Wohin gehört Nichsche?
Erschütterungen haben, einen Krampf von Erdbeben, eine Versehung| und Knut Hamsuns tiefgründiger Elendsschilderung„ Hunger".*) von Berg und Tal, wie dergleichen nie geträumt worden ist."( Ecce| Den drei Dichtern stellt sich der Gegenstand verschieden dar. Für homo: Warum ich Schlüssel bin.) Hamsun ist die Erscheinung des Hungers mit allen ihren psychoTendenz; bei Dostojewskij endlich wird es zum Antrieb, der einen logischen Auswirkungen Selbstzwed; bei Zola dient es der sozialen Menschen alle moralischen und konventionellen Hemmungen überwinden läßt und ihn zur Tat treibt.
Klingt das nicht wie ein Voraussagen des Ungeheuren, das gefonimen ist.
" Für Kriegsarbeit im Sinne von Nietzsches Willen zur Macht, für Ginjeung eines starken deutschen Friedens, der ein machtvolles Deutschland verbürgt", ist eine Nietzsche- Gesellschaft gegründet worden. Nietzsche als Pionier der Vaterlandspartei! Warum auch Die„ Lüge von Jahrtausenden", darüber mögen unsere Fornicht? Sie hat schon viel Schmeres fertig gebracht. Ein Herr meln auseinandergehen, in der Sache fühlen wir uns mit Nietzsche Schulrat Bang hat ja keinen andern als Paulus für die Berechti- eins. Jawohl: in der Sache. gung der deutschen Forderungen im Osten in Anspruch genommen. Wieviel geeigneter muß den Herren dagegen der erscheinen, den der Junker und Herrenmensch von Oldenburg- Januschau einst zitiert hat im berüchtigten Zusammenhange mit dem Spruche von der vox Rindvieh.
Nietzsche hat ja das Wort vom„ Rechten und Markten mit dem Gesindel" gesprochen, er hat den Gegensatz von Herdentier und Herrenmensch flaffen gemacht, hat den" Sozialismus die zu Ende gedachte Tyrannei der Geringsten und Dümmsten, d. h. der Oberfläch Tichen und Neidischen" genannt, hat sich gefreut, daß die militärische Entwicklung Europas den Barbaren in jedem von uns bejaht und das wilde Tier", und bekannt, daß er„ verächtlich zu jeder Bildung steht, welche mit Zeitunglesen oder gar-schreiben sich verträgt". So ließe sich leicht diese Sammlung von Zitaten fortsetzen, die das Herz eines guten Vaterlandsparteilers vor Wonne hüpfen ließe. Kraftsprüche für Fest- und„ Volfs=" ( Verzeihung!) Versammlungen, Leitgedanken für Zeitungsartikel.
" Die Deutschen sollten sich noch einmal unsterblich an mir vergreifen und verewigen! Es ist gerade noch Zeit dazu. Ist das erreicht? Zum Entzücken, meine Herren Germanen, ich mache Ihnen mein Kompliment."
Wir stehen dem, was er über das Christentum und die Kirche, über Klassen, Staat und Gesellschaft gesagt hat, gar nicht so feindfelig gegenüber.
Man kennt die mächtige Wirkung, die von Knut Hamsuns Roman ausging und ausgeht. Als er zum ersten Male erschien, glich er einem gellenden Fanfarenstoß, der die Kulturwelt aus satter Ruhe aufrüttelte; ein Dichter, der vorher schon, ohne rechten Erfolg, manches geschrieben hatte, stand plötzlich im Brennpunkte des allgemeinen Interesses. Vom Hunger handelte das Buch, vom Hunger Wer sich als Dynamit fühlt, muß uns verbrüdert sein. ganz allein, und als man von dem beschwerlichen Leben des Dichters Wir werden nur andere Schlüsse ziehen aus den Wahrheiten, erfuhr, war man geneigt, allerlei Autobiographisches darin die er mit goldener Angelrute fing. zu erblicken. Vielleicht entsprach diese Vermutung den TatIst der, der da sagte:„ Ganz anders als die Frage Gott " inter - sachen; aber der Roman war so start, daß er durch effiert mich eine Frage, an der mehr das Heil der Menschheit hing fich selbst wirkte und der Verklammerung mit einer als an irgendeiner Theologenkuriosität: Die Frage der Ernährung," Person, mit einem Einzelschicksal kaum bedurfte. ES mar ( Ecce homo, S. 27) denn jo himmelweit von Marg entfernt? auch im Grunde gleichgültig, ob der Held, wie hier, ein Bildungs„ Wie hast gerade du dich zu ernähren, um zu einem Maximum herrschende Mittelpunkt des Ganzen war doch lediglich der Hunger proletarier oder irgend ein armer Tagelöhner war. Der bea von Kraft, von moralinfreier Tugend zu kommen?"( ebenda). Das als solcher, als physischer und psychischer Zustand. Und mit ist nicht mehr Nietzsche , das ist in seiner Anwendung absolut sozial- welcher furchtbaren Eindringlichkeit verstand es dieser Dichter, die demokratisch gedacht. Qual des Hungernden zu schildern. Ein armer Mensch erstand vor Das ist auch nach unserer Auffassung der Weg. Gewiß, wir uns, entblößt von allem, was das Dasein lebenswert macht: kommen von unten, aber wir wollen zur Höhe, zum Licht. Auch ohne Behausung, ohne Geld, ohne Nabrung. Der Hunger wir wollen, wie Nietzsche , einen neuen Adel. Ginen Adel, der nichts vornehmlich wurde zum Antrieb, der das Schicksal_mit_mathemagemein hat mit hochfeudalen internationalen Sippschaften und Ver- tischer Folgerichtigkeit aufrollte. Aus törperlicher Enibehrung entschwägerungen, der aus Geldjäden gefrochen und von Privilegien stand seelische Wirrnis, üble Instinkte wurden geweckt, Leidenschaften, die in besseren Verhältnissen wie geduckte Raubtiere behütet und gehegt ist. schlummerten, reckten sich empor. Mit einem Scharfblick, der Bes Und wenn er über seine Geburt der Tragödie " sagt, daß aus wunderung abrang, wurde der Hunger durch alle Stadien seiner ihr eine ungeheure Hoffmung" spricht: jene neue Partei des Le- vsychologischen Entwicklung verfolgt: förperliche Gier löfte seelische bens, welche die größte aller Aufgaben, die Höherzüchtung der Begierde aus, moralische Grundsäge von fast lächerlicher SelbstMenschheit in die Hand nimmt, eingerechnet die schonungslose Ver- verständlichkeit begannen plöglich zu wanten, Lagen eines müden, nichtung alles Entartenden und Parasitischen", so freuen wir uns abgespannten Dämmerzustandes folgten Augenblicke, in denen und grüßen ihn als einen unserer Fadel- und Standartenträger der Wahnsinn zu erwachen schien. Ein grauenhaftes Buch; auf unserem Wege durch Nacht zum Licht. troftlos, düster, ohne den geringsten Lichtblick. Aber zugleich ein sonst, in ängstlicher Scheu, feine Rechenschaft geben wollten. Die Buch, das zu denken gab, das vieles hervorzerrte, über das wir uns psychologische Kette, die es entwickelte, war ohne Lücke, und oft ließ ein Wort, ein Satz unerhört fühne Zusammenhänge sichtbar werden. So war denn auch die tiefe Wirkung mehr eine ethische, denn eine künstlerische: denn aus der Leidensgeschichte dieses armen Studenten sprach das soziale Gewissen eines satten, reichen Zeitalters.
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So Nietzsche im Ecce homo" über seinen Fall Wagner". Würde er über das neueste alldeutsche Attentat andecs schreiben? Nur Oberflächenfenner Nietzsches können das bestreiten. Dazu hat Nietzsche die Deutschen zu sehr gehaßt, die Deutschen , die nach ihm die fulturwidrigste Krankheit auf dem Gewissen haben, die es heute gibt, den Nationalismus", die in geistigen Dingen immer träger und instinktärmer werden"," die den Willen zur Macht( zum Reich) so„ Das Entartende und Barajitische" ist heute nicht mehr das, gut ohne Verdauungsbeschwerden hinunterschlucken wie das Evan- was Nietzsche noch so sah. Das Volt hat sich in diesen grauenhaften gelium der Armen", auf deren Bildung er mit schonungsloser Ver- Kriegsjahren so als den wahren Träger des Lebens, seiner Kraft ochtung herabblickt", die er„ ohne Sinn, ohne Substanz und ohne und seiner Größe bewährt, daß wir darüber hier nichts mehr zu Ziel" findet, die er warnt zu glauden, daß der große Waffenerfolg sagen haben. der Deutschen irgendetwas zugunsten der deutschen Bildung beweise Der Krieg ist uns nur das äußere Zeichen und der Beweis daoder gar ihren Sieg über Frankreich ". für, daß der Begriff für Größe sich geändert hat.
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Dazu bekennt er sich zu oft und zu stark als„ guter Europäer", der in Europa teine Heimat hat außer in Paris ".
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Man sollte doch meinen, um einen Mann, der folches sagen fonnte, müßte jeder gut gesinnte Patriot einen mächtigen Bogen machen, ihn aber als eine Art Bannerträger zu benutzen? meine Herren Germanen, ich mache Ihnen mein Kompliment."
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Aber es gibt schließlich nichts Unsinnigeres, einen Geist von der Größe und Bedeutung Nietzsches in losgerissenen Broden sammeln und begreifen zu wollen. Es ist ebenso( verkehrt) lächerlich, wenn ein Ententemann auf diesen Aussprüchen Attacken gegen die„ boches" reiten wollte, wie wenn ein preußischer Junker Nietzsche gegen Sozialismus und Demokratie mobil macht.
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Der soziale Einschlag, dem Hamsun immerhin gegenüber einräuinte, beherrschte in weit höherem Maße Zolas„ Germinal ". allgemein seelischen und sittlichen Werten nur sekundäre Geltung n der Tat war es Zola , trog der fast nüchternen Sachlichkeit seiner Schilderung
bor allem
die Tendenz
Lebte Nietzsche noch, wo würde er wohl heute seine Brücken zum Uebermenschen suchen? Ist der sein Vertreter, der in strahlen der, sauberer Uniform zur Rednertribüne steigt, um mit herrenmenschlichen Gesten eine Herrenmenschliche Rede gegen das gleiche Wahlrecht zu halten oder der Haus- und hoflose Proletarier oben zu tun, die gerade dieses Werk, wie wenige andere aus aus dem vierten Stock irgendeiner Großstadt, der nun bier lange seiner Feder, zur Schau trägt. Wenn er uns vom Glend und vom Jahre schon ohne irgendwelche tatsächliche Anerkennung( sein Hunger einer armen Bergarbeiterkolonie berichtet, wenn er verfolgt, Wahlrecht enthält man ihm ja noch immer vor) vielleicht auch ohne mie diefe Beute, müde und ausgemergelt, auf eine erschreckend tiefe Auszeichnung und ohne Beförderung draugen in Schlamm und Stufe urzuständlichen Begetierens herabsinken: dann merkt man, Dred, in Sonnenglut und eisiger Kälte seinen Mann gestellt hat, ähnlich wie bei Gerhart Hauptmanns Webern", unentwegt das die vornehme Dame, die seiderauschend heute irgendeiner Wohltätig einer Kampfschrift trägt, ist vornehmlich diesen Kapiteln, die dem Bewußte dieser Darstellung. Daß„ Germinal " fast den Charakter feitsveranstaltung ihre Unterstützung leiht und morgen gegen einen Elend und dem Hunger Enterbter gewidmet sind, zu danken. Es Gewiß, Nietzsche war nicht nur Deutscher, und doch hat er dem Jahresbeitrag von 20 M. Mitglied der Nietzschegesellschaft wird kommt dazu, daß Zola nach seiner ganzen fünstlerischen Verans Deutschtum größere Dienste geleistet als alle die, die schwarz- weiß- oder die Kriegerfrau, die Kriegerwitive, die nun auch vier lange Tagung dazu neigte, irgend ein menschliches oder sittliches rote Schlipse tragen, wie Nietzsche ja auch nie Demokrat oder So- Jahre schon ihren stillen, großen Kampf kämpft, und in deren Seele Problem mit der fühlen, leidenschaftslosen Ueberlegenheit eines zialist gewesen ist und doch war er für Demokratie und Sozialismus ein Heldentum aufgewachsen ist, das in die Knie zwingt. experimentierenden Wissenschafilers zu behandeln. Die Menschen, ein. Sommerregen und Sommergewitter. mit denen er seine Romane bevölferte, waren ihm bisweilen das. felbe, was dem Forscher irgend ein Lebewesen ist, an dem er die Ges heimnisse der Natur und ihrer Organismen ergründen will. gelang ihm, durch diese Betrachtungsweise, Stellen von ganz zweifellosem seelenkundlichem und tatsächlichem Werte zu schreiben; was man durch Empirie, scharfe Logik und unbeirrte Erwägung erreichen fann, das hat er auch in Germinal ", wie in feinen anderen Werken, erreicht. Und doch wenn man, vergleichend, Bolas und Hamsuns Bücher gegeneinander abwägt, dann ist der Endeindruck der, daß. das Buch des Norwegers as Lösung eines Problems durch die Stärke unmittelbarsten Erlebens Vorzüge aufweist, die dem zergliedernden Verstande des Franzosen versagt bleiben und nach künstlerischen Gesezen versagt bleiben mußten.
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Wir scheuen uns gar nicht zuzugestehen, daß Nietzsche in derber Rücksichtslosigkeit schonungslos die Stellen zeigte, wo uns der. Schuh drückt, daß noch viel erbärmliches Behagen" fich unter uns breitmacht, daß wir alle wissen, was er mit dem resentiment( aßgefühl) der Schlechtweggekommenen" meint und wie oft er darin recht hat. Wir stammen von unten. Wir kommen aus Kellerluft und Mietfasernen, eine feine Nase mag uns manches anmerken von Armerleutegeruch, ein verwöhntes Auge von Armerleutemanieren an uns wahrnehmen.
Nietzsche hatte diese Schwäche für nuances", wie er sich selbst ausdrückt. Und wir rechten drum nicht mit ihm. Wir sehen und lieben das weit mehr, was größer war in ihm.
" Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit. Denn wenn die Wahrheit mit der Lüge von Jahrtausenden in Kampf tritt, werden wir
" So," dachte der Hahn, weiter war es nichts? Ich glaubte, es wäre eine neue Feier, die das dumme Bolf mir zu Ehren geben pollte!"
Auf einmal warf der kleine Karamatti den Leuten eine KußHand zu und kletterte dann wie eine Kaze an dem Kirchturm in die Höhe, denn da waren Eisenstäbe in die Turmspitze eingeschlagen, einer über dem anderen. An den Eisenstäben kletterte nun der kleine Karamatti herauf, immer höher und höher, endlich war er ganz nahe beim Sahne
" Oho," dachte der Hahn und sah ganz wütend aus. Aber Karamatti ließ sich nicht zurücksch cecken, sondern mir nichts dir nichts war er mit einem Sake oben auf dem Rücken des Hahnes, setzte sich da zum Reiten zurecht und rief aus allen Kräften:
Hopp, mein Pferd! Süh, hopp, mein Pferd!" Run könnt ihr euch denken, daß der Hahn große Augen machte und sich schrecklich beleidigt fühlte, hochmütig, wie er war, in seinem Glauben, daß ihm niemand auf der ganzen Welt gleich wäre. Und nun saß da ein kleiner Knirps und ritt auf seinem Rücken und rief: " Hopp, mein Pferd! Süh, hopp, mein Pferd!"
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weil
Zuerst meinte der Hahn, die ganze Kirche müßte vor Erstaunen über eine solche Naseweisheit zusammenstürzen. Aber die Kirche stand ganz still auf ihrem Plate, und nun begann der Hahn man ihn so schrecklich gedemütigt hatte, sich nach allen Seiten zu drehen und zu wenden. Was sollte er auch sonst tun? Er war
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Wir brauchen heute Größe und Adel und Uebermenschentum wahrlich nicht lange suchen zu gehen, wenn wir wenigstens dort suchen, wo die Entbehrung am größten und die Gefahr am nächsten. Darum Hände weg vom Grbe und vom Geiste Nietzsches! Selbst dieser gehörf uns, nicht Euch.
Gg.
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Der
Das Problem des Hungers ist in der Dichtung, feit des feligen Gerstenberg„ Ugolino", oftmals erörtert worden, selten aber mit Der tiefsinnigste und am tiefsten schürfende Dichter war Dostofolcher Eindringlichkeit und unerbittlicher Tragweite, wie in drei jewstij, und so enthält denn auch sein„ Raskolnikow " im Stern Romanen, die in den dauernden Befiz der Weltliteratur über vieles von dem, was Hunger" und„ Germinal " boten. gegangen sind: in Zolas„ Germinal ", Dostojewskije„ Raskolnikom"| Hunger stellt sich ihm, der überall weite Ausblicke zu eröffnen vermorsch, so daß ein Holzstück nach dem anderen von ihm abfiel, wenn es stürmte. Eines Tages war ein starker Sturm. Ein Orfan fegte über die Kirche, riß den ganzen Hahn von der Turmspite und wehte ihn mit fort in den See. Hier fonnte nun der Hahn, dem von der ungewohnten Reise ganz schwindlig geworden war, zum letzten Male bereuen, daß er weder fliegen noch krähen gelernt hatte. Denn wenn er das gekonnt hätte, wäre er nicht in den See geweht, son dern wäre anstatt dessen auf das. Rathausdach geflogen, hätte sich dort hingesetzt und hätte gekräht, daß der Magister und die ganze Stadt es gehört hätten. Aber nun war er in den See geweht und wurde von den Wellen hin und her geschleudert, daß ihn die Hechte und Karpfen mit offenen Mäufern anstarrten und sich überlegten, was das für ein Seegespenst sein könnte.
Endlich wurde er ans Ufer gespült, und da blieb er liegen. Am Ufer stand ein kleines Häuschen, da wohnte eine alte Frau, die zwei Kinder hatte, einen Knaben und ein Mädchen. Die beiden Kinder bauten sich einmal am Ufer kleine Teiche, das sollten Wohnungen für die kleinen Fische werden, die ein und aus schwammen. Als sie nun etwas weiter gingen, um passende Steine zu finden, geschah es, daß sie den armen, alten Wetterhahn entdeckten, aber nun sah er recht traurig aus. Die Wellen hatten seine ganzen Farben abgespült, und er hatte sich an den Steinen gestoßen und dabei Schnabel und Schwanz verloren.
Da jagten die Kinder: Nun hat die Not ein Ende. Mutter beſo faul gewesen, daß er weder fliegen noch trähen/ gelernt hatte, flagt sich immer, daß die Sperlinge und Krähen ihren Erdbeeren darum mußte er nun auch den Schlag ertragen, den sein Hochmut Schaden tun. Aber sieh, dieses gibt eine prächtige Vogelscheuche. crfitt. Alle Leute, die da unten standen, riefen:" Bravo , Bravissi Komm, laß uns einen Strick holen und das große Tier nach dem mo!" und fanden den kleinen Karamatti sehr geschickt, daß er auf Erbsenbeete ziehen!" dem Wetterhahn reiten konnte. Und nun wurde der Wetterhahn auf seine alten Tage als VogelJa, ja, so geht es hier auf Erden! Wenn jemand faul und hoch- scheuche für das Erbfenbeet auf einen Baumpfahl gespießt, anstatt mütig ist, kommt der kleine Karamatti und reitet auf seinem Rücken, vergoldet und zum Großhahnsultan der ganzen Welt ausgerufen zu gerade wie er auf dem Wetterhahne ritt. Das kannst du mir glauben. werden. Da geschah es, daß die Krähe, die ihn in den Tagen seiner Aber der Wetterhahn wurde dadurch nicht flüger. Er blieb Macht„ Exzellenz" genannt hatte, eines Tages geflogen fam, um jahraus jahrein auf seiner Turmspizze jizen. Ein Geschlecht nach in den Erbfenbüschen zu schmausen. Hui! Da sah sie eine Vogeldem anderen sang unten in der Kirche seine Gefänge zu Gottes scheuche und flog schnell zur Seite. Aber zufällig sah sie sich um Ehre, lebte seine Zeit und ging dann ins Grab, und neue Men- und erkannte ihren alten Hahn. schen famen an Stelle der alten und sangen dieselben alten Gesänge in derselben alten Kirche.
stand, gleichermaßen als soziales und psychologisches Problem dar. Aber noch mehr als bei Zola wird er hier in ein episches Element umgelegt: er gewinnt treibende, bewegende Kraft, er ist im Grunde der Antrieb, der einen Menschen, ein Schicksal und damit die Handlung des Romanes in mächtigen Stößen durch alle Kurven der Entwicklung schleudert. Durch Hunger und qualvolle Entbehrungen, deren Schilderung uns nicht eripart bleibt, werden alle inneren Hemmungen in Raskolnikow zermürbt, zerbrochen. Eigenes Elend, eigene Verzweiflung schärfen seinen Blick in der unheimlichsten Weise für fremdes Unglück, und eine ohnmächtige, an Wahnsinn grenzende Wut läßt ihn nach den großen und fleinen Ursachen dieser Not forschen. Gine der kleinen Ursachen scheint ihm die Pfandverleiherin zu sein, an der er zum Mörder wird, eine ganz gewöhnliche, habgierige Pfandverleiherin, wie es deren Tausende gibt. Er, an dem so viel gefündigt wurde, weiß, wie ein Menich am andern zum Dämon werden kann. Und es ist eine Tat, wie sie nur dem Wahnsinn dieses durch Hunger verwirrten Geistes entspringt, wenn er das grauenhafte Amt auf sich nimmt, diese Frau, die gleich einer Spinne vom Marke anderer lebt, zu töten. Tat, deren letzter, verborgener Urgrund der Hunger zahlloser Brüder und eigener Hunger ist.
Eine
Drei Dichter verschiedener Nation und verschiedenen Temperaments; aber jeder von ihnen, der hellsichtige Franzose, der düstere Nordländer und der pessimistische Russe, erkannte im Hunger find, einen Menschen, ein Bolf aus der Kurve steter Entwicklung zu eines jener großen, aufwühlenden Menschheitsprobleme, die geeignet schleudern. Hungernde Massen, die das Banner ber Revolution entfalteten, haben in Frankreich einen festgefügten Staat und altgetutzelte Gesellschaftsschichten ins Wanken gebracht; aber dieser selbe Hunger, der hier als zerstörendes Element auftritt, fann, wie die Leistungen manches erlesenen Geistes beweisen, in Taten fruchtbar werden, die der Verzweiflung des Augenblicks entspringen und ihren Wert in alle Zeiten behalten. Jns Wesen dieser Erscheinung einzudringen, mußte darum ein dankbares und lehrreiches Beginnen Kunst auch zur Bewältigung solchen Inhalts berufen ist. fein. Zola , Hamsun und Dostojewskij haben bewiesen, daß die
*) Hamsuns gesammelte Werke beginnen in Albert Langens Verlag in München zu erscheinen. Der bereits vorliegende erste Band enthält die Romane„ Hunger" und" Mysterien".
Notizen.
„ Krah! Krah!" rief die Krähe, ganz ergebene Dienerin. Seht nur, Erzellenz ist eine Vogelscheuche geworden. Ja, ja, der Hochmut, Nur der Hahn saß immer ebenso faul und ebenso vornehm auf der Hochmut! So geht es in der Welt!" seinem Turme und wartete' immer noch, daß ihm wegen seiner„ Halte deinen Schnabel," frächste ein verständiger Nabe, der großen Vornehmheit doch endlich ein wunderbares Glück wider- auf einem Baumstumpfe in der Nähe saß.„ Der arme Hahn ist fahren sollte. hochmütig und faul gewesen, und darum ist es ihm schlecht ergangen. Vielleicht wartete er, daß er mit Klarstem Golde überzogen Aber nun ist er alt und unglücklich, und die Alten und Unglücklichen würde, um wie die Sonne zu glänzen? Oder wartete er darauf, soll man nicht schmähen. Meiner weiß, wie es einem selbst in seinen eines Tages zum Großhahnsultan der ganzen Welt ausgerufen zu alten Tagen ergehen wird." werden? Ja, wer kann das so genau wissen? Er wartete und war- All dieses hörte der Wetterhahn, aber er fonnte feinen Ton ant- jeine redaktionelle Tätigkeit hinaus er war Chefredakteur der worten, denn er hatte keinen Schnabel mehr und saß auf einem Wie er nun so lange wartete, wurde er schließlich ganz alt und Baunpfahl. Da fibt er wahrscheinlich noch heute!
tete, und niemals wollte das große Glück kommen.
Finnländische Märchen von Zachris Topelius , einem in Schweden und Finnland sehr geschätzten und verbreiteten Dichter aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, gibt der Verlag Morawe u. Scheffelt, Berlin , in seiner schmuden Sammlung Nordland- Bücher heraus. Sie werden in Deutschland wegen ihrer Naturnähe, wie sie unsere heutige Probe„ Der Wetterhahn" so charakteristisch bietet, Liebhaber finden. Sellmuth Mielke ist in Barmen im 59. Lebensjahre an den Folgen der Grippe gestorben. Bekannt geworden ist er über Barmer Zeitung" durch seine Geschichte des deutschen Romans, eine der wenigen zusammenfassenden Darstellungen dieses Gebiets,
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