Einzelbild herunterladen
 

auszeichnen, daß sich das Männchen um die Jungen nicht fümmert. Von unserem Haushund ist es ganz bekannt, daß er, wie der Kater, die Aufzucht der Nachkommenschaft der Mutter überläßt. Es wäre doch höchst merkwürdig, wenn es beim Wolfe anders wäre. In meinem Buche Ist das Tier vernünftig?" habe ich die Gründe für dieses Verhalten näher dargelegt. Die Natur arbeitet überall mit den einfachsten Mitteln. Ist das Weibchen imstande, die Kleinen allein hochzubringen, so ist das Männchen ein sogenannter schlechter Vater. Deshalb fümmern sich die meisten Raubtierväter- außer den genannten noch Bären, Dachie, Marder usw. nicht um ihre Sprößlinge. Bei uns Menschen muß, wie bei den meisten Vögeln und den Affen, der Vater dem Weibchen helfen, da sonst die Kleinen zugrunde gehen. Da wir alles durch die Brille des Menschen be­trachten, so sprechen wir von guten und schlechten Vätern, obwohl das nach den hier entwickelten Gedanken nicht zu treffend ist.

Die Verwaltung des 300 hat den männlichen Wolf von dem Zutritt zur Gattin und den Aleinen abgeschlossen und wird ihre quten Gründe dafür gehabt haben. Jedenfalls, spricht dieser Um­stand jomie das Abbeißen des halben Schwanzes nicht dafür, daß Jiegrim als Musterchemann zu empfehlen sei.

Verhaeren und

und Romain Rolland im Briefwechsel.

4.

Genf , den 14. Juni 1915. Romain Rolland an Verhaeren.

Lieber Verhaeren!

Die beiden großen französischen Schriftsteller zeigen sich in diesem Austausch ihrer Gefühle, der uns erst jetzt bekannt wird, von edler Menschlichkeit erfüllt. Das schließt freilich nicht aus, daß besondere Verhaeren die belgischen Vorgänge leidenschaftlich- einseitig auffaßt. Auch er war feelisch ein einziges Heilmittel ihrer Uebel eingibt, anderen Schmerz zu ver­Opfer der Kriegserschütterungen. Aber nur eine Zeitlang. ursachen. Ein Brief, der nach seinem jähen Tode( 1916) öffentlich be= fannt wurde, bewies, daß er den Alp von sich geworfen hatte. Der Menschheitsfämpfer von einst, der als einer der edlen Geistesführer in aller Welt Gefolgschaft hatte, rang sich wieder durch.

Danke für Ihre Sendung. Ich verdiene die Worte Ihrer Wid­der anderen Menschen leidet, unter der Verblendung, die ihnen als mung*) nicht. Ach, ich bin bloß ein Herz, das unter dem Leiden

1.

Die Red.

Ich habe Ihr Buch gelesen... Wie sehr müssen Sie gelitten haben, mein lieber Großer und Guter, um zu hassen!... Doch weiß ich, mein Freund, Sie werden es nicht lange zu tun vermögen. Nein, Sie werden es nicht können, Seelen gleich der Ihren stürben in dieser Atmosphäre. Gerechtigkeit muß geschehen: doch will die Ge­rechtigkeit nicht, daß man alle Angehörigen eines Volfes für die Verhaeren an Romain Rolland . Verbrechen einiger Hunderte verantwortlich macht. Gäbe es blog London , 18 Matheson Road West Kensington, einen einzigen Gerechten in Israel , so sagte ich, daß Sie nicht das 24. Oftober 1914. Bei der Wölfin mit der mächtigen Wunde am Schwanze hatte mein sehr lieber Romain Rolland ! Recht haben, ganz Jirael zu verdammen. Und Sie ahnen nichts, ich endlich den Fall, wo das Geschäft des Säugens durchaus kein von den vielen unterdrückten, gefnebelten Seelen, die in Oesterreich Hier einige Zeilen, um Ihren Protest zu unterstützen.*) Außer- und Deutschland kämpfen und leiden. Ihre Stimmen werden er­Bergnügen war, zumal wenn sich fieben Sprößlinge an dem Ge­schäft beteiligten. An dem Tage hatte ich trok langen Wartens dem sende ich Ihnen zwei Gedichte, die ich in London erscheinen stict, um dem Kampfe einen unerbittlichen Charakter zu wahren. nicht mehr Gelegenheit, die Jungen, wie sie die Mutter belästigten, ließ, das erste im Observer", das zweite in der Nation". Ich Ich aber habe sie gehört, höre sie seit zehn Monaten; und später. zu sehen. Am folgenden Tage fand ich mich pünktlich ein. Ich hätte bin voller Trauer und Haz. Letzteres Gefühl hatte ich niemals mein Freund, wenn auch Sie sie kennen werden verden auch wo wenn Sie mich nicht gewundert, wenn ich gehört hätte, daß die Alte einige empfunden; jetzt aber fenne ich es. Ich vermag es nicht mehr aus sich dagegen wehren Sie werden sie dennoch lieben.... Junge totgebissen hätte. Denn wenn sieben Junge an den Ziben mir zu verbannen, und glaube doch ein ehrlicher Mann zu sein, der Mutter ziehen, läßt es sich nicht verhindern, daß eines an die dem früher der Haß als niedriges Gefühl deuchte. Oh, welche ent­Wunde des Schwanzes kommt. Als die Jungen jaugten, glaubte jeglichen Dinge erzählt man mir! Und wie liebe ich in dieser Stunde ich ein paarmal, daß eine Katastrophe eintreten würde. Die Alte fnurrte und zeigte die Zähne, denn ein Dummlad hatte ihr wohl mein Land, oder besser gesagt, den Aſchenhausen, der mein Land ist! besondere Schmerzen verursacht. Aber das Gewitter zog vorüber, Auch Sie liebe ich, liebster Romain Rolland , um Ihrer Grad­die Mutterliebe siegte. heit und Ihres Edelmuts willen; ich umarme Sie herzlich.

Elf Tage nach dem Biß, also am 19 Juni, war die Wunde brächtig geheilt, so daß nur die Haarlosigkeit des Schwanzes von dem Vorfall Zeugnis ablegte. Die von uns so sehr gepriesene Frei­lichtbehandlung der Wunden, die wir jetzt im Weltkriege zur An­wendung bringen, haben die Tiere schon seit Urzeiten eingeführt.

Die Tiermütter säugen aljo ihre Jungen nicht nur deswegen, meil das Stillen ibren Instinkt befriedigt, ihnen also ein Wohl­gefallen bereitet. Sie sängen sie auch dann, wenn dieses Geschäft mit erheblichen Schmerzen verbunden ist.

Ich persönlich habe deshalb nicht daran gezweifelt, daß bei den Tieren echte Mutterliebe vorhanden sei, weil sie leider bei der Jagd benutzt wird, um das Revier von den Feinden zu befreien. Unter den Hasen und Hühnern wüten besonders Füchse und Habichte. Beide Räuber sind aber so vorsichtig und schlau, daß sie schwer zu schießen sind. Um ihre weitere Vermehrung zu verhindern, nüht man ihre Mutterliebe aus.

Von der Mutterliebe der Füchsin erzählt der bekannte Natur­forscher Lenz folgendes Beispiel. An einem Apriltage grub der Jäger des Herrn von Mergenbaum zu Nilsheim, in Gesellschaft anderer, einen Bau mit jungen Füchsen aus. Nachdem ein scharfer Dachshund eine kurze Zeit den Füchsen vorgelegen hatte und die Röhren mit Schüßen besetzt waren, wurde an der Stelle, wo der Hund die Füchse verraten, stark auf den Bau geflopft. welches Klopfen die Füchin zu dem schnellen Entschlusse brachte, die Flucht zu ergreifen. Sie vergaß aber dabei ihrer Jungen nicht, nahm eins derselbn ins Maul, brach neben dem vorliegenden Hunde durch, sprang aus dem Baue und ließ auch jezt das Kleine nicht fallen, nhaleich mehrere Flinten ganz aus der Nähe, jedoch ohne zu treffen, auf sie abgefeuert wurden.

Die Habichtseltern fönnen es nicht übers Herz bringen, hre Jungen ohne Butter zu lassen. Selbst wenn sie wissen, daß die Annäherung an das Nest ihnen das Leben foftet, len sie davon nicht ab.

Aehnliche Fälle fönnte man in Unmenge anführen. Wahrhaft rührend ist ein von Weinland mitgeteiltes Beispiel von Mutter liebe der gewöhnlichen Hausmaus. Eine solche wurde in Frank­ furt a. M.

a. M. mit neun noch blinden Jungen in einem Verited ent­deckt, und das ganze weiche Bett murde mit einer Schaufel aus gehoben, ohne daß die Alte einen Verfuch gemacht hätte, su ent­rinnen. Sie ließ sich vielmehr zu ihrem Berperben nebst ihren ge­liebten Kindern auf die Schaufel heben und forttragen.

Das Brüten der Vögel cuf Steinen und anderen toten Stoffen beweist allerdings unzweifelhaft, daß die Brütlust, ebenso wie das Stillen, auf Instinkt beruben. Aber, wie der Fall der Wölfin lehrt, und was ganz in Uebereinstimmung mit sonstigen Beobachtungen aus dem Tierleben steht, der Instinkt allein ist nicht ausschlaggebend. Selbst wenn die Ausübung der Muttertätigkeit mit Schmerzen ver­fnüpft ist, wird sie trotzdem nicht unterbrochen. Es gibt demnach in der Tierwelt echte Mutterliebe, womit nicht gesagt ist, daß man fie überall und ständig antrifft.

Nächtlicher Besuch.

Von Hans Franke.

Don ersten Nachmittag meines Urlaube batte ich dazu benutt, zur Stunde der Dämmerung einen furzen Gang vor die Stadt zu machen. Auf den Wiesen ringsum hatte man bereits das Heu ge­schlagen, und starter, würziger Duft umgab mich, als ich, zur Seite den murmelnden Strom, dem Walde zuschritt. Die wogende Fülle heimatlicher Gedanken, die froh und leicht meine Stirn durch­flogen, verwirrte mich: gleichsam auf Wellen von Fröhlichkeit, Dank und Staunen ging ich dahin. Drüben grüßte bald eine Lichtung, bald schloß sich der Wald zu dunklem, trobigem, spitstacheligem Wall. Nun hatte auch ich den Rand des Waldes erreicht und legte mich langgestreckt in das duftende Gras. Fernher Leuchteten die Dächer und Türme der Stadt im Abendglanz der sinkenden Sonne.

Ihr Em. Verhaeren .

*) Romain Rolland hatte eine gewisse Anzahl Proteste von Schriftstellern und Künstlern acaen die Zerstörung Löwens und Reims gesammelt. Sie erschienen in einem Heft der Cahiers Vaudois: Louvain, Reims ..." im Januar 1915 bei Tarin, Lausanne . 2.

Romain Rolland an Verhaeren. Genf , den 23. November 1914. Lieber Vechaeren!

Ich danke Ihnen innig für Ihren Brief nein, hassen Sie nicht! Der Bag ist nicht für Sic, nicht für uns. Verteidigen wir uns mehr gegen den Hah als gegen unsere Feinde.

Später werden Sie erfennen, um wie viel erschütternder die Tragik war, als es die darein Verwickelten erfassen konnten. Auf jeder Seite waltet eine düstere Größe; ein heiliges Delirium be­herrscht diese Menschenherden. Der blutige Dionysius und seine Bacchanten ziehen vorüber..

Das Drama Europas hat eine derartige Höhe des Entsetzens erreicht, daß es ungerecht ist, die Menschen zu beschuldigen. handelt sich hier um eine Grschütterung der Natur. Bauen wir an Es der Arche, wie jene, die die Sintflut gesehen, und retten wir, was von der Menschheit übrig bleibt.

Ich umarme Sie brüderlich,

3.

Romain Rolland .

Keine griechische Tragödie kommt an Grauen jener gleich, die sich jetzt in Europa abspielt. Alüberall werden Tausende von Unschuldigen dem Verbrechen der Politik geopfert. Napoleon hatte nicht unrecht, da er sagte: Die Politik ist das moderne Schicksal." Das antife Schicksal war niemals grausamer.

Schließen wir uns nicht dem Schicksal an, Verhaeren. Seien, wir auf Seite der Unterdrückten, aller Unterdrückten. Und deren gibt es überall. Ich unterscheide auf der Welt blog zwei Wölfer: jene, die leiden, und jene, die Leiden verursachen.

Ich umarme Sie brüderlich, Romain Rolland . *) Verhaeren hatte Romain Rolland sein Buch Das blutende Belgien " geschickt, mit der Widmung: Romain Rolland , dem herr­lichen Herzen". ( Aus dem Französischen von Hermynia zur Mühlen .) Leffing- Theater: Brüderlein fein."

Immer, wenn eine modische Kunstströmung mit ihrem Batein zu Ende ist, pflegt sich ein Zurückgreifen auf etwas, das früher in Schwonge war, wieder einzustellen. So ists mit der seit einiger Beit fünftlich heraufbeschworenen Biedermeierei. Auch gerade im leichten" Musikgenre. Mit der Veredelung der modernen Operette das haben alle Versuche gezeigt ist es nichts. Also spiel, als den typischen Ausdend eines fleinbürgerlichen Fa­werfen sich mehr oder weniger begabte Komponisten auf das Sing­nahm". Der folosiale, nun bereits mehrere Jahre ununterbrochen milienlebens von Anno dazumal, da der Grokvater die Großmutter andauernde Kasienerfolg des Dreimäderlbauses" reizi au Nach­ahmungen von ähnlicher Art. So kommt denn in dem Singspiel Brüderlein fein " von Julius Wilhelm abermals Aft- Wien zu Ehren. Und wieder dreht es sich um einen Muffer: weiland Komponist, Theater-, dann Domfapellmeister allda. Er mit seiner Frau sind auch die beiden Hauptrollenträger. Nichts weiter begibt sich, als daß sie ihren vierzigsten Sochzeitstag begehen. Mit lustig­elegischem Gedenken und ebensolchen Gefühlen und Träumen, die Um wieviel sind Sie doch größer und höherstehender als ich! sich aber doch nicht so recht mit dem Verzicht auf jegliche Daseins­freude abzufinden geneigt scheinen. Wie sehr müßten Sie mir als Beispiel dienen!*) Dies Zweiseelenleben gealterter Zeuthen hat Leo Fall reig­Doch welch Entsetzen habe ich gesehen, welch abscheuliche Züge voll in Tönen und Melodien aufgefangen, die sofort ins Chr fallen wurden mir von den glaubwürdigsten Leuten mitgeteilt! Man hat und noch länger im Gemüt fortschwingen. Brüderlein fein", eine gegen meine Heimat nicht Strieg geführt, hat sie mit Raub, Blün- altwiererische Weise bildet darin das Leitmotiv. Serumgruppiert derung und Mord verheert. Die Zivilisten sind noch schlechter be- find auch ebensolche Tänze, denen, wenn sie neu erfunden, ein­handelt worden als die Soldaten, man hat insbesonders gegen jene schmeichelnde Melodit und ein fein cearbeitetes Orcheſtergeiband Strieg geführt, die hilflos waren, und dies ist das Allerabscheulichste. eigen ist. Meist ist die anheimeinde Stimmung einer längst ver­Wie danke ich Ihnen, daß Sie so glühend das Recht verteidigen, gangenen Epoche vorzüglich getroffen. Das Finale flingt geradezu feierlich und schön. und insbesondere für Ihre Hingabe an mein Land. Friedrich Bermann ist auch der rechte Dirigent für der­gleichen musikalische Heimlichkeiten, wie Johannes Müller, der bewährte Schubert im Dreimäderlhaus", und Margarete Christians ein treffliches Alt- Ehepaar sind.

Verhaeren an Romain Rolland . Reeds, 44, Haedingley Lana, 3. Dezember 1914. Mein sehr lieber Romain Rolland !

Ich umarme Sie von ganzem Herzen,

Ihr Em. Verhaeren . Anmerkung Nomain Rollands: Ich gebe diesen Brief Ber­haerens bloß wieder, um feine rührende Bescheidenheit und Herzens­aüte zu zeigen: denn er war zwanzigmal besser denn ich. Wer hätte das Recht, ihm seinen leidenschaftlichen Schmerz selbst wenn er darin ungerecht wurde vorzuwerfen, ihm, der alles verloren hatte! Das regte meine Neugier denn doch zu sehr an, denn aus meinen Fronttagen von Ypern her war diese Farbe mir zu wohlbekannt. Ich ermannte, mich also und fragte mit leiser und vorsichtiger Stimme: Wer sind Sie denn?"

"

Der Kopf meines Gegenübers bewegte sich auf mich zu, der tiefer flappte einige Male und mit hohler, aber durchaus nicht erschreckender Stimme entgegnete er: Ich bin der, den du ohne Grund getötet hast!"

Unwillkürlich mußte ich lächeln, denn was heißt im Ringen der Kämpfe: grundlos getötet. Ich fragte also: Was soll das heißen: ohne Grund?"

"

Notizen.

ek.

als

Runstchronit. Gurlitt. Potsdamer Str. 113, eröffnet am Montag den zweiten Teil der Bechstein - Ausstellung. immer nur fühl, fast sachlich geantwortet hatte, da gestand ich mir, daß doch Liebe sei, was ich für Laune gehalten hatte. Und da aus den letzten Zeilen, die ich so traumverloren nun in Händen hielt, die drängende Sehnsucht nach Bestätigung meiner Gegenliebe mich traf, und dazu dieser stille Nachmittag mit Grinnerungs- und Zu­funfisbildern das kriegsharte Denten erweichte und ferne Mefodien es in Sanitheit hüllten, beschloß ich endlich, Luch all meine Liebe auch zu gestehen, ihr zu sagen, daß ich nicht gewagt hatte, zu ihr aufzubliden, wagte ich nun Luftschlösser zu bauen und fand ich an den Graben gelehnt, den Brief nun schrieb zarte und gute Worte für die solange schon geliebte. Ich glaube, ich habe zum Schluß noch ein paar Verse gemacht, so wundersam war die Stille, so wundersam sah es in meiner Seele aus. Und als ich so die Beilen gefüllt und froh atmend zum Himmel starrte, da gewahrte ich direkt vor mir im Grase ein Bündelchen nickender Glocken­blumen. Und da wurde mir der Gedanke, die mir zu holen. Ich pähte über die Deckung, und da auch bei euch alles zu träumen schien, schwang ich mich über die Brüstung und hatte bald eine Handvoll Glockenblüten in meinen Brief gepflückt, den ich dem Bauche liegend nun schloß. Als ich mich nun erhob, in den Graben zurückzukehren, da..."

-

auf

Der Fremde schwieg ganz plötzlich. Ich hatte mit Spannung und Erregung ihm zugehört. Ich kam mir sehr schlecht vor. Und" fragte ich endlich, der Brief...?")

Wieder begann jener: Du wirst dich jenes Sommernachmittags bei Hooge erinnern: als du an deiner Schießscharte standest, ge­wahrtest du, wie aus dem feindlichen Graben eine Gestalt sich hob, vorsichtig mit dem Kopf über die Deckung spähte, sich über die Deckung schwang und nahe dem Verhau sich in das Gras fallen ließ." Gewiß entsann ich mich: es war einer jener ruhigen Fronttage, die wir um diese Zeit damals dort oben verlebten. Ein Tag voller Sonne und Himmelsfreude. Die Kameraden saßen vor den Unter­ständen und Erdlöchern, ein blauer Himmel war über die ganze, sommerliche, granatzerjühlte, flandrische Gbene gespannt. Tausend leichte Heimatgedanken hatten auch meine Sinne durchzogen, und ich hatte, an die Brüstung des Grabens gelehnt, traumverloren in das Nicken des Grases vor dem Graben gestiert, bis dort drüben jene Gestalt sich erhob, rasch umherspähte und sich über die Deckung Es war ganz trostlos, als jener nun fortfuhr: Buch hat ihn schwang. Will der Kerl am hellen Tage herumpatrouillieren?" nie erhalten. Im Sturze hatte ich ihn fallen lassen, und als die dachte ich bei mir. Das wollen wir ihm verfalzen!" Und als nach Kameraden zur Nacht mich bargen, hatte ihn feiner beachtet. Er ist einiger Zeit der Kopf des anderen für mich gerade in Schußrichtung bei den Glockenblumen zu Staub geworden. Und Luch, sichst du, auftauchte, hatte ich blizschnell visiert und wie auf dem Schieß- sist nun daheim... und weiß noch immer nicht, daß ich so groß stande meinen Abzug mit wohlgefrümmtem Finger nach hinten ge- jic geliebt.... Und darum bitte ich dich, fremder Freund, schreibe zegen. Mit jähem Small peitschte das Geschoß die Stille, einige du ihr das alles. Und wenn es nach dem Ende dieses Mordens erst Kameraden schrafen zusammen, der Khalifarbene warf die Arme wäre: sage ihr, daß ich sie längst geliebt, daß sie der Halt meines empor und fiel- mir nun unsichtbar in eine Senfung vor dem Lebens war, als ich arm und nur mit meinem Talent in die feindlichen Graben. Kriegeschicksal, dachte ich bei mir.. Fabrik ihres Vaters eintrat! Sage ihr, daß sie alle Stunden um Das alles war blißschnell durch mein Denken geeilt, als mein mich gewesen, daß nur der Gedanke an sie mich das Grauen der nächtlicher Besucher sein Jufognito gelüftet hatte. Als er noch Schlacht überwinden half. Sage ihr, daß ich alles in mir ihr ge­immer schwieg, redete ich abermals: Ja, aber wie konnten Sie weiht hatte, daß sie der Tempel meiner Seele war. Und jage auch am hellen Das zu sagen," klang es aus den flappern ihr auch, daß ich ihr nicht zürne... sage ihr..." den Kiefern, bin ich ja hergefonimen. Du erinnerst dich also jenes Der Fremde hatte mit immer leiser werdender Stimme ge­Nachmittags, der uns nach schweren Stämpfen verdiente Ruhe sprochen... nun brach er plötzlich ab. brachte. Ich hatte am Vormittag einen Brief von Zuch erhalten, Ich hatte auf dem Nachttisch nach Streichhölzern gesucht, um jenem dunkelängigen blonden Mädchen, das die einzige Menschen- Licht zu machen und die Adresse zu notieren. jeele war, die auf dieser Welt an mich dachte, mich liebte. Es war wie stets die Versicherung, daß sie nicht aufhören werde, mir treu zu bleiben, mich zu lieben. Ich hatte dem Mädchen kange Unrecht

-

-

Im Grün von Büschen schimmerte ein Haus. Da mußte ich an Herta Hollander denken, und daß ich morgen ihr wieder die Hand reichen würde. Mein erster Gang sollte es sein.... Das Gefühl, sie wiederzusehen, erhöhte meine Freude. Es trieb mich heim.... Unterwegs grüßten am Wegrain leise schaukelnde Wiesenblumen. Ich suchte die blauen Kelche der zarten Glocken­blumen, die Herta so liebte, und band sie zum Strauß. Als ich heimfam, war es Nacht. Meine Hausfrau empfing mich noch und reichte mir einen Strauß, den man abgegeben hatte. Es waren die nämlichen blauen Glockenblumen, die ich in Händen hielt.... Ich mußte, woher sie kamen. Mein Jimeres sang, welch Gruß der Heimat! Der Liebe! Ich saß noch lange still und versonnen am Fenster, vor mir die Vase mit den zarten Kelchen, die ich ver­einigt hatte, und durch die der Nachtwind mit leisem Kosen fuhr. Als ich zur Ruhe ging, stellte ich die Blumen auf den Marmor des Nachttisches. Mitten in der Nacht erwachte ich von dem Gefühle, nicht allein in meinem Zimmer zu sein. Der Mond, der schief über den Giebeln der jenseitigen Häuser hing, ließ seine bleichen Strahlen in breitem, zitterndem Band über die Dielen tanzen. Ich blickte nich halb im Traume noch langjam um. Blöblich zuckte ich zusammen: neben mir auf dem Bettrande saß ein Mensch! Und mein Herzschlag drohte auszusehen, als ich, genauer hinblickend ge­wahrte, daß er den knochigen, hautlosen Kopf eines Toten trug, in dem die dunklen, leeren Augenhöhlen gespenstisch schreckten. Ich wagte nicht, mich zu rühren; auch die Gestalt rührte sich nicht. Sie hatte die Knochenhände wie es schien ganz behaglich im Schoße gefaltet und ließ sich nun das fahle Mondlicht über das eingefallene, fnochige, kurze Nasenbein tanzen. Als nach einer guten Weile, während welcher ich vergeblich auf eine Anrede des getan. Ich hatte immer geglaubt, nur eine Laune, eine Spielerei fremden Gastes gewartet hatte, das Mondlicht tiefer fiel, gewahrte hätte sie zu dem armen Angestellten im Hause ihres reichen Vaters ich, daß der Fremdling die Shafiuniform eines Engländers trug. I getrieben. 13 aber jeder Brief mir das nämliche sagte, obwohl ich

-

-

1

-

Luch..." tönte es noch ganz schwach an meiner Seite. " Ja," sagte ich. Und...?"

Er antwortete nicht.

Als ich aufblickte, war mein Besuch verschwunden. Das Mondlicht stand fahl auf dem Strauße der milchig schim menden Glodenblumen.