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55. Jahrgang. Nr. 25 Oeilage zumvorVärts" berliner Volksblatt öerttn, 7. Juli 1�16 Die Mütter ftagt.. vie Mütter fragt, eh' neuen Krieges Schwelen üurch reiches Laaü öie fahle Zlamme leckt. Die Mütter fragt, eh' eurer heifern Kehlen entmenschter Schrei üas große Sterben weckt. Die Mütter fragt, hie ihrer Leiber Wehen ertrugen, damit Hirne fortgedeihen, die ihrer Seele sterngeküßtes Ziehen den gottgefendet lichten Träumen weihen. Die Mütter fragt! Steht eine auf und sagt: Es werde Nrieg! Entfesselt das Gemeine!" vernichte Tod!! Kein Laut fei angeklagt. Der Mütter Schweigen gleichet dem der Steine. _ Hans Frank «. Perstens neue politische öedeutung. Von Walter Oehmc. Tabris ist von türkischen Truppen besetzt. Tiese Meldung der letzten osmanischen Heeresberichte hat von neuem die Aus- merksamkeit auf Pcrsien gelenkt. Ein neuer Kriegsschauplay ist im Entstehen. Die Engländer greifen nach den Angriffen auf Gallipoli, Syrien und Mesopotamien an einer vierten Stelle Gebiete des Islams an, die türkischen Truppen verlegen ihnen zum vierten Male den Weg. Für den Politiker bedeutet diese neue Kriegsphase die letzte Bestätigung dafür, daß für England das Hauptgewicht dieses Krieges iiu Orient liegt. England ichlieszt in Persien den erdrosselnden Gürtel, den es um die Länder des Islams schlingt, um auf diese Weise seine beiden wertvollsten Kolonien Indien und Aegypten ein für allemal zu sichern. Es ist notwendig, immer von neuem zil betonen, daß der Islam für England, als den Besitzer Indiens und Aegyptens , der Todfeind ist, mit dem es kein Paktieren geben kann. Jedes Erstarken der islamischen Staaten bedeutet ein? Bedrohung Englands an seinem Lebensnerv jn Indien und Aegypten . Deshalb hat England in der neuen panislami- tischen Bewegung eine große neue Gefahr erkannt, der es recht- zeitig mit allen Mitteln begegnet. Die Erstarkung der panislamitischen Bewegung wird wohl kaum noch von eineni Orientkenner bestritten. Obwohl die Bc» wegung der starken religiösen Moinente nicht entbehrt, sind die Beweggründe doch unter dem religiösen Mantel mehr politischer und wirtschaftlicher Natur, wodurch die Bewegung eine breitere festere Basis erhält, als wenn sie allein auf die religiöse Idee gegründet wäre. In allen Ländern des Islams gewinnt die Erkenntnis Raum, daß die wirtschaftliche Erstarkung und Ver- jüngung, die Befreiung von fremder politischer Bevormun- dung nur durch engsten wirtschaftlichen und politischen Zusam- menschluß erreicht werden kann, nach Art der großen Völker- Wirtschaftsbündnisse, die die Tendenz der geschichtlichen Ent- Wicklung vorzuschreiben scheint, und die eine gewisse Weltwirt- sdhaftliche Einheit in bezug auf Rohstoffe und Produktion bc- deuten, wie sie Continental-Europa einerseits und der anglo- amerikanische Block andererseits darstellen würden. Es liegt im System der englischen Politik, dieser pan- islamitischen Bewegung auf alle Weise Rechnung zu tragen: Gelingt es nicht, die Bildung eines großen islamitischen Wirt- schastsblocks zu verhindern, so muß dieser- für England gc- Wonnen werden. Deshalb erklären die englischen Minister und Parlamentarier, die Presse und die wissenschaftüchen Zeit­schriften ihre Sympathie mit der Bewegung und säen unter dem Deckmantel der Unterstützung Zwietracht in die Völker, in kluger Weise die natürlichen Gegensätze zwischen Arabern und Türken, Türken und Persern benutzend. So bringen englische Zeitschriften bereits Kartenskizzen, in denen Mekka und Medina als selbständiger Kirckenstaat unter englischemSchutze" ge- zeichnet sind, um auf diese Art unter dem Schein patronisieren- der Förderung den alten Streit um den Besitz der heiligen Stätten zwischen Arabern und Türken neu zu entflammen. Englische Agenten versuchen in Persien den alten religiösen Gegensatz zwischen Schiiten und Sunniten, der fast als ver- gessen gelten kann, wieder zu beleben. Man sollte annehmen, daß innerhalb des Islams die Er- kenntnis allgemein wäre, daß England stets nur auf Nieder- Haltung des islamitischen Orients bedacht sein kann. Leider ist dem nicht so. Die Araber sind während des Krieges fast völlig mit englischem Golde bestochen und infolgedessen ganz englandfreundlich gesinnt. Bei der Wankelmütigkeit und poli- tischen Unzuverlässigkeit dieser Stämme ist das keine sichere Garantie, aber doch ein Hindernis auf dem Wege zur panisla- mitischen Verständigung. Selbst in der Türkei , wo wir die Möglichkeit haben, kulturpolitisch aufklärend zu wirken, ist es noch nicht endgültig gelungen, die Bevölkerung von der Zwei- deutigkeit englischer Orientpolitik zu überzeugen. In Persien hat erst der Krieg selbst vielen Männern der Intelligenz die Augen geöffnet und die Zahl derer, die noch heute das Heil Persiens aus Englands Hand erwarten, ist nicht gering. Zwar die Bevölkerung Nord- und Zentral-Pcrsiens hat während des Krieges zu deutlich die ententistischen Uebergriffe fühlen müssen, um noch Sympathie für England aufbringen zu können. An- dcrs aber liegen die Dinge in Süd-Persien, wo englisches Kapi- tal die reichen Oelfelder ertragreich gemacht hat. Aufgabe der deutschen Kulturmissionen ist es, den islamischen Orient über die englische Gefahr völlig aufzuklären. Wenn England heute nach Zentral- und Nord-Persien greift, so tut es dos nicht nur deshalb, weil das nach dem Ar- tikel X des Brester Friedensvertrages erfolgte Abtreten Ruß- lands vom Schauplatz Persiens ihm freie Hand gibt, sein Glacis" fiir Indien zu erweitern, sondern um auch an dieser Stelle die panislamitische Bewegung anzugreifen. In Persien hat man früher dieser Strömung sehr skeptisch gegenüber- gestanden, da man in ihr bei der imperialistischen Tendenz der antokratischen türkischen Regierung lediglich den Machthunger der türkischen Selbstherrscher sah. Seit der jungtürkischen Revolution und seitdem die Türkei eine Verfassung mit vcrant- wortlicher Regierung und Parlament hat, sind diese Bedenken verblaßt und dürsten jetzt, nachdem die Türkei die Neutralität Persiens unter ihre Kriegsziele aufgenommen hat, völlig ver­schwinden. Durch die innere Umgestaltung der Türkei hat eben die ganze panislamitische Bewegung ein anderes Gesicht be- kommen. Die Türkei ist zurzeit und auf Jahrzehnte nach dem Kriege mit der Gesundung ibrer Finanzen, mit der Stärkung ihrer wirtschaftlichen Kraft, mit inneren Nesormen, mit Steuer-, Boden- und Agrarreform so stark beschäftigt, daß nicht nur ihr Uebergewicht in panislamitischcn Fragen nicht zu befürchten ist, sondern daß sie auch zur Führung innerhalb des entstehen- den panislamitischen Blocks unfähig und ungeeignet scheint. Das Schwergewicht der panislamitischen Bewegung ver- schiebt sich mehr und mehr nach dem Osten. Die jungen und reichen Staaten des Kaukasus werden die Träger der Führer- schaft im panislamitischcn Bunde werden. Die Entstehung der kaukasischen Republiken ist der erste Schritt in dieser Entwick­lung. Auf diese Weise rückt aber Pcrsien geographisch näher an die Zentralstellen der Jslambewegung. Das bedeutet für Pecsien nicht mjt eine Stärkung der panislamitischen Idee, das hat zur Folge eine völlig neue politische Stellung Persiens im islamischen Orient. Persien ist nicht mehr ein vergessener öst- licher Vorposten der Türkei , es gewinnt eigene politische Exi- stenzberechtigung, es tritt an politischer Bedeutung der Türkei ebenbürtig zur Seite, ist vielleicht infolge seiner Bodenschätze und seines Reichtums zurTeilhaberschaft an der Führungmitbestimmt. Die Politik der Mittelmächte hat der Neugestaltung dieser Orientfragen iin Artikel X des Brester Friedensvertrages, der die Unabhängigkeit Persiens garantiert, bereits Rechnung ge- tragen und sich dadurch dankbare Anerkennung in Persien er- warben. Leider läßt die Politik dann wie so oft ihre fernere Konsequenz vermissen. Die Abtretung Batums an die Türken ist insofern ein schwerer Fehler unserer Orientpolitik, ob sie ge- eignet ist, neue türkisch -russische Konfliktstoffe zu schaffen. Die Lage der Kaukasusstaaten und ihre Jugend bedingen die An- lehnung an den ehemaligen Mutterstaat, an Rußland . Ruß- land kann an dieser Stelle ein Förderer oder Hinderer der pan- islamitischen Bewegung werden. Wenn man ihm durch Schaf- fung neuer russisch -türkischer Gegensätze das Interesse an dieser Bewegung verkümmert, so kommt es an dieser Stelle als sehr wichtiger Gegner in Frage. Wir haben aber, da wir selbst auf Annexionen verzichten, keine Ursache um der Annexionsgclüste unserer Bundesgenössen willen, die Erfolge unserer Orient- volitik aufs Spiel zu setzen. Da alle diese Ost- und Orient- fragen durch die bisherigen Friedensschlüsse ja kaum endgültig gelöst sein dürften, ist bei späteren Verhandlungen Gelegenheit zur Revision gegeben. Denn das darf nicht vergessen werden: wer politischen Anschluß an den panislamitischen Block sucht und dessen Entwicklung fördern will, bedarf dazu der Freundschaft Rußlands . Andererseits bedeutet eben dieser Block für Konti- nental-Europa den Wall gegen den englischen Angriff vom Süden und eine stete Bedrohung englischer Lebensinteressen in Aegypten und Indien . Tie deutsche Orientpolttik wird also ihr Augenmerk nicht nur auf die Entwicklung der Dinge am Kaukasus richten, nicht nur die dort entstehenden christlichen, sondern auch die mohame- danischen Staaten begrüßen und vor allem der neuen politischen Stellung Persiens Rechnung tragen müssen. Es wird dies um so leichter sein, als unser wirtschaftliches Interesse an Persien sehr groß ist. Deutsches Kapital wird um eigenen Gewinnes willen, deutsche Industrie neuer Rohstoffe wegen zur Wirtschaft- lichen Entwicklung des neuen Persiens beitragen. Aufgabe der deutschen Politik wird es sein, Persien durch das Vertrauen in die unbedingte Wahrung seiner Unabhängigkeit und Neutrali- tät die nötige politische Sicherheit zu geben. ES« deshalb ein Verfahren zu wünschen, durch das verhindert wird, daß später die Türkei aus ihrer dortigen Aktion Ansprüche auf per- fische Gebietsabtretungen ableitet. Die Herstellung eines ge- wissen Gleichgewichtes zwischen Persien und der Türkei gehört eben auch zu den Aufgaben deutscher Orientpolitik. Die Er- füllung dieser Aufgabe kann uns um so weniger schwer fallen, als Persien für unsere Wirtschaftspolitik kaum geringere Be- deutung erlangen wird als die Türkei._ Der Naulwurfshügel. Von Hermann Horn. Ter Kaufmann und Agent hatte sich nach vielen vergeh- lichen Versuchen, etivas zu erreichen, mit den Trümmern seines Vermögens eine Kohlenhandlung gekauft. Sie lag mit einem grauen Bretterzaun umgeben weit draußen, wo die Riesenstadt in Feld und Wald übergeht und ihr überflüssiges Geriimpel und altmodische Stücke ablegt und aufbewahrt. Alte, baufällige Häuschen, Lagerschuppen, verwilderte Bauplätze standen und lagen uinher, zuweilen ragten unheimlich hohe, kahle Brand- mauern neuer Miethäuser, die schon wieder den Eindruck des Veralteten machten, und nur selten gab es einen gepflegten Garten oder eine kleine Vorstadtvilla zu sehen. Der schon alternde Mann hatte sich beim Vier verspätet und gerade noch die letzte Elektrische bekommen. Nun schritt er im ungewissen Mondlicht zwischen den kahlen Bäumen der einstigen Landstraße entlang, in deren Nähe sein Grund- stück lag. Er hatte etwas viel getrunken, und so kam er rascher als gewöhnlich über die Böschung hinab auf den Fußweg, der über die Bauplätze nach seiner Wohnung führte. Es waren zer- rissene, aufgewühlte Wiesen, deren braunes Gras des Vor- friihlings er im Mondschein gewahrte, und hohe Haufen von Unrat und Bauabfälle, die man hierher geführt hatte. Wie er noch ein wenig unruhig und schwankend vom Schwung des Herunterlaufens da stand, gewahrte er auf einmal einen kleinen Haufen Erde vor sich. Er war tiefschwarz und bcweate sich zitternd im Mondlicht. Der Maulwurf war allem Anschein nach noch an seinem stillen, nächtlichen Werk, denn der kleine Hügel schien unheimlich lebend aus der Erde aufzusprudeln, und auf einmal glänzte auf seiner Oberfläche etwas.. Ten Mann hatte der Anblick dieses Vorganges merkwürdig aufgeregt, und als er sich bückte, und in dem Glänzenden eine abgebrochene, messingene Hundemarke erkannte, legte sich eine angstvolle Bangigkeft über die Ungebundenheit seiner berausch- ten Sinne, er fühlte einen kleinen stechenden Schmerz und aus ihm wühlte sich zitternd die Qual eines Erlebnisses, das voriges Jahr um dieselbe Zeit hier an dieser Stelle seinen Ausgang ge- nommen und zog wie ein böser Dunst in die- Nacht ab. Sorgenvoll war er damals über seinen Büchern gesessen, als er auf einmal beim Aufblicken über diesen Weg einen kurzen, untersetzten, dicken Mann gesehen hatte. Der taumelte dahin und führte an der Leine einen schönen, hohen langbeinigen Hund. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, zog das Tier an sich heran und gab ihm schreckliche Stockschlöge. Wie er diese Böschung hier hinauf wollte, fiel er in seiner Trunkenheit über den Hund, hielt das arme Tier am Boden fest, und wollte nicht mehr aufhören mit Schlagen. Es war ein grauenhaftes Bild gewesen, das unschuldige Leiden des schonen Tieres, von dem nur manchnial der Wind einen verhallenden Klageton bis zu ihm herübergetragen hatte, und es war unt so aufregender, als ein paar Leute mit der Haltung gierig Schalllustiger daneben gestanden hatten. Ein qualvoller Zorn hatte sich des Kohlenhändlers be- mächtigt. Er war aufgefahren und an die Tür geeilt. Dort aber hatte finstere Grübelei ihn festgehalten. He, hatte er sich gesagt, was soll das alles? Bis du hinüberkommst, ist der Kerl schon in seiner Villa, und bezieht er nicht Holz und Kohlen von dir? Ha ha hast du denn das Recht, ihm zu sagen, waS er für einer ist, und wo dir das Elend so schon am Halse hängt? So hatte er seineu Schmerz und Zorn in sich begraben. hatte finster und traurig auf seine Bücher geblickt, deren Inhalt sich für heute nimmer zusammenbringen lassen wollte und hatte das Fenster verhängt. An demselben Tage, aber mittags bei Tisch, hatte eines seiner Kinder einen Teller zerbrochen. Da war er wie gestorben wild aufgefahren. Tiere," hatte er geschrien,ich mache mich wegen Euch kaput. und Ihr kümmert Euch uin nichts! Bin ich nicht auch ein Mensch braucht man da? anzusehen? Es ist eine rohe Gemeinheit!" Die Kinder waren über diesen Ausbruch zitternd dagesessen und seine sorgenschwere und bleiche Frau hatte lein Wort ge- sprochen, sondern nur bitter vor sich hingesehen. Da war er vom Tisch aufgesprungen und hinausgelaufen. Es war ein schwerer Tag gewesen, der lange seine Folgen gezeigt hatte. Als der Kohlenhändler dies alles noch einmal in sich gefühlt und geschaut hatte, schien es von ihm gegangen, und er fühlte sich frei und beweglich, ballte die Faust nach dem Hause jene? Hundcbesitzeres und schrie:Du verdammter Lump! und begann auf einmal ohne weiteres schöne, runde Steine zu sammeln, die gerade das rechte Gewicht zum Werfen hatten. Jener kurze dicke Mann aber wohnte in einer der kleinen Villen. Dorthin wandte er sich gemächlichen Schritte?, bis er vor einem eisernen Gitter stand. Das Haus lag vielleicht zehn Schrftte dahinter, und seine Fenster glänzten schwarz in der Nacht. Ter Kohlenhändler lachte mit ingrimmiger Behaglichkeit vor sich hin, dann warf er ohne irgendwelche Bedenken weit ausholend seine Steine in die Scheiben. Es krachte dumpf, und zuweilen war ein Klirren zu vernehmen. Als er befriedigt und kichernd heimging, hörte er noch, wie ein Fensterflügel geöffnet wurde, und das GlaS klirrend her- unterfiel.'- Wer er war doch gesehen und erkannt worden und kam vor Gericht. Er sagte dort aus, er wisse nicht, wie er dazu gekommen sei, solches zu tun, und er müsse wohl betrunken gewesen sein. Man wies ihm jedoch haarscharf nach, daß sein Zustand nicht derart gewesen sein könnte. Da erzählte er, in die Enge getrieben, die Geschichte von dem Hunde und dem Maulwurfshügel. Der kurze dicke Mann erklärte jedoch achselzuckend, davon wisse er nichts, es müsse wohl geschehen sein, weil er dem Kohlenhändler einmal einen Abzug an der Rechnung gemocht habe.*- Diesen Racheakt verstand man sofort und das Gericht ver- urteilte den Angeklagten gtzch demgemäß schwer.