1. Jahrgang. Nr. 66.

Donnerstag, 17. November 1921.

Sozialdemokrat

Bentralorgan der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republik.

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Die Rede eines Bieder­mannes.

auch darin, was man verschweigt? Und doch häuften Wortfülle auch nur einigermaßen Staates, die inneren und äußeren Berhält­zeigt Dr. Benesch ein beachtenswertes Ta- Rechnung je getragen hätte. Die Haltung nisse, das Verhältnis der Nationen zu lent für die Stunft, an den Dingen vorüber- Benesche in der Frage der Teilung Ober- einander. Das Ausleben seiner sanguini­zureben und sie nicht sehen zu wollen! An- schlesiens ist vielleicht das traurigste, aber schen Natur wäre ihm als Privatmann Als Einleitung zu den Verhandlungen gesichts des Umstandes, daß das Parlament nicht das einzige Kapitel aus der Geschichte neiblos zu gönnen. Von dem verantwort über das Budget hat der Ministerpräsident vor die vollendete Tatsache der Mobilisierung der Handlungen, die uns die Entfremdung lichen Ministerpräsidenten und Außen­Dr. Benesch eine Rede gehalten, die vorgestellt wurde, ist das Pathos, mit dem er Deutschlands zuzogen. minister fann gefordert werden, daß er die wiegend der Betrachtung der äußeren Bo- beteuert, nichts ohne Wissen der National- Herr Dr. Benesch sieht alles in rosarotem Dinge sieht, wie sie sind. litik der Tschechoslowakei gewidmet war bersammlung zu tun, immerhin eine er- Lichte: die Gegenwart und die Zukunft des und wohl auch dem Zwecke diente, bis staunliche Leistung. Stimmung der Mehrheit heben Aber so vorsichtig Herr Dr. Benesch seine

bren Mppetit zur Winnahme bes Budgets zu Borte abroägt und ausjucht, so hat er esDie Rede des Ministerpräsidenten.

Der Karlputsch.

dieser Ereignisse, sowohl vom Standpunkte der inneren als auch der äußeren Politik aus. Es sei bereits hier fonstatiert, daß wir unser 3ie! erreichten.

qut informiert und fahen nicht dieses doppelte Spiel. Wie bekannt, beschränkte sich ihr erster Beschluß nur auf die Person Karls.

Die Verbündeten und die kleine Entente. Im Westen weiß man noch nicht genügend, daß die Rückkehr der Habsburger die Hüffehr eines für die befreiten Völker in Zentraleuropa nicht annehmbaren politischen Systems bedeute. Sie bedeutet daher einen neuen Kampf um dieser Völker. Dadurch entstanden am Anfange Freiheit, Demokratie und staatliche Existenz

erhöhen. allem hatte aber Dr. Benesch doch nicht gelernt, Widersprüchen wohl die Absicht, zum Fenster des Staates weichen. Die von verschiedener Seite" ge hinaus zu sprechen, damit das Ausland machte Einwendung, daß die Kleine En wieder einmal in Ehrfurcht und Bewunde- tente auch ohne Mobilisierung in der unga- Beute, wo nach der Krise wieder normale rung über die profunde Weisheit und aus- rischen Frage alles erreicht hätte, weist er 3eiten eintreten, erachte ich es für meine bündige Gerechtigkeit, mit der dieser Staat zurüd, gleichzeitig beteuert er aber auch, daß Pflicht, dem hohen Hause Bericht zu erstatten regiert wird, erschauere. Es steht tatsächlich die Sleine Entente in vollem Einver- über den Charakter und die Entwickelung zu befürchten, daß ein naiver Ausländer, nehmen mit der Großen Entente vorge­der diese Rede liest, sofort seine Stoffer paden gangen sei und er sagt: Es ist auch not und in die Tschechoslowakei reisen wird, um wendig, die große Silfe hervorzuheben, teilzunehmen an den Glüdszuständen dieses welche uns seitens unserer großen Verbün­Staates, dessen Geschide, gleich Solon und beten zuteil wurde." Da dies alles iſt, fich Erkönig Karl zur Rückkehr nach Ungarn Die tschechoslowakische Regierung wußte, daß Lykurg, weise Staatsmänner lenten, in was Dr. Benesch der großen Entente an vorbereite. Sie war nicht nur genau über die dem, wie er vermuten muß, ein neues Lob zu spenden weiß, so wird man danach gesamte farlistische Propaganda und Agitation perifleisches Zeitalter hereingebrochen ist das Maß der zugewendeten großen Hilfe im Auslande unterrichtet, sondern sie hatte nen Entente auf der einen und den Mäch und wo die Gerechtigkeit in Strömen fließt. einigermaßen abzuschäßen vermögen. Tat- auch Kenntnis von den vertraulichen Rundge- ten der Verbündeten auf der anderen Herr Dr. Benesch hat im Schönfärben schon sächlich wird jeder, der scharfhörig ist, in der bungen Karls selbst. Ich teilte einigemale der Seite. Bei den Verhandlungen mit der großen manchen Rekord erzielt, aber in dieser Nede, Rede ein wohlabgetöntes Grollen der Un- ungarischen Regierung mit, was folgen würde, Entente erfannten die Verbündeten unsere An­die von Biedersinn wie ein Schwamm voll- zufriedenheit über die Haltung der großen fals Start zurüdtehrt: es werde eine internation

hat.

achtet in Ungarn eine zweideutige Po­

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ich ten zwischen den Mitgliedern der klei­gewisse Verschiedenheitender An­

Was die Ausschließung aller Habsburger betrifft, ist die Botschafter- Konferenz der An­ficht, daß sie mit Hinsicht auf ihre Entschei dungen vom 4. Feber 1920 und vom 1. April 1921 berechtigt ist, diefelbe von der ungari schen Regierung zu verlangen."

gesogen ist, hat er sich wahrlich selbst über- Verbündeten" herauszuhören vermögen. Der nale Strise ausbrechen, in welcher wir uns das schauung völlig an, und so tam es zu einem ge genseitigen und vollständigen troffen. Die Oeffentlichkeit des Auslandes Ministerpräsident weiß auch diesen Tadel für einsetzen werden, daß Karl ausgeliefert und ebereintommen über ein gemeinsames wird nun überzeugt sein, daß diese Regie- vorsichtig in Watte zu hüllen. So sagt er die Frage der Habsburger ein für allemal be- Borgehen. Im Laufe des Samstags, b. i. am rung fein anderes Streben fennt, als in der an einer Stelle, daß die Verbünde- endet werde. Ich bedavere, daß deſſen unge 29. Oktober, befaßte sich die Botschaftertonferenz Tschechoslowakei den Angelpunkt für den ten anfangs nicht gut infor fitit getrieben wurde. Zwei Tage ver An- mit dem Standpunkte der Staaten der Kleinen Frieden der Welt zu schaffen, daß sie Tag micrt waren". An einer anderen An einer anderen funft Karl Habsburgs erflärte fich Ministerprä- Entente und fällte die Entscheidung, und Nacht angestrengt für das Wohl aller Stelle:" Dadurch entstanden am Anfange fident Graf Bethlen für einen Karlisten, welcher welche mir von den Vertretern der verbündeter ben Staat bewohnenden Nationen forgt gewisse Verschiedenheiten der nur auf einen günstigen Moment wartet. bis Großmächte in Brag Sonntag abends, den 30. und daß die in der Diplomatie so lange Ansichten zwischen den Mitgliedern der Karl auf den Thron zurückkehrt; General Sege- Dtober überreicht wurde, und in welcher im Wesen folgendes mitgeteilt wurde: grausam verfehmte Biederfeit nun endlich Kleinen Entente auf der einen und den düs, der spätere Chef der Armee Karls, war Wesen folgendes mitgeteilt wurde: bei uns eine würdige Heimstätte gefunden Mächten der Verbündeten auf der anderen offizieller Vertreter der ungarischen Seite." Noch schärfer wird Dr. Benesch in Regierung bei der Kommission der Generäle in Die Rebe Dr. Beneschs ist auf den Ton folgenden Säßen: Es hat nicht viel Dedenburg, Dr. Grat, nachmaliger Minister der innigsten Zufriedenheit abgestimmt. Er gefehlt und Europa hätte nicht arls, war offizieller Vertreter der ungarischen ist mit den Zuständen im Staate zufrieden, einmal jeßt die Tragweite Regierung bei den Verhandlungen über das mit der Gestaltung der Dinge im Ausland, dieses Versuches( gemeint ist der Burgenland , Graf Apponyi , welcher seine mit der Haltung der Entente und vor allem Start- Putsch) begriffen... Vielleicht sieller Vertreter beim Völker Botschafter- Konferenz, welcher die Absichten keinesfalls geheimhielt, war offi- In der Note wird weiters angeführt, daß die mit sich selbst. Er beschränkt sich nicht darauf, wird auch dies eine Belehrung für bunde, er verhandelte mit Start und bereitete Pflicht obliegt, die Durchführung der Friedens über sein Wirken als Außenminister zu be- Europa bedeuten... Man seke statt feine Anfunft vor; es ist ebenfalls bekannt, daß verträge überhaupt zu überwachen, auch für richten und es zu rechtfertigen, sondern er Europa " die Worte Große Entente" und die ungarische Regierung offiziell die Durchführung des Friedens spendet sich dafür auch Lob in reicher Fülle. man hat das Geständnis, das Dr. Benesch der schweizer Regierung mitteilte, daß fie Karl von Trianon sorgen werbe, und daß Wiewohl in diesem talten Selima Lors als geschworener Feind der Geheimdivlo- für ihren König anfehe es solle darnach die Verbündeten nur einen Vorteil darin er beeren kaum gedeihen. widmet Dr. Benefch matie so ängstlich behütet und dessen In- mit ihm umgegangen werden. Ungeachtet dessen, bliden, wenn die Staaten der fleinen Entente sich und seiner Politik eine Fülle dieses halt man längst weiß, daß die Große En- daß die Botschafter- Stonferenz in der Angelegen- die Möglichkeit haben werden, die die Ab­Ruhmeslaubes, daß man fast von Ber- fente in der ungarischen Frage sich lange beit der Sabsburger bereits zweimal, im Vor- rüstung Ungarns betreffenden Arbeiten schwendung sprechen könnte. Man muß schon Beit im scharfen Gegensatz zur Kleinen En- jahre und heuer im Frühjahre, eine bindende zu verfolgen und im Rahmen der Dispositionen die Frage stellen, ob der Herr Ministerbrä- tente befand und das erst nach der Mobili- Entscheidung traf und dieselbe der ungarischen des Friedens von Trianon an denfelben te il­daß Regierung mitteilte, trieb diefelbe diese Politik au ne y men; endlich daß die Konferenz vor fident wirklich daran glaubt, auch hierzu- fierung ein Umschwung der Meinungen der ausdrücklich gegen die Entscheidung der Ver- läufig feine rechtliche Basis für eine Entschädi lande für die der Politit des Staates und großen Verbündeten" eintrat. Wären sie bündeten weiter. gung für unsere Mobilisierung fand. bessen inneren wie äußeren Lage so reich von allem Anfang an auf Seite der Sleinen Als sich die Vertreter der verbündeten Mächte lich augebachten Lobsprüche Gläubige zu Entente gestanden, so hätte es wahrhaftig zum erstenmale am Samstag, den 22. Oftober dann die Botschafter- Konferenz bic Mit Rüdficht auf diese Antwort ersuchte finden. nicht der Mobilisierung bedurft, um Horthy mit dem Broteste der Verbündeten gegen die Staaten der kleinen Entente, bon militäri Mit falbungsvollem Augenaufschlag be- zum Nachgeben zu bewegen und es wäre Ankunft Starts bei Admiral Sorthy einfan- ichen Maknahmen abzusehen. Wie teuert Dr. Benesch: Wir schließen keine bann gewiß der Putschversuch überhaupt den, erflärte er, daß den gekrönten tönig befannt, wurde unsere Mobilisierung Sonntag, Geheimverträge und treiben keine Geheim unterblieben. Worte vermögen biel, aber die in Ungarn niemand antasten werde. den 23. Oftober entfchieben und begann gleich politik! Wir unternehmen nichts ohne Wahrheit können sie doch nicht aus der Welt Am nächsten Tage dagegen, als einer der Ver- am nächsten Tage. Wissen der Nationalversammlung!" Erin schaffen. Recht unfreiwillig macht die Rede bündeten- Gesandten abermals protestierte, ließ Aus der Note ist ersichtlich, daß die Stonferenz nert sich Dr. Benesch nicht des berühmten des Ministerpräsidenten dieses Eingeständ- sich Admiral Horthy zum Auftreten gegen Karl Memoires III? War das keine Geheim- nis. bewegen, in erster Reihe auch infolge des Sin in den hauptsächlichen Fragen unseren Stand­diplomatie? Weiters der Vertrag mit Po Wie sich Dr. Benesch um klare Tatbe- weises auf den Umstand, daß die Tschecho- punkt anerkannte. Dessen ungeachtet war es notwendig in der Aktion fortzu­len, der bis num im Wortlaute nicht be- stände herumzubrüden weiß, erweist auch slowakei und Südslawien mobilisieren. fannt ist? Sält er die Nichtveröffentlichung jener Teil seiner Rede, der von dem Ver- fie sich selber in Gefahr befand, genötigt war au Verzögerungen gesucht würden. Als dann die ungarische Regierung, nachdem fahren, damit in Budapest keine Vorwände zu bieses Vertrages für den Anbruch einer hältnis der Tschechoslowakei zu Deutſch gegen Karl aufzutreten, versuchte sie der Welt Am 3. November wurde den Mitgliedern bet neuen Aera der Diplomatie? Und erst ber I and spricht. Er sehe keinen Grund, nicht ihre Loyalität zu beweisen und die weitere At- fleinen Entente eine neue Entscheidung Inhalt seiner Reben, die wie Stautschut einige flare Woric" darüber zu sagen. tion auf das Wegführen Starts aus Ungarn zu der Botschafter- Sonferenz mitge anmuten und aus denen man meist alles Nun die klaren Worte"! Es ist allerdings beschränken, ähnlich wie im April 1921. Sie ver- teilt, laut deren das Dethronisationsgesetz bis und nichts herauslesen tann! Ist sein eifri- unendlich flar", wenn er sagt, Deutschland shie auch zu beweisen, daß eine iebe weitere zum 8. November durchgeführt sein und Karl ges Bestreben, sich in die Sunft einzuleben, fei unser größter Nachbar", aber die Kon Aktion unsererseits überflüssig ist und daß die den Verbündeten ausgeliefert und abtranspor mit Worten zu streiten, mit Worten nichts ftatierung dieser schon einigermaßen be- eine Entente der Friedensstörer in Zentral tiert werden sollte. Gleichzeitig wurde der un zu sagen und mit Worten Absichten und fannten Tatsache besagt ebensowenig, wie europa sei. garischen Regierung durch eine besondere Note Die Politik der fleinen Entente begriff diese vom 2. November diese definitive Entscheidung Tatsachen zu verschleiern, nicht Geheim- es Worte tun, als da sind: unser Verhältnis biplomatie der ältesten Schule? Und weiß zu Deutschland ist offen und unzwei- Situation, mußte auf den Charakter bifer Erbekanntgegeben und betont, daß im Falle ber er nicht, oder will er es nicht wissen, baß beutig" anständig"," vernünftig"," freund- ignasse hinweisen und die ganze Angel genheit Nichtbefolgung derselben die Botschafter- Konfe renz die Verantwortung für die Konsequenzen, Geheimdiplomatie nicht nur in bem bestehen schaftlich"," korrekt und loyal"." Bisher Tie Borgänge gaben uns Recht, denn auch die welche dadurch für Ungarn erstehen würden, ab­muß, was und wie man etwas sagt, sondern sah man nicht eine Tat, die dieser ge- Berbundeten waren anfangs nicht lehne.

zu Ende führen.