eine wohlabgewogene Menge dieser drei auch für den Menschen unentbehrlichen Nahrungsstoffe gemeinsam verarbeitet ist. Und diese Lösung wird zuerst im großen gemeinsamen Röhrenwerk der„Ge- säße' von Stockwerk zu Stockwerk gepumpt. Dann ver- breitet sie sich in den Zellwänden durch eine geniale Anwendung deS Gesetzes der.Osmose'. Dieses Gesetz besagt, daß wenn zwei Lösungen verschiedener Konzenttation durch eine dünne Wand von besonderer Struktur von einander getrennt find, von der konzen- trierten Lösung durch diese Wand so viel in die andere hinüber- wandert, bi» eine gleiche Verteilung erreicht wird. Es sieht sich also durch diese Gesetzmäßigkeit jede Zelle gezwungen, sich ganz gleichmäßig mit der.Nährlösung' zu sättigen. Würde eine mehr aufnehmen, muß sie an ihre Nachbarin durch die Wand hindurch den Ueberschuß.osmotisch' abgeben. ES gibt aus diese Weise keinen Hunger, aber auch keine Bevor- zugten. Standig kreist die Näbrlösung im ganzen Gebäude, und ein prachtvoller sozialer Ausgleich sorgt für die Wohlfahrt aller. So verbringt ein Baum im Späiherbst seine Tage. Unter seinen Zweigen aber schreiten sorgenbcladene Menschen, den Kopf voll von Hoffnungen, Entwürfen, voll Kampfgedanken und Wünschen. die einen verzweifelnd daran, welch' böser und grausamer Dämon fie wohl in die Welt gesetzt hat, die andern stolz und hochmütig im Getühl ihrer satten Gottähnlichkeit, fest überzeugt, daß mensch- liche» Genie geboren sei zum Herrscher der Erde. In den Zweigen aber verfängt sich der tzerbstwind, fie beugen sich vor ihm mit einer seltsamen hoheitsvollen Gebärde, die dein, der im Walde lesen kann, sagt: Ihr werdet vielleicht einmal bewußt und auS Einficht alles das haben, was ich längst schon geworden bin•— ich aber bin... R. Frane«. Kammerfpiele:»Kinüer Ser IreuüeV) Der neue Einakterzhklus des Wieners Felix Saite» zeigt wie sein früherer„Vom andern Ufer" Geist und Sinn für Psycho- logisch abgetönte Pointierung. Das erste Stückchen„Von ewiger Liebe", welches da« so oft ironisierte Thema im Rahmen einer originell ersonnenen, reiz- voll neuen Situation beleuchtet, erscheint mir als das reichste. Ein junger Mensch, der vom Glück verwöhnte Liebling seines alten Vaters, hat in der Verblendung törichter Liebcsleidenschaft— seine Angebetete ist einem anderen verlobt— sich töten wollen und den Entschluß in einem wunderschönen Briefe der Dame mitgeteilt. Dem Arzt gelingt es, den Schwerverwundeten zu retten. So kehrt er in das Heim zurück, jedoch von Grund aus umgewandelt: Das Leben, das er fortgewocfen, dünkt ihm ein unermeßlich hohes Gut. und in dem Strome dieses Glücksempfindens taucht jeder andere Gedanke unter. Mit prachtvoller Frische kam diese Stimmung. die Rührung und jubelnde Freude, noch auf der Welt zu sein, im Spiele Hermann T h i m i g s zum Ausdruck. Die Szene des Wiedersehens mit dem gütig weichen, in der Ergriffenheit ver- stummenden Vater(Ferdinand Bonn) wirkte stark und kraftvoll. Ein Zufall führt die Dame, der er den Abschiedsbrief geschrieben, wie ihren peinlich korrekten Bräutigam(höchst ergötzlich von Gülstorfs dargestellt) ins Haus. Die Probe, die er abgelegt. hat ihrer Mädcheneitelkeit so sehr geschmeichelt, daß sie nunmehr gewillt scheint, die Bräutigame zu wechseln. Feinsinnig ist die Komik des Kontrasts im Dialoge durchgeführt. Je eifriger her junge Mann betont, daß sie von jeder Schuld an seinem törichten Beginnen frei sei, je mehr zieht sich ihr hübsches Lärvchen in die Länge. Das arme Fräulein tröstet sich indessen bald, der bereits abgedankte prosaische Bräutigam wird wieder in Gnaden aus- genommen. Die jnjei anderen kleinen Komödien„Auf der Brücke" und „Lebensgefährten"(deren Hauptrollen gleichfalls ausgezeichnet durch Johanna T e r!v i n, Rosa B e r t e n S und wiederum durch die Herren Bonn und Thimig vertreten waren), wandeln aus gebahnten Gleisen. Beide spielen in Schauspielerkreisen. Die erste handelt von einer dem gefährlichen Alter nahen Virtuosin, die die Illusion, noch jung zu sein, nicht lassen will und dabei die bittere Erfahrung macht, daß das junge Bürschchen. mit dem sie kokettiert. der Sohn einer gleichaltrigen ehemaligen Schulkameradin ist. �Tas Schlußstück zeichnet einen Virtuosen, der, im Schwünge blinder Eitelkeit den Frauen noch überlegen, sein Jubiläum feiert. Bahr und Schnitzler haben solche Mimen-Thtzen bereits des öfteren und mit großem Glück auf der Bühne porträtiert. Die Pointe ist von evigrammatisch scharfer Charakteristik. Die abgeblühte Frau deS Gefeierten, der sich nie um sie bekümmert, will nach jahrzehntc- langem stillen Dulden ibm endlich seinen starren Egoismus, fein Unrecht anklägerisch vor Augen halten. Just an dem Tage seines Jubiläums. Noch trunken von den Ehrungen, die man ihm im Theater bereitete, stürmt er ins Zimmer, den OrdenSsKmuck für die Festtafel anzulegen. Sie hält ihn zurück. Doch kaum, daß sie begonnen, fällt er in der naiven Meinung, sie wolle ihn an seinem Festtage mit einer Tankesrcde ehren, der Frau ins Wort und spinnt das Thema seines Glücks und Ruhmes behaglich oratorisch weiter aus. Sie muß ihn laufen lassen, ehe sie selber noch etwas sagen konnte. Der Panzer seines Selbstbewußtseins ist für keinen Vfejl durchdringlich. Eine Fülle satirisch treffender Beobachtungen belebt das Bild, in dem nur ein Zug zu deutlich absichtsvoller Konstruiert- heit stört._ dt. Sernharü Saumeister. Wenn ein Neunzigjähriger stirbt, so pflegt das im allgemeinen nicht unerwartet zu kommen. Beim alten Baumeister ist es doch der Fall: seine Lebenskraft und Lebensfrische als Mensch und Künstler schienen so unverwüsllich, daß man an seinen Tod einfach nicht glauben mochte. Nun ist er doch dahingegangen und uns ist nichts übrig geblieben, als die unauslöschliche Erinnerung an eine der stärksten, gesündesten und liebenswürdigsten Künstlerpersönlich-' ketten unserer Zeit. Denn unsever Zeit gehörte er an, obgleich sich schon unsere Väter und Großväter<tn sdiner Kunst erbauen und erHestern durften. Mit Sonnenthal und LewmZky bildete er, einst das klassische Drettzeftirn qm Himmel des Wiener Bürg' theaterS . Er war der älteste von den Dreien und hpt die beiden andern um mehrere Jahre überlebt. Während die jüngere Generation zu dem etwas süßlichen Poseur Sonnenthal und dem kühlen Sprechkünstler LewinSky kein Verhältnis mehr zu ftnden wußte, blieb Baumeister der Liebling nicht nur des Publikums, sondern auch der modernen Bühnenkünstlerschaft, die den alten Burgtheaterstil überwunden zu haben meint«. Denn seine Kunst ließ sich nicht in daS äußerliche Schema eines Stils zwängen, sie war vollkommen wurzelecht und vollkommen persönlich. Sein Rollenverzeichnis umfaßte ein sehr weites Gebiet von her herbsten erschütterndsten Tragik bis zu den sonnigsten Gestalten der klassischen Komödie. Aber mochte er den Erbförster, den Richter von Zalamea oder den Wachtmeister in„Minna von Darnhelm" geben, er brauchte seine Natur nie zu vergewaltigen, er durfte stets aus den Rollen schöpfen und jede seiner Figuren stand vor uns, aus einem Gusse, lebenswahr in jedem Ton und jeder Ge- bürde. Die großzügige Einfachheit, die alles Bühnenpathos und alle Pose verschmähte, erschütterte in tragischen Momenten ebenso stark, wie die biedere, kernige Liebenswürdigkeit und schalkhafte Graz!« seiner Lustspielgestalten bezauberte. Dem Mimen flicht die Nachwelt kein« Kränze— aber die Mitwelt, die länger al? zwei Menschenalter hindurch sich an der Kunst Bernhard Baumeisters erbauen und erfreuen durfte, wird ihm noch lange ihre Liebe und Dankbarkeit bewahren. Notizen. — Auch«ine Rangerhöhung. Amtlich wird mitgeteilt: Nachdem durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. Oklober die BundeSratSverordnung vom 8. März dieses Jahres„über den Verkehr mit eisernen Flaschen" auch auf verflüssigte und verdichtete Gase ausgedehnt worden ist, wurde der bisherige„Kommissar sür die Bewirtschaftung eiserner Flaschen für verflüssigt« und ver dichtete Gase', Wirkt. Geheimer Ober«Regicrung«rat Jäger, zum„Kommissar für die Be- wirtschaftung der verflüssigten und verdichteten Gase sowie der dazu erforderlichen eisernen Flaschen' bestellt. — Vorträge. Am 30. Ott. und 6. Nov. hält der Physiker Pauck zum Besten der Nachrichtentruppe in der Philharmonie einen Vortrag mit Vorsührungen über das Thema:.Mit Funken- station im Felde, in den Lüften und auf hoher S e« Im Bund für Mutterschutz spricht über:»Krieg und Höherentwicklung" Prof. Kammerer-Wien am 1, Nov., 8V» Uhr, im.Rheingold", Potsdamer Straß« 3, Ebenholz- saal.— Im Zemralinstitut sür Erziehung und Unterricht. PoiS« damer Str. 120, spricht Mitlwoch. den 31. Okt., Prof. Götz über: „Die Bedeutung von Persönlichkeit und Masse in der Geschichte". EintriitSlorten unentgeltlich in der GeschäitS» stelle." In der Urania spricht Mittwoch und Sonnabend Prof. Dörgen über„Unsere Kriegsgefangenen und ihre Volks st ämme". Freitag Frl. Kirsten über da? Thema„AIS Frau durch Deutsch-Ostafrika ". VttttwoS spricht im Wissenschaftlichen Berein Pros. Kammerer-Wien über„Geschlecht»- Verwandlung undZ w i tt e r b i 1d ung". •) Buchausgabe bei S. Fischer, Berlin .
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